Firouz Vladi ANSELM WINDHAUSEN - Geologische Untersuchungen in der Einhornhöhle in Scharzfeld am Südharz in den Jahren 1905 bis 1907(In Auszügen veröffentlicht in "Unser Harz", 29. Jg., Nr. 10, S. 187-190; Clausthal-Zellerfeld 1981) Ist die Einhornhöhle selber - geologisch gesprochen als Sedimentfalle - ein Füllhorn erdgeschichtlicher Zeugnisse, so wächst im Verlaufe der Jahrzehnte ihre Stellung als Fundgrube für die Geschichte der geologischen Erforschung unseres Harzgebirges von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Die Kenntnis um das Eiszeitalter und die gewaltigen landschaftlichen Veränderungen, denen Norddeutschland in dieser Zeit unterlag, ist eine junge Disziplin der Geologie. Noch bis in unsere Tage gilt bei vielen Geologen die Beschäftigung mit den Ablagerungen des Eiszeitalters - Sand, Lehm, kurz "Matsch" - als unwürdig. Noch voll von Spekulationen und ideenreichen Theorien zeigt sich die Quartärgeologie um die Jahrhundertwende, die wissenschaftliche Höhlenforschung steckte noch ganz in den Kinderschuhen, war es doch noch nicht lange her, da Höhlenbildung und Sintflut in einem Atemzuge genannt worden sind. Anselm WINDHAUSEN, damals ein junger Geologieassistent in Göttingen, gebührt das Verdienst, ein erstes Licht moderner geowissenschaftlicher Forschung in die Einhornhöhle getragen zu haben. 1981, zu seinem bevorstehenden 100. Geburtstage, soll sein Wirken in Scharzfeld noch einmal zusammengetragen und seinem, wenn auch nur kurzem Schaffen als Höhlenforscher die nötige Würdigung gezollt werden. Anselm WINDHAUSEN, geboren am 20. April 1882 zu Lingen an der Ems als jüngster Sohn des gleichnamigen Landes-Ökonomie-Kommissars (Mitglied der Georg August-Universität in Göttingen) und seiner Gattin Johanne, geb. Luther, trat nach der Seminarschule Ostern 1892 in die Sexta des Josephinums zu Hildesheim ein. Nach der Reifeprüfung Ostern 1901 begann in München ein erstes Semester Windhausens im Studium der Naturwissenschaften u. a. bei Pompeckj, Röntgen und von Zittel. Noch im selben Jahr wechselte Windhausen nach Göttingen, um hier - mit Ausnahme des in Berlin u. a. bei Wahnschaffe zugebrachten Wintersemesters 1902/03 - das Studium der Geologie fortzuführen, wo er bereits in den Jahren 1905/1906 als Assistent am Geologischen Institut tätig wurde und im Februar 1907 seine Ausbildung abschloß mit einer Dissertation über "Die geologischen Verhältnisse der Bergzüge westlich und südwestlich von Hildesheim". Wenig später, im Jahre 1909, verläßt Windhausen jedoch die deutsche Heimat und wandert nach Argentinien aus. Bereits 1910 gilt Windhausen dort als angesehene Kapazität seines Fachgebietes. Heute, zu seinem 100. Geburtstag, bereiten seine inzwischen in den USA lebenden Enkel ihm zu Ehren eine Ausstellung über sein geologisches Wirken vor. Dieses aber beginnt 1905 in der Einhornhöhle bei Scharzfeld. Die Vorgeschichte beginnt bereits einige Jahre zuvor.
Veranlaßt durch die Grabungen von Rudolph Virchow und Dr. Hostmann in der Einhornhöhle bei Scharzfeld am Harz im Jahre 1872 begann der Rechtsanwalt und Laienforscher Dr. Paul Favreau im Jahre 1903 mit einer Grabung im südlichen Teil der Höhle. Erste Grabungsbefunde veranlaßten Favreau, unter Bezuschussung durch die Rudolph-Virchow-Stiftung zu Berlin eine größere Grabungskampagne unter Genehmigung durch das Provinzialmuseum Hannover zu planen. Um die wissenschaftliche Betreuung der Grabungen, auch in geologischer Hinsicht, sicherzustellen, wurde vom Provinzialmuseum ein Gutachten bei der Universität Göttingen angefordert und von Herrn Geheimen Bergrat Prof. Dr. von Koenen im Jahre 1905 vorgelegt. Ziel der zunächst anthropologisch ausgerichteten Grabung war der Nachweis der Gleichzeitigkeit zwischen dem inzwischen als eiszeitlich datierten Höhlenbären und dem Menschen, damit also der Versuch des Nachweises ältesten menschlichen Auftretens in Norddeutschland. Prof. von Koenen sandte seinen Schüler, den damals 23jährigen Geologieassistenten Anselm Windhausen zur Begleitung der Ausgrabungen in die Einhornhöhle. Windhausen weilte erstmals vom 13. August bis 24. September 1905 in Scharzfeld, welche Zeit er nutzte, eine genaue Aufmessung der Höhle und ihrer Einzelheiten herzustellen. Der Höhlenplan in 1: 100 ist offensichtlich verschollen, doch konnte eine Verkleinerung als colorierte Handzeichnung im Hermann-Löns-Zimmer des ehemaligen Hotel Schuster in Scharzfeld aufbewahrt werden. Nebenbei entstand in 1: 5000 eine geologische Kartierung der Umgebung der Einhornhöhle, die "Aufnahme hatte sehr unter der Ungunst des dauernd schlechten Wetters zu leiden". Die Herstellung eines Stollens in die Höhle als technische Grabungsvoraussetzung ließ die eigentlichen Grabungen erst 1906 beginnen. Doch brachte Windhausen zwischen dem 21. und 26. August einen geologischen Schurfgraben bis auf die von ihm vermutete Höhlensohle im Weißen Saal nieder, die damals bei ca. 4 m bis 5 m Teufe gefunden wurde. Zahlreiche Knochen des ausgestorbenen eiszeitlichen Höhlenbären konnten über und im oberen Teil einer Geröllschicht aus Harzgestein gefunden werden. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang der Fund von Herzyngeröllen samt Holzkohlesplittern in der zum späteren Stollenausgang führenden Spalte bei der Auffahrung des Stollens: Gerölle aus Zechstein, Rotliegend, Harzgestein.
Bruchstrukturen an den Knochen und Holzkohlesplitter wurden damals bereits als unmittelbare frühmenschliche Spuren gedeutet. Wir wissen heute, daß zwischen der Ablagerung der Bärenknochenschicht und dem ersten Betreten der Einhornhöhle durch den Menschen bald eine halbe Million von Jahren liegt!
Vom 28. Juli bis zum 18. Okt. 1906 weilte Windhausen wieder in Scharzfeld. Am 3. August konnte der inzwischen fertiggestellte Stollen von Herrn Geheimrat Prof. von Koenen, Herrn Oberforstmeister von Alten (Forstamt Kupferhütte) und Herrn Prof. H. Virchow begangen werden, wobei für Windhausen als zwischenzeitlichen Grabungsleiter das weitere Vorgehen festgelegt worden ist. Dies war zunächst die Beseitigung des vorjährigen Grabungsschuttes mittels Geläuf und Loren und die Erweiterung des Engpasses zur Wolfskammer und zum Virchowgang durch Rauben der Sohle samt mächtiger, im Lehm schwimmender Dolomitblöcke und Nachschießen der Firste. Eine Grabung im Weißen Saal mußte Windhausen nach einiger Zeit stunden, als deutlich wurde, daß man bald 3 cbm fruchtlos in älterem Grabungsschutt arbeitete, an dessen Basis moderne Werkzeugreste auftauchten. Doch brachte der Schurf am Nordende des Weißen Saales die Schlußfolgerung mit sich, daß hier ein vor alters verstürzter, ehemaliger Haupteingang der Höhle bestanden haben müßte, durch den die Bären Zutritt gehabt haben könnten (s. Abb. 1). Am 17. und 18. August versuchte Windhausen, durch eine Grabung in der Leibnizhalle eine von ihm zunächst aufgestellte Theorie zu verfolgen, nämlich das im tiefer liegenden Weißen Saal angetroffene Geröllager in der Tiefe des Untergrundes der Leibnizhalle wiederzufinden. Das hierbei angetroffene grobe Haufwerk aus Blockschutt entmutigte Windhausen jedoch so weit, daß er das Geröllager hier nicht weiter verfolgen mochte. Erst bei Bohrungen im Jahre 1979 durch den Verfasser in der Leibnizhalle, im Schillersaal und in der Wolfskammer konnte die erhoffte Kiesschicht in 9m bis 10m Teufe, z. T. unter einer Sinterdecke und mit - durch die Höhle aushaltend - horizontaler Oberfläche (s. Saigerriß auf Abb. 2) gefunden werden. Die Theorie Windhausens über den räumlichen Aufbau der Höhlensedimente ist somit bestätigt. Die Grabungsarbeiten des Jahres 1906 wurden nach sauberer Wiederherrichtung des Weißen Saales und der anderen Grabungsstellen am 8. Oktober beendet. Im Jahrbuch des Provinzialmuseums zu Hannover legt Windhausen die Grabungsergebnisse nieder. Hervorzuheben sind Grund- und Saigerriß der Höhle sowie ein geologisches Idealprofil im Weißen Saal (s. Abb. 3). Es wird die erste moderne geologische und paläontologische Beschreibung der Einhornhöhle und Kritik älterer Forscher, aber auch Kritik an der Grabungskampagne Favreau-Windhausen, insbesondere an den ausgewählten Grabungsorten im Bereich des (mehrfach schon früher umgewühlten) Weißen Saales. 1907 grub Windhausen dann noch, z. T. zusammen mit Prof. Virchow, im Weißen Saal. Windhausens lebhaftester Wunsch, hinter dem Deckeneinsturz der Blauen Grotte die natürlichen Fortsetzungen der Höhle nach Süden zu finden, konnte mangels Mittel (es standen seitens der Rudolph-Virchow-Stiftung insgesamt 5000 Mark zu Verfügung) nicht in die Tat umgesetzt werden. Die Ausdeutung der Befunde spiegelt den damaligen Stand der Quartärforschung wider. Unlängst zuvor erst wurde erkannt, daß Norddeutschland vergletschert gewesen sein muß. Drei Eiszeiten schälten sich heraus. Zugleich konnten am Saum des Harzgebirges ausgedehnte Schotterzüge, auch an den oberen Talkanten, kartiert werden. Die Theorie der Höhlenentstehung bediente sich damals noch der Erosion, der Raumerweiterung durch Ausstrudelung und Abschliff der Wände durch mitgeführte Gerölle. Die Einhornhöhle mit ihrem Lager von Flußschottern aus Harzgestein liegt oberhalb der heutigen Täler auf einer Wasserscheide. Obwohl Windhausen alle - aus heutiger Sicht - richtigen Deutungsansätze diskutiert, teilt er doch dem Stand der Quartärgeologie von 1907 folgend eine von Oberforstmeister Paul von Alten anhand seiner Grabungen von 1892/93 verfolgte sehr mutige Theorie: Schmelzwässer einer Lokalvergletscherung auf dem Oberharz (Brocken, Odertal) liefern gewaltige Wasser- und Schottermassen ins südliche Harzvorland. Das nordische Eis habe hier - den Harz von Nordwesten umgreifend - einen Anstau dieser Wässer um bald 200 m bewirkt, in welchem Staubecken, also auch an den höheren Talkanten des Odertales, sich die Schottermassen absetzen konnten. Hierbei gelangte das auf einer Wasserscheide liegende Dolomitplateau der Einhornhöhle unter Wasser. Die zuvor nur durch Lösungskorrosion gering geweiteten Klüfte wurden jetzt von Schmelzwässern durchflossen, die alsbald mit Hilfe der in die Höhle eingeschwemmten Flußschotter die heutigen Räume ausgestrudelt haben. Am Ende der Eiszeit seien die Wassermassen wieder gefallen, indem die den Harz umgreifenden Gletscher abtauten. Die Höhleneingänge lagen trocken und frei, die Höhlenbärenfauna konnte einwandern. Und mit ihr auch der eiszeitliche Mensch? Die Grabungen haben keine eindeutigen Spuren des Menschen gezeigt. Schlagmarken, Kerben und häufige Bruchstrukturen an den Höhlenbärenknochen wurden u. a. vom Leiter der Ausgrabungen, Paul Favreau, zunächst als sichere Indizien für die Anwesenheit des Menschen gewertet. Mit großer Vorsichtigkeit jedoch und höflicher Kritik stellt Windhausen aber die schnellen Schlüsse der Anthropologen in Frage. Noch vor Ende der Grabungen lediglich stellt Windhausen in der Zeitschrift des Harzklubs das Wunschziel der Untersuchungen in der Einhornhöhle vor. Plastisch, fast im Stile seines späteren Kritikers Hermann Löns, beschreibt Windhausen das Wesen - oder Unwesen - des Neandertalers in Scharzfeld, also eine mögliche altsteinzeitliche Besiedlung, und skizziert anschließend die schon von Struckmann 1884 nachgewiesene jungsteinzeitliche Besiedlung. Erst später schreibt Windhausen (Dez. 1907): "Gerade sinnlos ist es dann, wenn Herr Löns uns die Redensart, daß der diluviale Mensch durch die Coexistenz von Ursus spelaeus festgestellt sei', in den Mund legen will. Weder von Herrn Favreau noch von mir ist jemals eine so törichte Äußerung gemacht worden ..."Sehr deutlich ist Windhausens Bedauern, daß die von Anfang an festgelegte Planung, in der Höhle zu graben, und die zu knappen Mittel es verwehrt haben, dem Problem frühmenschlicher Anwesenheit durch Untersuchungen im Umfeld der Höhle nachzugehen. Für die einzig vernünftige weitere Erforschung der Höhle und ihrer Geologie weist Windhausen aber schon den Weg, der heute als vordringliche Arbeitsrichtung feststeht, von den inzwischen in den Jahren 1925/26, 1956 bis 1959 und 1974 unter frühgeschichtlicher und paläontologischer Fragestellung durchgeführten Grabungen jedoch nicht wieder aufgegriffen worden ist, nämlich die Untersuchung des tieferen Sedimentaufbaus unter dem frühjungsteinzeitlichen Deckeneinsturz in der Blauen Grotte, hinab bis auf die von Windhausen hier postulierte Schotterschicht und darüber hinaus ein Vorstoß in die sicher nach Süden sich anschließenden Räume der Höhle, die durch das Ereignis des Deckeneinsturzes von dem heute bekannten Teil der Höhle abgetrennt und nicht mehr zugänglich sind. Von hier kann das ehemalige Südportal erschlossen werden, hier allein sind für vorgeschichtliche Siedlungsspuren die wahrscheinlichsten Nachweise zu bringen, wie ja Untersuchungen in zahlreichen anderen europäischen Höhlen schon zu Anfang des Jahrhunderts gezeigt haben. Die deutliche Kritik Windhausens wird von Hermann Löns, dessen zweite Ehefrau Lisa, geb. Hausmann, ja aus Scharzfeld/Barbis stammte, zu sehr pauschalen Angriffen gegenüber dem Gesamtunternehmen verraten und unter der Rubrik "Praktischer Heimatschutz" in Lönsens Postille "Heimat", einer Beilage des Hannoverschen Tageblattes, 1907 veröffentlicht, ohne Windhausen zu verschonen. So ist es bedauerlich, daß Windhausen, ein Jahr vor seiner Auswanderung nach Südamerika sich mit unbilligen Angriffen konfrontiert sehen mußte. Mit einer langen Rechtfertigung in den Hannoverschen Tagesnachrichten am Heiligen Abend 1907 endet Windhausens Tätigkeit als Höhlenforscher. "Die in Nr. 12 der ,Heimat' ... vom 12. Dezember 1907 enthaltenen Ausführungen in dem Artikel des Herrn H. Löns ,Was geht in Scharzfeld vor?' erfordern eine öffentliche Richtigstellung.Der Dissens zwischen engagierten Laienforschern und Fachwissenschaftlern belebt ja noch heute gleichermaßen die Heimat- und Höhlenforschung. Löns aber bleibt nicht ruhig und entgegnet in der Januarausgabe 1908 der "Heimat": "Der Geologe Dr. A. Windhausen ... sandte eine Entgegnung ein, die wegen ihres unsachlichen, weit über den Rahmen einer tatsächlichen Berichtigung hinausgehenden Form abgelehnt wurde. Diese Entgegnung ist dann an anderen Stellen erschienen und als Sonderabdruck verbreitet. Ohne mich auf den Ton des Verfassers einzulassen, erwidere ich zur Sache folgendes:Aus unserer heutigen Sicht sind Löns wie Windhausen mit Recht unzufrieden. Löns als Laie ahnt kaum den immensen Aufwand und weiß natürlich nicht um den erst mangelhaften Wissensstand der damaligen Quartärgeologie, mithin der zugehörigen Paläontologie mit dem noch fehlenden stratigraphischen Gerüst, ist sich aber der immensen Bedeutung, die die Einhornhöhle für die geowissenschaftliche Erforschung der Südharzgeschichte und alt quartärer Faunen aufweist, vollkommen bewußt. Windhausen hingegen weist aus der Sicht des Praktikers den richtigen Weg und kennt die Grenzen, die durch den beschränkten Etat von 5000 Mark gesetzt sind. Sicher hätte der Umfang der geplanten Grabung in der ja nur endlich großen Höhlenlagerstätte eine - auch nach damaligem Wissensstand - umfangreichere personelle Ausstattung dringend bedurft. An diesen Entscheidungen war aber Windhausen nicht beteiligt. Er hat aber, damals noch als junger Wissenschaftler, aus den gegebenen Möglichkeiten mit vorsichtiger Distanz und Sorgfalt das beste gemacht. Mit ihm war erstmals ein Fachgeologe in der Einhornhöhle tätig, seine Erkenntnisse sind auch heute noch bestimmend für alle weiteren Forschungen, derer der Höhlenlehm noch für genug Forschergenerationen harrt. Ob private Auseinandersetzungen zwischen Windhausen und Löns hineinspielen, bleibt ungewiß. Beide waren entfernt miteinander verwandt. Lisa Lönsens Tante, eine Schwester des hannoverschen Kunstmalers Gustav Hausmann aus Barbis, ehelichte den Hotelier WiIhelm Schuster sen.. (gest. 1903) zu Scharzfeld, bei dessen Witwe neben Löns (1902-1908) auch Windhausen, Favreau und Fritz Graef während der Grabungen Quartier hatten (s. Abb. 5). War doch - bevor der Harzklub die Betreuung der Höhle im Jahre 1908 übernahm - das Hotel Schuster, dessen Leitung 1911 nach dem Tode der Mutter der Sohn WiIhelm Schuster jun. übernahm, gegenüber dem Bahnhof Scharzfeld, eng mit der Geschichte der Einhornhöhle verbunden. Während der Grabungszeit hatte Windhausen auch seine spätere Lebensgefährtin Hedwig Schuster kennengelernt, die Schwester des Hoteliers Wilhelm Schuster jun. Graef war Topograph der Preußischen Geologischen Landesanstalt zu Berlin und verfertigte eine detaillierte topographische Aufnahme der Einhornhöhle mitsamt Innen- und Außennivellement; sie ist verkleinert in BIESE (1933) wiedergegeben. Aber auch Graef. ging im Hause Schuster nicht leer aus: Hedwigs ältere Schwester Paula wurde seine Frau. Ein mit "K.W." signiertes Gedicht aus dem "Stammbuch der Höhlenecke" im ehemaligen Hotel Schuster gibt die Stimmung während der Monate, ja Jahre der Höhlenforschung im Hause Schuster und im Kreise der wissenschaftlichen Gäste wider:
Favreau zog sich 1909 aus der Höhlenforschung zurück, nachdem er zwei Jahre zuvor schon nach Königswinter am Rhein übergesiedelt war. Er übereignete das von ihm 1905 für die Lagerung des Grabungsabraumes erworbene, vor dem Stolleneingang belegene Grundstück (Abb. 6) an Hedwig Schuster. Es befindet sich heute im Eigentum des Harzklub-Zweigvereins Scharzfeld, der hier für die Betreuung der Höhlengäste das "Haus Einhorn" errichtete. Wilhelm Schuster jun. starb 1937 in Bad Grund. Die Familie zog nach Bad Oeynhausen, auch Lisa Löns, die hier 1956 starb. Die an das Provinzialmuseum Hannover eingelieferten Grabungsberichte, Profile und Fundbeschreibungen, wozu auch der Originalhöhlenplan in 1: 100 gehören dürfte, sind derzeit nicht auffindbar, wahrscheinlich im Kriege verschollen. Nur wenige, z. T. handschriftliche Mitteilungen und Skizzen sowie die geologische Karte der Umgebung der Höhle liegen im Archiv des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes - Institut für Denkmalpflege - auf. Die wesentlichen Ergebnisse der Grabungen sind aber von Windhausen und Favreau in mehreren Veröffentlichungen (s. u.) festgehalten. Ob seitens der Rechtsnachfolger der Virchow-Stiftung zu Berlin noch Akten vorliegen, konnte bislang nicht geprüft werden.
Der weitere Lebensweg Anselm Windhausens führt nach Südamerika. Die argentinische Regierung bot verlockende Arbeitsverträge seit 1903 jungen deutschen Wissenschaftlern an. Gehälter von mehr als dem dreifachen der in Deutschland üblichen Höhe wurden gezahlt. Vermittelt wurden diese Jobs durch den Patagonien-Forscher und Geologen Dr. Rudolf Hauthal , Direktor des Roemer-Museums in Hildesheim und argentinischen Honorar-Vicekonsul in Niedersachsen. So zogen Anselm Windhausen und Hedwig Schuster 1909 nach Buenos Aires, wo sie am 19. Mai 1910 heirateten. Windhausen arbeitete dort im neu gegründeten Bureau of Mines, dessen paläontologische und geologische Sammlung, der Grundstock des heutigen Musealbestandes des Argentinischen Geologischen Dienstes, er aufbaute. 1911 kamen Windhausens noch einmal nach Deutschland. Während eines Familienbesuches in Nordhausen wurde ihr einziger Sohn Herbert geboren. Bei dieser Zeit gewann Windhausen auch Fritz Graef, der als Gevatter zur Taufe nach Scharzfeld kam, für die Auswanderung nach Argentinien. Graef war bereits im Januar 1909 durch ein Rundschreiben des Preußischen Erziehungsministeriums auf die guten Arbeitsmöglichkeiten in Südamerika hingewiesen worden. Hedwig kam 1930 noch einmal nach Deutschland, ihren inzwischen in Berlin an der Charlottenburger TH studierenden Sohn Herbert (Elektro-/Hydraulik-Ingenieur) zu besuchen. Sie starb 1949 in Mendoza, Argentinien. Ihre Schwester Paula starb bereits 1928, ebenfalls in Argentinien. Graef kam zu ihrer Bestattung nach Deutschland. 1963 ließ er sich in Bamberg nieder, wo er bald darauf ebenfalls starb. Er arbeitete für viele Jahre zusammen mit Windhausen im Bureau of Mines, wurde Professor für Geodäsie und organisierte die argentinische Landesvermessung. Beide gründeten 1922 die geographische Zeitschrift "Gaea" als Organ der argentinischen geographischen Gesellschaft. Windhausen starb am 2. April 1932, fünfzigjährig, in Buenos Aires nach kurzer Krankheit. Sein Lebenswerk ist die argentinische Geologie. Als früher Wegbereiter Alfred Wegener's Theorie der Kontinentalverschiebung erkannte er die geologischen Übereinstimmungen Patagoniens mit der antarktischen Küste. Posthum erkannte das wissenschaftliche Komitee der argentinischen Regierung Windhausen Nationalpreis der Wissenschaften für sein Werk zu. Der Kongreß zur Geschichte der Wissenschaften der Universität Cordoba (Argentinien) wird den Forschern Charles Darwin und Anselm Windhausen 1982 gemeinsam gewidmet werden. Zwei Jahre nach Abschluß der Grabungen zieht es Paul Favreau wieder nach Scharzfeld, in seine geliebte Höhle. Die Mühen der Forschung, die Kameradschaft der Forscher, die fröhlichen Zeiten im Hause Schuster ziehen noch einmal auf. Im Stammbuch der Höhlenecke hält sie Favreau für die Späteren fest, das Stammbuch hat die Wirren der Zeit durch glückliche Fügung überstanden.
Schrifttum
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