Die beiden Merian-Texte von 1650 und 1654 zur Baumannshöhle und die dazugehörigen Abbildungen Von Stephan Kempe & Fritz Reinboth Die Baumannshöhle im Harz bei Rübeland gehört zu den Höhlen mit der größten Resonanz in der frühen wissenschaftlichen und geographischen Literatur (vgl. u.a. Bürger, 1930/31; Stolberg, 1958; Reinboth 1996; Kempe et al., 1999). Die Höhle wurde vermutlich zwischen 1450 und 1500 entdeckt, als man im Harz von der Höhenfeuerung der Eisenschmelzen zu den Talhütten überging (Heyse, 1874). In allen Berichten wird der Name auf einen Bergmann „Baumann“ zurückgeführt. Allerdings hieß „bauen“ auch „Bergbau betreiben“ („abbauen“) und man könnte sich vorstellen, daß die Höhle einfach als „Alter Bergmann“ bekannt wurde, also als Bergbau aus alter Zeit interpretiert wurde. Die Höhle wurde bereits 1565 von Gesner und 1571 von Mathesius (zitiert in Shaw, 1992) erwähnt (die Ausgabe von Mathesius 1564 enthält nach unserer Recherche keine Angabe zur Baumannshöhle) und bereits Mitte des 17. Jahrhunderts einer breiten Öffentlichkeit als Touristenattraktion vorgestellt. Hauptanteil daran hatte die zweimalige Beschreibung der Höhle in den berühmten Bänden der Topographia Germaniae von Matthäus Merian d. Ä. (1593-1650) und seinen Söhnen Matthäus Merian d. J. (1621-1687) und Caspar Merian (1627-?). Der erste Bericht erschien 1650 im Band „Obersachsen“ und der zweite, nun auch begleitet von Kupferstichen, 1654 im Band „Braunschweig-Lüneburg“. Beide Bücher wurden in hoher Auflage verbreitet und waren für jedermann leicht lesbar, da sie auf deutsch erschienen. Die drei Kupferstiche zeigen (Abb. 1) das Innere der ersten Halle, (Abb. 2) den Höhleneingang und (Abb. 3) die Lage des Höhleneinganges am Hang des Bodetales (Stolberg, 1958). Der Stich vom Inneren der Höhle ist die erste realistische Darstellung aus dem Inneren einer natürlichen Höhle überhaupt. Sie wurde im Auftrag von Herzog August dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel von dem Wolfenbüttler Conrad Buno gezeichnet und in den Merian-Werkstätten vermutlich von Caspar Merian gestochen. Buno wurde wahrscheinlich in Frankenthal/Hessen geboren, arbeitete ab 1640 zunächst in Braunschweig, wurde Chalcographus (Kupferstecher) Herzog Augusts und machte sich ab 1649 in Wolfenbüttel selbständig. Sein Haus ist heute noch erhalten. Dort starb er am 22.5.1671 (Zimmermann, 1902). Die Stiche wurden bereits mehrfach getrennt oder zusammen in der speläologischen Literatur reproduziert (z.B. Stolberg, 1958; Völker & Völker, 1986 u. 1989; Kempe et al., 1999; Busch et al. 2000). Die begleitenden Texte sind bisher aber nur teilweise (z.B. Bürger, 1930/31; Busch et al. 2000) oder an nicht allgemein zugänglicher Stelle (z.B. Wasmus, 1995) in der speläologischen Literatur reproduziert worden. Sie sind allerdings in den Faksimile-Nachdrucken des Bärenreiter-Verlages der entsprechenden Merian-Bande enthalten (Braunschweig-Lüneburg: 1961; Obersachsen: 1964). Beide Texte sind im Anhang ungekürzt wiedergegeben. Dabei werden alle Schreibeigenheiten, die fast regellose Groß- und Kleinschreibung, die vielen Konsonantenverdoppelungen und die Interpunktion des Originaltextes belassen, ebenso wie die offenkundigen Satzfehler des Originals (so heißt es „Schlacht“ statt „Schacht“) und die Schreibvarianten (es wird sowohl „unnd“ als auch „und“ und „Höhle“ als auch „Höle“ geschrieben). Lediglich die gelegentlich durch Überstriche gekennzeichneten Verdoppelungen wurden ausgeschrieben. Lateinische Worte wurden in einer anderen Type gesetzt, auch dies ist hier reproduziert. Am besten versteht man den Text, wenn man ihn laut liest, da vieles „phonetisch“ geschrieben wurde. Insgesamt gibt es aber nur wenige Leseschwierigkeiten, denn das Deutsch ist gar nicht so altertümlich, wie man vielleicht meinen könnte. Die Texte für die Merian-Bände wurden von Martin Zeiller (geboren am 17.4.1589 in Räuthen bei Murnau, gestorben am 6.10.1661 in Ulm) abgefaßt, einem als Hofmeister junger Herrn weitgereisten Mannes, der sich 1630 in Ulm niedergelassen hatte. Allerdings wurden diese Texte nicht vor Ort recherchiert, sondern Merian schrieb an Städte und Fürsten und erbat sich Material. Der Text von 1650 fußt auf zwei Vorlagen. Der längste Teil, und so ist es auch bei Merian angegeben, ist eine Übersetzung der ersten publizierten Beschreibung der Höhle von Heinrich Eckstorm (Henricus Eckstormius). Eckstorm wurde in Elbingerode geboren und lebte 1557-1622. Er war u.a. Diakon in Ellrich und Rektor der Klosterschule in Walkenried. Der Bericht war als Brief an den ehemaligen Studienkollegen, Jenaer Arzt, Philosoph und Universitätsprofessor Zacharias Brendel (Z. Brendclius der Ältere, 1553-1626) gerichtet. Er ist auf den 28. April MD IXC datiert, d.h. auf das Jahr 1589 oder 1591, je nach Interpretation der lateinischen Jahreszahl. Behrens (1703) deutet die Zahl als 1589. Da aber der Druck erst 1620 erfolgte und am Briefbeginn gesagt wird, er sei vor 29 Jahren geschrieben, hat Bürger (1930/31) das Jahr 1591 angenommen. Daher findet man diese Zahl in der neueren Literatur. Vergleiche mit anderen lateinisch geschriebenen Daten der Zeit machen die Zahl 1589 aber wahrscheinlicher. Der in Latein geschriebene Brief „Epistola de specu Bumanni vulgo Bumannsholl“ erschien als Anhang zu einem Buch über Erdbeben „Historiae terrae motuum“, von dem in deutschen Bibliotheken offenbar nur wenige Exemplare überliefert sind. Das Exemplar in der Herzog- August-Bibliothek in Wolfenbüttel trägt noch die handschriftlichen Anmerkungen von Herzog August dem Jüngeren. Bisher gibt es leider keine durchgehende Übersetzung des Eckstorm-Briefes. Dies ist mit einigem Anspruch auf die Richtigkeit der Übersetzung nur von jemandem zu leisten, der sich mit dem Wortgebrauch des wissenschaftlichen Lateins der Renaissance auskennt. Der lateinische Brief, zusammen mit weiteren, drucktechnisch abgesetzten Anmerkungen, ist etwa doppelt so lang wie das Exzerpt bei Merian 1650. Insgesamt wurden nur einige Kernsätze übernommen, ungefähr dreizehn zusammenhängende Passagen, die ziemlich wörtlich übersetzt wurden und in der ursprünglichen Reihenfolge belassen wurden. Die Interpunktionspunkte, die Merian benutzt, finden sich auch bei Eckstorm, z.T. markieren sie Absätze im lateinischen Brief, während der Meriantext ohne Absätze gedruckt ist. Eckstorm, obwohl im nahen Elbingerode geboren, war selbst nie in der Höhle. Dazu sagt er (nach der Teilübersetzung von Bürger, 1930/31): „Selbst habe ich die Höhle nie betreten, sondern bin nur als Knabe zuweilen bis zu ihrem Eingänge gekommen. Im Frühjahr nämlich, in dem ich für einige Wochen aus der Schule in meine Vaterstadt zurückkehrte, war der Abstieg in sie recht unsicher, da der Boden in der Höhle von Wasser und Schmutz triefte und den Besucher beschmutzte. Jetzt aber wohne ich fast 4 Meilen von ihr entfernt und würde, selbst wenn ich ganz nahe wäre, niemals mehr wagen meinen sowieso kränklichen und anfälligen Körper einem so ungesunden Orte preiszugeben. Dafüir habe ich aber andere, die, um Knochen zu holen, sich in jene Höhle herablassen, oft darüber befragt und will Dir das gern mitteilen.“ Beim Lesen des Textes fällt inhaltlich auf, daß eigentlich nur wenig zur Höhle selbst gesagt wird. So fehlt zum Beispiel die später immer wieder aufgeführte Numerierung der Höhlenabschnitte I bis VI. Zur Zeit Eckstorms wurden nur die beiden ersten Abteilungen (heute der Goethesaal und der Saal des Hamburger Wappens) besucht. Lediglich der Eingang wird als rund und eng beschrieben, und als einzige identifizierbare Sinterformation wird in der 1. Höhle der „Brunnen“ und sein heilsames Wasser erwähnt Einen großen Raum nehmen die Beschreibungen der Knochen ein, die von „ungeheuren und großen, schrecklichen Tieren“ und Menschen „mit weit größeren Körpern als heute“ stammen sollen. Allerdings wird bereits deutlich eine Herkunft der Knochen vom Einhorn verneint (hier unterläuft Shaw ein Fehler, wenn er sagt, Eckstorm hätte sie als Einhorn beschrieben, 1992, p. 13). Ferner wird ein brausender unterirdischer Buch erwähnt, den es in der Höhle überhaupt nicht gibt. Wissenschaftsgeschichtlich ist der letzte Satz der Beschreibung am interessantesten,. In modernes Deutsch übersetzt, sagt er: „Man vermutet, daß die Tiere und Riesen und deren Knochen durch die Sintflut in die Höhle geraten sind. Durch die große Gewalt des Wasser wurden damals ganze Berggipfel aufgehoben und über runden Erdsenken oder Steinbrüchen abgesetzt, so daß darunter Höhlen und Gänge frei blieben.“ Dies gehört zu den „tektonischen Hypothesen“ der Höhlenentstehung (Shaw, 1992). Die Verknüpfung von Höhlenbildung und Höhleninhalt mit der Sintflut zieht sich durch die ganze frühe geologische Literatur, wobei allerdings meist die Höhle als Ausbruchs- und Ablaufort des Sintflutwassers gesehen wurde. Eckstorm ist offenbar der erste, der eine Art „Überdeckungs-Hypothese“ aufstellte, früher als andere tektonische Hypothesen, eine Tatsache, die bisher in der speläologischen Literatur unberücksichtigt blieb (z.B., Shaw, 1902). Allerdings ist Merians Übersetzung durchaus kritisch zu betrachten, denn Eckstorm spricht von „saxorum fragminibus imposita“, d.h. nicht von Steinbrüchen, sondern einfach von zerklüfteten Felsen, die überdeckt wurden. Dennoch gab es damals auch Schriftsteller, die Höhlen als vom Menschen gegraben ansahen. Dies hat offenbar schon Matthesius, 1571, für die Baumannshöhle postuliert, wobei er den engen Eingang einem späteren Felszuwachs zuschrieb. Der Merian-Text von 1650 enthält noch eine zweite, unabhängige Schilderung der Baumannshöhle. Er stammt von einem Unbekannten, der 1646 die Höhle besuchte und einen Bericht abgab, der dann, so sagt Merian, „von einem hohen Ort uns derselbe Anno 49 zugesand worden“. Auch Bürger (1930/31) spricht das Rätsel an, wer der Schreiber war und wer die Information zugesandt hat. Es wird vermutlich für immer ungelöst bleiben, aber der Zusender muß sicherlich jemand sein, der ein Interesse an der Merian-Veröffentlichung hatte und könnte vielleicht zum Braunschweig-Lüneburgischen Hause gehört haben. Bürger weist aber auf eine andere wichtige Tatsache hin: Dieser Text ist der erste überlieferte eines wirklichen Besuchers der Höhle. Eckstorm berichtete aus zweiter Hand, von anderen Besuchern kennen wir nur die Namen und einige wenige haben Texte verfaßt, die aber verloren gingen. Zu ihnen gehört die erste nachweisliche wissenschaftliche Beschreibung der Höhle von Johannes Reiffenstein, die in Conrad Gesners Werk „De omni rerum fossilium genere“ (1565) ebenso wie in Georg Henning Behrens „Hercynia curiosa“ (1703) (unter Berufung auf die ebenfalls ungedruckten „Collectaneis“ des Nordhäuser Botanikers Johannes Thal, 1542-1583) zitiert wird, Reiffenstein wurde ca. 1519/20 geboren und war jüngster Sohn des Gräflich Stolbergschen Rentmeisters Wilhelm Reiffenstein in Stolberg und studierte bei Melanchthon in Wittenberg. Ab 1546 war er wieder in Stolberg und widmete sich der Wissenschaft. Der Besuch Reiffensteins in der Höhle muß also zwischen 1546 und der Veröffentlichung von Gesners Werk 1565 erfolgt sein. Reiffenstein war es auch, der Gesner einen Tropfstein aus der Höhle schickte, der bei Gesner abgebildet ist (s. Stolberg, 1958). Der Text von 1646 ist insgesamt sehr nüchtern abgefaßt, der Autor gibt sogar einige Längenangaben und schätzte die 1. Höhle auf (600-1000 Schritte, also ca. 300-500 m, Umfang. Dies ist allerdings ziemlich übertrieben. Wenn man auf die Karte von Fricke et al. (s. Kempe et al. 1999) schaut, dann hat die 1. Halle (der heutige Goethesaal) höchstens 150-200 m Umfang. Realistisch ist vor allem die Schilderung der 1. Halle, die ganz dem späteren Stich von Buno gleicht: „Und liegen darinn viel stücke abgefallener Felsen / so alle mit Tropffstein / gleich einem gefrornen Eyß / wie auch die gantze Höhe / damit uberzogen.“. Er hält sich auch nicht lange mit den Tropfsteinfiguren auf, sondern schreibt einfach: „Gedachter Tropfstein formiret im fallen auff der Erden allerhand Figuren / so doch mehrentheils IN IMAGINATIONE bestehen“. Dafür widmet er sich intensiv der Übersteigung des Rosses und der Schilderung des Blickes in den anschließenden Schacht zur zweiten Höhle. Allerdings hat auch er diesen Abstieg nicht selbst vorgenommen, er erwähnt aber die Knochen der 2. Höhle und erwähnt nun auch eine 3. Höhlenhalle, die offenbar kurz vorher entdeckt worden war. Nach der späteren Zählung ist dies die 4. Höhle (die mit der klingenden Säule). Der Autor schreibt: „ Als nun der Bergmann dahero CURIOS worden / hat er solche Höhle fleissig durchsucht / unn aber einen Eingang / od' Schlacht in die dritte Höle/ welche noch grösser schiene als die andern / unnd deren Ende noch nicht ergründen können / gefunden.“ Bürger (1930/31) schreibt dazu: „Der Führer im Jahre 1646 bei dem Besuche des Ungenannten scheint noch ein anderer gewesen zu sein. Man vergleiche die Bemerkung in dessen Beschreibung: „der Bergmann hat einen Eingang in die dritte Hohle, ... deren Ende er noch nicht ergründen können, gefunden“, und die Äußerung, die Olearius von Valentin Wagner berichtet wird: „daß deren Bericht, die da vorgeben, wie diese Höhle nicht zu ergründen, nur Fabelwerk sei“. Die nächste Beschreibung der Höhle in der Topographie Merians Braunschweig-Lüneburg von 1654 (über deren Entstehung Zimmermann, 1902, berichtet) lehnt sich wiederum an Eckstorm an, ohne allerdings diese Quelle zu nennen. Diese Herkunft belegen bestimmte Schlüsselmotive wie Unterirdischer Fluß, Gespenster, Reichweite der Höhle bis Goslar, Hunde, die Schätze bewachen, der verirrte Viehhirte, der von den Geistern so geplagt wurde, daß er - kurz nachdem er den Ausgang gefunden hatte - doch noch starb, der Brunnen mit dem Wasser, das im Glas klar bleibt und gut gegen Blasensteine ist, und die Tropfsteine, die zu Pulver zerrieben als Wundpulver verwendet werden. Immerhin erwähnt er etwas Neues, und dies ist eine Richtungsangabe: „hinter solchen grossen Höhlen oder Gewölben (d.h. der 1. Höhle) / finden sich immerfort /nach Abend und Mitternacht / mehr und mehr Höhlen /jedoch daß man oft auß einer in die ander / durch enge Löcher kriechen muß.“ Dies ist richtig, denn die Höhlen 2, 3, 4 und 5 ziehen nach NW (nach Abend und Mitternacht). Dies könnte die erste unterirdisch korrekt angegebene Höhlenrichtung überhaupt sein und zeigt, daß in der Tat Bergleute mit Kompaß die Höhle besuchten. Offenbar war nun die Fortsetzung der Höhle gut bekannt, wenn auch nicht dem Schreiber aus eigener Anschauung. Am Zustand der Höhle hatte sich aber nichts geändert, nach wie vor war der Eingang eng, und man mußte über das Roß zum Schacht, in den man am Seil zur zweiten Höhle abstieg. Dies deckt sich mit der Beschreibung eines Höhlenbesuches durch den jungen Fürst Friedrich von Anhalt-Bernburg-Harzgerode, der die Höhle bereits 1649 mit Dienern und in Begleitung eines Herrn von Krozigk und eines Dr. Engelhard aus Harzgerode besuchte. Er seilte sich nicht nur in den Schacht hinter dem Roß ab, sondern auch über die Steilstufe hinunter in die dritte Höhle (später Höhle 4). Auszüge aus dem Tagebuch Friedrichs wurden allerdings erst sehr viel später gedruckt und konnten nicht für den Merian-Text genutzt werden (Bürger, 1930/31). Bürger schildert die Geschichte der Entstehung des Merian-Beitrages. Der Braunschweig- Lüneburgische „Band nimmt in Merians Gesamtiwerk .. dadurch eine Sonderstellung ein, daß an seiner Anlage und Ausführung die welfischen Fürsten den stärksten Anteil genommen haben. Sie haben nicht nur Merians Zeichner, Buno, in jeder Weise gefordert und ihm die abzubildenden Örtlichkeiten vorgeschrieben, sondern auch die Feststellung des Textes selbst in die Hand genommen und durch ihre Beamten besorgen lassen. Unter den drei damals in den welfischen Landen regierenden Herzögen ist aber keiner so eifrig gewesen wie der neue Herr der Grafschaft Blankenburg, der gelehrte August der jüngere von Wolfenbüttel, und unter den von ihm mit der Abfassung des Textes beauftragten Beamten wieder keiner so gründlich und gewissenhaft wie der damalige Sekretär und spätere Hofrat Simon Fink in Blanckenburg. Sein Bericht liegt noch jetzt im Wolfenbütteler Archiv.“ Finck schrieb eine Topographie von Blankenburg und Reinstein, die bei Merian zu Beginn des Bandes abgedruckt ist. „In dieser Topographie ist natürlich auch die Rübeländer Höhle beschrieben. Diese Beschreibung stammt von Finck. Besondere Mühe hat er sich damit freilich nicht gegeben, offenbar war das geschichtliche Interesse bei ihm größer als das naturwissenschaftliche. So hat er dieselbe Methode befolgt wie der Berichterstatter im Bande Niedersachsen (gemeint ist der Band Obersachsen!), nämlich einfach die Eckstormsche Beschreibung, allerdings in einer etwas freieren Bearbeitung, wieder abgedruckt. Nur an einer Stelle hat er eine ... kleine Einschiebung| gemacht. Sie bezieht sich ... auf das Roß und die darauffolgenden neu zugänglich gemachten Höhlen ... Allerdings macht er es so kurz wie möglich.“ Simon Finck greift später (nun als Hofrat) ganz aktiv in die Geschichte der Baumannshöhle ein: Er erläßt nämlich am 10. April 1668 im Auftrag seines Fürsten die erste Höhlenschutz-Verordnung der Geschichte (Text siehe Bürger, 1930/31; Reinboth, 1996; und Kempe et al., 1999) mit dem nicht nur die weitere Beschädigung und Ausbeutung der Höhle verhindert werden soll, sondern auch Rechte und Pflichten der Höhlenführer eindeutig festgelegt werden. Wichtiger als die Beschreibung der Baumannshöhle sind im Bande Braunschweig-Lüneburg die Kupferstiche der Höhle, deren genaue Motive der Herzog selbst vorgegeben hat. Unter No. 7 seiner „Anleitung“ fordert er „den Berg, woselbst zu oben der Eingang in Buhmannshöhle, unten aber die Eyssenhütten und gegenüber das alte Schloß Berckfelde zu sehen“ und 8 „Die vorderste Concavität der Buhmannshöhle, wie dieselbe inwendig, so wohl oben, unten, als an den Seiten in gräulicher Gestalt beschaffen“ (Bürger, 1930/31). Nachschriftlich wollte er noch, daß auch „der große Zahn und andere Knochen, so in Buhmannshöhlen gefunden“ abgebildet werden. Dies ist allerdings unterblieben, vielleicht konnte man den Zahn, vielleicht den, den schon Eckstorm erwähnt, nicht mehr auffinden. Trotzdem wurden drei Stiche angefertigt, zusätzlich zu den beiden vom Herzog geforderten Ansichten auch noch ein Detailbild vom Eingang der Baumannshöhle. Der Stich vom Inneren der Baumannshöhle (17,5 x 14 cm; Abb. l) könnte, - nimmt man das Roß im Hintergrund als Markierung - als westlichen Blick in den heutigen Goethesaal interpretiert werden, wobei die E- und NE- Wand weggenommen wurde. Das Innere ist durch zahllose scharfe Zacken gekennzeichnet, wobei nicht klar wird, welche davon Tropfsteine oder Versturzblöcke sind. Leider ist die vordere Halle heute zum großen Teil betoniert und durch den Einbau einer Bühne und von Wegen so verändert, daß man nicht mehr abschätzen kann, wie viel Sinter diese Halle tatsächlich früher besessen hat. Führt man sich aber das Bild der später entdeckten Teile der Baumannshöhle vor Augen, die sehr schön versintert sind, so kann auch die vordere Halle ursprünglich durch einen Wald von Stalagmiten geschmückt gewesen sein. Eckstorm beschreibt ja bereits, wie dieser Sinter zu medizinischen Zwecken ausgebeutet wurde. Abb. 1: Merian-Stich von 1654 aus dem Inneren der Baumannshöhle, gezeichnet von C. Buno nach Angaben des Herzogs August des Jüngeren (nach Original Sammlung Kempe).Der Stich ist aber nicht nur die älteste bekannte Abbildung aus dem Inneren einer Höhle, sie stellt darüber hinaus auch die ersten Höhlentouristen dar. Insgesamt sind fünf Personen zu sehen, zwei, die vorne, d.h. kurz unterhalb des Eingangsschlufes stehen, einer, der in der Mitte der Halle über die Bodentropfsteine steigt, und zwei, die im Hintergrund rittlings das Roß hinauf reiten, um zum Abstieg zur zweiten Höhle dahinter zu gelangen, Ihre nach hinten abnehmende Größe vermittelt die Perspektive der Höhle, da man an Hand der Sinterzapfen die Raumgröße nur schlecht abschätzen kann (vorderste Figur 2,5 cm hoch, hinterste 0,8 cm). Perspektive wird ebenfalls dadurch vermittelt, daß die Helligkeit der Fackeln geschickt genutzt wird, um dem Raum Struktur zu geben: So ist die Höhle von den beiden vorne Stehenden rundum gut erleuchtet, ebenso wie der Boden um den Mann im Mittelgrund, während der Hintergrund der Höhle in geheimnisvolles Dunkel getaucht ist. Lediglich das Roß erscheint noch einmal als helle Leiste, erleuchtet durch die beiden Fackeln seiner Reiter (vor der rechten Figur ist auch der Buchstabe A zu erkennen, der das Roß laut Überschrift bezeichnet). Es ist interessant, daß ausschließlich Fackeln als Beleuchtung benutzt wurden, obwohl doch die Bergleute eigentlich Öllampen verwendeten. Dies hangt vermutlich damit zusammen, daß die Fackeln ein besseres Licht geben oder daß alle fünf höheren Kreisen angehören, denn sie tragen alle Schlapphüte und keine Bergmannskappen. Die beiden vorderen tragen erkennbar Umhänge, Stulpenstiefel und Degen mit breiter Scharpe, wobei die linke Figur sogar zwei große Straußen(?)federn am Hut trägt. Fast möchte man an eine Illustration zu den „Drei Musketieren“ denken. Sollte die Figur mit den Federn sogar den Herzog selbst darstellen? Vielleicht sind die drei hinteren Figuren die begleitenden Bergleute oder Diener, die die Höhle vor dem Herzog ausleuchten. Allerdings ist zu bezweifeln, daß hier realistische Höhlenbesucher dargestellt sind, denn aus den Beschreibungen weiß man, daß den Besuchern Bergmannskitttel gereicht wurden und die Zeichnungen des Studenten von Alvensleben (1656) zeigen diese mit Kappen und Arschleder (Stolberg, 1958). Die gleichen Figuren trifft man auch auf dem Stich (17,5 x 13,5 cm), der den Eingang darstellt (Abb. 2). Hier steht der „Herzog“ mit den Federn in der Mitte und der Mann mit dem Degen rechts von ihm. Einer der Fackelträger ist offenbar schon im Hingang verschwunden, ein zweiter schickt sich an, einzusteigen. Vor ihm, im dunklen Hintergrund, bezeichnet der Buchstabe „A“ den Einstieg laut Überschrift. Der Eingang wird „als eine Elle“ hoch beschrieben, war also 1664 noch nicht merklich erweitert worden. Abb. 2: Merian-Stich von 1654 den Eingang der Baumannshöhle darstellend, gezeichnet von C. Buno (nach Original Sammlung Kempe).Der dritte Stich endlich enthält in doppelter Foliogröße (34,5 x 23 cm) den vom Herzog gewünschten Überblick über das Bodetal. Links ist (B) die Ruine Birkenfeld zu erkennen und gegenüber der Eingang zur Baumannshöhle. Es fällt auf, daß selbst auf dem gleichen Stich einmal „Buhmans“ und einmal „Bumans“ geschrieben wird. Am Horizont erhebt sich (F) der „Blocksberg“ (Brocken),(G) „Uf der Höhnen“ (Hohneklippen) und (ganz klein) (H) „Alt Schloss (Ruine) Königsburg“. Abb. 3: Merian-Stich von 1654 mit dem Überblick über das Bodetal, die Eisenwerke in Rübeland, dem Eingang zur Baumannshöhle und die Höhenzüge des Unterharzes bis zum Brocken. Gezeichnet von C. Buno nach Angaben Herzog Augusts des Jüngeren (nach Original Sammlung Kempe).Der Text von 1650 enthält außer den beiden Baumannshöhlen-Beschreibungen noch die Wiedergabe des Eckstorm-Textes zur Kelle (siehe Reinboth, 1989) sowie eine kurze Erwähnung der Heimkehle. Möglicherweise ist dies der erste gedruckte Hinweis auf diese Höhle, die urkundlich bereits 1357 erwähnt wurde (Völker, 1981). Die beiden Einschübe sind hier im Kontext belassen, da sie belegen, daß 1650 bereits weitere Höhlen im Harz bekannt waren und in den damaligen Reiseführern als Naturkuriositäten berücksichtigt wurden. Die frühesten Erwähnungen und Beschreibungen der Baumannshöhle gehören zur Frühphase der geologischen Forschung. Gleichzeitig war die Baumannshöhle aber auch Objekt touristischen Interesses. Vor allem der Adel und der Bildungsstand ließen es sich nicht nehmen, persönlich diese Kuriosität zu besuchen. Hinzu kam die Faszination der fossilen Knochen, die für die einen ein Beweis der Sintflut waren, fur die anderen medizinisches Mittel. In der Frühphase der Besuchergeschichte spielen die der Imagination entsprungenen Sinterfiguren der Höhle noch keine Rolle. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, für die zahlreiche Besuche und Beschreibungen belegt sind (Bürger, 1930/31; Kempe et al. 1999). Für diesen Tourismusaufschwung haben offenbar nicht zuletzt die beiden Veröffentlichungen Merians gesorgt. Für die nächsten Jahre sind bereits drei weitere Besuche literarisch belegt: der eines T.G.V.K, im Jahre 1653, der Besuch des Halleschen Superintendenten Olearius von 1656, bei dem sein Schüler von Alvensleben die erste Kartenskizze der Höhle anfertigte, und der Besuch des Magdeburger Arztes Scheffer 1663 (Bürger, 1930/31). Danksagung: Herzlichen Dank auch an die Verwaltung der Rübeländer Höhlen und Günter Volmer für die Unterstützung bei den vielen Besuchen in der Baumannshöhle. ANHANG: TEXTE IM ORIGINAL
LITERATURVERZEICHNIS: Agricola, G., 1546: De natura fassilium. - In: De ortu et causis subterraneorum. - Basel Froben, 487 pp. Behrens, G. H., 1703: Hercynia curiosa oder curiöser Harz-Wald. - Nordhausen (Neudruck Nordhausen, 1899, 203+12pp; Reprint: Sändig Reprint-Verlag Wohlwend, Walluf bei Wiesbaden, 1973 (Baumannshöhle: pp. 1-35). Bürger, K., 1930/31: Die Baumannshöhle; Geschichte eines Harzer Naturdenkmals. - Ztschr. Harzver., 63: 82-106, 161-183; 64: 150-175; Wernigerode. Busch, R., Capelle, T. & Laux, F., 2000: Opferplatz und Heiligtum: Kult der Vorzeit in Norddeutschland. - Wachholtz-Verlag, Neumünster, 246 pp. (Baumannhöhle; pp. 38-49). Eckstorm, H., 1620: Historia terrae motuum complurium; beigegeben: „Epistola de specu Bumanni vulgo Bumannsholl“ [...] Helmstedt. Gesner, C., 1565: De omnium rerum fossilium genere.- Zürich (Baumannshöhle: Bl. 30 verso). Heyse, G., 1874: Beiträge zur Kenntniss des Harzes, seiner Geschichte, Literatur und seines Münzwesens. - 2. Aufl. Aschersleben und Leipzig, 51 pp. Kempe, S., Fricke, U., Kleinschmidt, A. & Reinboth, F., 1999: Die Baumannshöhle, Harz, ihre Bedeutung für die frühe Wissenschaftsgeschichte, ihre Darstellung durch Johann Friedrich Zückert, der Arzneygelahrtheit Doctor, 1763, und was heute noch davon zu sehen ist. - Abhandlungen Verband dt. Höhlen- u. Karstforsch. Reihe A-F (31): 55 pp + XXVI pp. Mathesius, J., 1564: Sarepta oder Bergpostill, Sampt der Jochimssthalischen kurtzen Chronicken. Auff ein newes mit fleiss besehen/ Corrigirt unnd gebessert / mit einem Register der sprüch/so auss altem und newem Testament hierin erkleret sind durch Johann Mathesium selber, Psalm CXLVIII; Berg und Thal lobet den HERRN. - Ulrich Newher und Johann vom Bergs Erben, Nürnberg: 332+56pp. Faksimileausgabe in zwei Bänden, Nat. Techn. Mus. Prag, 1975. Matthesius, J., 1571: Sarepta Bergwerk darinn von allerley unnd Metallen... Nürnberg, Gerlatz. Merian, M., 1650: Topographia Superioris Saxoniae, Thuringiae, Misnae, Lusatiae etc. Das ist Beschreibung der Vomehmbsten und Bekantesten Stätt, und Plätz, in Churfürstenthum Sachsen, Thüringen, Meissen, Ober und Niderlaußnitz und einverleibten Landen; auch in andern zu dem Hochlöblichen Sächsischen Craiße gehörigen Fürstentumen (außer Brandenburg und Pommern) Graff: und Herrschaften etc. - M. Merian, Frankfurt: 210 + 13pp. (Baumannshöhle pp. 173-177 unter dem Eintrag Stolberg). Faksimile Ausgabe 1964; Bärenreiter-Verlag, Kassel und Basel, Nachwort von L. H. Wüthrich 10 pp. Merian, M., 1654: Topographia Germaniae: Topographia und eigentliche Beschreibung der Vornembsten Stäte, Schlösser auch andere Plätze und Örter in denen Herzogthümern Braunschweig und Lüneburg, und denen dazu gehörenden Grafschafften und Landen. - M. Merian, Frankfurt, 230 + 16 pp. (Baumannshöhle pp. 31-33, 63). Faksimile Ausgabe 1961; Bärenreiter-Verlag, Kassel und Basel. Reinboth, F., 1996: Die Geschichte der Höhlenforschung im Harz. - Karst u. Höhle 1994/95: 63-80, München. Reinboth, F., 1989: Die Kelle bei Ellrich am Südharz - die Geschichte eines vergessenen Naturdenkmals. - Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforsch. 35 (1/2): 71-76, München. Shaw,T.R., 1992: History of Cave Science, the Exploration and Study of Limestone Caves, to 1900. - 2nd ed., Sydney Speleological Soc., Broadway, New South Wales, Australia, 338 pp. Stolberg, F., 1958: Die alten Abbildungen der Baumannshöhle bis 1770. - Harz-Zeitschr. 10: 65-90, Bad Harzburg. Völker, R., 1981: Die Heimkehle. - Mitt. Karstmuseum Heimkehle 1: 40 pp. Völker, C. & Völker, R.1989: Schauhöhlen in historischer Zeit. - Mitt. Karstmuseum Heimkehle 14: 13 pp. Völker, C. & Völker, R. 1989: Schauhöhlen - Höhlenführer - Touristen. - Mitt. Karstmuseum Heimkehle 20: 64 pp. Wasmus, V. 1995: Specus Bumanni, Bumanshöle, aus Merian: Herzogtum Braunschweig- Lüneburg, 1654. - Mitt. Arge Karstkd. Harz e.V. 95 (1/2): 37-38. Zimmermann, P., 1902: Matthaeus Merians Topographie der Herzogtuemer Braunschweig und Lueneburg. - Jahrb. Geschichtsver. Herzogtum Braunschweig (P. Zimmermann, Hrsg.): 38-66, Wolfenbüttel. Nach: KEMPE, Stephan & REINBOTH, Fritz (2001): Die beiden Merian-Texte von 1650 und 1654 zur Baumannshöhle und die dazugehörigen Abbildungen.- Die Höhle 52 (2): 33-45 |