Eine alte Tradition lebt wieder auf Harzer Rotvieh Man trifft sie wieder, Foto: Archiv Harzkurier Unser Harz ist für ältere Bewohner der Region nicht vorstellbar ohne die roten Harzrinder. Täglich zogen die Herden den Sommer über mit den Hirten zur Waldweide. Im Oberharz war Ackerbau unwirtschaftlich und unerwünscht. Zur Versorgung der Bergleute und ihrer Familien wurde die Rinderhaltung gefördert. Im Rahmen der Bergfreiheiten war vom Landesherrn, und in seinem Namen den Bergämtern, genau festgelegt, wer wie viele Rinder halten durfte. Gewährt wurde die Waldweide und eine Wiesenfläche zur Heugewinnung. Das einheimische rotbraune Rind, zurückzuführen auf das keltische Hausrind, erwies sich als robust und anpassungsfähig an die harten Harzer Haltungsbedingungen. So lieferten die Bergmannskühe mit Milch und Nachzucht fast die Hälfte des Jahreseinkommens einer Bergmannsfamilie. Im Vorharz zeigte sich das Harzer Rind besonders geeignet für die kleinbäuerlichen Wirtschaften. Robust, genügsam, langlebig und mit hervorragenden Zugeigenschaften lieferte es den Ackerbauern im Vorland Zugkraft, Milch und Fleisch. Mit der Separation im 19. Jahrhundert und der Industriealisierung erfuhr die Landwirtschaft einen gewaltigen Aufschwung, der auch den Harz und sein Vorland erfasste. Angeregt von der Königlichen Landwirtschaftsgesellschaft Hannover wurde mit der Einkreuzung von Tiroler Vieh und durch Selektion eine einheitliche Rasse Harzer Rotvieh geschaffen. Der Bestand erreichte mit knapp 135 000 Rindern im Jahre 1896 ein Maximum. In der Provinz Hannover stand fast die Hälfte dieses Bestandes, und im Kreis Osterode waren 80% aller Rinder dem Harzer Rotvieh zugehörig. Die Haltungsbedingungen, sowohl im Harz als auch Vorland, setzten der Leistungssteigerung bei Milch und Fleisch enge Grenzen. Neue Leistungsrassen wie Schwarzbuntes Niederungsvieh, Fleckvieh und Angler waren überlegen und verdrängten das Rotvieh auf allen besseren Standorten. Im Jahre 1925 war der Harzer Rotviehbestand auf etwa 20% des Bestandes von 1896 gesunken. Obwohl die Milchleistung je Harzkuh von etwa 2000 kg/Jahr im Jahre 1900 auf etwa 3000 kg/Jahr im Jahre 1960 gestiegen war, konnte der Harzer Rotviehbestand aus ökonomischen Erwägungen nicht mehr gehalten werden. Auch die Waldweide - nicht unberechtigtes Ärgernis für die Forstwirtschaft - wurde verboten. Im Vorland war ein Kleinbauer mit Spannkühen nicht mehr leistungsfähig. So wurden die Bestäinde im Oberharz aufgelöst und im Vorharz durch Schwarzbuntes Niederungsvieh verdrängt. 1962 erfolgte der letzte Austrieb in Lerbach, 1966 in Bad Sachsa und 1967 in Bad Lauterberg, um nur einige Beispiele zu nennen. Doch gab es einige mutige Harzer, die dem Untergang des Harzer Rotviehs nicht zusehen wollten. Wolfgang Beuse in Wildemann mühte sich seit den 80er Jahren um den Erhalt der Rasse, und 1992 wurde der Verein zur Erhaltung der Harzkuh und Harzziege e.V. gegründet. Auch im Kreis Osterode sind Harzer Rinder wieder da, seit 1998 in Wieda und 1999 in Bad Grund. Die grösste Rotviehherde hat Familie Wehmeyer in Düna, mit über 20 Tieren. So lebt eine alte Tradition wieder auf. Ein Stück Kulturgeschichte wird bewahrt, eine wertvolle Genreserve erhalten, die Grünlandbeweidung sichert die Kulturlandschaft, und das Harzer Rotvieh ist ein hervorragender Werbeträger für den Harztourismus. Prof. Dr. Albrecht Pfeiffer |