Infoblatt zum bundesweiten Tag des Geotops 2008

Pöhlder Wald und Wiedensee - Erdfälle im Pöhlder Becken

Firouz Vladi

Beschreibung des Objektes

Am Gebirgsfuß des Südharzes mit seinen breiten und flachen Auen, in weicher, hügeliger Landschaft liegt das Pöhlder Becken. Dieses ca 7 x 2,5 km messende Becken wird durch die Oder entwässert. Weite Ackerflächen, vereinzelt Weiden und viele Kiesgruben säumen beidseitig die gehölzbestandenen Ufer der Oder, deren Aue heute Naturschutzgebiet ist. Vielfach und örtlich dicht gedrängt finden sich teil trockene, teils wassergefüllte, teils wieder aufgefüllte Erdfälle, deren schönster und größter, nämlich der Wiedensee, eine weite Wasserfläche aufweist.

Im südwestlichen Harzvorland liegen Meeresablagerungen der Zechsteinzeit von zusammen mehreren 100 m Mächtigkeit; sie bestehen aus Tonen, Dolomit (Kalzium-Magnesium-Karbonat), Gips (Kalzium-Sulfat) und - inzwischen aber abgelaugt - Salz (Natriumchlorid etc.). Diese Gesteine sind aus einem warmen, sich allmählich eindampfendem Meeresbecken im Verlaufe weniger Millionen Jahre auskristallisiert und in vierfacher Wechselfolge abgeschieden. Eine Wassererschließungsbohrung neben dem Wiedensee (zitiert nach Jordan, 1979, S. 148) zeigt folgenden Schichtenaufbau:

ca. 10m Talschotter der Oder
ca. 45m rot-violette Tone des unteren Buntsandsteins
ca. 5m Hauptanhydrit (Gips)
ca. 3m grauer Salzton und Plattendolomit
ca. 46m Staßfurtdolomit
ca. 32m Werraanhydrit (Gips)
ca. 72m Werradolomit und Zechsteinkalk darunter Grauwacken des Harzgrundgebirges

Der Hauptanhydrit und der Werraanhydrit sind besonders leicht in Wasser löslich. Das parallel zur Oder nach Westen ziehende Grundwasser hat im Verlaufe von Jahrzehntausenden insbesondere in diesen beiden leicht löslichen Gesteinshorizonten zahlreiche z. T. miteinander verbundene Hohlräume erzeugt. An einem tiefer liegenden Vorfluter, der Rhumequelle oberhalb des Ortes Rhumspringe, tritt diese Gesteinsfolge - und mir ihr die Karstwässer - noch einmal zutage, eine der größten Quellen Deutschlands.

Während der letzten Kaltzeit hat sich die große Ebene des Pöhlder Beckens in ihrer jetzigen Ausformung gebildet, zuletzt durch Aufschüttung von grobem Flusskies, der örtlich schwankend zwischen 5 m und teilweise mehr als 20 m Mächtigkeit aufweist. In diese Kiese sind die zahlreichen Erdfälle des Pöhlder Waldes eingesenkt.


Abb. 1: Der Wiedensee
 


 


Abb. 2: Erdfall im Pöhlder Wald
 


Abb. 3: Perlen des Südharzes auf dem Karstwanderweg

Die heute sichtbaren und zunehmend größer werdenden Erdfälle sind im Verlauf der gegenwärtigen Warmzeit, dem Holozän, eingebrochen, die Deckschichten sind in den verstürzenden unterirdischen Hohlraum hineingesackt. Dieser Prozess prägt die Landschaft über dem von Herzberg und Scharzfeld durch das Pöhlder Becken zur Rhumequelle ziehenden Grundwasserstrom. In normal entwickelten Tälern stellt der jeweilige Bach oder Fluss das tiefste Vorflutniveau dar, d. h. dass die Grundwasseroberfläche von beiden Hängen allmählich bis zum Flussbett abdacht, im Pöhlder Becken, diesem Abschnitt des Odertales, herrschen jedoch umgekehrte Verhältnisse. Von der Oder weg, vor allem in südliche Richtung, sinkt der Grundwasserspiegel in zunehmende Tiefen ab, das von der Oder in die seitlichen Talräume eindringende Oberflächenwasser sickert durch die Kiesschichten in den verkarsteten Untergrund, um dann an der 40 m tiefer liegenden Rhumequelle zutage zu treten.

Während der Wiedensee, gut 400 m südlich der Oder gelegen, noch Wasser führt, jedoch mit einem Wasserstand, der bereits wenige Meter unter dem Oderbett liegt (6,4 m am 15.10.1981), haben die tiefen Erdfälle im 400 m weiter südlich davon gelegenen Pöhlder Wald bereits keinen Wasserspiegel mehr aufzuweisen, obwohl ihr tiefster Punkt bald 20 m unter dem Oderbett liegt.

Der große Durchmesser dieses nahezu kreisförmigen Erdfalles von ca. 80 m (5500 qm am oberen Rand), und seine große Tiefe von 17.5 m, davon 9.3 Wassertiefe (7/84) mögen auf ein recht hohes Alter deuten. Sie Seeablagerungen sind noch nicht erforscht. Die Wasserfläche schwankt im Jahresgang, im Frühjahr bei der Schneeschmelze steigt sie auf über 3500 m², um in der trockneren 2. Jahreshälfte fallweise unter 600 m² zu fallen. Es wird sich also nicht um einen hier isoliert über undurchlässigen Schichten aufgestauten Wasserkörper handeln; das Wasser dürfte vielmehr Ausdruck des innerhalb der durchlässigen Kiese ausgebildeten Grundwasserstands sein. Irgendwo zwischen Wiedensee und dem südlich davon befindlichem Pöhlder Wald ist zu erwarten, dass dieses oberflächennahe Grundwasser in größere Tiefe absinkt, um in einem verkarsteten Horizont zur Rhumequelle abzufließen. Aufgrund der bisherigen Kenntnisse darf davon ausgegangen werden, dass der ursprüngliche Hohlraum, dessen Einsturz zur Bildung des Wiedensees geführt hat, sich in dem in starker Auslaugung befindlichen Hauptanhydrit entwickelt hat.
 
Abb. 4 (links): Geologischer Schnitt durch den Wiedensee und Umgebung (unmaßstäbliche und überhöhte Darstellung)
1 = Kieselsande der Oder (Niederterrasse),
~ = oberster Grundwasserspiegel,
2 = Unterer Buntsandstein,
3 = Tone etc. des Zechstein 4 - 6,
4 = Hauptanhydrit,
5 = Grauer Salzton und Platendolomit,
7 = Werraanhydrit,
8 = Werradolomit,
9 = Zechsteinkalk,
10 = Kupferschiefer,
11 = Grauwacken des Harzgrundgebirges

Welche Karten gibt es - Topographie, Geologie: Topogr. Karte 1:25.000, Blatt 4328 Bad Lauterberg am Harz, Geol. Karte 1:25.000, Blatt 4328 Bad Lauterberg am Harz, Geol. Übersichtskarte 1:200.000, Blatt CC 3726 Goslar

Literatur zum Geotop:
Jordan, H. (1979): Der Zechstein zwischen Osterode und Duderstadt (südliches Harzvorland).- Z. dt. geol. Ges., 130:145-163; Hannover 1979
Ricken, W. (1980) Quartäre fluviatile und äolische Sedimentation am Südwest-Harz und ihre Beeinflussung durch die Subrosion.- 71 Seiten, 40 Abb., 7 Tab., 2 Ktn,; Göttingen (unveröffentlichte Diplomarbeit.
Thürnau, K. (1913): Der Zusammenhang der Rhumequelle mit der Oder und Sieber.- Jahrb. Gewässerkunde Norddeutschland, besondere Mitteilungen, Bd. 2, 6: S. 1-25, 10 Taf.; Berlin.

Handelt es sich um ein Naturschutzobjekt: nein

Was kann man sonst noch besichtigen: Rhumequelle, Einhornhöhle

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