Mittwoch, 6. August 1969 (HarzKurier) | NORDDEUTSCHLAND |
Zwei Höhlenforscher auf Harz-Abenteuer Dreitägige Expedition — Nach der Rhumequelle nun das „Grundlos“ bei Bartolfelde erforscht Erneut begaben sich die beiden Stuttgarter Taucher und Mitarbeiter der Höhlenforschung Deutschlands in ein lebensgefährliches Abenteuer. Vor zwei Jahren war es der heute 21 Jahre alte Reimar Frickenstein aus Stuttgart, der in Europas viertgrößter Quelle, der Rhumequelle, am Fuße des Rotenberges tauchte. Auf Ansichtskarten konnte man von der berühmten Rhumequelle, jährlich Anziehungspunkt vieler tausend Touristen, u. a. lesen: „Hauptquelle 500 qm Fläche bis 40 Meter Tiefe, 10 000 cbm Inhalt, dazu viele Nebenquellen.“ Die Tiefe von 40 Metern widerlegte Reimar Frickenstein, der als einer der ersten in den Quelltopf stieg, obwohl ihm Experten von diesem lebensgefährlichen Wagnis abgeraten hatten. Mit einem Team stellte er fest, daß die Rhumequelle nur 9,5 Meter tief ist. Später mußte er unter amtlichen Zeugen seinen Tauchversuch mit Lotung wiederholen, und dann stellte man erneut die 9,5 Meter Tiefe fest. Daraufhin ließ man in Rhumspringe die Ansichtskarten und Prospekte der Quelle von 40 auf 9,5 Meter Tiefe ändern. Nachdem schon frühere Wasserfärbungen im „Grundlos“ in der Bartolfelder Feldmark bei Bad Lauterberg ergeben hatten, daß dieses Wasser in der Rhumequelle wieder zum Vorschein kommt, wagte Reimar Frickenstein und sein Stuttgarter Mitarbeiter Alexander Siegrist ein neues, wesentlich gefährlicheres Abenteuer. Mit ihrer Superausrüstung fuhren sie in diesen Tagen in das Gebiet zwischen Bartolfelde und Osterhagen, wo Ende der fünfziger Jahre zwei Leichen entdeckt wurden. In den Nachkriegsjahren hatte man in Bartolfelde einen polnischen Landarbeiter und dessen Frau — eine Bartolfelderin — ermordet und mit Milchkannen belastet im Grundlos versenkt. Zehn Jahre später fand man die Leichen, und es folgte ein Prozeß, wo die beiden ermittelten Angeklagten jedoch freigesprochen wurden. Bei diesem „Grundlos“ handelt es sich um eine Karstdoline (trichterförmige Bodenvertiefung in Kalklandschaft), die nie austrocknete und seit Jahrzehnten von Gerüchten umwoben war. Keiner wußte, wie tief es hier ist. Man hatte auch schon versucht, diesen Dolinenteich auszupumpen, dies gelang aber nicht. Die Färbung des Wassers mit Uranien erbrachte gefärbtes Wasser an der etwa zehn Kilometer entfernten Rhumequelle wieder. Jetzt brachten die beiden Stuttgarter Mitarbeiter der Höhlenforschungstauchabteilung nach einer dreitägigen Expedition vom Geheimnis umwitternden „Grundlos“ folgendes Forschungsergebnis: Die umwaldete Karstdoline ist dicht mit Wasserlinsen bedeckt, auch viele alte Baumleichen, Unrat und Morast machten dem Taucherteam beim Loten Schwierigkeiten. Es wurde eine Tiefe von acht Metern ermittelt. Beim Tauchen stellte man fest, daß sich im Teich noch ein totes Schwein befand. Die stinkenden Wasserpflanzen zogen sich durch den ganzen Teich. Schon in zwei Meter Tiefe verfärbte sich das Wasser in eine schwarze Brühe. Die Wassertemperatur fiel von 13 Grad an der Oberfläche auf 6 Grad auf dem Dolingrund. Je tiefer man kam, je dunkler wurde es. Mit einer starken Unterwasserlampe sah man den Tiefenmesser, der acht Meter auf Grund anzeigte. Karstspalten, wie im Quelltopf der Rhumequelle, wurden hier nicht entdeckt. Der Zufluß des Wassers konnte ebenfalls nicht gefunden werden. Auch fand man keine weiteren Leichen, wie schon vor Jahren in Gerüchten angedeutet wurde. Für die Ureinwohner des Südharzes ist dieses erste Tauchunternehmen in dem „Grundlos“, wie die Karstdoline seit mehr als 100 Jahren genannt wird, eine Sensation. Gerüchte und Vermutungen wurden durch die beiden Stuttgarter Höhlenforscher entkräftet.
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