deutsch-deutsche Höhlenforschung und Militärgeologie zu DDR-Zeiten Deutsche Geheimdienste und die Höhlenforschung Der Autor hat sich in den vergangenen Jahren bemüht, Anstöße zu geben, die Involvierung der Höhlenforschung in den nazideutschen Unterdrückungsapparat aufzuklären und die Rolle der wenigen aufzuhellen, die in dieser Zeit wahre Größe bewiesen haben. Ein schöner und symbolisch wichtiger Erfolg dieser Bemühungen war der Dr. Benno-Wolf-Preis des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. Es ist und bleibt ein Faszinosum, auf welche Weise sich die Geheimdienste totalitärer Systeme im Verlaufe der deutschen Geschichte immer wieder bemühten, höhlenkundlicher und geologischer Informationen habhaft zu werden und Kontrolle über die einschlägig tätigen Personen und Organisationen zu erhalten. Leider und natürlicherweise hatten die Geheimdienste entweder aufgrund der Machtverhältnisse in diktatorischen Staatsgebilden, der unpolitischen Naivität und/oder des ausgeprägten Mitläufertums vieler betroffener Höhlenforscher und Geologen immer wieder Erfolg bei ihrer Arbeit. In einer Zeit, in der wir gerade erst beginnen, die Verstrickung der Höhlenkunde in den Nazi-Machtapparat aufzuklären, waren in der Folge der friedlichen Auflösung des DDR-Geheimdienstes, der sog. "Staatssicherheit", und der darauffolgenden Gründung der weltweit einmaligen Gauck-Behörde neue Archivalien in den Bereich der höhlenkundlichen Geschichtsforschung gerückt, die bis zum Ende der DDR streng geheim waren. Ohne allzu vorschnell und unreflektiert Nazidiktatur und DDR vergleichen zu wollen, kann man doch festhalten, dass das Interesse der Geheimdienste beider Systeme gleichermaßen aktiv auf Höhlenforscher und Geologen gerichtet war. Vorliegender Beitrag soll nicht (!) dazu dienen, Verurteilungen vorzunehmen, sondern Fakten für eine Diskussion liefern, der aus den verschiedensten Gründen fast allseits vornehm ausgewichen wird. Einleitung und Durchführung der "OPK Höhle" Das Interesse an DDR-Kontakten vertiefte sich beim Autor durch den Vater Friedel Knolle, der seit vielen Jahren intensive vogel- und heimatkundliche Kontakte in den Ostharz und zu Fachleuten in der ganzen DDR, u.a. zum Museum "Heineanum" in Halberstadt, pflegte. Es gab damals - mitten im Kalten Krieg - immer wieder Schwierigkeiten bei diesen Kontakten, die Korrespondenz war teilweise problematisch und es wurde von "Beobachtung" gemunkelt. So etwas konnte ein schon immer politisch interessierter Sohn nur spannend finden. Dass seine Hobbies Karstkunde, Bergbau und Geologie beim MfS später in viel stärkerem Maße die Alarmglocken klingeln ließen als die eher "harmlose" Ornithologie, hat er damals in jugendlichem Leichtsinn nicht geahnt. Als jahrelanges Objekt der Stasi-Beobachtung hat der Autor dann aufgrund des Hinweises einer "seiner IM" in der Gauck-Behörde Akteneinsicht in seine personenbezogenen Daten genommen. Weiteres Material haben ebenfalls betroffene Kollegen zugearbeitet. Wertvolle Hinweise gibt auch die DDR-Korrespondenzakte des Autors, die - aus heutiger Sicht neu gelesen - wichtige Ergänzungsinformationen enthält. Eine Auswertung dieser Unterlagen ergibt, dass - offenbar ausgelöst durch das ungeschickte Verhalten des Höhlenforschers Dieter W. Zygowski bei speläologischen Ostblockkontakten - von der Stasi-Hauptabteilung XVIII, unterschrieben von Major Fiegert unter dem Datum des 4.10.1982, gegen den Autor und zwei weitere Personen eine operative Personenkontrolle (OPK) eingeleitet wurde. Diese OPK wurden bis zur Wende, d.h. 1989, mit intensiver Beobachtung der für die Stasi "verhaltensauffälligen" Höhlenforscher bzw. Geologen Dieter W. Zygowski, Friedhart Knolle, Dr. S. u.a. Zielpersonen, mit denen er zusammenarbeitete, durchgeführt. Techniken dieser im wesentlichen von der MfS-HV XVIII/3, d.h. der Abteilung 3 der MfS-Hauptverwaltung Volkswirtschaft, durchgeführten OPK waren ausweislich der Akten u.a. die Kontrolle des Schriftverkehrs, Ein- und Ausreisefahndung, gezieltes Ansetzen von Spitzeln, Beschattung und Verfolgung im Gelände ("operative Kontrolle"), die Abschöpfung von zahlreichen IM (Höhlenforscher und Nicht-Höhlenforscher), eine Mikrofon-Abhöraktion in der vorher eigens verwanzten Privatwohnung des besuchten IMB Cridner in Wernigerode und vermutlich auch die Überwachung des privaten Telefonapparates in Westdeutschland, obwohl es in den Akten keine Antwort auf die Frage gibt, ob und mit welchem Erfolg dieses Telefon dann später auch wirklich abgehört worden ist. Dass die Mikrofonabhörung in der Privatwohnung in Wernigerode tatsächlich stattgefunden hat, ergibt sich aus dem Aktenzusammenhang; es wird dort die Art der einschlägigen Auswertung "der Tonkonserve" erörtert.
Weitere Amtspersonen, die zur Aufklärung des vermuteten Landesverrates eingesetzt wurden, waren u.a. Mitarbeiter der Inspektion des Ministeriums für Geologie. Die Stasi-Akten sind z.T. von hohem dokumentarischem Wert. Selbst der persönliche Charakter einzelner IM läßt sich aus ihnen gut erkennen. So vermied es z.B. der IMS Paul auffällig, Namen zu nennen und Personen zu belasten. Er gab in den Abschöpfungsgesprächen, die zumeist auf dem Kyffhäuser stattfanden, oft nur Banalitäten sowie recht pauschale und hinhaltende Antworten von sich, obwohl auch auf schriftliche Einschätzungen hingewiesen wird, die in den Gesprächen übergeben wurden. Diese Einschätzungen fanden sich in den dem Autor zugänglich gemachten Akten jedoch nicht vor. Was die Stasi wollte, war klar. Im Treffbericht des Hauptmanns Scherpe von der HA XVIII 3/4 mit dem IMS Paul auf dem Kyffhäuser am 17.4.1985 findet sich unter der Rubrik "Neuer Auftrag und Verhaltenslinie" folgende Ansage: "Ausbau des Kontaktes zum BRD-Höhlenforscher Knolle. Erarbeitung von weiteren Hinweisen zum inoffiziellen Literaturaustausch von DDR-Höhlenforschern mit HF des NSW mit der Zielstellung der Einengung des Personenkreises." Man war auf der Suche nach "undichten Stellen" des nicht offiziell über das Karstmuseum laufenden Informationsaustausches. Man muss IMS Paul zugute halten, dass er stets das Interesse an der Sache ganz hoch hielt und wohl auch versuchte, mit der Stasi Katz und Maus zu spielen. Bei einem Besuch an der Heimkehle lieferte er dem mal wieder im "Kleinen Grenzverkehr" angereisten Autor am 28.7.1985 in sehr mutiger Weise Hintergrundinformationen, warnte ihn vor Gefahren und gab den Hinweis, ihm doch etwas stärker aus dem Weg zu gehen. Auch wenn der Autor diese Hinweise seinerzeit nicht vollständig interpretieren und einordnen konnte, so kann man doch aus heutiger Sicht festhalten, dass es der ehrlichste und offenste "Tipp" eines IM an sein "Zielobjekt" war, der nach meinem Wissen im Rahmen der OPK "Höhle" erfolgte. Was IMS Paul nicht lieferte, erfuhr die Stasi von IMS Berger. Dieser IM war besonders mitteilungsbedürftig; auch von ihm liegen seitenlange handgeschriebene Stasi-Treffberichte und Tonbandabschriften in den Akten vor. IM Berger erwähnt mehrfach detailliert Beiträge in den Verbandsmitteilungen und der Zeitschrift "Die Höhle", die er jeweils mit Jahrgang und Heftnummer sehr exakt zitiert. Berger war ein ganz akribischer IM, der auch auf einzelne Buchstaben achtete. Z.B. teilte er Major Klinner und Hauptmann Scherpe bei einem Abschöpfungstreff am 5.12.1984 seine Einschätzung mit, dass sich hinter dem Kürzel "T.", das sich im Heft 2/1984 des 30. Jg. der Verbandsmitteilungen mehrfach findet, der Wernigeröder Höhlenforscher Tschorn verstecke - eine leider durchaus korrekte Einschätzung, die dem Genannten viel Ärger und eine Hausdurchsuchung einbrachte (BREUER 1992, TSCHORN 1992). IMS Berger denunzierte eine ganze Reihe von Höhlenforschern des Verbandes und der DDR mit z.T. sehr konstruierten politischen Interpretationen persönlicher Aktivitäten. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist folgende den Autor betreffende Aussage: "Zur Person Friedhart Knolle: ... Knolle ist Mitglied des Verbandes Deutscher Höhlen und Karstforschung München e.V. Seit der Jahreshauptversammlung 1983 in Liestal/Schweiz ist er der Schriftleiter der Vereinsmitteilung ... Auffallend ist dabei die Zunahme von Beiträgen seit der Übernahme der Redaktion ... von DDR-Autoren ... Im Zusammenhang mit Aktivitäten auf dem Gebiet des Höhlenschutzes ist Knolle führend in der BRD ... Offensichtlich ist Knolle ein guter Kenner derartiger (für den Höhlenschutz relevanter Gesetze, Verordnungen etc.; F.K.) Bestimmungen. Es ist nach meiner Auffassung in der BRD schwierig sich in den Gesetzen zurechtzufinden. Das setzt voraus, daß man auf dem Gebiet ... geschult ist. Da mir Knolle aus seiner vorhergehenden Tätigkeit nicht bekannt ist und meines Wissens in der Höhlenforschung eine passive Rolle oder keine Rolle spielt liegt die Vermutung nahe, daß der Knolle im Auftrag des Verfassungsschutzes oder BGS hier in die Arbeit der BRD-Höhlenforscher einbezogen wurde. Das Auftauchen seiner Person ist mit dem Auftauchen von ... (geschwärzt) zu sehen. Beide arbeiten intensiv zusammen ... Im Unterschied zu solchen Personen wie ... (geschwärzt) und ... (geschwärzt) fällt bei Knolle und ... (geschwärzt) auf, daß sie sich zu der Zeit als sich die internationale Situation zu verschärfen begann, die Stationierung von NATO-Waffen absehbar war usw. sich in ... in führenden Funktionen hineinlanciert haben und qualifizierte und sachkundige Höhlenforscher aus der Leitungsebene des Bundesdeutschen Verbandes herausgedrängt wurden. Das ist ein Umstand, der die Vermutung nahelegt, das sie hier im Auftrag geheimdienstlicher Organisationen tätig sein könnten." (Text schwer lesbar; orthographische Fehler übernommen, F.K.). Es fällt dem Autor schwer, angesichts dieser blühenden Phantasie - die aus Stasi-Sicht jedoch durchaus logisch schien und sehr ernst genommen wurde - die Distanz zu wahren und eine wissenschaftlich-nüchterne Geschichtsschreibung aufrechtzuerhalten. Solche und ähnliche paranoide Einschätzungen erklären jedoch vieles von dem, was in den kommenden Jahren an Folgewirkungen passierte. Offenbar war die Sorge des MfS wirklich sehr groß, dass der Autor und seine Kollegen Mitarbeiter des Militär-Geographischen Dienstes der BRD und/oder eines westlichen Geheimdienstes (wohl des BND) sein könnten - so jedenfalls die Mutmaßungen in den Akten. Unter dem Datum 20.8.1985 findet sich sogar ein 4-seitiger, ausgefüllter kyrillischer Personalfragebogen zur Person des Autors in den Akten - offenbar zur internationalen Weitergabe innerhalb des Warschauer Paktes. Die Akten sagen jedoch nichts dazu, ob er tatsächlich weitergegeben worden ist. Im September 1985 unterlief den Geheimdiensten dann ein Missgeschick. Der sich verdächtig verhaltende und beobachtete BRD-Höhlenforscher Zygowksi besuchte den 3. Internationalen CSSR-Höhlenforscherkongress. Dort passierte folgendes, zitiert nach dem Zwischenbericht zur OPK "Höhle" v. 26.1.1987: "... wurden ... umfangreiche operative Kontrollmaßnahmen zur Person ... (geschwärzt) durchgeführt, die aber im September 1985 auf dem Territorium der CSSR zur Dekonspiration führten. Im Brief vom 10.11.85 teilt ... (geschwärzt) einem IM der HA XVIII/3 mit: "... Im September d.J. waren zwei Bekannte von mir mit anwesend, die mir hinterher berichteten, daß eines abends 2 Personen aufgetaucht seien und sich nach meiner Anwesenheit erkundigt hätten! Natürlich habe mich keiner gekannt... - aber man war sich sicher, daß es Herren des dortigen Staatssicherheitsdienstes gewesen seien - in Amtshilfe für den Stasi???" Seit diesem Zeitpunkt stellte ... (geschwärzt) seine Reisetätigkeit in die DDR ein und hält die Verbindung zu einigen Kontaktpersonen nur noch postalisch aufrecht." Der CSSR-Geheimdienst war hier wohl recht unprofessionell vorgegangen! In der Tat bestätigte Zygowski dem Autor später, dass er nach diesem Vorfall die Lust an DDR-Reisen verloren habe. Im Jahr dieses Vorfalls, d.h. 1985, verstärkten einige Personen, u.a. der Autor, aus geologischem Interesse ihre Reisetätigkeit in die DDR, was das MfS so interpretierte, dass die auftraggebenden "imperialistischen Dienste" nunmehr diese Personen anstatt Zygowski in die DDR schickten. Der Autor war - er hatte es sich selbst gar nicht notiert - nach Auskunft der OPK "Höhle" im Zeitraum von 1985 - 1986 insgesamt 7 x in der DDR. Dieses nunmehr stärkere geologische Interesse wurde vom IMS Paul nicht verstanden; er gab dem MfS zu Protokoll: "Ein direktes Interesse an der Höhlenforschung ist bei diesen Herren nicht zu erkennen. Sie benutzen die Höhlenforschung als Tarnung und interessieren sich besonders für Altbergbaugebiete, Wasserläufe u.a. territorial bestimmte Gebiete ..." (Zwischenbericht zur OPK "Höhle" v. 26.1.1987). Die Hohlraumverordnung und die Einleitung komplexer Maßnahmen Im Sachstandsbericht zur "OPK Höhle" v. 13.3.1985 heißt es nach einer sich über 6 Seiten erstreckenden Darlegung der realen bzw. vermuteten Aktivitäten eines sehr reiseaktiven BRD-Höhlenforschers des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. (ausdrücklich benannt!): "Aufgrund dieser Tatsachen wurde im Rahmen der Durchführung der OPK "Höhle" durch die HA XVIII/3 veranlaßt, durch das MfGeo eine Verordnung über unterirdische Hohlräume zu erarbeiten. Damit wurde eine Übergangsregelung geschaffen, um die in der gegenwärtigen Berggesetzgebung vorhandenen Lücken bis zur Neufassung des Berggesetzes der DDR zu schließen und die unterirdischen Hohlräume effektiver für Produktions-, Lager- und Schutzzwecke zu nutzen. Das Ziel besteht darin, einen konkreten Überblick über vorhandene, bisher nicht bekannte Hohlräume zentral zu erfassen und territorial festzustellen, wo sich mögliche Interessen des Gegners abzeichnen. Durch den Einsatz inoffizieller Kräfte wurde bisher dokumentiert, daß der südliche Teil der DDR, wie z.B. das Erzgebirge, Mansfelder Revier, Südharz und Thüringen im gegnerischen Interesse liegen und über diese Territorien ein ständiger Informationsbedarf durch die bereits genannten Institutionen der BRD besteht. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der HVA/SWT und der Arbeitsgruppe des Gen. General Neiber sowie durch eigene inoffizielle Kräfte wurde bekannt, daß es sich um Territorien handelt, wo die Nazis im 2. Weltkrieg aktiv tätig waren und Höhlen bzw. unterirdische Hohlräume durch die NVA der DDR wieder nutzbar gemacht wurden. (...)... wurden aus gegebenem Anlaß Maßnahmen zur Zurückdrängung gegnerischer Aktivitäten unter den verschiedenen Bedingungen eingeleitet und wirksam. Sie beinhalten z.B. - Einbeziehung inoffizieller Quellen der HVA/SWT im Rahmen einer Koordinierungsvereinbarung; (...)... besteht die Zielstellung darin, - in das Verbindungssystem des ... (geschwärzt) und den operativ relevant angefallenen BRD-Personen einzudringen, um z.Z. noch nicht bekannte Kontaktpartner der DDR zu analysieren; Mit der Einleitung dieser komplexen Maßnahmen in Verbindung mit den beteiligten Diensteinheiten des MfS sollen Voraussetzungen geschaffen werden, die Wirkungsweise gleichgelagerter Zentren der BRD sowie des Mil-Geo-Dienstes der Bundeswehr zu Komplexen der Speläologie und Höhlenforschung der DDR zu strategischen Schwerpunkten erkennbar zu machen." Ausweitung und Intensivierung der OPK Jetzt wurde es ernst für uns und unsere DDR-Höfokollegen, durch die Einbeziehung der HVA auch für den Verband (!), ohne dass wir das ahnten. Diskrete Tips einiger der speläologischen Ostkollegen haben wir ggf. seinerzeit unterschätzt. In einem undatierten Dokument schätzte Oberstleutnant David, der Leiter der Abteilung 3 der HV XVIII, die Gefahr speziell durch den Höhlenforscher Knolle als so groß ein, dass auch seine Internierung ins Auge gefasst wurde: "K. wurde im Rahmen der Durchführung der OPK "Höhle" bekannt. Er unterhält umfangreiche Verbindungen/Kontakte zu operativ interessanten DDR-Personen, die sich mit der Höhlenforschung und Altbergbau befassen. Im Rahmen der Fahndungen und Vergleichsarbeit sowie in Auswertung der Ergebnisse in zielgerichteten Beobachtungsmaßnahmen wird eingeschätzt, daß das Verhalten des K., seine Aktivitäten und Handlungen auf dem Territorium der DDR auf nachrichtendienstliche Interessen hinweisen. Die operativen Erkenntnisse zur Person, seine Handlungen und Verhaltensweisen sind dem operativen Komplex "Militärgeologie" zugeordnet, in dem die OPK "Höhle" ein integrierter Bestandteil ist. Die Ergebnisse der bisherigen Bearbeitung des operativen Komplexes rechtfertigen eine Internierung der Person K., sofern sie sich auf dem Territorium der DDR aufhält." Da der Autor mit Geologenkollegen 1986 auch eine Reise in das Erzgebirge unternahm, wo wir interessante Aufschlüsse und auch Altlasten besichtigten, startete das MfS die neue OPK "Wismut". Ebenfalls bestanden Vernetzungen zu der dem Autor bisher unbekannten OPK "Tunnel" der BV Erfurt sowie zu den AOV "Roland" der KD Hettstedt, AOV "Winkel" der BV Dresden, Abt. XIX, und OV "Kiste". Wegen der sachlichen Überlappung und Identität einzelner Akteure in den Aufklärungsvorgängen mussten die verschiedenen Sachbearbeiter des MfS eine enge Kooperation vereinbaren; auf diese Weise ist in den Akten ein interessanter Einblick in die entsprechenden Dienstwege möglich. Im Zwischenbericht zur OPK "Höhle" v. 26.1.1987 heißt es: "Vom 5.12. - 8.12.1986 reisten die Personen Knolle, ... (geschwärzt) und ein ... (geschwärzt) in die DDR ein und wurden durch Beobachtungskräfte der Abt. VIII aus den Bezirken Magdeburg, Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Erfurt unter operativer Kontrolle gehalten. (...) Inwieweit Knolle und ... (geschwärzt) im Falle des durch Beobachtungsmaßnahmen dokumentierten Aufenthaltes im Auftrag von ... (geschwärzt) unter dem Deckmantel - Exkursion und Höhlenforschung - in die DDR einreisten, um die Kontaktpersonen abzuschöpfen oder sie im direkten Auftrag einer gegnerischen Stelle bzw. imperialistischen Geheimdienstes mit speziellen Aufträgen Spionagehandlungen in der DDR durchführen, ist derzeit Version." Zur Prüfung der Frage des Kontaktes zu "feindlichen Diensten" wurde die OPK auch auf die BRD ausgedehnt; Fragestellung und Ziele gemäß 2003 aufgefundener MfS-Unterlagen: "1. Feststellung Verhaltensweisen, Kontaktpersonen, Treffpartner und Orte, Adressen, Übergabe/Übernahme von Material, Fotodokumentation und Identifizierung. 2. Der K. steht im Verdacht für das Amt für Militärisches Geowesen tätig zu sein. 3. Durchgängige Beobachtung gewährleisten sowie Übergabe/Übernahme durch jeweilige Abt. VIII der Bezirke sichern. ... Beobachtung erfolgte bisher im Territorium der DDR. ... Ausreise erfolgte bisher immer sonntags zwischen 19 und 21 Uhr. ... Die Person soll wie folgt an die Beobachter übergeben werden: selbständige Übernahme bei Ausreise aus der DDR." Am 8.11.1987 wurde das Goslarer Wohnhaus Grummetwiese 16 des Autors beobachtet; Zitate aus dem Aufklärungsbericht "Höhle II": " "Höhle II" ist unter der im Auftrag genannten Anschrift 3380 Goslar wohnhaft. Es sind keine weiteren Mieter im Haus vorhanden. (Das war falsch - der Autor war Untermieter seiner im gleichen Haus wohnenden Großmutter, das hatte der Beobachter übersehen, obwohl es an der Klingel stand; F.K.). Das Haus liegt auf der rechten Seite, zwischen dem Jürgenfeld und Fillerbrunnen. Es handelt sich um eine reine Wohngegend, mit Einfamilienhöusern. ... Die Wohnanschrift und Arbeitsstelle wurde laut Auftrag aufgeklärt. Bei der Beobachtung wurde folgendes festgestellt: Am 08. 11. 1987 von 18.00 - 24.00 Uhr wurde die o.g. Wohnanschrift von "Höhle II" auftragsgemäß unter Kontrolle gehalten. In der gesamten Zeit war vor dem Wohnhaus von "Höhle II" sein im Auftrag genannter Pkw pol. Kennz.: GS - K 887 in Richtung Grauhöfer Straße abgeparkt. 19.25 Uhr ging eine männliche Person aus der 1. Etage des Wohnhauses zum Erdgeschoß. Personenbeschreibung: Größe: ca. 190 cm, Haar: dunkel, Sonstiges: Backenbart." Trotz intensiver Beobachtung konnte die Stasi jedoch einfach keine Hinweise auf eine nachrichtendienstliche Tätigkeit des Autors entdecken - wie sollte sie auch; sie konnte noch nicht wissen, dass sie auf der falschen Fährte war. Im Ergebnisbericht zu OPK "Höhle" v. 26.8.1988 heißt es u.a.: "Ein strafrechtliches Vorgehen wegen Geheimnisverrat bzw. der Verletzung anderer Rechtsnormen des Geheimnisschutzes weder gegen die einreisenden BRD-Spezialisten ... (geschwärzt) und Knolle noch gegen ihre orts- und sachkundigen DDR-Helfershelfer war bisher nicht möglich." Daher wurde 1988 der Einsatz neuer Mittel geplant. Nach allerdings in den Akten nur teilweise belegbaren mündlichen Informationen, die der IM Paul dem Autor nach der Wende gab, ging es dabei um den Einsatz der geheimdienstlichen Mittel "Geld" und "weibliche IM mit Feindberührung". Die Beweisnot der Stasi scheint wirklich sehr groß gewesen zu sein... Im Jahr 1988 sollten die Kandidaten Sch. in Wernigerode und Z. in Uftrungen als neue IM angeworben werden. Die Identität des Kandidaten Sch. in Wernigerode konnte nach der Wende gelüftet werden - es war in der Tat eine weibliche Kandidatin, Regine Schulz. Ihr eigener Mann drängte sie zur Kontaktaufnahme. Regine Schulz bestätigte dem Autor gegenüber den Anwerbungsversuch, weigerte sich jedoch seinerzeit beharrlich mitzumachen und hat nach eigener Aussage danach niemals wieder etwas vom MfS gehört. Es war ihr somit möglich, sich ohne negative Folgen der IM-Anwerbung zu widersetzen. Der Kandidat Z. aus Uftrungen dagegen hat mitgemacht - er taucht später in der Akte als IM wieder auf. Er war aber nicht auf den Autor, sondern offenbar auf die Kollegen Dr. Stedingk und B. angesetzt. Das Knappe-Scheffler-Buch und die Rolle der HVA
Im Frühjahr 1987 wurde im Rahmen der OPK "Höhle" ein Koordinationsgespräch mit der Auslandsspionage der DDR, der HVA, nötig. In einem handschriftlichen Vermerk der HA XVIII/3 v. 25.6.1987 zur Absprache mit der HVA XI heißt es: "In Vorbereitung der Dienstreise zur KD Wernigerode informierte Gen. Frenzel (Ref.Ltr. Linie XX KD Wernigerode), daß Gen. Blechschmidt von der HVA XI eine Quelle aus dem Operationsgebiet steuert, die ebenfalls Kontakt zur bekannten Anlaufstelle in Wernigerode unterhält wie die operativen Zielpersonen ... (geschwärzt, aber lesbar: Dr. Stedingk) und Knolle, die in Durchführung der OPK "Höhle" aufgeklärt werden. Auf Grund der Info. erfolgte am 6.4.87 ein Gespräch mit dem Gen. Blechschmidt. Gen. Blechschmidt teilte mit, daß der Kontakt zur Quelle über die Person ... (geschwärzt, aber lesbar: Dr. Knappe, Ltr. des Harzmuseums Wernigerode, erf. für KD Wernigerode) (bekannte Anlaufstelle) erfolgte. Er schätzt die Quelle als zuverlässig ein. Daß ... (geschwärzt, aber lesbar: Knappe) beabsichtigt ein Buch über den Harz zu veröffentlichen war bekannt. Der Verlag für Grundstoffindustrie Lpz., an den sich ... (geschwärzt, aber lesbar: Knappe) gewandt hat, unterbreitete angeblich den Vorschlag, daß sich ... (geschwärzt, aber lesbar: Knappe) nach Mitautoren aus der BRD umsehen soll, damit im Buch auch der westliche Teil des Harzes enthalten und ein Absatz nach der BRD gewährleistet ist." Nun wurde es spannend für die Agentenführer in der Normannenstraße, denn man hatte bisher offenbar aneinander vorbei gearbeitet. Der Vermerk fährt fort: "Nicht bekannt war in diesem Zusammenhang, daß die Quelle der HVA die Mitautoren aus der BRD an den ... (geschwärzt, aber lesbar: Knappe) vermittelt hat. Bei den Mitautoren handelt es sich um die operativen Zielpersonen ... (geschwärzt, aber lesbar: Dr. Stedingk) und Knolle. Seit dem Zeitpunkt der Vermittlung (Anfang 1987) besteht zwischen ... (geschwärzt, aber lesbar: Knappe) und den op. Zielpersonen ein enger persönlicher Kontakt. Sie beabsichtigen in der Zeit vom 23.7. - 26.7.87 eine gemeinsame Exkursion im Harz und Umgebung durchzuführen. Beim nächsten Treff versucht Gen. Blechschmidt, wenn es sich im Gespräch ergibt, die Quelle zu den op. Zielpersonen abzuschöpfen. Ein weiteres Gespräch mit der HVA ist nach dem Treff im Juli vorgesehen." In der Tat war der Autor im Frühjahr 1987 angesprochen worden, ob er Koautor des geplanten Harzbuches werden wolle. Nach entsprechender Zusage und der Einbindung weiterer Geologenkollegen kam es daraufhin zu mehreren Treffen und zur Genehmigung von BRD-Reisen für IMB Cridner alias Dr. Knappe, wobei der sich im Westen teilweise recht direkt nach weiteren DDR-Kontakten des Autors erkundigte, was normalerweise kein vorsichtiger DDR-Bürger machte. Es wurde u.a. daher relativ bald klar, dass Dr. Knappe mit gewisser Vorsicht zu behandeln war; zu deutlich wurde der Reisekader, der nach Rückkehr berichten musste. Das gemeinsame Interesse an der fachlichen Kooperation überwog jedoch offenbar auf beiden Seiten die Problemfaktoren. Nach dem Zusammenbruch der DDR erschien das angesprochene Buch von Hartmut Knappe und Horst Scheffler "Im Harz Übertage - Untertage" 1990 im Doris Bode-Verlag (KNAPPE & SCHEFFLER 1990). Weitere Spuren in den Westen: Seit 1985 betrieb der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher auf Initiative des Autors das Projekt "Geschichte der Karst- und Höhlenforschung in Deutschland". Im Rahmen dieses Projektes wurde am 14./15.10.1989 in Iserlohn-Letmathe ein Symposium "Geschichte der Höhlenforschung in Deutschland" durchgeführt. Aufgrund der politischen Veränderungen in der DDR wurde es seinerzeit erstmals möglich, Kollegen aus der DDR unkomplizierter einzuladen. Dass es mit dem Leiter des Karstmuseums Heimkehle Reinhard Völker ein Vertreter des Kulturbundes war, führte schon damals zu Auseinandersetzungen innerhalb des Verbandes, freilich nur aufgrund der Tatsache, dass es ein Vertreter des abgewirtschafteten DDR-Establishments war und kein "freier" Höhlenforscher. Mehr ging damals jedoch noch nicht und es war unsere Absicht, besser diesen praktisch möglichen Dialog als gar keinen zu führen (KNOLLE 1989). Parallel liefen die "illegalen" Kontakte auf den vom MfS nicht gewünschten Wegen ja weiter.
Einstellung der OPK Trotz dieser jahrelangen Beobachtung konnten dann jedoch von der Stasi absolut keine Nachweise für die Mitarbeit des Autors und seiner Kollegen in einem westlichen, d.h. für die DDR "imperialistischen" Geheimdienst bzw. eine Arbeit in deren Auftrag erbracht werden. Nach ausführlicher Begründung dieser Feststellung wurde die OPK-Akte "Höhle", bestehend aus 2 Bänden mit 432 Blatt, unter dem Datum des 5.12.1989 - damals bereits vom AfNS, der Stasi-Nachfolgebehörde "Amt für Nationale Sicherheit" - ungesperrt im Archiv abgelegt und ist dort bis heute erhalten. Bleibt das Fazit, dass die Schriftleiter des Verbandes, aber sicherlich nicht nur diese, offenbar von großem Interesse für den DDR-Geheimdienst waren. Die unkontrollierbare schriftleiterische Tätigkeit in Verbindung mit einer aktiven Reisetätigkeit in die DDR bzw. andere Ostblockländer und dann auch noch schwer einschätzbare Freizeitaktivitäten mit vielen Personenkontakten in diesen Ländern - das musste für das MfS als eine reale Gefahr erscheinen... Lächerlich bis schmeichelhaft allerdings ist die Bedeutung, welche die Stasi unserem geologischen Interesse beimaß.
Die Interna und Hintergründe der DDR-Höhlenforschung sind kompliziert; von "Höhlenstalinismus" über ausgeprägten Speläo-Egoismus sowie Mitläufertum bis zur ausgeprägten Systemgegnerschaft einschließlich aller denkbaren Zwischenschattierungen war alles vertreten. Die Stasi war mit ihrem großen Ohr überall "dran", aber keinesfalls sind die Verhältnisse nur mit einfachem Schwarz-Weiß-Denken zu interpretieren. Ohnehin können die ex-DDR-Kollegen ihre Geschichte mit einiger Distanz eigentlich besser selbst schreiben - aber alle, nicht nur einige! Die vorzunehmende Auswertung der Unterlagen, die möglichst viele Höhlenforscher bezüglich ihrer eigenen Daten und Unterlagen durchführen sollten, kann und soll aber nicht dazu dienen, irgendeine Hatz auf heutige Höhlenforscherkollegen auszulösen. Ziel muss es vielmehr - ganz im Sinne der Gründung der Gauck-Behörde - sein, diese Unterlagen dazu zu nutzen, den Dialog und die konstruktive Aufarbeitung der Vergangenheit zu versuchen, und zwar sowohl hinsichtlich der persönlichen und vereinsmäßigen Verstrickungen in die MfS-Arbeit bzw. auch der mutigen Abwehr von Stasi-Aktivitäten. Für beide Arten des Umganges mit dem System gibt es in den Akten eindrucksvolle Beispiele. Auch kann die Auswertung dieser Akten dazu dienen, zu erkennen, unter welchen schwierigen Umständen in der DDR Höhlenforschung stattfand - denn da waren ja beileibe nicht nur systemtreue Höhlenforscher aktiv! Und ein jeder Nichbetroffener Wessi möge sich kritisch prüfen, wie er sich selbst verhalten hätte, wenn Vertreter eines Ministeriums (!) auf ihn zugekommen wären mit der förmlich und korrekt vorgetragenen freundlichen Bitte, doch gelegentlich bei einer Sache mit Informationen behilflich zu sein, die für den Staat von großer Bedeutung sei... Dennoch: es geht nicht um gut oder böse (außer im Falle von klaren Gesetzesverstößen!), sondern um gemeinsame Geschichtsschreibung. Es besteht hier die historisch einmalige Chance, die Unterlagen noch gemeinsam aufzuarbeiten und nicht erst Jahrzehnte nach dem Ende des Systems und dem Ableben zahlreicher Akteure, wie wir das im Falle der ersten deutschen Diktatur gemacht haben. PS: Sicherlich wäre es ebenfalls spannend, die Rolle des Bundesnachrichtendienstes, der CIA und anderer aktiver Geheimdienste bezüglich ihres ggf. vorhandenen Interesses an der Karst- und Höhlenkunde unter den gegebenen demokratischen Rahmenumständen zu untersuchen, allein fehlen dafür die Unterlagen. Dank Ich danke dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik für die freundliche Unterstützung bei der Recherche. Nicht danken möchte ich den IM, die sich bisher nicht bekannt haben. Auf Wiedersehen, bis bald! Literatur und Quellen
|
Organigramm des MfS
Abkürzungen AOV: Archivierter operativer Vorgang Soweit vom BStU gem. § 12 Abs. 5 Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) Anonymisierungen, d.h. Schwärzungen von Namen und Passagen, vorgenommen wurden, handelt es sich um personenbezogene Informationen zu anderen Betroffenen oder Dritten, deren schutzwürdige Interessen zu wahren sind. Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V. Weitere interessante Links http://www.ddr-suche.de/ |