BUND-Fachtagung "Naturgips gehört in die Berge" am 31. August 2002 in Osterode am Harz
Eine Veranstaltung anläßlich des Internationalen Jahres der Berge 2002

Umsetzung von Halbtrockenrasen im Gipsabbaugebiet Katzenstein
– Methode und Monitoring –

Bernd Blanke

Zusammenfassung

Anlass
Der Fa. Hilliges Gipswerk GmbH & Co. KG wurde eine Ausnahmegenehmigung von den Verboten des §28a Abs.2 NNatG erteilt, verzeichnete Biotope im Gipsbruch Katzenstein für die Hereingewinnung von Gips abzubauen. Die Ausnahme wurde mit der Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verbunden. Diese sollten darin bestehen, vor der Oberbodenabräumung betroffene Bereiche mit Kalk-Magerrasen „in einer Weise aufzunehmen, dass die Artenvielfalt insbesondere der typischen Kalkmagerrasen weitestgehend erhalten bleiben kann. Die Soden sind in geeigneten Behältnissen an die zur Renaturierung vorbereiteten Stellen ähnlicher Exposition im Steinbruch zu verbringen, wo sie auf dafür vorbereitetem Substrat fachgerecht aufzubringen sind.“

Durchführung der Umsetzung
Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Rasensoden ist die genaue Einmessung der Flächen. Es wurde deshalb ein rechtwinkliges Raster über diese Flächen gelegt (im Regelfall 5 x 5 m oder 10 x 2,5 m). Die Eckpunkte der Rasterzellen wurden mit Holzpflöcken markiert. Die Arbeiten wurden mit einem Löffel-Bagger durchgeführt, der mit einer 2,50 m breiten und 1,30 m tiefen Grabenschaufel ausgestattet war. Die Soden wurden so wieder abgesetzt, wie sie aufgenommen wurden (Transportentfernung beträgt nur 130 bis 280 m); jede Rasterzelle blieb in ihrem ursprünglichen Gefüge erhalten.
Der Zielbereich für den umgepflanzten Halbtrockenrasen ist eine Halde, die mit eine ca. 1 m starken Schicht aus nährstoffarmen, in der Gipsproduktion entstandenen Abraum bedeckt wurde.

Pflegemaßnahmen 1995 - 2000
In den Jahren 1995 (vor der Umsetzung), 1997 und 1999 erfolgte eine Pflegemahd mit dem Freischneider mit anschließenden Abräumen des Mahdguts auf der gesamten Umsetzungsfläche, zu einem späten Zeitpunkt nach dem Abfruchten der meisten typischen Arten, insbesondere der Orchideen. Das Mahdgut ist auf angrenzende Haldenbereiche aufgebracht worden, wodurch eine Aussamung erwünschter Arten auf angrenzenden Rohbodenstandorten gefördert werden sollte. Im Frühjahr 2000 wurde eine Schafbeweidung auf der Fläche zu initiiert. Die extensive Schafbeweidung wird auch als langfristige Pflegemaßnahme, nach Beendigung der fünfjährigen intensiven Beobachtungen, zum Erhalt der wertvollen Biotope vorrangig vorgeschlagen.

Entwicklung in den ersten 5 Jahren nach der Umsetzung
Der vegetationskundliche Gesamteindruck von dem umgesetzten Kalkmagerrasen ist im fünften Jahr nach der Umsetzung überwiegend gut bis sehr gut. Ein Nährstoffschub, angezeigt durch das verstärkte Auftreten von nährstoffzeigenden Wiesenarten, ist insgesamt nicht zu verzeichnen gewesen, sondern nur partiell ein Problem. Bei ausbleibender Pflegenutzung kann sich dies aber in wenigen Jahren ändern. So hatten die Nährstoffzeiger 1999 nach ausgesetzter Mahd zwischenzeitlich schon wieder leicht zugenommen.

Die Artenzusammensetzung, insbesondere der bestandsbildenden Gräser, ist ausgeglichener als vor der Umsetzung, was vor allem auf das Pflegemanagement zurückzuführen ist. Die Struktur der Krautschicht ist weiterhin ziemlich heterogen, dass heißt dichtwüchsige und lückige Abschnitte wechseln kleinräumig ab. Insbesondere lückigere Bereiche kommen einigen typischen Indikatorarten und gefährdeten Arten der Kalkmagerrasen zugute.

Die durch die Umsetzung bedingten, vegetationslosen Fugen wurden kontinuierlich besiedelt und sind fünf Jahre nach der Umsetzung zum Teil kaum noch zu erkennen. Einige nach der Umsetzung v.a. in Fugen aufgekommene Ruderalarten wie Sonchus asper und Galeopsis tetrahit sind sehr schnell wieder von alleine verschwunden. Die Besiedlung erfolgte vor allem von Pionierarten der Halbtrockenrasen (Anthyllis vulneraria, Sanguisorba minor, Festuca ovina agg. u.a.) aber auch von Gehölz-Sämlingen wie z. B. Birke, Saal-Weide (Salix caprea) oder Purpur-Weide (Salix purpurea). Darüber hinaus ist ein sehr langsames, aber kontinuierliches Ausbreiten über Wurzelausläufer auf das angrenzenden Gipsrohmaterial zu beobachten (ca. 1 m in fünf Jahren), eine erste Entwicklungstendenz zur Bildung von lückigen Kalkmagerrasen im direkten Umfeld der Umsetzungsfläche.

Als negative Entwicklung ist das Zuwachsen von ursprünglich südostexponierten, lückigen Blaugrasrasen zu bewerten, die aus umsetzungstechnischen Gründen z.T. in Nordost- bis Ostexposition gelangt sind. Diese Teilflächen haben sich aufgrund der standörtlichen Veränderung schon nach 5 Jahren zu geschlosseneren Rasen entwickelt. Parallel dazu ist aber eine langfristige Entwicklung zu lückigen Rasenflächen im direkten Umfeld der Umsetzungsfläche zu erwarten, so dass die betroffenen Pflanzenarten, die auf Rohbodenstandorte wachsen können, neue Besiedlungsmöglichkeiten bekommen. Voraussetzung dafür ist, dass im Umfeld aufkommende Störzeiger wie insbesondere der Huflattich zurückgedrängt werden.

Der Bestand von Rote-Liste-Arten hat sich in den 5 Jahren ausgesprochen positiv entwickelt. Zunahmen gab es bei den stark gefährdeten (Rote Liste Niedersachsen Status 2) Gefäßpflanzen-Arten Wiesen-Leinblatt (Thesium pyrenaicum), Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) und Bergklee (Trifolium montanum). Von den gefährdeten Arten (Rote Liste Niedersachsen Status 3) gab es bei der Wiesen-Schlüsselblume (Primula veris), beim Klappertopf (Rhinanthus minor), beim Heilziest (Stachys officinalis), bei der Händelwurz (Gymnadenia conopsea), bei der Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera) und beim Nickenden Leimkraut (Silene nutans Saumart) teilweise erhebliche Zunahmen. Wundklee (Anthyllis vulneraria), Zittergras (Briza media) und Blaugras (Sesleria varia) (jeweils gefährdet) sind nach wie vor mit hohen Deckungsgraden vertreten (Anthyllis mit starker Zunahme). Der Deutsche Enzian (Gentianella germanica) zeigt sehr hohe Populationsschwankungen, die aber bekanntermaßen auf jahresklimatische Einflüsse zurückzuführen sind. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Umsetzung bislang keine negativen Effekte auf die Entwicklung der Rote-Liste-Arten gehabt hat, sich hingegen die äußeren Einflüsse (Pflege, Witterungseinflüsse) deutlich im Bestand niederschlagen.

Ausblick
Nach 5 Jahren intensiven Monitoring können wir feststellen, dass das Experiment „Umsetzung von Halbtrockenrasen“ in diesem Fall durchaus gelungen ist. Allem Anschein nach waren hierfür folgende Faktoren von entscheidender Bedeutung:

  • Gute Vorbereitung der Zielfläche (nährstoffarmes, weiches Substrat)
  • Geeignetes Arbeitsgerät (Bagger mit großer Grabenschaufel)
  • Kein Umlagern während des Transportes, da hierbei die Soden zerbrechen und der Fugenanteil erheblich zunimmt (somit ist eine Umsetzung über große Entfernung mit Zwischentransport per LKW abzulehnen)
  • Minimierung der Fugen sowie Andrücken der Soden beim Absetzen
  • Regelmäßige Pflege nach der Umsetzung
Dennoch haben sich die Vegetationsverhältnisse geändert. Während Vegetationsbestand vor der Umsetzung als jahrzehnte bestehende Brache relativ stabil gewesen ist, erscheint heute die Notwendigkeit einer dauerhaften regelmäßigen Pflege angezeigt.

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