Bomber
stürzt 1944 am Lichtenstein ab Quellen berichten über Bomberangriff auf Flugzeugwerke in Oschersleben. Bei Osterode geht eine Maschine nieder Von Andreas Maak „Es
war eine
umfangreiche, aber spannende Aufgabe”, berichtet
Andreas Maak aus Förste über seine Recherchen.
Nachdem er auf entsprechende Quellen gestoßen war, tauchte er
schnell in das Thema ein, trug die historischen Daten und Details
zusammen, übersetzte alles aus dem Englischen und
rekonstruierte so einen Flugzeugabsturz am Lichtenstein vor 76 Jahren.
Maak: „In Band 55 der Heimatblätter von 1999 findet
sich auf Seite 56 in dem Beitrag ‚Von der Burg Lichtenstein
im
Sösetal und ihrer Umgebung‘ eine Karte des
Lichtensteins von
1997, auf welcher unter Position 12 die Absturzstelle eines Bombers mit
Bombenlast der Alliierten im Januar 1944 verzeichnet ist.”
Dies ist die
Geschichte, die hinter diesem Absturz steht. Deenethorpe,
Mittelengland: Während des 2. Weltkriegs unterhält
die 8. US Luftflotte (8th US Air Force) unweit dieses kleinen Dorfes
ein Flugfeld, das ab Oktober 1943 die Basis für Bombenangriffe
auf Ziele in Frankreich, Holland und vor allem Deutschland bildet.
Stationiert ist dort die zum 94. Kampfgeschwader (94th Combat
Bombardement Wing) gehörige 401. Bomberstaffel (401st
Bombardement Group). Sie ist aufgeteilt in die vier Unterstaffeln 612,
613, 614 und 615 (Bombardement Squadron). ![]() Ein
B-17 Bomber: Captain
Foster stürzte mit seiner Maschine ab. Er und die Crew
überlebten. © U.S. Air Force Mission
Nr. 14 Einer dieser Angriffe ist die Mission Nr. 14 am 11. Januar 1944. Das Ziel: Die A.G.O.- Flugzeugwerke in Oschersleben. Dort werden Jagdflugzeuge vom Typ „Focke-Wulf” FW-190 gebaut. Das Ausweichziel ist Braunschweig. Die Mission 14 sieht planmäßig vor, dass sich ein Verband von 34 Maschinen der 401. Bomberstaffel und 23 Maschinen der ebenfalls zum 94. Kampfgeschwader gehörigen, im englischen Polebrook stationierten, 351. Bomberstaffel über dem Flugfeld von Deenethorpe vereinigt und über die Niederlande das Reichsgebiet anfliegt. Über dem Harz soll der direkte Anflug auf Oschersleben beginnen. Das Ziel, der Fabrikkomplex, soll durch eine Kombination aus Spreng- und Brandbomben vernichtet werden. Auf einer Route nördlich von Hannover sollen die Flugzeuge nach dem Abwurf ihrer Bombenlast dann den Rückflug nach England antreten. Die Flugzeuge: Viermotorige Bomber vom Typ Boeing B-17 G / „Flying Fortress”, sogenannte „Fliegende Festungen”. Den Namen tragen sie zu Recht: Von den zehn Besatzungsmitgliedern sind allein vier ausschließlich MG-Schützen. Vier weitere Crewmitglieder haben neben ihrer eigentlichen Aufgabe ebenfalls Bordschützenfunktion. Vier Zwillings- und fünf Einzel-Browning-Maschinengewehre sichern das Flugzeug in alle möglichen Richtungen gegen angreifende Feinde. Allein die mitgeführte MG-Munition wiegt bis zu 1.000 kg. Die mitgeführte Bombenlast beträgt etwa 2.000 kg bei Langstreckenflügen, bei Angriffen über kürzere Distanzen bis zu 5.800 Kilogramm. Flugfeld Deenethorpe, 11. Januar 1944, 6.30 Uhr: Captain Jim Foster und seine Crew nehmen ihre Positionen an Bord ihres Flugzeugs ein und checken ihre Maschine und die Bewaffnung. Ihre B-17 trägt die Nummer 42-39969 und gehört zur Unterstaffel 614 der 401., den „Lucky Devils”, wie ihr Bordabzeichen verrät. Sie ist brandneu, hat erst 50 Flugstunden hinter sich. Ihre gesamte Besatzung: James Harry Foster, Captain, Pilot Frank Chester Miller, lst Lt. Co-Pilot Joe Joseph Casagrande, lst Lt. Navigator / MG-Schütze (Bugraum) Thomas Leo Cameron, 1st Lt. Bombenschütze / MG-Schütze (Kinn-Turm), Joseph Mehalshick, T/Sgt. Funker, Tory Lee Campbell, T/Sgt. Techniker / MG-Schütze (Dachturm), Harold Chester Brown, S/ Sgt. MG-Schütze (Dachkuppel), William Joseph Orphan, S/Sgt. MG-Schütze (Heck), Glenn William Graves, S/Sgt. MG-Schütze (Rumpf, linke Seite) und Walter Irwin Hathaway, S/Sgt. MG-Schütze (Rumpf, rechte Seite). Ihre Bombenlast: 12 Sprengbomben zu je 250 kg. 7.30 Uhr: Die Motoren werden gestartet, gegen 8 Uhr erfolgt der Start. Im Luftraum über Deenethorpe formieren sich die Maschinen und vereinigen sich mit der 351. Bomberstaffel. Die Flughöhen betragen zu diesem Zeitpunkt etwa zwischen 2.000 und 3.000 Metern. 9.17 Uhr: Der Verband beginnt seinen Flug Richtung Osten. Es ist geau festgelegt, welche Maschine an welcher Position zu fliegen hat. Die Pulks der Bomber fliegen seitlich und in der Höhe versetzt. Es gibt einen Führungsverband (Lead Box), bestehend aus 21 Maschinen der 401. Staffel, links eine zurückversetzte und tiefer fliegende Gruppe (Low Box) mit 17 Maschinen der 351., sowie rechts einen zurückversetzten und höherfliegenden Pulk (High Box), der sowohl von 13 Bombern der 401., als auch von 6 Bombern der 351. Staffel gebildet wird. Die Flughöhe erreicht allmählich erst 4.500, dann etwa 6.000 Meter. Dies soll auch die Angriffshöhe sein. Captain Fosters Flugzeug ist Teil des Führungsverbandes. In diesem fliegt es an der Spitze einer linksseitig nach unten versetzten Gruppe von 6 Bombern der 614. Unterstaffel. 10.03 Uhr: Die englische Küstenlinie wird überflogen. Eines der Flugzeuge ist zu diesem Zeitpunkt wegen technischer Probleme bereits umgekehrt. 56 Bomber setzen den Flug über den Ärmelkanal fort. 10.35 Uhr: Die niederländische Küste wird erreicht, später überfliegt der Verband das Ijsselmeer. Noch haben die Bomber Geleitschutz durch US-Jagdmaschinen vom Typ P47. Feindberührung gibt es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Gegen 11 Uhr haben die Jäger ihre maximale Reichweite erreicht und müssen in Richtung England zurückfliegen. Genau jetzt tauchen deutsche Jagdmaschinen auf: Messerschmitt (Me 109, Me 110, Me 210), Junkers (Ju88) und Focke-Wulf (FW-190). Beschuss durch Flugabwehr Vereinzelt gibt es auch Beschuss durch deutsche Flugabwehrkanonen. Nicht sehr intensiv, aber gut gezielt. Etliche Maschinen werden getroffen und zum Teil stark beschädigt, durch Bodenbeschuss abgeschossen wird jedoch keine. Anders als durch die deutschen Jäger. In den nächsten zwei Stunden wird der Bomberverband immer wieder massiv attackiert und mit Raketen und großkalibrigen Maschinengewehren beschossen. Um 11.07 Uhr stürzt die erste B-17, von einem Raketentreffer in zwei Teile zerrissen, in die Tiefe. 11.12 Uhr: Zwei weitere B-17 stürzen nach feindlichem Beschuss ab. 11.17 Uhr: Eine deutsche Jagdmaschine wird abgeschossen. Um 11.33 Uhr soll planmäßig der IP erreicht werden, der „Initial Point”. Um den Gegner zu irritieren und über das wahre Ziel eines Bombenangriffs im Unklaren zu lassen, fliegt ein angreifender Bomberverband einen Zickzack-Kurs entlang vorgegebener Wegmarken. Die letzte dieser Wegmarken ist der IP. Ab dort schwenkt der Bomberpulk dann auf einen Kurs mit gleichbleibender Höhe und Richtung ein, der ihn direkt zum Ziel führen und eine Bombardierung mit möglichst hoher Treffergenauigkeit ermöglichen soll. In der Theorie. Flakbeschuss und angreifende Jäger sorgen jedoch häufig dafür, dass ein genauer Zielanflug so gut wie unmöglich wird. Auch an diesem Tag. Um 11.33 Uhr soll planmäßig der IP erreicht werden. Planmäßig bedeutet in diesem Fall auch, auf der Höhe von Goslar. Tatsächlich befindet sich der Verband einige Minuten vorher bei südöstlicher Flugrichtung über dem Südharz, irgendwo nördlich von Göttingen. Genannt werden auch Herzberg und Northeim. Captain Foster und seine Crew erreichen den IP nicht. Was genau geschieht, ist aus den Kampfberichten und Zeugenaussagen nicht mehr exakt zu rekonstruieren. Um 11.26 Uhr und um 11.29 Uhr wird nach vorliegenden Berichten jeweils ein B-17-Bomber von deutschen Jagdflugzeugen in Brand geschossen und zum Absturz gebracht. Eine der beiden Maschinen ist das Flugzeug von Captain Foster. Das Flugzeug brennt Die Besatzung eines folgenden Bombers unter Captain Samuel P. Wilson schildert, dass Fosters Flugzeug beschossen wird und dass der Motor Nr. 4 am rechten Flügel Feuer fängt. Treibstoff tritt aus und dann brennen beide Flügel. Das Flugzeug bricht aus der Formation aus und wird von drei JU-88 angegriffen. Es wird beobachtet, dass sich fünf Fallschirme öffnen, zwei am Bug und drei an der Seite der brennenden Maschine. Da sie selbst von deutschen Jägern attackiert wird, verliert die Besatzung von Captain Wilson den abstürzenden Bomber aus den Augen. Nach dem Angriff an diesem 11. Januar 1944 wird in den Berichten stehen, dass ein Großteil der Bomben ihr Ziel getroffen hat und dass der Angriff ein Erfolg war. Um 11.52 Uhr, sieben Minuten später als geplant, wird der Verband Oschersleben erreichen und die Focke-Wulf-Werke bombardieren. Unter anhaltenden Angriffen deutscher Jagdmaschinen und dem - besonders hier im Zielgebiet sehr intensiven -Beschuss durch Flak, schwenken die B-17-Bomber wieder in Richtung Westen. Viele schaffen die Rückkehr nach England. Aber nicht alle. Die 401. Bomberstaffel verliert insgesamt 4 Maschinen, bei der 351. sind es 6-10 Flugzeuge mit 100 Mann Besatzung. ![]() Auf dieser Karte von 1997
erkennt man die Erdfälle und Höhenunterschiede rund um die Burg Lichtenstein. Die Angaben zu den Flurnamen, zum Verlauf der alten Wege und des Sösebettes beruhen auf Angaben von Herrn Willi Ernst Mit
Fallschirmen abgesprungen Nach einer Meldung vom 14. Januar 1944, 10.15 Uhr, Hauptquartier Luftgaukommando XI, Hamburg - Blankenese: Am 13. Januar wird etwa sechs Kilometer von Osterode in West-Süd-West-Richtung das Wrack eines nicht näher bestimmbaren amerikanischen Bombers gefunden, zerstört und ausgebrannt. Der Absturz soll sich am 11. Januar um 11.30 Uhr ereignet haben. Auf einer Typen-Platte entdeckt man die Inschrift: „AIR BELL CRAFT, BUFFALO, U.S.A. MODEL CUSTOMER, BELL ARMY CUSTOMER”. Leichen werden nicht gefunden. Nach Aussagen der Bevölkerung ist die Besatzung mit Fallschirmen vor dem Absturz abgesprungen. Ein Gefangener wird erwähnt, ein gewisser Captain James H. Foster, Erkennungsmarke Nr. 438942. Er wird nach Oberursel zum Verhör überstellt. Am Absturzort entdeckt man sieben Fliegerbomben. Das Wrack wird von Mitarbeitern des Luftwaffenstützpunkts Goslar geborgen. Tatsächlich können sämtliche Besatzungsmitglieder von Bomber 42- 39969 die brennende Maschine rechtzeitig verlassen und überleben den Absturz. Sie überleben auch den Moment ihrer Gefangennahme. Nicht selbstverständlich für abgestürzte Flieger. Häufig kommt es vor, dass abgeschossene Engländer oder Amerikaner bei oder auch noch nach ihrer Gefangennahme als „Terrorbomber” ermordet werden, von NS-Funktionären oder auch anderen Teilen der Bevölkerung, die vielleicht bei Bombenangriffen die Frau, die Kinder, die Eltern verloren hatten, wie auch Beispiele aus Badenhausen (Absturz einer „Mosquito” am 15. August 1944, ein - vermutlich - ermordeter Pilot) und Bad Grund (Absturz einer „Lancaster” am 15. März 1945, drei ermordete Flieger) zeigen. Crew kehrt zurück in die Heimat Interniert in den Lagern Stalag 17 B (Krems, Österreich) und Stalag Luft I (Barth an der Ostsee) überleben alle zehn Flieger auch den Krieg und kehren 1945 über das Sammellager „Camp Lucky Strike” in Le Havre, Frankreich, wieder in ihre Heimat zurück. Im Jahr 1997 führte Stadtarchivar Ekkehard Eder ein Gespräch mit einem Zeitzeugen, Willi Ernst aus Dorste. Er hatte den Absturz im Kindesalter beobachtet und berichtete, dass vor dem Aufschlag mindestens zwei Besatzungsmitglieder mit dem Fallschirm abgesprungen sind. Einer der Männer soll im Raum Wulften heruntergekommen sein. Quelle: HarzKurier
vom 11.01.2020 |