Festkolloquium 15 Jahre Studentenzirkel Speläologie Bergakademie Freiberg 1980 S. 57-63 Manfred Kupetz Schlangengipsbildungen im Werra-Anhydrit bei Rottleben/Südkyffhäuser In der Zeit von Mai 1979 bis April 1980 wurde von M. BRUST (HFG Sondershausen des DWBO) und M. KUPETZ mehrfach die Barbarossa-Höhle befahren. Dabei wurde mir eine eingehende Fotodokumentation und die Aufsammlung von Proben des sogenannten Schlangengipses ermöglicht. Zu den makroskopischen Gefügen im Werra-Sulfat gehören u.a. einige Fältelungstexturen von Anhydritlagen. Unter der Bezeichnung Modulationsgips, Gekröse, Schlangengips, Schlangenalabaster sowie enterolithische Deformationen wurden sie mehrfach in der Literatur beschrieben. SENFT (1876) macht für ihre Bildung die treibende Wirkung von Kohlensäure und Schwefelwasserstoff verantwortlich, welche sich unter dem Einfluß von Feuchtigkeit und Sauerstoff aus den Bitumenlagen im Anhydrit entwickeln sollen. HERTHUM (1886), SPANGENBERG (1897) u.a. deuten sie als Quellung primär abgeschiedenen Anhydrites unter dem Einfluß von Oberflächenwässern. In weiteren Ausführungen erklärt HERTHUM (1886) jedoch die Fältelungen als Wellenrippeln. Unter Berufung auf das Vorkommen von Gekrösestrukturen im Anhydrit, erstmals beschrieben von HAMMERSCHMIDT (1883), lehnt v. GAERTNER (1932) die Quellungstheorie ab. Eine Wiederbelebung erfuhr sie durch GOTTESMANN (1964) und LOBST, MUCKE, VÖLKER (1979). Danach könnte die frühdiagenetische Umwandlung primär abgeschiedenen Anhydrites Ursache der Gekrösebildung sein. Durch Dehydratation des Gipses liegen die Gefüge heute in Anhydriterhaltung vor und wurden durch Anhydritblastese während dieses Vorgangs teilweise verändert. Die Bildung eines Teiles der Fältelungen durch subaquatische Rutschungen (Sedimentgleitung) wird von RINNE (1914), v. GAERTNER (1932), RICHTER-BERNBURG (1955), HERMANN, RICHTER-BERNBURG (1955), LANGBEIN (1968) und MEIER (1975) erwogen oder belegt. Für die paketweise Kleinfältelung eng und feingestreiften Anhydrites (Laminit) nimmt RICHTER-BERNBURG (1955) ebenfalls Sedimentgleitung an, während sie MEIER (1975) als syngenetische Gipsblastengefüge anspricht. JUNG (1958) deutet diese Erscheinung als Wellenrippeln. Makroskopische Beobachtungen am oberflächlich meist vollstänndig vergipsten Werraanhydrit (vgl. MEIER, v. HOYNINGEN-HUENE 1976) ermöglichten, rein beschreibend mindestens vier sowohl im Anhydrit als auch im Gips auftretende Texturtypen auszuhalten (siehe Bild). 1. Darmzottenartige Fältelungen Im stark geperlten Gips des Oberen Perllagenanhydrites (nach v. HOYNINGEN-HUENE 1957) treten gelegentlich einzelne, bis einen cm mächtige, rein weiße Gipslagen auf. Eine solche Lage ist über mehr als 20 m hinweg drei bis fünf cm hoch zweidimensional darmzottenartig eingeengt. Im Schnitt senkrecht zur Schichtung erscheinen beulenartige und aufrechte Isoklinalfaltenbilder, schichtparallel Gehirnwindungen ähnliche Bilder. Die Mächtigkeit der gefälteten Lage schwankt auf kürzeste Entfernung zwischen 0,5 und 10 cm. Die Draufsicht vom Liegenden und Hangenden her zeigt kreisrunde bis ovale Buckel. Die Über- und unterlagernden dolomitischen Laminen bzw. Perllagen fließen stromlinienartig von der offenen Seite her in die zylinderfömigen Zotten, dünnen dort fast aus und zeichnen senkrecht zur Schichtung verlaufende feine Riefen auf der gefälteten Schicht nach. Bereits einen cm von der Fältelung entfernt liegen dolomitische Laminen und Perllagen ungestört in der Schichtung. Gleiche Deformationen wurden mehrfach in 0,3 - 0,5 cm mächtigen Gipslagen beobachtet. 2. Regelmäßige Gekrösefalten Diese am häufigsten beobachtete Faltentextur tritt in den Zonen gamma und eta (nach JUNG 1958) auf. Sie betrifft innerhalb des feingestreiften Gipses einzelne 0,2 - 0,8 cm mächtige, reinweiße Gipslagen, die über eine Entfernung von 20 - 60 cm hinweg eindimensional eingeengt sind. 3. Unregelmäßige Gekrösefalten Dieser Typ wurde an der Grenze der Zonen epsilon und zeta nach JUNG (1958) beobachtet. Charakteristisch für die Liegendgrenze der Zone zeta ist eine Lage ein bis drei dm großer abgeflachter Gipsformen, zwischen die der scharf angrenzende feingeschichtete Gips der Zone epsilon vier bis acht cm weiter ins Hangende hineingezogen ist. Dabei werden die zwei bis drei mm mächtigen weißen Gipslagen mit Amplituden bis zwei cm disharmonisch gefaltet. Seitlich klingt die Deformation unter zieselierendem Verlauf rasch aus. Die gefalteten Bereiche sind bis zehn cm lang. Faltenachsen bildet dieser Typ wahrscheinlich nicht aus. Ähnliche Phänomene treten auch an der Hangendgrenze bzw. im Inneren der Zone zeta auf. 4. Rippelfalten Rippelfalten sind im Lamellenanhydrit (nach v. HOYNINGEN-HUENE 1957) entwickelt. Jeweils drei bis fünfzehn Lagen feingeschichteten, ungeperlten Gipses sind einschließlich ihrer karbonatischen Zwischenlagen eindimensional eingeengt. Die Amplitude liegt zwischen zwei und acht, die Wellenlänge, mit der durchschnittlichen Mächtigkeit der Gipslagen wachsend, zwischen fünf und 25 mm. Während die hangenden Lagen oft umgekehrt uhrglasförmig gewölbt und in den Mulden spitzwinklig abgeknickt sind, zeigen die liegenden eine schlüsselförmige Verbiegung mit steiler werdenden Flanken und sehr enger, aber deutlicher Umbiegung der Sättel. Die mittleren Lagen weisen fast ideal sinusartige Form auf. Die "Mitfaltung" geringmächtiger Lagen im Liegenden, analog der für regelmäßige Gekrösefalten beschriebenen Erscheinung, tritt ebenfalls auf. Verschiedene Fältelungspakete sind durch Diskontinuitätsflächen aus zwei bis drei in ihrer Mächtigkeit stark deformierten Gipslagen getrennt, die seitlich über wenige cm hinweg auslaufen und zu konkordanter Lagerung führen können. Die Achsen der Rippelfalten verlaufen entweder konzentrisch oder geradlinig und fächern schwach auf. Die markanten Unterschiede in der Ausbildung der Fältelungstypen machen unterschiedliche Entstehungsursachen wahrscheinlich. Als sicher kann gelten, daß es sich in allen Fällen nicht um primäre Sedimentstrukturen, wie z. B. Wellenrippeln, handelt. Für die Gekrösefältelung und Rippelfalten lassen sich auf Grund der Bewegungsbahnen zwischen den deformierten Paketen und der "Mitfaltung" schichtgebundene Bewegungen belegen. Die Quellungstheorie in ihren beiden Varianten schließt sich für die ersten drei Fältelungstexturen aus zwei Gründen zur Deutung aus: zum einen ist die beobachtete Einengung wesentlich größer als der aus der für lineare oder flächenhafte Volumenzunahme berechnete Faktor von 1,17 bzw. 1,26 (LOTZE 1957), zum anderen dürfte sie nicht so rasch seitlich ausklingen. Zu überprüfen wäre hingegen die Quellungsgenese für den Rippelgips. Denkbar ist nach einer Vorstellung von D. MUCKE bei allgemeiner Gipssedimentation die lokale Anhydritausscheidung z. B. im Bereich von abweichend temperierten (vergl. LANGBEIN 1979) oder mineralisierten Quellen und Strömungen, die er allerdings auch für die Bildung von Darmzotten- und Gekrösegips - hier unter Mitwirkung von Erscheinungen der Sammelkristallisation - annimmt, und sich anschließende frühdiagenetische Vergipsung, wobei die Volumenzunahme zur Fältelung i. S. von GOTTESMANN (1964) führt. Für die darmzottenartige Textur ist das Fehlen von Hinweisen auf schichtgebundene Bewegung bei einer maximalen eindimensionalen Verkürzung von viermal charakteristisch. Einzige Bewegungsspur könnte die senkrecht zur Schichtung verlaufende feine Riefung sein. Es wäre an einen gleichermaßen vom Liegenden und Hangenden her wirkenden Druck als Deformationsursache zu denken. Ähnliche Vorstellungen hat v. GAERTNER (1932), wenn er schreibt: "... man gewinnt den Eindruck, daß die gefalteten Schichten ehemals viel beweglicher als ihre Umgebung waren und deshalb auch auf Druckgefälle leichter reagieren... Ist ein solcher Wechsel zwischen weichen und harten Lagen vorhanden, kann schon eine kleine Ursache Fältelungen erzeugen." Bei diesem Texturtyp wäre ferner eine wesentliche Zunahme der Gipsmasse durch synsedimentäre bis frühdiagenetische Sammelkristallisation und Zementation zu erwägen. Die reine Gipsschicht würde als flächenhaftes Konzentrationszentrum Gips aus dem wenig oder unverfestigten Schlamm im Liegenden und Hangenden assimilieren. Die unregelmäßen Gekrösefalten dürften genetisch in engem Zusammenhang mit der Flaseranhydritbildung stehen. Folgt man den Vorstellungen von v. HOYNINGEN-HUENE (1957) und GOTTESMANN (1964) und faßt die reinen weißen Gipspartien der Flaseranhydrite als Produkte konkretionärer Bildungen im synsedimentär-frühdiagenetischen Stadium auf, so könnten Porenwasserströme die Ursache dieser Fältelung sein. Die regelmäßige Rippelfaltung ist als sehr frühe, gravitative Sedimentgleitung erklärbar. Besonders die parallelen Faltenachsen verschiedener gefälteter Schichten und gelegentliche Schichtzerreißungen (LOTZE 1957, S. 254) sprechen dafür. Unverständlich für Rutschungserscheinungen bleiben hingegen die extreme Regelmäßigkeit und räumliche Begrenztheit dieser Erscheinung. Leider erst nach Fertigstellung dieses Manuskriptes wurde mir die geologische Studienarbeit "Geologische Spezialkartierung im Südwest-Kyffhäuser", Bergakademie Freiberg, Sektion Geowissenschaften (1957) von B. MEISSNER bekannt, die bereits interessante Beobachtungen zum Schlangengipsphänomen enthält. Quellen
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