Festkolloquium 15 Jahre Studentenzirkel Speläologie
Bergakademie Freiberg 1980                     S. 37-45

Dieter Mucke, Reinhard Völker, Siegbert Wadewitz (†)

Kuppelbildung in episodisch überfluteten Höhlendecken 1)

Problemstellung

Die lösende Wirkung aus der Luftfeuchtigkeit kondensierenden Wassers auf Decken und Wände von Höhlen ist schon lange bekannt: die Entstehung der kleinen Alveolen oder Grübchen unter dem Einfluß einzelner Wassertropfen ist in vielen Höhlen direkt beobachtbar. Ebenso werden dezimeter- bis metergroße, halbkugelförmige, konvexe Hohlformen in Thermalhöhlen (z.B. Palvölgy-Höhle, Budapest) auf die Wirkung von Wasserdampf zurückgeführt.

Größere konvexe Hohlformen (Kolke) an Decken und Wänden normal temperierter Karsthöhlen wurden zunächst ausschließlich durch erodierende Wirkungen des Wassers erklärt. Seit der Erkennung der Rolle der Mischungskorrosion durch BÖGLI erwies sich ein großer Teil solcher Kolke als auf diese Weise entstanden.

Zu axialsymmetrischen, bienenkorb- oder glockenförmigen Hohlformen in der Höhlendecke führen auch traubenförmige Ansammlungen von Fledermäusen unter der Wirkung ihrer Ausdünstungen und Exkremente - direkt beobachtbar z.B. in den bulgarischen Höhlen Orlova šuka und Ponora, in der jugoslawischen Skocjanska jama oder der rumänischen Höhle Meziad. Dieser Vorgang sollte auch beim Auftreten solcher Formen in Höhlen in Erwägung gezogen werden, in denen zwar heute keine solchen Fledermauskolonien mehr vorkommen, aber durchaus in früheren Stadien der Höhlenentwicklung dort gesiedelt haben können, wie z.B. in der bulgarischen Höhle Magura bei Rabiča. Charakteristisch für diese Hohlformen ist neben ihrer idealen axialen Grundsymmetrie eine zentrifugal orientierte (d.h. nach außen und unten gerichtete) Kannelierung.

Eine Beobachtung in der bulgarischen Höhle Bankovica (im Karstgebiet von Karlukovo, nahe dem Iskerdurchbruch) führte uns zu einer Hypothese (MUCKE & VÖLKER 1978), die nachfolgend dargestellt und untermauert werden soll.

Die Karsthöhle Bankovica ist durch episodische Überflutung infolge Rückstau bei extremen Niederschlägen charakterisiert. Die überschwemmten Höhlenwände und -decken werden, dabei von braunem Lehm überzogen. In einigen Höhlenteilen waren in der Decke scharfe, kreisrunde Grenzflächen zwischen glatter, braun überzogener Wand und sauberer, aber rauher Decke zu beobachten, Darüber befinden sich glockenförmige Hohlformen mit Durchmessern und Höhen von einigen Dezimetern bis Metern. Die Wände dieser Kuppeln sind aus Kalkstein gebildet, der absolut frei von lehmigen Bezügen ist. Die horizontale Grenzfläche stellt einen Spülsaum dar, an dem organische Reste (Gras und andere kleine Pflanzenteile) haften. Die meisten Kuppeln sind frei von sichtbaren, hydrologisch wirksamen Klüften. Diese Kuppeln sind - einschließlich ihrer Spülsäume - in unterschiedlicher absoluter Höhe ausgebildet. Ihre Lage zeigt eindeutig, daß heute mit steigendem Wasserspiegel Luft in ihnen eingeschlossen bleibt, die nicht entweichen kann. Das erklärt die scharfe, horizontale Grenze zwischen lehmig überzogenem unteren Teil und sauberem Kuppeloberteil.

Die Entstehung dieser Kuppeln stellen wir uns so vor:

In Inundationsphasen steigt das Wasser in der Höhle an. Infolge Ausbruch von Blöcken oder in Form kluftgebundener Korrosionskolke gibt es an nach innen geneigten Wänden und an der Höhlendecke stets nach oben geschlossene Hohlformen unterschiedlichster Größe, in denen Luftblasen eingeschlossen bleiben (das ist auch beim Tauchen in Höhlengewässern direkt sichtbar). Mit steigendem Wasserspiegel wird die eingeschlossene Luftblase lediglich dem hydrostatischen Druck entsprechend komprimiert. In der Luftblase stellt sich ein bestimmter Wasserdampfdruck ein. Bei einer Temperaturdifferenz zwischen Höhlenwand und Wasser kommt es zur Kondensation; das kondensierte Wasser wirkt lösend. Die Temperaturdifferenz zwischen kühler Höhlenwand und Standwasser nach warmen Sommerregen dürfte für eine solche Kondensation ausreichen.

Zum Auftreten von Kondenswasserkuppeln

Nach Beobachtung und Interpretation der von uns so genannten Kondenswasserkuppeln in der Höhle Bankovica haben wir zielgerichtet andere Höhlen daraufhin untersucht. Axialsymmetrische Kondenswasserkuppeln sind auch in anderen Höhlen verbreitet, die (im Kuppelbereich) gefügeisotope Kalksteine als Muttergestein haben. Dazu gehört z.B. die Höhle Coleboiaja im Bihorgebirge Rumäniens (WADEWITZ). Musterbeispiel ist die Schauhöhle Orlova cuka in der Nähe von Ruse, für deren Flußtunnel Decken charakteristisch sind, die aus vielen, sich gegenseitig anschneidenden Kondenswasserkuppeln bestehen. Sie erreichen bis zu 2 m Durchmesser und haben flache, rotationsparaboloide Decken. Interessant ist hier, daß einige Kuppeln primär an Klüften angelegt, in ihrer Entwicklung aber dezimeterhoch über diese Klüfte hinausgewachsen sind. Sie wurden also durch Mischungskorrosion angelegt und haben sich zu Kondenswasserkuppeln weiterentwickelt.
In gefügeanisotropen Kalksteinen kann die axiale Symmetrie der Kuppeln zur orthorhombischen erniedrigt werden. So gibt es in der Drachenhöhle Syrau (DDR) in den devonischen Flaserkalken (Kalkstein/Tonschiefer-Wechsellagerung) parallel zur Schichtung gestreckte Kuppeln mit nahezu horizontaler Decke.
Die Symmetrie der Kuppeln kann weiter durch eine Fließbewegung des Wassers bis zur monoklinen oder im Extremfall zur Asymmetrie erniedrigt werden, weil die Luftblasen bei der Fließbewegung gestreckt werden. Solche Kuppeln, die durch horizontale Decken bei insgesamt in der Fließrichtung gestreckten Formen charakterisiert sind, gibt es z.B. in einem bei stärkerem Wasserzudrang überfluteten Flußtunnel in der Hermannshöhle zu Rübeland/DDR.

Die von uns in den letzten 3 Jahren in Kalksteinhöhlen beobachteten Kondenswasserkuppeln überschreiten nicht Durchmesser und Höhen von 2 m. Weitaus größere Kuppeln haben wir dagegen in Gips- und Anhydrithöhlen festgestellt, z.B. vereinzelte in der Optimistišeskaja (Podolien, UdSSR), vor allem aber in den permischen Sulfatkarsthöhlen südlich und, östlich des Harzes (DDR). Die als "Schlotten" bezeichneten Großhöhlen befinden sich tief unter den oberirdischen Vorflutern (die meisten von ihnen bis 100 m unter der Oberfläche). Sie bilden verzweigte Labyrinthe und Hunderte Meter lange Züge großer Hallen in Anhydrit oder Gips. Hier sind ideal axialsymmetrische, glockenförmige Kondenswasserkuppeln ausgebildet, die Durchmesser von wenigen Dezimetern bis zu einigen Dekametern erreichen. Die meisten haben Durchmesser und Höhen zwischen 5 und 10 m. Diese Kuppeln schneiden sich gegenseitig an und im Endstadium können pfeilerartige Reste an der Decke hängen bleiben. Eine jüngere Ausfüllung mit Sedimenten bis zu 15 m Mächtigkeit läßt die großen Hallen heute als Labyrinth von Kuppeln erscheinen.

Theoretische Betrachtung zur Kondenswasserkorrosion

Die ausführlich analysierten Einflußfaktoren und Voraussetzungen für die Kondenswasserkorrosion (WADEWITZ) sollen hier zusammenfassend dargestellt werden.

Kondenswasser bildet sich an festen oder flüssigen Kontaktflächen mit der Luft, wenn an der Grenzfläche die Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit überschritten wird.
Voraussetzungen für die Kondenswasserkorrosion als hohlraumbildender Prozess sind also

  • Wasser mit höherer Temperatur als die Höhlenwand und
  • eingeschlossene Luftblasen.
In dem luftgefüllten Hohlraum laufen nun folgende Prozesse ab:

Es verdunstet von der freien Wasseroberfläche soviel Wasser, bis sich der für die Lufttemperatur charakteristische Dampfdruck eingestellt hat. Bei Wasserhöhen um 10 m (= 1 at Überdruck) wird der Sättigungsdampfdruck von Wasser in Luft nicht wesentlich beeinflußt. Er liegt für Wasser mit Oberflächentemperaturen von 10 ... 30°C bei 1 ... 4 kpa (0,01 ... 0,04 at). Bei diesen Vorgängen bildet sich an der Wasseroberfläche eine mm-starke Diffusionsschicht aus, die die Geschwindigkeit der Verdunstung verzögert. Diese Schicht wird in freien Gewässern mit zunehmender Windgeschwindigkeit abgebaut. Unter den diskutierten Bedingungen könnte die Schicht durch turbulentes Fließen gestört werden. An der kühlen Höhlenwand kondensiert ein Teil des Wasserdampfes. Die Kondensationswärme wird vom Gestein abgeleitet. Das Fehlen von alveolenartigen Grübchen weist darauf hin, daß sich in den Kuppeln keine Tropfen, sondern Wasserfilme bilden. Das Kondenswasser löst nun das Gestein der Höhlenwand. Auch hierbei bildet sich eine Diffusionsschicht heraus, die durch das schwerkraftorientierte Abfließen des Wassers gestört wird. Das Kondenswasser kann soviel Gestein lösen, wie der Löslichkeit bei der entsprechenden Temperatur entspricht. In Kalksteinhöhlen wird dabei der CO2-Partialdruck in der eingeschlossenen Blase von Bedeutung sein. Er wird durch die Kompression der Luft infolge des hydrostatischen Druckes stark erhöht und möglicherweise durch die Zersetzung des eingeschwemmten organischen Materials in der Höhle überhaupt größer sein als an der Erdoberfläche.

Das (kühlere) Kondenswasser fließt an der Höhlenwand wieder ab. Die Lufttemperatur wird aber ständig wieder vom Höhlengewässer erwärmt. So bleibt die Prozeßkette Verdunstung/Kondensation/Lösung/Abfließen der Lösung wirksam, solange noch genügend Wasser mit erhöhter Temperatur vorhanden ist. Dabei entsteht ein Hohlraum mit einer Kontur, die Ergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Streben der Luftblase nach kleinster Oberfläche (Kugelform), dem Auftrieb als vertikal nach oben gerichtetem Vektor (im Ergebnis Rotationsparaboloide) oder zusätzlichen vektoriellen Kräften (wie Strömung des Wassers, oder Anisotopie des Nebengesteins) ist.

Die Wirksamkeit des Prozesses ist entschieden abhängig von der Einwirkzeit und der Temperaturdifferenz zwischen Höhlenmuttergestein und Wasser. In wärmeren Ländern bieten Überflutungen nach sommerlichen Regenfällen günstige Bedingungen. Allgemein dürften Eiszeiten für die Kondenswasserkorrosion günstig gewesen sein. Als heute noch wirksamen Vorgang haben wir die Kondenswasserkorrosion bisher nur in den Höhlen Bankovica und Coleboiaja beobachtet. Das verwundert nicht - ist dieser Vorgang ja an die schwer zugängliche Grenzfläche vadoser/phreatischer Bereich gebunden. Am besten ist er als fossile Form in längst trockengefallenen Höhlenstockwerken zu beobachten, kann dort aber durch nachfolgende Prozesse (wie Sickerwasserkorrosion, Fledermauseinwirkung) überprägt sein.

Einige grobe Schätzungen sollen die möglichen Abtragsraten verdeutlichen.
Auf der Basis der empirischen Gleichung


m = (25 + 20 w) (xS - XL)

werden vereinfachend folgende Bedingungen angenommen:
  • 70 mg CaCO3/l Sättigungskonzentration bei 0,03 % CO2 in der Normalluft und 1 at Überdruck
  • Windgeschwindigkeit w = 0 m/s; Vernachlässigung der Strömungsgeschwindigkeit
  • Wassertemperatur 20 °C
  • Lufttemperatur 17 °C
  • Verdunstende Fläche ist freie Wasserfläche mit konstanter Temperatur tW und damit feststehendem Wasserdampfdruck PS sowie bestimmter Feuchte XS = 15,19 g H2O/kg Luft
  • Feuchte der Luft bei 17 °C XL = 12,54 g H2O/kg Luft
  • Vollständige Sättigung des herabrinnenden Kondenswassers mit Kalziumkarbonat oder -sulfat
Daraus ergeben sich die in Tabelle 1 dargestellten Werte.

Sie stimmen zunächst mit der Beobachtung überein, daß die durchschnittliche Größe der Kondenswasserkuppeln in Sulfatkarsthöhlen um eine Zehnerpotenz höher ist als die in Karbonatkarsthölen. Sie zeigen weiterhin, daß geologische Zeiträume zur Bildung dieser Formen erforderlich sind und ihre Entstehung weniger in episodisch überfluteten Höhlenteilen vor sich geht, als vielmehr im Zusammenhang mit den normalen Spiegelschwankungen der Höhlenflüsse bei der Anlage der Höhle gesehen werden muß.

Mit dieser Hypothese über die Bildung bestimmter Decken- und Wandkolke durch die Wirkung von Kondenswasser in eingeschlossenen Luftblasen soll keinesfalls die Existenz von Kolken, die durch Mischungskorrosion entstanden sind oder die von Strudelkolken in Frage gestellt werden. Wir möchten vielmehr die Aufmerksamkeit auf einen weiteren genetischen Typ von Decken- und Wandkolken lenken, der nicht nur für Thermalhöhlen charakteristisch, sondern auch in normalen Karsthöhlen ungewöhnlich stark verbreitet zu sein scheint.

Tabelle 1: Abschätzungen zur Dicke der durch Kondenswasserkorrosion in 1000 Jahren gelösten Schichten in Gips- und Kalksteinhöhlen

Wassertemperatur °C
10
20
Lufttemperatur °C
9
9
19
17
10
Höhe der verdunsteten
Wasserschicht mm
110
320
880 
210
580
1600
Dicke der gelösten Gipsschicht mm/1000a
92
270
730 
180
480
1300
Dicke der gelösten Kalksteinschicht mm/1000a
2
7
19 
5
12
34

Quellen:

MUCKE, D.; VÖLKER, R.:Kondenswasserkorrosion. Jahrbuch des Höhlenforschers 1978
WADEWITZ, S.:Chemische und physikalischeAbschätzungen zur Kondenswasserkorrosion. FUNDGRUBE (im Druck), Berlin.

1) Vortrag, gehalten auf der Europäischen Regionalkonferenz für Speläologie Sofia 1980 (Cupola formation in occasionally inundated cave roofs)

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