Unterirdische Wasserbewegungen im Bereich des
Periodischen Sees im Südharzer Gipskarstgebiet
im Jahre 1956

Von Friedrich Schuster (Nordhausen/Harz)

Der „Periodische See“, das zweitgrößte intermittierende Seepolje Mitteleuropas (nach dem Zirknitzer See), liegt im Breitunger Tal im Gipskarst nördlich von Roßla (Südharz). Bei dem Breitunger Tal zwischen Uftrungen, Breitungen, Agnesdorf und Questenberg handelt es sich um ein Auslaugungstal im Zechstein, welches mit diluvialen und alluvialen Sanden, Kiesen, Schottern, Lehm und mit Löß aufgefüllt ist. Dem an das Tal unmittelbar nördlich angrenzenden Paläozoikum des Harzkerngebirges mit metamorphen Tonschiefern und Grauwacken aus Silur und Devon ist die Zechsteinformation aufgelagert. Der Untere Zechstein mit Zechsteinkonglomerat, Kupferschieferflöz und gebanktem Zechsteinkark streicht hier aus; er fällt von Nord nach Süd mit etwa 15 bis 25° ein, während vereinzelt oberflächlich noch der mittlere Zechstein mit Stinkschiefer und Älterem Gips auzutreffen ist. Im Bereich des „Periodischen Sees“ zwischen den Dörfern Breitungen und Agnesdorf befindet sich ein schmaler Streifen des Oberen Zechsteins, „Jüngerer Gips“, während die Südhänge des Breitunger Tales aus bereits ausgelaugten Schichten des Oberen Zechsteins, vorwiegend bunte Letten und nur vereinzelten Vorkommen „Jüngeren Gipses“ bestehen. Die Zechsteinsalze sind hier sowie unmittelbar am gesamten Südharzrande völlig ausgelaugt, während sie in den Kaliabbaugebieten vor dem Südharz westlich und südwestlich von Nordhausen und im Thüringer Becken unter Tage noch in ihrer gesamten Mächtigkeit vorhanden sind. Infolge der Heraushebung des Harzes und tektonischer Bewegungen noch während des Diluviums ziehen sich mit der hauptsächlichen Streichung NNW—SSO (hercynisch) an den Grenzen der Gesteinsformation (Oberkarbon-Zechstein) ausgegeprägte Störungs- und Verwerfungslinien entlang. Außerdem sind rheinische Varianten und variskische Streichrichtungen festzustellen. Die intensive Auslaugung der Zechsteinsalze und der Zechsteingipse begann während der Interglazialzeiten. Die erhöhte Wasserzufuhr in diesen wärmeren Perioden bewirkte in diesem Gebiet leichtlöslicher Gipse und Salze die völlige Auslaugung bzw. teilweise Auslaugung und Umwandlung der Anhydrite in Gips. Durch das flache Aufliegen der paläozoischen Schichten auf dem Zechstein am unmittelbaren Südrand des Harzes und durch das flache Einfallen des Zechsteins selbst wurden erhöhte Verwitterung und Auslaugung im weiten Maße beeinflußt. Aus diesem Grunde entstanden die Absenkungen und damit die Auslaugungstäler, deren Lage durch die Großtektonik gekennzeichnet ist. Geologische Störungslinien haben sich zu ausgeprägten Auslaugungslinien entwickelt.

Die Gipsbarrieren des Oberen Zechsteins (Jüngerer Gips) und die Anhydritsteilhänge des Mittleren Zechsteins (Älterer Gips) im bezeichneten Gebiet sind als Prallhänge der Harzentwässerung in den Interglazialzeiten anzusprechen. Am gesamten Südrand des Harzes sind — durch die Großtektonik bedingt — die Steilabstürze der Gipse und Anhydrite nach Norden, also harzwärts, gerichtet. Nach Süden, zum Thüringer Becken hin, wird die Zechsteinformation vom Unteren Buntsandstein der Triasformation überdeckt.

Der Glasebach, als Zubringerbach des „Periodischen Sees“ — auch „Hungersee“ genannt —, war daher, aus dem Glasebachgrund kommend, gezwungen, sein Bachbett direkt nach Süden durch das von West nach Ost ziehende Breitunger Auslaugungstal zu bahnen. Dort begann nun am nordwärts gerichteten Steilabsturz des Jüngeren Gipses niveaumäßig bedingt die Poljenbildung. Es begannen die Ab- und Auslaugung des Jüngeren Gipses, verbunden mit unterirdischem Wasserabzug, die Entstehung von zwei großen Erdfällen und die Formung dieser zwei Erdfälle zu einem wannenartigen Becken, Ausfüllung des Poljes in diesem Gipskarst und damit Entstehung eines intermittierenden Sees. Dieser ist in keiner Weise als periodischer See (wie dies überall in der Literatur vermerkt wurde, anzusprechen, obwohl das Seebecken die allgemeine Bezeichnung „Periodischer See“ seit altersher trägt.

Während wir in Kalkgebieten typische und langlebige Karsthohlformen (Schächte, Röhren, unterirdische Flußläufe u. a.) vorfinden, bestehen in Gebieten des Jüngeren und Älteren Gipses derartige Hohlformen infolge der anderen Gesteinsbeschaffenheit nicht.

Dafür tritt ein anderer Entwicklungszyklus etwa in folgender Weise auf:
In den Ponoren (Schlucklöchern) des vom intermittierenden See aufgefüllten Poljes verschwinden die sich in sehr unregelmäßigen Zeitabständen (ein oder mehrere Jahre) ansammelnden oder angesammelten Niederschlagswässer lautlos in den Untergrund. In den noch vorhandenen Schichten des Jüngeren Gipses kam und kommt es weiterhin zu Hohlraumbildungen und Versturz. Die unterirdischen Gipskarstgerinne erfahren dann Verstopfungen durch Verbruchmaterial und eingeschwemmte Lehme.

Infolge der Klüftigkeit des Gipsgebirges erfolgt eine unregelmäßige Gesamtentwässerung und Gesamtzirkulalion, da der aufliegende Untere Buntsandstein durch seine lehmige Beschaffenheit an der Grenze beider Gesteinsformationen (Zechstein-Buntsandstein) die durch Korrosion entstandenen verdeckten Gipschlotten mit Lehmen ausfüllt und diese Lehme dann weiter in die Tiefe gelangen. Wenn die Statik eines Gipshohlraumes durch Gebirgsdruck und durch die ständige Fortschreitung der An-, Ab und Auslaugung nicht mehr gegeben ist, kommt es zu einem unterirdischen Einsturz. Zu den unterirdisch zirkulierenden Wässern kommen die ständig in die Tiefe versickernden Niederschlagsmengen, die ebenfalls wirksam sind. Durch die unterirdischen Holhraumbildungen und die Verstopfungen „arbeitet“ der Steilhang des Gipses jahrein und jahraus. Abrißklüfte und Gesteinsabstürze treten auf, und die Gesamtentwässerung erfolgt auch aus diesem Grunde sehr unregelmäßig.

In den Jahren 1951 bis 1954 begannen langwierige Untersuchungen an diesem Gipskarstphänomen, welches als das größte und interessanteste seiner Art in Deutschland anzusprechen ist. Mitarbeiter der Nordhäuser Höhlen- und Karstforschung und Mitarbeiter des Geologischen Instituts der Bergakademie Freiberg unter der Leitung von Dr. Günter Viete konnten auf Grund umfangreicher Studien Einblick in die etwas komplizierten Verhältnisse gewinnen. Die Untersuchungen wurden seither laufend fortgesetzt und brachten besonders im Jahre 1956 wertvolle Ergebnisse.

Seit März 1956 verzeichnet der „Periodische See“ einen Höchstwasserstand, wie er seit Mitte 1940 nicht mehr beobachtet worden ist. Das sich im Seebecken ansammelnde Niederschlags- und Schmelzwasser hatte bis Juli 1956 mehrere Male einen Teil der nach Norden angrenzenden Äcker überflutet. Im letzten Quartal des Jahres 1955 wurde die normale Jahresniederschlagsmenge weit überschritten, das Becken füllte sich innerhalb dieser Zeit restlos. Die Niederschlagsmengen des Januar 1956 kamen mit etwa 68 bis 88 mm hinzu. Durch starken Frost im Februar 1956 (bis — 25° C) kam es nach der Schneeschmelze fast ausschließlich — wie überall in Deutschland — zum Oberflächenwasserabfluß und innerhalb weniger Tage trat das Wasser des Periodischen Sees im Norden über seine Ufer. Bei diesem Höchstwasserstand zirkulierten berg- und hangwärts einziehende Gerinne auf ehemals bereits verlassenen Karstwasserhorizonten. Diese Gipskarstgerinne zeigten sich in den größer werdenden Erdfallseen unmittelbar nördlich des Periodischen Sees und zugleich in der Sohle des Breitunger Auslaugungstales hart südlich des Dorfes Breitungen in der Flur „Im See“, wo sonst ständig ein versumpftes Gewässer zu finden ist, das nur wenige Wochen im Frühjahr nach der Schneeschmelze sich durch Hangwässer vergrößert.

Die Gipse am gesamten Südrand des Breitunger Auslaugungstales, wo das Becken des Periodischen Sees liegt, sind noch nicht der restlosen Auslaugung anheimgefallen. Man erkennt dies an der unruhigen Landschaftsform, die durch Erdfallreihen gekennzeichnet ist. Dort entstand am 15. Mai 1956 gegen 17 Uhr zwischen dem Periodischen See und dem Dorfe Breitungen ein neuer Erdfall. Während des ganzen folgenden Tages konnten von E. Roesch und mir sämtliche Phasen dieses Rieseneinbruches beobachtet werden. Am 15. Mai 1956, gegen 19.oo Uhr, hatte der Einbruch auf dem Saatfeld 2 m Durchmesser und 3 bis 4 m Tiefe, am 16. Mai 1956, 6.oo Uhr früh, einen Durchmesser von 4 bis 6 m und 4 bis 6 m Tiefe. Am Abend des gleichen Tages, gegen 18 Uhr 3o, beobachteten wir einen Durchmesser von 1o,8o bis 13,3o m und eine Tiefe von 12,8o bis 13,7o m von der Oberkante bis zum Wasserspiegel. Dazu kam noch ein Wasserstand von 9,oo bis 9,95 m — also eine Gesamttiefe von 22,7o bis 23,oo m. Das aufgenommene Schichtenprofil zeigte sämtliche freigelegten Schichten des Diluviums:

0,40 mAckerboden,
4,20 mLößlehm,
2,00 mdunkelgrauer lehmiger Humus,
0,50 mblaugrauer Ton,
1,50 min 3 Schichten Sand zu Schotter (etwa 50 mm Ø ) übergehend
zu2,00 min 4 Schichten goldgelber Bänderton,
3,00 mrotbrauner kiesiger Ton, wasserführend. Zahlreiche Gerinne schlämmten laufend aus dieser Schicht Material heraus, es entstanden ringsherum Auswölbungen, die immer wieder in der Höhe von etwa 3X2 bis 3 m flächenmäßig in die Tiefe stürzten.

Am Wasserspiegel selbst blaugrauer Schotter, soweit dies von oben auf Grund der Lichtverhältnisse beobachtet werden konnte. Der Erdfall selbst war fast kreisrund, von der Oberkante bis zum Wasserspiegel verliefen Steilwände, die erst in etwa 10 m Tiefe etwas trichterförmig zuliefen. Der Durchmesser des Wasserstandes betrug 5 bis 8m.

Unter der Bändertonschicht, in einer Tiefe von 7,oo bis 1o,6o m, konnten die stark wasserführenden Sand-, Kies- und Schotterschichten einwandfrei festgestellt werden und gleichzeitig zeichnete, sich die Streichrichtung NNW—SSO scharf ab (Periodischer See — Dorf Breitungen), Fließrichtung nach Dorf Breitungen. Es war ein brodelnder Wasservulkan mit ständig abbrechenden Schichten aus den Steilhängen. Der Wasserstand schwankte binnen kurzer Zeit zwischen 1o und 15 Meter! Dieser äußerst aktive Erdfall zeigte uns in den Stunden seiner Entstehung, daß der Bänderton als wassersperrende Schicht diente, unter diesem aber zahlreiche starke Gerinne ausschlämmend zutage traten und in den anstehenden Schotterschichten wieder in Richtung Dorf Breitungen und damit zur Breitunger Senke weiterflossen. Das eingestürzte Gesamtvolumen entsprach am 10. Mai 1950, um 19.oo Uhr, einer Menge von etwa 3o52 m³. Auf Grund der Wasseranalysen (austretende Gipskarstgewässer im Gebiet des Periodischen Sees) werden pro Tag ungefähr rund 24 t Gesteinsmaterial gelöst. Es entspricht dies einem gelösten Volumen von etwa 29oo m³ Anhydrit oder etwa 36oo m³ Gips — jährlich. Daraus ergibt sich, daß die Hohlraumbildung bereits vorhanden gewesen ist und daß nur die Bändertonschicht trotz ihrer geringen Mächtigkeit einen früheren Einbruch verhinderte. Der Wasserstand in dem bereits hart südlich des Dorfes Breitungen liegenden, „Breitunger Loch“ war im März 1956 ebenfalls zu einem Umfange gestiegen, wie man ihn seit Jahrzehnten selten zu Gesicht bekam. Dieser See hatte folgende Ausmaße:

Länge von West nach Ost etwa 375 bis 450 m,
Breite von Süd nach Nord etwa 240 bis 340 m.


An der Böschungsunterkante eines Jüngeren Gipshanges konnte das Emporquellen von Karstwasser einwandfrei beobachtet werden, welches bedeutenden Anteil an der Füllung, bzw. Überflutung, hatte. Der mittlere Seeboden des Periodischen Sees liegt um etwa 4 m höher als die Seefläche des „Breitunger Loches“ 1.

Durch die Überflutung von etwa 5o bis 6o Morgen 2 Ackerland, das sind 127.66o m², im „Breitunger Loch“, wurde die gesamte Bestellung der Felder für 1956 hinfällig.

Man möge hieraus ersehen, daß die unterirdische Auslaugung Jahr für Jahr fortschreitet und die Landschaft sich ständig verändert, wenn dies auch in einem Menschenalter nicht gar zu auffällig in Erscheinung tritt. In den Gips- und Kalkgebieten der Erde und in Gebieten anderer leicht wasserlöslicher Gesteine wird eine rege Erdfalltätigkeit immer vorhanden sein.

En Allemagne, au pied méridional du Harz, se trouve dans une région de gyps un lac périodique — le plus grand lac périodique de l'Europe central après le lac de Zirknitz en Slovénie. Depuis plusieurs ans, les spéléologues de Nordlhausen observent la circulation souterraine des eaux qui est en relation avec ce phénomène exceptionel. En 1956 il y avait dans le bassin du lac la plus grande masse d'eau depuis longlemps. Dans cette année on a pu étudier la génèse d'un nouvel abîme entre le lac et le village Breitungen. Le développement de ce gouffre commenca le 15 mai 1956. Le soir du jour suivant, on mesura déjà un dénivellation de 23 m.

Literaturhinweise:

Behrens, D. Georg Henning: Hercynia Curiosa oder Curiöser Hartz-Wald, 1703, S. 97—101.
Streng, A.: Der Bauerngraben oder Hungersee. Peterm. Geogr. Mitt. 1864, S. 43—46.
Halbfaß, W.: Neues vom Bauerngraben am Südrand des Harzes. Peterm. Geogr. Mitt. 81. Jahrg. II. Heft Febr. 1935. S. 64—65.
Haase, Hugo: Die Südharzer Gipshöhlen und das „Karstwasser“ — Problem. Mitt. Höhlen- und Karstforschung, 1936. S. 20—29.
Viete, Günther: Der Periodische See von Roßla — ein Beispiel für Wasserbewegungen im Zechstein Mitteleuropas. Freiberger Forschungshefte, C 5//Mai 1953. S. 22—38.
— Geologische und hydrologische Untersuchungen im Gipskarst des östlichen Südharzrandes. Freiberger Forschungshefte der Bergakademie Freiberg, C 9/Mai 1954. S. 46—79.
Schuster, Fr.: Der Periodische See am Südrand des Ostharzes. Der Nordhäuser Roland, Juni 1953. S. 48—49.

1 Entfernung Hauptschwinde im Periodischen See — Neuer Erdfall etwa 1300 m in Richtung NNW, Entfernung Neuer Erdfall — Breitunger Loch etwa 680 m.
2 1 preußischer Morgen = 25,532 a; 50 Morgen = 1276,5 a = 12,76 ha.


SCHUSTER, Friedrich (1957): Unterirdische Wasserbewegungen im Bereich des Periodischen Sees im Südharzer Gipskarstgebiet im Jahre 1956.- Die Höhle 8:68-72, Wien

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