Aus der Wollwarenfabrik Greve & Uhl Kamelhaardecken aus Kamelhaardecken aus Osterode – Das 17. Jahrhundert zeigte bereits Osterode als Stadt umfangreichen Textilgewerbes. Schon früh im 19. Jahrhundert erreichte das Gewerbe industrielle Dimensionen. Ein Drittel fast der Osteroder Beschäftigten fand sich hier und bediente einen umfangreichen europäischen Exportmarkt. Im Übergang zum 20. Jahrhundert zeichnet sich ein dramatischer Absatzeinbruch und damit Rückgang dieses Osteroder Gewerbes ab. Ursache waren Mitbewerber des europäischen Auslands, die zu billigeren Lohnstückkosten produzieren konnten. Das Textilgewerbe blieb hier bis in die 30er Jahre die größte Einzelbranche. Am 1. September 1952 beging die Greve & Uhl Wollwarenfabrik, das bedeutendste Osteroder Textilunternehmen, ihr 125-jähriges Betriebsjubiläum. Ludwig Greve und Eduard Uhl waren die Männer, die 1827 die Chancen der Zeit erkannten, die Firma Greve & Uhl gründeten und durch ihre Tüchtigkeit und unermüdlichen Fleiß das junge Unternehmen zur schnellen Entwicklung brachten. Der Ursprung der Textilfabrik lag in einigen Osteroder Häusern am Rollberg und Am Schilde. Im Mai 1832 wurde für den neuen Fabrikkomplex im Sösetal, damals zur Gemeinde Freiheit gehörig, der Grundstein gelegt worden. Mit einer besonderen Festschrift wurde im Jahre 1927 das 100-jährige Betriebsjubiläum gefeiert, die wichtigsten Produkte waren zu dieser Zeit Kamelhaardecken und –stoffe, Reisedecken und Schuhstoffe. Ludewig Greve starb bereits 1836, während Eduard Uhl bis zu seinem Tode über 37 Jahre den Betrieb, gestützt durch seinen Bruder Ferdinand, zu großer ökonomischer und sozialer Bedeutung für Osterode führte. Mit Johannes Uhl begann 1864 eine neue Zeit der Blüte und des Wachstums des Unternehmens, es wurde alsbald zum „Stammhaus“ der Kamelhaardecken. Unterstützt wurde er von seinem jüngsten Bruder Berthold, der nach langjähriger Tätigkeit, zuletzt als Prokurist, 1891 als Gesellschafter in die Firma eintrat. 1913 übernahm Erich Uhl die in Konkurs gegangene Wolldeckenfabrik Quentin als Zweigwerk. Dieser Betrieb lag in Osterode auf dem Gelände zwischen der Wald- und der heutigen Berliner Straße. Der Komplex, zuletzt nur noch als Lager genutzt, brannte 1938 bis auf das dortige mehrstöckige „Beamtenhaus“ ab. Es besteht, nach einem Brand 1998 umgebaut, noch heute. Später bezog das Werk einen Neubaukomplex im Sösetal. Die Installation der ersten Dampfmaschine Osterodes auf der Eulenburg, wie der alte und der neue Betrieb nach dem Gründernahmen hieß, fiel in diese Zeit. Ihre Dampfpfeife kündete Arbeitsbeginn und –ende. Durch Kontakte zum Stuttgarter Wissenschaftler und Wollfachmann Prof. Gustav Jäger im Jahr 1883 begann mit der Kamelhaarwolle eine neue Ära bei Greve & Uhl. Was bedeutet Kamelhaar? Kamelwolle liefert qualitativ herrliche Decken. Sie ist besonders haltbar, fördert durch wohltuendes natürliches Aroma den Schlaf, ist weit besser schmutz- und geruchsabweisend und damit hygienischer als die üblicherweise verwendete Schafwolle und eignet sich daher vorzüglich für Bett- und Schlafdecken. Hinzu kommt der wohltuende Temperaturausgleich zwischen sommerlicher und winterlicher Benutzung infolge der besonderen Haarstruktur. Für Schlafdecken waren Kamelhaare bisher noch nie verarbeitet worden. Es ist die persönliche Leistung von Johannes Uhl, durch lange und mühevolle Versuche in der Fabrikation gut brauchbare Decken zu entwickeln, die, geschmückt mit der typischen Mäanderkante, alsbald einen Siegeszug auf dem Weltmarkt antraten. In dritter Generation wirkte bereits Erich Uhl ab 1903 im Betrieb und übernahm die Firma 1921 nach dem Tode des Vaters. Doch starb Erich schon am 19. März 1923 und der Betrieb blieb in den alleinigen Händen der schwer geprüften Witwe Emmi Uhl. Die Firma wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ihr standen als Direktoren Erichs Vetter Hans Mitthoff und die Herren Louis Gerke und ab 1924 Curt Oelsner zur Seite. Fast alle Erdteile der Welt lieferten damals die in Osterode versponnene, gefärbte und gewebte Wolle und gehen von hier wieder in alle Welt hinaus. In der Zeit des Nationalsozialismus hielt die Inhaberfamilie von Anfang wohltuende Distanz zu den neuen politischen Machthabern, was sicher nicht für die Gesamtheit der Belegschaft galt. Auch in dieser Zeit ging das wirtschaftliche Auf und Ab des Unternehmens weiter. Zwischen 1927 und 1936 schwankten die Gewinne mehrfach zwischen Verlust und fast 100.000 Reichsmark. In der gleichen Zeit wuchs die Beschäftigtenzahl bis 1936 bei Greve & Uhl auf 350. Aber Produktionsaufträge für das Militär konnten, wie im Ersten Weltkrieg, auch Greve & Uhl nicht zurückweisen; dies wäre nicht nur ökonomisch fatal gewesen. Denn die NSDAP-Kreisleitung hatte bereits ein Auge auf Ernst Siegel als Direktor dieses größten Osteroder Textilbetriebes geworfen. Als Prokurist und Betriebsführer hatte er seit 1932 das Unternehmen geleitet. Viele Jahre hielt er Kontakt zu einigen zunächst noch verbliebenen jüdischen Familien und wagte auch Kritik am sog. Führer. 1944 wurde er für sechs Wochen in Hildesheim inhaftiert. Ernst Siegel führte die Unternehmung dann zusammen mit Waldemar Uhl, der 1948 nach seiner Ausbildung als einziger männlicher Erbe in die Firmenleitung eintrat, in die ersten Nachkriegsjahre, schaffte es aber nicht, mit der Bewältigung der Kriegsfolgen, der Entwicklung der Märkte, der Technologie und der Nachfrage mitzuhalten. Auch die Spezialisierung auf Damenmantelstoffe mit entsprechendem Abnehmerkreis brachte nicht die langfristig tragende Stabilität. So mußte diese traditionsreiche Harzer Firma in den 60er Jahren ihre Webstühle stillegen. Irmgard GRÖNIG, Osterode, Schwester des jüngst verstorbenen Waldemar Uhl, stellte freundlicherweise Unterlagen der Wollwarenfabrik zur Auswertung bereit. Firouz Vladi |