Ausgrabungen der SS auf dem Vorplatz der Steinkirche bei Scharzfeld

Es war eine
sinnlose Zerstörung

 

Die Steinkirche
in Scharzfeld
 

Bereits in den Jahren 1925/26 und 1928 hatte das Provinzialmuseum Hannover auf dem Vorplatz der geheimnis- und sagenumwitterten mittelalterlichen Steinkirche archäologische Ausgrabungen durchgeführt, die mit der sensationellen Entdeckung des etwa 15 000 Jahre alten Rastplatzes einer Rentierjägergruppe aus der jüngeren Altsteinzeit sowie zahlreicher Bestattungen aus dem 12. bis 13. Jahrhundert endeten. Um späteren Ausgräbern, die über bessere Grabungsmethoden verfügen würden, eine Nachprüfung der Entdeckungen zu ermöglichen, stellte man die Grabungen ein, und ließ das übrige Gelände vorsorglich unangetastet.

Doch diese gute Absicht wurde schon wenige Jahre später rigoros zunichte gemacht. Es kam die Zeit der NS-Diktatur und mit ihr Ausgräber, die ihre Ideologie bedenkenlos über eine wissenschaftliche und damit zur Objektivität verpflichtete Forschungsarbeit stellen sollten.

Inzwischen auf 100 Jahre an die Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmale verpachtet, wurde die Steinkirche nun offiziell als "altgermanische Weihestätte" angesehen. Damit waren auch die Begehrlichkeiten der Reichshauptstelle der SS und deren Forschungsstelle "Das Ahnenerbe" geweckt. Man hoffte wohl tatsächlich, hier ein altgermanisches Heiligtum durch archäologische Ausgrabungen nachweisen zu können. Denn das nationalsozialistische Regime brauchte solche P1ätze, um an ihnen seinen unseligen "Blut- und Boden" -Kult zu praktizieren.

So begann am 21. Mai 1937 das Ahnenerbe unter der Leitung des Geologen SS Obersturmführer Dr. Rolf Höhne und unter Mitarbeit des Lehrers Karl Schirwitz mit seinen unsystematischen Grabungen. In kürzester Zeit wurden Hunderte von Kubikmetern Erdboden umgewühlt. Den Aushub kippte man kurzerhand den Hang hinab, was letztlich dazu führte, dass der gesamte Vorplatz der Steinkirche heute mehr als einen Meter tiefer liegt als 1937.

Die Grabungen müssen in Berlin als so bedeutend eingeschätzt worden sein, dass sogar der Reichshauptführer SS Heinrich Himmler den Ort am 4. Oktober 1937 aufsuchte.

Als aber außer einem mittelalterlichen Friedhof mit mehr als 100 Gräbern kein einziger Beweis für die Existenz eines altgermanischen Heiligtums auftauchte, verlor man sehr schnell das Interesse an weiteren Ausgrabungen und verließ den Platz, ohne die Grabungsschnitte wieder ordnungsgemäß zu verfüllen.

Doch Dr. Höhne ließ sich von derartigen Rückschlägen nicht irritieren. So soll dieser laut einem auf Mai 1944 datierten Beitrag in den "Harzer Heimatglocken" (Mitteilungsblatt der Kreisleitung der N.S.D.A.P. Osterode) in seiner Feuerrede zu Ostern 1938 den Steinberg immer noch als heiligen Berg der Vorfahren bezeichnet haben. Und wider besseres Wissen sprach er davon, dass die Ausgrabungen des Jahres 1937 die Sage vom Sachsenführer Dilkhard, nach der eine große Zahl niedersächsischer Bauern hier am Steinberg im Kampf um Glaube und Heimat einen gewaltsamen Tod gefunden hatte, bestätigt hätten. Auch Geschichtsfälschung gehörte in jener Zeit durchaus zum Handwerkszeug der Partei.

Während das Fundmaterial der Steinkirchengrabungen 1946 in einem Schuppen in Bad Lauterberg wiederentdeckt wurde, gingen die nach Berlin übersandten, vermutlich ohnehin nicht sehr aussagekräftigen Grabungsunterlagen verloren. Was bleibt, ist die sinnlose Zerstörung einer der bedeutendsten archäologischen Fundstellen Niedersachsens durch das "Ahnenerbe" der SS im Jahre 1937.

Dr. Stefan Flindt

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