Das wechselvolle Schicksal eines beklemmenden Platzes Juliushütte wird endgültig ausradiert 1944/45 - der fürchterliche 2. Weltkrieg ging zu Ende. Die Menschen, die in der Nähe wohnten, sahen fassungslos, was sich im KZ-Lager abgespielt haben musste. Der Alptraum wechselt die Uniform! Juliushütte wurde erneut heimgesucht. Das Gezerre zwischen Ost und West traf die Juliushütter, die vorher schon unter Bedrohung und Auflagen gelebt hatten, besonders hart. Der Krieg war vorbei, aber die Menschen kamen nicht zur Ruhe. Flüchtlinge und Grenzgänger wechselten die Grenze bei Tag und Nacht auf Schleichwegen. Die Lagerbaracken dienten als Unterschlupf für Heimatlose. Der Eisenbahnverkehr war eingestellt, die Grenze zwischen Ost und West scharf bewacht, aber noch ohne Zaun. Züge verkehrten im Westen nur bis Walkenried. Ankommende und abfahrende Züge waren bis auf das letzte Trittbrett und den letzten Pufferplatz besetzt. Ein Menschenstrom war über Jahre unterwegs, ein steter Wechsel über die Grenze, auf der Suche nach Angehörigen, die in den Kriegswirren verloren gingen oder nur, um einen Salzhering im Westen zu ergattern. Schieber und "Grenzführer" mischten mit. Wieder spielten sich um Juliushütte unbeschreibliche Szenen des Leides ab. Beraubt und in den Wäldern ausgeplündert wurde so mancher und hatte dabei Glück, wenn ihm nichts Schlimmeres widerfuhr. An der Grenze wurde verhaftet und geschossen, so mancher verlor sein Leben. Vor Mord und Totschlag musste jeder Angst haben. In der Gesetzlosigkeit der Zeit hatten dunkle Elemente Hochkonjunktur. Unter Anderen trieb auch der Massenmörder Rudolf Pleil hier sein makabres Unwesen. Auch im Gebiet Himmelreich suchte er sich unter den Grenzgänger seine Opfer im später so genannten Mordwäldchen. Der jüngste, noch unaufgeklärte Mordfall geschah am Himmelfahrtstag 1996 wiederum im Mordwäldchen. Es scheint, der Ruch des Unheimlichen bleibt der Gegend um Juliushütte erhalten. Erst mit der rigorosen Verschärfung der Grenze zur DDR, mit dem Bau des meterhohen Grenzzaunes kehrte in Juliushütte Ruhe ein. Die Holzmehlfabrik Trinks produzierte wieder, eine Trafostation musste die Firma mit Strom versorgen, die Straße nach Walkenried ausgebaut werden. R. Buzas versorgte zwar die Bewohner mit dem Nötigsten in seinem Lebensmittelgeschäft, doch die Kinder hatten einen weiten Weg zur Schule. Arbeitsstellen gab es nur in Richtung Westen, der tägliche Weg war weit und beschwerlich. Nach und nach verließen einige Bewohner Juliushütte. 1955 brannte die Holzfabrik Trinks bis auf die Grundmauern ab. In Nebengebäuden verloren einige Familien ihre Wohnungen, ehe die Feuerwehren das unzugängliche Gebiet erreichten. Es wurde stiller im kleinen Örtchen. Mehr und mehr wurde es verlassen. Nach Abzug der sowjetischen Einheiten nutze die DDR-Führung den Anblick der verkohlten Ruinen und Baracken zu Propagandazwecken. Busladungen mit Ausflüglern aus dem Hinterland wurden nach Ellrich gebracht, um ihnen einen Einblick in den "goldenen Westen" zu gewähren. Nach der Umsiedlung der letzten Bewohner war Juliushütte ganz dem Verfall preisgegeben. Die obersten Behörden beschlossen den Abriss; 1964 wird alles abgerissen, gesprengt, eingeebnet – ausradiert! Nach und nach zeigte die Aufforstung Wirkung. Nur noch der offizielle Grenzübersichtspunkt auf dem Pontelberg ließ einen Blick über Ellrich zu. Juliushütte wurde zunehmend vergessen, die Abschottung durch die Grenze trug dazu bei. Und das KZ-Lager? Wurde es in den ganzen Wirren vergessen? Die Zeit schien vielleicht günstig, unrühmliches Zeugnis wurde gleich mit abgeräumt. Eine aktenkundige Angelegenheit wurde es noch 1951, als ein Grenzzollbeamter in einer Geländemulde Schädel und Knochen fand. Die Funde waren eindeutig dem KZ zuzuordnen. Weitere Nachforschungen wurden anscheinend nicht vorgenommen. Mit den Jahren bewaldete das Gebiet um Juliushütte, es wurde unter Naturschutz gestellt. Heute erinnert eine Gedenkstätte an das KZ-Lager Erich. Ruth Monicke |