Fährt man im Landkreis Nordhausen am Harz von Neustadt über Buchholz nach Steigerthal, erstreckt sich bald das Gipsmassiv des "Alten Stolbergs" mit seinen weißen, nach Westen gerichteten Flanken. Doch etwa 200 m nördlich Steigerthal unterbricht eine offene Grasfläche die ansonsten locker mit Wald bestandenen Steilböschungen. Die Böschung wird dort auch etwas flacher. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass es sich bei dieser Fläche um eine wieder bewachsene Halde handelt. Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, muss man diese hangaufwärts gelegene Fläche aufsuchen. Auf dem nach oben führenden Weg kommt man nach etwa 100-150 m auf eine ebene Fläche, wie sie für Haldenoberflächen von Naturwerkstein-Betrieben charakteristisch sind. In der rechts gelegenen Steilwand ist zu erkennen, dass hier bisher Stinkdolomit und Stinkschiefer, Gesteine typisch für die Staßfurt-Folge der Zechstein-Formation, abgebaut wurde. Es erfolgte der Abbau am Hang mit einer rückwärtigen Ablagerung des unbrauchbaren Materials. Den Gipsstein findet man noch reichlich im Schutt, man sieht ihn im Übrigen auch im Hang noch zu Tage treten. Der Abbau muss schon recht alt sein, denn das Messtischblatt "Stolberg", Nr. 4431, zeigt in der berichtigten Ausgabe (1929) der Preußischen Landesaufnahme von 1905 bereits den kleinen Steinbruch und den Weg zu ihm. Wir können also ruhig von einem hundertjährigen Alter ausgehen. Innerhalb dieser Zeit hat sich doch Einiges verändert. Zunächst ist die Steinbruch-Steilwand geblieben, auch die daneben liegende frische Halde, auf die stets neues Material fällt, bieten vermutlich - sieht man von den Bäumen und Sträuchern ab - immer noch nahezu dasselbe Bild. Doch das Plateau und die Halde zur Straße hin haben ihr Gesicht gründlich gewandelt. Wird zunächst die Grasnarbe betrachtet, stellt man fest, dass sie fast ausschließlich aus Gemeinem Blaugras besteht. Blaugras ist eine Pflanze, die typisch für Kalk- oder Gipsfelsen ist. Es wurde deshalb auch schon vermutet, das Blaugras auf Gipsgestein durch den Gips-Abbau gefährdet sei. Dass dies nicht so ist, zeigt dieses Beispiel eindrucksvoll. Die öde anmutende Steinbruchhalde ist wieder mit Blaugras besiedelt; man muss schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, dass kein natürliches Vorkommen vorliegt. Nicht nur Blaugras ist eingewandert, auch andere bedrohte Pflanzen wie Fransen-Enzian, Deutscher Enzian und Orchideen (Plathanthera bifolia) wachsen hier.
Doch ein Blick auf die Haldenoberfläche zeigt zugleich die Bedrohung, der alle ähnlichen Pflanzengesellschaften heute bei uns ausgesetzt sind: Die Verbuschung. Dichtes Gebüsch aus Zitterpappel wächst dort oben. Früher wurde es abgeweidet und obwohl es schon zurückgeschnitten wurde, treibt es doch unverdrossen wieder aus. Lässt man es hochkommen, so ist das Ende des Blaugras-Vorkommens absehbar. So gefährden gerade Änderungen in unseren landwirtschaftlichen Nutzungsgewohnheiten, hier die Einstellung der Weidewirtschaft, viele Vorkommen seltener Pflanzen und Tiere. Die Entwicklung ist noch nicht zur Ruhe gekommen. |
Quelle:
Lebensraum GIPS - 60seitige Broschüre des Bundesverband der Gipsindustrie e.V., Birkenweg 13,
D - 64295 Darmstadt, www.gips.de, mail: info@gips.de
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