Von Stephan Kempe und Angela Helbing (Darmstadt) In einem Aufsatz hat Fritz REINBOTH (1997) in „Die Höhle“ das Problem der Größenangabe von Höhlen diskutiert. Er weist darauf hin, daß die international geübte Praxis, Höhlen nach ihren Längen (Gesamtganglänge, GGL) zu vergleichen, gerade für die hallenartigen Harzer Gipshöhlen wenig Aussagekraft besitzt. Er illustriert dies am Beispiel der Himmelreichhöhle, Südharz, die aus einer einzigen Halle besteht und der Höllern, Franken, die aus einem Ganglabyrinth besteht (s. REINBOTH, Abb. 1). Die Himmelreichhöhle wird mit 580 m GGL und die Höllern mit 1040 m GGL (KEMPE 1997a,b; 1998) geführt, obwohl die Höllern von ihrer Ausdehnung in der Halle der Himmelreichhöhle zweimal Platz hätte. Sowohl Grundfläche als auch Volumen der Himmelreichhöhle sind weitaus größer als die der Höllern, sie ist also eigentlich die „größere“ der beiden Höhlen. Das Problem der Größenbestimmung der deutschen Gipshöhlen stellte sich für uns ganz praktisch, als C. CHABERT eine neue Liste der längsten „Nicht-Karbonat“ Höhlen erarbeitete und nach den neusten Daten der deutschen Gipshöhlen fragte (CHAEERT & COURBON 1997). Wir haben daraufhin zunächst einmal die bisher nicht in der Liste vertretenen Schlotten, sofern uns aus den Veröffentlichungen Pläne zugänglich waren, nach der international üblichen Methode auf ihre GGL hin vermessen. Dabei fiel auf, daß der veröffentlichte Plan der Wimmelburger Schlotten lediglich 2.838 m ergab. Die Ausmessung ist in gewissen Grenzen subjektiv, denn es ist dem Ermessen des Bearbeiters überlassen, welche Räume er als Hallen and welche er als separate Gänge ansieht (der zur Ermittlung benutzte Meßzug ist in Abb. 2 eingetragen). Trotzdem muß leider gesagt werden, daß der Plan auf keinen Fall die bisher berichtete Zahl von 5.000 m repräsentiert. Demzufolge mußten wir die „längste“ deutsche Gipshöhle erheblich „verkürzen“. Für fünf andere Höhlen, wie zum Beispiel die Numburghöhle (Kyffhäuser), gab es bisher keine Ausmessungen. Diese haben wir ebenfalls an Hand der veröffentlichten Pläne vorgenommen. Die Liste der Gipshöhlen (Tabelle 1) mit den von uns erarbeiteten Längen schließt alle Höhlen bis 200 m Länge ein. Mit dieser Längenausmessung war zwar die Aufgabe, die C. CHABERT uns gestellt hatte, erfüllt, Fritz REINBOTHs Kritik an der Praxis der Längenausmessung aber in keiner Weise berücksichtigt. Wir sind allerdings der Meinung, daß der von ihm vorgeschlagene Index (flächenbezogene Gangdichte, GF) nicht sehr bildhaft ist. Fritz REINBOTH ist jedoch der Auffassung, daß die Höhlen am besten ohnehin durch ihre Hohlraumvolumina gekennzeichnet wären. Die Bestimmung des Volumens ist jedoch sehr aufwendig und für historische Pläne ohne umfangreiche Profilaufnahmen unmöglich. Wir denken, daß die Größe der Grundfläche, deren Bestimmung REINBOTH für aufwendig und ungenau hält, fast genauso aussagekräftig ist. Wir haben indes für die Bestimmung der Grundfläche eine sehr einfache Methode benutzt, weit weniger zeitaufwendig als das Ausmessen des Planes für eine Bestimmung der GGL, und wesentlich effektiver. Dafür schneidet man aus einer Kopie des Höhlenplanes den Grundriß aus und wiegt das erhaltene Stück Papier. Mit einem ebenfalls gewogenen Stück Standardfläche aus dem gleichen Papierbogen kann dann die Fläche mittels Dreisatz bestimmt werden. Es ist zu beachten, daß das Papier relativ gewichtskonstant sein sollte (Transparentpapier hat sich als am besten geeignet erwiesen), und daß das Ausschneiden mit Hilfe eines Schneidemessers und einer geeigneten Unterlage einfacher und genauer ist. Die von uns benutzte Waage hat eine Genauigkeit von 104 g. Tabelle 2 listet die bisher mit dieser Methode ausgemessenen Höhlen auf. Mit Hilfe der Fläche und der GGL läßt sich ein weiterer, sehr aussagekräftiger Wert berechnen: die durchschnittliche Gangbreite (BM) einer Höhle (oder von Höhlenteilen). Dieser Wert ist ebenfalls in den Tabellen 2 & 3 aufgeführt. Sehr schön zeigt sich der unterschiedliche Charakter von einzelnen Teilen der Wimmelburger Schlotten (vgl. Abb. 1 & Tabelle 3). Die für den Vergleich benutzten Höhlenteile wurden so voneinander abgetrennt, um möglichst unterschiedliche Teile zu erhalten. Das Labyrinth wurde nochmals in zwei Teile geteilt, um die Vergleichbarkeit der Werte, besonders der durchschnittlichen Breite (BM) zu überprüfen. Der hallenartige Charakter der Teile I und III zeigt sich durch den im Vergleich zum Labyrinth doppelt so hohen BM-Wert. Anhand der ermittelten Werte läßt sich einwandfrei erkennen, daß die beiden Labyrinth-Teile (West- und Süd-Labyrinth) sich in ihrem Aufbau sehr ähnlich sind: der BM-Wert der Teile ist auf den Zentimeter genau gleich. Der Schlauchförmige Gang (IV) ist auch durchaus noch in seiner Ausprägung dem Labyrinth ähnlich, sein BM-Wert weicht nur um 0,4 m ab, das sind ca.7 %. Durch die GGL wäre ein solcher Vergleich nicht möglich gewesen. Selbstverständlich kann auch ein Vergleich verschiedener Höhlen mittels des BM-Werts durchgeführt werden. Wir halten die Benutzung der Höhlengrundfläche fur einen Fortschritt im Sinne von REINBOTHs Forderung nach besser vergleichbaren Werten zur Klassifizierung von Höhlen. Insbesondere der vorgestellte BM-Wert kann als Index für den Charakter der Höhlen gute Dienste leisten und zum Vergleich zwischen Höhlen herangezogen werden.
Tabelle 1: Zusammenstellung der deutschen Gipshöhlen mit mehr als 200 m Länge (KEMPE, 1997) * = Schauhöhle; ** = zugänglich nur mit Erlaubnis (so fast unzugänglich);
Tabelle 2: Liste der größten deutschen Gipshöhlen nach Übersicht verschiedener Höhlen mit den Parametern GGL, Fläche und durchschnittlicher Breite (BM).
Tabelle 3: Übersicht unterschiedlicher Teile der Wimmelburger Schlotten im Vergleich mit den Parametern GGL (Gesamtganglänge), Fläche und durchschnittlicher Breite (BM) LITERATURVERZEICHNIS KEMPE, Stefan & HELBING, Angela (2000): Die „Größe“ deutscher Gipshöhlen.- Die Höhle 51, H. 1, 13-18, 1 Abb., 3 Tab., Wien |