- von Ingrid Kreckmann - Nur wenige Menschen in unserer Umgebung wissen, dass es für Juden nicht nur in Osterode Friedhöfe gab, sondern dass auch eine Begräbnisstätte in Förste genutzt wurde. Diese erinnert noch heute an die zahlreichen Juden, die von 1678 bis 1928 im Dorf lebten. Kaum jemand hat eigene Erinnerungen und so stützt sich dieser Bericht auf schriftliche Unterlagen. Juden sind eine über fast alle Länder verstreute Volks- und Religionsgemeinschaft. Grundlage ihres Glaubens ist das Alte Testament, nach dem der Messias noch erwartet wird. Bekannt ist, dass sie im späten Mittelalter überwiegend auf dem Land lebten, wo ein reger Austausch zwischen diesen und den Nichtjuden stattfand. In Förste wohnten zahlreiche Einwohner jüdischen Glaubens in der evangelischen Gemeinde. Sie betätigten sich im Vieh- und Pferdehandel sowie im Schlachterhandwerk, verkauften Fleisch oder betrieben kleine Läden.
Der Friedhof Die hebräisch beschriftete Ostseite ist, soweit vorhanden und erkennbar, jeweils aufwendiger gestaltet als die zur Westseite gelegene, mit deutschen Buchstaben versehene. Symbole lassen sich nur auf der Ostseite von zwei Steinen erkennen: ein verwitterter, sechsstrahliger bzw. achtstrahliger Stern, darunter eingemeißelt hebräischen Zeichen - achtstrahlig möglicherweise deshalb, weil auch hier wie andernorts ein christlicher Steinmetz den Grabstein fertigte, der sich in der jüdischen Symbolik nicht auskannte. Anteil an der Förster Bevölkerung Die Juden aus Förste gehörten bis 1844 Teil der Osteroder Gemeinde an, wurden dann selbständige Synagogengemeinde, bis 1890 wiederum der Anschluss an die Synagogengemeinde Osterode erfolgte. Gemeindeleben Der Rabbiner war als Leiter und Seelsorger jüdischer Gemeinden auch Religionslehrer. Er erhielt das Recht, zu predigen, Trauungen durchführen und zu schächten. Beim Schächten wird das „reine“ Tier mit einem einzigen Querschnitt durch Halsschlagader Speise- und Luftröhre getötet, um damit eine volle Ausblutung zu erreichen, denn der Genuss von Blut gilt als widerlich. In Förste konnten die unreinen Fleischstücke - also Fleisch der nicht nach o. g. Richtlinien getöteten Tiere - an Nichtjuden verkauft werden. In Osterode war das nicht möglich. Wiederkäuer, deren Hufe voll gespalten sind, gelten ebenso als rein wie Gänse, Enten, Hühner und Tauben sowie Fasane und Truthähne. Auch alle Wassertiere, die zugleich Flossen und Schuppen haben, sind erlaubt. Jiddisch, die Mischsprache aus Mittelhochdeutsch und Hebräisch mit eigenem Satzbau war vermutlich die Umgangssprache untereinander. Ausdrücke wie Schlamassel, jemandem etwas vermasseln, koscher, Mischpoke, meschugge, Chuzpe, Maloche, Schickse, Tinnef, Zores, schlimm und Tohuwabohu wurden übernommen und noch heute benutzt, wenn auch z. T. nicht im ursprünglichen Sinn. In Förste sollen viele Christen an Beerdigungen teilgenommen haben, die die ungewöhnlichen Rituale aufmerksam verfolgten. Hinweise dazu kann niemand mehr geben. Hier mögen daher überregionale Hinweise Aufschluss geben: Die höchste Ehrenbezeigung ist ein vielköpfiger Zug von Menschen, die dem Sarg zu Fuß folgen. Der Leichnam wird auf den Schultern der Glaubensbrüder zum gerade ausgeworfenen Grab getragen. Nach der Bestattung wird das Grab sofort zugeschaufelt. Der Tote wartet auf den Tag des Jüngsten Gerichts. Dem Toten gehört die Erde, in die er gebettet wurde, für immer. Überliefert über Generationen wurde, dass ein jüdischer Kaufmann auf seinem nächtlichen Rückweg im Westerhöfer Wald seinem Pferd Lotte in kurzen Abständen laut zugerufen habe: „Wieder nichts verdient – wieder nichts verdient“. Dem sollten etwaige Räuber in dem dunklen Wald entnehmen, dass bei ihm nichts zu holen war. Weitere Hinweise nimmt die Autorin gern entgegen. GPS-Koordinaten |