Die beiden Seelöcher und das Moosloch - Interessante Erdfälle zwischen Kleinwechsungen und Hochstedt
 

Im Kreis Nordhausen, zwischen den Gemeinden Kleinwechsungen und Hochstedt, liegen auf dem 250 Meter hohen Seeberg dicht nebeneinander drei interessante Erdfälle, das "Große Seeloch", das "Kleine Seeloch" und das "Moosloch". Natur- und Wanderfreunde besuchen von diesen geographischen Phänomenen mit Vorliebe das wassergefüllte Große Seeloch. Das etwas nordwestlich gelegene Kleine Seeloch ist meist ausgetrocknet und weniger attraktiv. Das Moosloch, teils auch Meeseloch genannt, ist kaum bekannt, ist jedoch als geographisches und biologisches Kleinod einmalig. Diese Erdfälle sind Karsterscheinungen; sie bilden infolge ihrer unterschiedlichen Entwicklungsstufen im Südharzvorland eine besondere Seltenheit.

Diese außergewöhnlichen Naturdenkmale erreichen wir von Nordhausen aus auf der F 243 durch die Helmeniederung. Hier führt die Straße durch Hesserode, Kleinwechsungen und an der Neuen Mühle vorbei fast bis zur Flarichsmühle. An der Kreuzung Haferungen-Großwechsungen gelangen wir auf einem Feldweg in nordöstlicher Richtung auf den Seeberg. Wir befinden uns in der großräumigen Buntsandsteinlandschaft des nördlichen Thüringer Beckens. Bereits von der Straße aus sieht man an der Hanglage des Seeberges einen kleinen Fichtenwald, der das Große Seeloch umrandet. Bei unserer etwa 500 Meter langen Fußwanderung wird der Weg etwas steiler; hier können wir uns mit dem anstehenden Buntsandstein vertraut machen. Fast auf der Bergeshöhe erfolgt zur Rechten eine Abzweigung, auf der wir leicht bergab zum Großen Seeloch gelangen; es liegt nur 2 km nordwestlich von Kleinwechsungen. Von letztgenannter Abzweigung geradeaus erreichen wir nach wenigen Metern linker Hand das Kleine Seeloch. Nur rund hundert Meter nordwestlich davon befindet sich das Moosloch. Zu dem Kleinen Seeloch und dem Moosloch führt kein Weg; wir sollten diese beiden Erdfälle nur nach der Getreideernte oder im Spätherbst bzw. im Winter aufsuchen.

Dieses Erdfallgebiet kann man auch von Nordhausen-Salza über Herreden und in Richtung Hochstedt erreichen. An der höchsten Straßenstelle, gegenüber des Hochstedter Igelsumpfes (ebenfalls ein kleiner wässriger Erdfall) und eines Großsilos, führt ein Fußweg von etwa 2 km auf der "Hohen Straße" direkt zu diesen Sehenswürdigkeiten. Die beiden Seelöcher und das Moosloch sind als Naturobjekte seit langer Zeit mehr oder weniger bekannt und galten früher bereits als Anziehungspunkte.
 

Das Große Seeloch

Die erste Persönlichkeit, die sich wissenschaftlich mit dem Großen Seeloch beschäftigte, war der progressive Pädagoge Konrad DUNCKELBERG. Er wurde 1640 in Gerterode (Kreis Worbis) geboren und starb 1708 in Nordhausen 1. Er studierte an der Universität Jena u.a. Latein und Griechisch; im Jahre 1684 wurde er als Rektor an das Nordhäuser Gymnasium berufen. Mit seinen fortschrittlichen Lehrmethoden war Konrad DUNCKELBERG seiner Zeit voraus. Er beschäftigte sich bereits vor 300 Jahren unter anderem mit heimatkundlichen Forschungsarbeiten, insbesondere mit dem Großen Seeloch. Sein Zeitgenosse, D. Georg Henning BEHRENS, schenkte diesem geographischen Phänomen ebenfalls große Aufmerksamkeit und würdigte den Rektor DUNCKELBERG aufgrund seiner entsprechenden Studien. BEHRENS schrieb 1703 in seiner "Hercynia curiosa" von dem "Hochstädtischen See und der darauff schwimmenden Insel". Er berichtete: "In dem benachbarten Königlichen und Chur-Fürstlichen Brandenburgischem Ambt Clettenberg lieget gegen den untern Vor=Hartz zu eine Meile von hier bei dem Dorff Hochstädt ober auff dem Berge fast gegen der Flarch= Mühle ein großer und wasseriger Erd=Fall, welchen die daran gränzenden Einwohner insgemein den See oder das Seeloch nennen, wovon Herr Conradus DUNCKELBERG, hiesiger Schulen (gemeint ist das Nordhäuser Gymnasium; Verfasser) wohlverdienter und treufleißiger Rector im 1696sten Jahr den 21. Julii ein gelehrtes Progromma bei denen damahls gehaltenen Schul=Reden an den Tag gegeben, und damit gelehrte curieuse Personen erberaus vergnügt hat. . . " 2. Dieser majestätische See fand also schon damals bei "curieusen" Personen, so nannte man seinerzeit wissenschaftlich gebildete Menschen, reges Interesse. Natürlich haben sich seit dieser Zeit die politischen Verhältnisse und die wissenschaftlichen Erkenntnisse grundlegend geändert. Das Große Seeloch liegt für uns schlicht und einfach im Land Thüringen, und die Ländereien zählen zu den Gemeinden Kleinwechsungen und Hochstedt.


Das Große Seeloch - Gesamtanblick auf den wassergefüllten Buntsandsteinerdfall
Foto: J. Tauchmann

Daß sich Rektor DUNCKELBERG so intensiv wissenschaftlich um das Große Seeloch bemühte, lag sicher in seiner Progressivität, in seinem beruflichen Interesse und zum Nutzen seines Gymnasiums. Seine Bemühungen entsprachen voll und ganz unserem heutigen heimatkundlichen Prinzip in der Schule. Konrad DUNCKELBERG fand bei den gelehrten Personen große Aufmerksamkeit. Er trug seine Forschungsergebnisse populärwissenschaftlich vor, obwohl sein Programm bzw. seine Arbeit über das Seeloch in lateinischer Sprache abgefaßt war. Exakt und gewissenhaft hatte der Rektor DUNCKELBERG seine Vermessungen am Großen Seeloch vorgenommen. "Die Gestalt desselben kömmet fast mit einem Kelche oder anderen oben weiten und unten engen Trinck=Geschirr überein, massen der Umkreis des Ober=Theiles 160 Meß=Ruthen in sich hält, da hingegen der Umgang unter bei dem Wasser nur 112 Ruthen lang ist, wie denn auch der Diameter oder Durchschnitt der oberen Peripheria oder Umkreis 51 Ruthen, des unteren Umgangs aber nicht mehr als 36 Ruthen austräget", wie BEHRENS bezugnehmend auf DUNCKELBERG berichtet 3. Diese Maße aus dem Jahre 1696 lassen sich in die metrische Maßeinheit umwandeln; das veraltete deutsche und preußische Längenmaß von 1 Ruthe macht 3,766 Meter aus. So betrug also der obere Umfang 602 m, der untere 422 m, der obere Durchmesser 192 m, und die Wasserfläche erstreckte sich über 136 m.

Der Nordhäuser Lehrer Heinrich HEINE 4 beschrieb in seinem "Heimatbuch für Nordhausen und die Grafschaft Hohenstein" die Seelöcher und zog die Meßergebnisse von R. REICHARDT, Pastor in Trotta, heran: "Der Umfang des Großen Seeloches beträgt etwa 500 m, der Durchmesser 160 m, es nimmt eine Fläche von ungefähr 2 ha ein und mißt in der Mitte an der tiefsten Stelle 17 m. Sein Nordwestrand steigt bis auf 22 m auf, so daß dort der Blick in die Tiefe etwas Überraschendes hat" 5. Diese Maße vom Umfang und Durchmesser sind überschätzt, die Tiefe ist als real anzusehen. Nach Einsichtnahme in die kürzlich überarbeiteten Flurkarten erhalten wir die neuesten Meßwerte 6. Der obere Umfang des Großen Seeloches beträgt 620 m, der untere an der Wasserlinie 410 m; die Wasserfläche macht 1,47 ha aus. Der errechnete Durchmesser der Wasserfläche beläuft sich auf 130 m. Die Tiefe war nicht angegeben. In verschiedenen anderen Quellen wird die Wassertiefe von 24 bis 30 m genannt 7. Schätzt man eine mittlere Tiefe von 10 Metern, so würden knapp etwa 150 000 m3 Wasser im Großen Seeloch vorhanden sein.

Eine Übersicht veranschaulicht die Veränderungen seit etwa 300 Jahren:
 
Ausmaße am
Großen Seeloch
Maße nach
"Hercynia curiosa"
Maße nach
HEINE bzw.
REICHARDT
Maße nach
Flurkarte
Umfang am
oberen Rand
160 Ruthen   602 mrund 500 m620 m
Umfang der
Wasserfläche
112 Ruthen   422 m. . .410m
Durchmesser am
oberen Rand
  51 Ruthen   192 mrund 160 m197 m
Durchmesser der
Wasserfläche
  36 Ruthen   136 m. . .130 m
Böschungshöhe am
oberen Rand
  11 Ruthen     41 m. . .. . .
Größe der Wasser-
oberfläche
. . .                 . . .2 ha1,47 h
Größte Wasser-
tiefe
  36 Ellen        24 m17 m. . .

Verständlich ist, daß sich die Größe und die Form dieser Erdfälle bis heute durch die exogenen Kräfte kontinuierlich verändert hat. Nach den dialektischen Entwicklungsgesetzen der Natur vollzog sich der morphologische Prozeß am augenscheinlichsten an der oberen Böschung. Bei gewittrigen Niederschlägen und bei Starkregen wurden Teile des Bodenhorizontes abgespült, wobei es zu einem Transport des Erdreiches kam. Das abgetragene Bodenmaterial wurde am Uferrand angeschwemmt und veränderte durch die Sedimentation die Uferformen. Während die Oberkante verflachte und sich im Umfang etwas erweiterte, wurde der innere Umfang, wenn auch nur geringfügig, etwas kleiner. Dazu kam an der Böschung und am Ufer, besonders an den neu entstandenen Buchten und Halbinseln, ein Bewuchs von Bäumen, Sträuchern und Gestrüpp. Obwohl DUNCKELBERG festgestellt hatte, daß der wässerige Erdfall zwischen fruchtbaren Feldern lag und nicht von Bäumen und Sträuchern umgeben war, umrandet heute ein kleiner aber doch ansehnlicher Waldgürtel das Große Seeloch. Diese derzeitige Fichtenbestockung wurde künstlich angelegt was die immergrüne Umfriedung dieses Phänomen noch attraktiver macht.

Der Wasserspiegel des Großen Seeloches liegt auf etwa 230 m über NN. Die Wassermassen sollen ausschließlich aus den Niederschlägen über der Wasseroberfläche stammen. In unmittelbarer Nähe des Seeloches wurden die Niederschläge langjährig von Herrn Lehrer KÖPPEN und Herrn FRICKE aus Großwechsungen im Auftrage des Meteorologischen Dienstes der DDR gemessen. Obwohl die tageszeitlichen und jährlichen Niederschläge beachtliche Unterschiede aufweisen, ist die Wasserspiegelschwankung relativ gering. Folgende Meßergebnisse wurden an der 3 km entfernten Meßstelle bei 196 m NN in Großwechsungen registriert:
 
 
Jahre:
Niederschläge (1
mm =1 Liter/m2)
1891-1940
im Mittel
603 mm
1948-1954
im Mittel
610 mm
1980
501,3 mm
1981
831,7 mm
1982
404,9 mm
1983
540,8 mm
1984
614,9 mm
1985
568,8 mm
1986
665,3 mm
1987
689,9 mm
1988
550,8 mm
1980-1988
im Mittel
596,5 mm

Der Wasserspiegel des Großen Seeloches wurde bisher noch nicht an einem Pegelstand ermittelt; seit 1988 ist hier jedoch eine Pegel-Meßlatte vorhanden. So mußte man zunächst von einem erhöhten Wasserspiegel der beiden niederschlagsreichen Jahre 1986 und 1987 ausgehen. Die Niederschlagshäufigkeit im Februar und März 1988 mit 56 bzw. 89 mm ließ den Wasserspiegel im Großen Seeloch um rund 150 mm ansteigen. Das könnte ein bescheidener Beweis dafür sein, daß kein oberirdischer Zufluß und auf Grund der Sattellage des Erdfalles auch kein unterirdischer nachweisbarer Grundwasserzufluß vorhanden ist. Die große Trockenheit im Sommer 1988 brachte im April 19,5 mm, im Mai 15,2 mm, im Juni 16,6 mm, im Juli 51,6 mm und im August 31,8 mm, also insgesamt nur 134,7 mm, d. s. 48 % des langjährigen Mittelwertes 8. Die hochsommerlichen Temperaturen und die starke Verdunstung führten dazu, daß der Wasserspiegel um rund 150 mm absank. Für das Große Seeloch ist weiter typisch. daß kein sichtbarer Wasserabfluß besteht. Da sein Wasserspiegel hoch über dem Hauptgrundwasserspiegel des benachbarten Tales liegt, ist das Große Seeloch mit eingeschwemmten Schluffen und Tonen verstopft, sonst würde das Niederschlagswasser unterirdisch wegfließen." 9 Damit unterliegen die Wassermengen einer ständigen Verdunstung, selbst wenn kleine Mengen zur 800 Meter entfernten Helme hindurchsickern könnten.

In der "Hercynia curiosa" wird u. a. von einem ursprünglichen Fischreichtum berichtet, gleichzeitig aber auch, daß um das Jahr 1700 große Hechte und andere Fische sehr rar waren. Von den Mitgliedern des Deutschen Anglerverbandes wird aber mitgeteilt, daß Rotfedern, Karpfen- und Schleien häufig vorkommen und Hechte, Aale sowie Karauschen keine Seltenheit bilden. Das Große Seeloch ist also auch für den Angelsport interessant. Eine Tafel an der Südseite des wassergefüllten Erdfalles weist aus, daß die Nutzung als Sportgewässer der AG-Hesserode überlassen wurde.

Über die Entstehung des Großen Seeloches und der angrenzenden Erdfälle wurde in älteren Schriften, weder von Konrad DUNCKELBERG noch von D. Georg Henning BEHRENS, nichts berichtet. Man wußte lediglich von einem Erdfall, aber wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Erkenntnisse waren nicht vorhanden. So begnügte man sich lange Zeiten mit mündlichen Überlieferungen und einem daraus entstandenen reichen Sagenschatz. "Es berichteten die Einwohner derer benachbartet Oerter von dem Ursprung dieses Erdfalls, wie sie es von ihren Eltern gehöret hätten: daß in vorigen Zeiten an der Stelle wo jetzo der See sich befindet, ein feuchter grasichter Platz gewesen sei, um die Pferde darauff gehütet worden." 10 Aus dieser Überlieferung ist letztlich eine Sage entstanden, die bis heute oft in verschiedenen Varianten und Deutungen bekannt ist. "Als nun einstmahls, etliche Pferde=Jungen die Pferde darauf zur Weide gebracht, und gesehen hätten. daß einer unter ihnen weiß Brodt esse, wäre ihnen auch ein Appetit, davon zu genießen, ankommen, derowegen sie dasselbe von dem Jungen hefftig begehret, wie aber derselbe solches gäntzlich abgeschlagen und fürgewendet, daß er dieses Brodt zur Stillung seines Hungers selber nothwendig bedurffe, waren gemeldete Jungen so unwillig und erbittert darauff geworden, daß sie nicht allein ihren Herrn alles Unglück an den Hals gefluchet, aber ihnen nicht dergleichen weiß Brodt, sondern nur gemeines schwartzes hausbacken Brodt zur Speise mitgegeben, sondern sie hätten auch ihr Brodt, aus grossen Zorn und Frevel auf die Erde geworfen, mit Füssen getreten, und mit ihren Pferdepeitschen gegeiselt; als darauff also bald Blut aus dem Brodte geflossen, waren sie über solches Wunder und Zeichen eines bevorstehenden Unglücks dermassen erschrocken, daß sie nicht gewußt, wohin sie sich wenden und was sie anfangen sollten; unterdessen sei hingegen der Unschuldige, sonderlich derselbe, wie einige erzehlen, von einem alten Unbekannten ohngefehr dazu kommende Mann gewarnt worden. . . " 11 Nach R. REICHARDT soll plötzlich der Himmel voll Wolken schwarz geworden sein, und bei dem Gewitter mit einem furchtbaren Donnerschlag sank die Erde unter ihren Fußen ein, wobei der Erdfall entstand.

Ein Zusammenhang könnte mit einer weiteren Seeloch-Sage bestehen, in der von einer Blume am Rande des Sees berichtet wird, deren Blätter einem Pferdehufe gleichen, während andere gelbe Blumen wiederum von Tulpengestalt sind. Tatsächlich können wir in den Sommermonaten einen oft üppigen grünen Teppich mit weißen und gelben Seerosen beobachten.

Weniger bekannt ist die Sage vom einäugigen redenden Fisch, den ein Bauer am  Abend beim Glockenschlag sechs Uhr angelte. Natürlich fehlen auch Sagen und Andeutungen über Nixen im Seeloch nicht, die hier ihre Behausungen gehabt haben sollen. Lange Zeiten erzählte man aber auch den Kindern in der Grafschaft Hohenstein, daß ihnen der Storch aus dem Seeloch die kleinen Brüderchen und Schwesterchen holt.

Selten ist die Sage vom Junker Jost von Huchstedt oder "Wär ännern anne Krube krebet, föllt sälber ninn" bekannt.

Magister Ehrhardt aus Nordhausen erzählt diese Ehebrecher-Sage in sehr drastischen volkstümlichen Ausdrücken und Redewendungen. Diese "Vöhrzietsage von Aennstiehung dr Seelöcher bi Wäcksungen" ist in einem längeren Gedicht in "nordhüsch=hohnsteiner Munohrt" abgefaßt, wobei ich mich hier auf eine kurze Inhaltsangabe beschränke:

"Der Abt des Klosters Gerode besuchte einst den Junker Jost von Hochstedt und entbrannte in sündiger Lust für dessen schönes Weib. Um nun den Junker für längere Zeit fernzuhalten und so ungestört seiner sinnlichen Lust zu frönen, veranlaßte er in Einverständnis mit dem treulosen Weibe den Junker zu einer Pilgerfahrt ins heilige Land. Er redete ihm ein, daß er mit dem von seinem Großvater ererbten Spieß Jerusalem von den Türken befreien könnte. Der fromme Junker glaubte diesen heuchlerischen Worten und war bereit, das Gott wohlgefällige Werk auszuführen. Er machte sich zur Reise fertig und nahm bald darauf ohne Argwohn von seinem Weibe herzlichen Abschied. Am dritten Morgen kam er an eine Brücke, die durch einen Schlagbaum gesperrt war. Der Zolleinnehmer schlief noch, und die Frau konnte den schweren Schlagbaum nicht hochziehen. Sie bat deshalb den Junker, einstweilen bei ihr einzukehren und sich zur Weiterreise zu stärken." Die Frau sagte zu dem Junker:

"--- stieht änn mehlichen obb unn bringet dn Bruhnen
in Schtall an d'Krippen,
unse Mächen sall'n gliech änne Schlippen
voll Habber brenge un voll Hau.
Bärr uch, dänn uch hungert dach au,
unn Hunger leßt sich uhs d'n Liebe
mant därch Aessen un Trinken vertriebe -
änn Kaffee, Herr Ritter, der was tocht,
das heißt in dröi Vaterunsern gekocht."
"Gern folgte der Junker dieser Einlassung, saß bald am gedeckten Tisch und erzählte, während er sich an Speise und Trank erquickte, der freundlichen Wirtin von der Veranlassung und Zweck der Reise. Im Lehnstuhl hinter dem Ofen saß die Großmutter und hörte zu. Sie schüttelte mit dem Kopfe, sah nach seinem Spieße und sagte zu ihm, daß er mit dem ererbten Spieße seines Großvaters die Türken ebensowenig vertreiben könne, als es bis dahin Kaiser und Papst vermocht hätten. Er solle lieber schleunigst umkehren und den arglistigen Abt von seinem Weibe vertreiben, der ihn nur deshalb auf listige Weise entfernt habe, um die Ehre des Hauses zu schänden.
Was ich sahte, äß mant allsugewiß,
zum Wohrzeichen st uch mant diß,
daß dr Kaudieb vär Huchstedt uff'n Platze,
wu nischt als Schmullmen uff 'ne wechst,
uch mett Frau Krietchen wärd Begägne
unn zum Willkommen frindlich wulle sägne.
Do kehrt uch aber jo nich drahn,
un loßt üms Huhn un üm d'n Hahn
dröimohl uhren Bruhnen geschwinge
inn wieten Kreise rimspringe
unn macht mett dissen Steckchen in dr Hand
droi Kritze in aschgrauen Sand
unn ruft met zorniger Schtimme,
kuckt uch aber dobi nich imme,
Uhr Sägen, Betrüger, aß Fluch, -
unn där kumme wie änn Fallstrick äbber uch!
Als der Junker dieses hörte, ritt er eiligst wieder zurück und erreichte bald die Höhe bei Kleinwechsungen. Von da sah er den Abt und sein Weib auf dem bezeichneten Platze und erkannte daraus die Wahrheit der Worte der Großmutter.
Das treulose Weib bemerkte ihn zuerst.
Härr je! rief s'uff einmol, lieber Abt,
dort kämmt so minn Mann här getrappt!
Ich dochte, sahte disse, was mich bässe,
dänn sprenzt ich jo kummst erst furt!
Mit der unschuldigsten Miene ging er dem Näherkommenden entgegen, um ihn freundlich zu begrüßen. Doch der Junker ritt geschwind dreimal um die Schuldigen herum, machte mit dem Stäbchen drei Kreuze und rief mit zorniger Stimme:
Ur Sägen, Betrüger, äs Fluch,
unn där komme wie änn Fallstrick äbber uch!
Da stürzte unter furchtbaren Krach die Erde ein und begrub die Ehebrecher. Die entstandene Vertiefung füllte sich mit Wasser und heißt heute: "Das Seeloch".
Der Magister Ehrhardt schließt seinen poetischen Erguß mit folgenden Spottreimen:
's äß gut, daß inzunder
därglichen unchristliche Wunder
nich mäh gebrichlich sinn.
Sinst stärzten in unser Gägend
zumol bi dr Schtadt rimm allerwägend
ein Seeloch binn andern inn!" 12
Nun wieder zur Realität von heute: Einige wahre Begebenheiten um das Seeloch dürfen hier nicht verschwiegen werden, sie sollen vielmehr eine Warnung vor der Gefahr des Wassers sein. So kamen am 8. Juni 1877 der Schafmeister Keil aus Kleinwechsungen und der Arbeiter Dannenberg aus Haferungen durch einen Unfall nach dem Waschen der Schafe ums Leben; sie waren etwas übermütig, glitten aus und verschwanden in der unheilvollen Tiefe. Eine Unsitte ist auch das Betreten der Eisdecke im Winter; auch beim Baden im Sommer sind Unfälle mit tödlichem Ausgang mehrfach vorgekommen. Ein Junge des Dorflehrers schaffte so das Durchschwimmen des Seeloches nicht; er konnte nur noch tot geborgen werden. Traurig stimmt auch, daß das Große Seeloch in früheren Zeiten oftmals das Grab lebensmüder Menschen geworden ist. Es waren meist einfache Bürger, die mit der Realität des Lebens nicht zurecht kamen.

Eine geographische Besonderheit des Großen Seeloches soll noch erwähnt werden. Auf dem herrlichen See befand sich ursprünglich eine merkwürdige Insel. BEHRENS berichtet, daß "sich auch auff dieser See eine Besehens=würdige Insel, welche nicht mehr so groß ist, als vor diesem gewesen ist, und noch vor zwantzig Jahren war, da ich dieselbe mit dem Junker Jost Adolph von Tastungen, Erb= und Gerichtsherrn auff Grossenwechsungen & c. als meinen damahligen Schulgesellen öfters besuchte. . ." 13

Auch Heinrich HEINE berichtete über diese Insel: "Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts stand in der Mitte des Seelochs eine Insel, die aus einem großen Rasenstück bestand, das einmal das Wasser vom Ufer abtrennte. Auf dieser Insel, die man durch Stricke an das Ufer ziehen konnte, standen Bäume, und unter diesen Bäumen pflegte sich zur schönen Sommerszeit eine Musikkapelle niederzulassen." 14 Hier spielte zu Volksfesten die Musik, am Ufersaum wurde getanzt, und im Seeloch herrschte reger Badebetrieb; abends brannte man sogar ein Feuerwerk ab. Diese Insel schwamm auch stückweise im See herum. Ursprünglich war sie kranzförmig und einer Mondsichel ähnlich. Mit 14 Meßruthen (52 m) Länge und bis zu 4 Ruthen (15 m) Breite hatte dieses kleine Eiland also eine ansehnliche Größe. Die Insel war teils sumpfig und mit Moos bedeckt; auch Bäume, Sträucher und Gestrüpp gediehen üppig. Durch die Kraft des Windes wurde sie sogar fortbewegt, blieb aber längere Zeit an flachem Ufer, wo sie teils zusammenwuchs oder sich später wieder in einige Teile auflöste. Diese schwimmende Insel ist allmählich zerfallen, wobei einige Rasenstücke noch als ehemalige Reste angesehen werden können.

Die anmutige Schönheit des Großen Seeloches fasziniert auch heute noch jeden Besucher und zu jeder Jahreszeit. Ganz besonders aber erfreut man sich im Sommer, wenn man an einigen flachen Stellen die weiß- und gelbblühenden Seerosen betrachten kann. Das wassergefüllte Seeloch mit seiner fast kreisrunden Form gleicht einer riesigen Schüssel, die am oberen Hang des Seeberges liegt und zur Helmeniederung nach Südwest geneigt und geöffnet ist. An der Oberkante des Geländeabbruchs steigt der nördliche Uferrand auf etwa 22 m an und hat einen Böschungswinkel von etwa 30 Grad. Der südliche Uferrand ist sehr flach und beträgt kaum 3 Meter. Die gesamte Uferböschung ist bewachsen; es dominieren Fichten, Schwarzerlen und Strauchwerk mit Hirschholunder, Schwarzem Holunder, Gestrüpp und üppige Gräser.

Die gesamte Umgebung der beiden Seelöcher und des Moosloches besteht aus wertvollen Verwitterungsböden des Buntsandsteins. Die angrenzenden Felder werden landwirtschaftlich intensiv genutzt Die ausschließlich guten Getreideböden haben eine Ackerwertzahl von 47 bis 48. Die Hektarerträge konnten auf Grund wissenschaftlicher Bodenpflege, dem Einsatz von hochwertigem Saatgut und mittels des hohen Mechanisierungsgrades im Jahre 1987 auf 51,3 dt/ha gebracht werden. Das ist eine enorme Steigerung zu den besten Ernteergebnissen der bisherigen Jahre. Die Hauptanbauprodukte sind Winterweizen, Sommer- und Wintergerste. Es gedeihen auch alle anderen Feldfutterpflanzen. Kartoffeln werden seltener angebaut, weil der Boden im Bereich des Buntsandsteins häufig zu naß und zu schwer ist. Roggen würde auch gedeihen; da aber diese Fruchtart mit genügsamerem Boden auskommt, ist für diesen der wertvolle Boden zu schade. 15

Mit der geologischen Entwicklung des Großen Seeloches haben sich die Wissenschaftler insbesondere im 20. Jahrhundert intensiv beschäftigt. Vom Anblick auf dieses friedliche Gewässer vermutet man rein äußerlich einen majestätischen Bergsee. Dennoch glaubten früher einheimische Bürger, das Große Seeloch stände mit dem Meer in Verbindung und daß sich in ihm Seefische befinden.

Die Größe der Wasserfläche, die Höhenlage über NN, die Tiefe sowie die trichterförmige Gestalt sind kein Beweis für ein Meeresrelikt; allein schon infolge der Meeresferne muß dieser Gedanke zurückgewiesen werden. Das Große Seeloch ist in seiner Eigenart ein besonderes Naturphänomen und kann aber nur im Zusammenhang mit den vielen Erdfällen im Südharzvorland gesehen werden. Alle diese Erdfälle sind eindrucksvolle Naturobjekte mit vielfältigen Varianten, wo dennoch jeder seine eigene geologisch-spezifische Entwicklung aufweist. Bei der Betrachtung der geologischen Karte erkennt man, daß diese Erdfälle in der Buntsandsteinlandschaft liegen. Dieses geschlossene Landschaftsbild liegt im nördlichen Thüringer Becken innerhalb der Schichtstufenlandschaft und reicht bis weit über die Helme hinaus. Unterhalb der Buntsandsteinvorkommen liegen die Zechsteinablagerungen in einer beachtlichen Tiefe. Im Schnitt des geologischen Meßtischblattes Nordhausen-Nord erkennt man die nahezu ungestörte Schichtenfolge des Zechsteins. "Eine Tiefbohrung, Hochstedt" liegt direkt an der Straßenabzweigung der F 243 nach Hochstedt, also an der Straße Kleinwechsungen-Günzerode, 1250 m vom westlichen Rand des Großen Seeloches ... und zeigt folgendes Ergebnis:

bis 19,00 m Ton und Kiese (Holozän)
bis - 32,00 m Unterer Buntsandstein (Trias)
bis - 212,50 m Gips mit rotem Ton (Oberer Zechstein)
bis - 235,00 m Anhydrit mit Gipseinschlüssen (Oberer Zechstein)
bis - 250,70 m Klüftiger dolomitischer Kalk (Hauptdolomit, Mittl. Zechstein)
bis - 254,00 m Gips (Mittlerer Zechstein)
bis - 513,70 m Anhydrit (Mittlerer Zechstein)
bis - 516,70 m Zechsteinkalk (Mittlerer Zechstein)
bis - 517,00 m Kupferschiefer (Unterer Zechstein)
bis - 518,50 m Kupferschieferkonglomerat (Unterer Zechstein)
bis - 620,90 m  Sandstein und Konglomerat (Oberrotliegendes)

Die Salze sind hier vollkommen ausgelaugt und nicht mehr vorhanden. 16
Für die Erdfallbildung in unserer Landschaft sind also die Schichtfolgen des Zechsteins von Bedeutung. Christel und Reinhardt VÖLKER stellen fest, daß man auf Grund der Verkarstung von Anhydrit und Gips somit von "Sulfatkarst" spricht. Dieser Verkarstungsprozeß erfolgt relativ schnell. "Man bedenke, daß sich 2 kg Gips in einem Kubikmeter Wasser lösen." l7

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die beiden Seelöcher und das Moosloch sogenannte Buntsandsteinerdfälle sind; sie entstanden aus der Verkarstung der vom Buntsandstein überlagerten Zechsteinsulfate (Anhydrit CaSO4 und Gips CaSO4· H2O) und Salze, wobei sie große und tiefe Erdfallformen bilden. R. KRAUSE bestätigt, daß "Erdfälle typische Karsterscheinungen sind, die nach Auflösung sulfatischer und karbonatischer Gesteine durch Wasserzirkulation entstehen. Infolge der Gesteinsauflösung und des Abtransportes der gelösten Komponenten bilden sich Hohlräume. Sobald diese Hohlraume eine bestimmte Größe erreicht haben, bewirkt das Gewicht der darüber lagernden Gesteinsschichten den Zusammenbruch der Hohlraumdecke oder die völlige Zermürbung des Deckgebirges. Der Bruchvorgang setzt sich nach oben allmählich im Laufe von möglicherweise Jahrhunderten fort, bis er die Oberfläche erreicht hat und als Erdfall in Erscheinung tritt." 18

Die angenehme Ruhe der Umgebung, die leicht kräuselige Wasseroberfläche, die Spiegelbilder der Wolken und der Bäume am Ufer, ein guter Bestand an Singvögeln sowie die herrlichen Seerosen bilden wahrscheinlich ein Kleinod unserer schönen Südharzlandschaft.
 

Das Kleine Seeloch

Die Uferlinien des Kleinen Seeloches sind nur etwa 40 Meter vom Großen Seeloch entfernt; es befindet sich auch auf dem Sattel des Seeberges bzw. Riethberges. Nach der Pferde-Jungen-Sage des Großen Seeloches soll es da entstanden sein, wo der Hut des davon eilenden Knaben hingefallen ist. Das stark verlandete Kleine Seeloch ist ebenfalls ein trichterförmiger Buntsandsteinerdfall, dessen Entstehungsgeschichte auch auf dem Auslaugungsvorgang des Sulfatkarstes beruht und mit den benachbarten Erdfällen identisch ist. Dieser Erdfall ist wesentlich kleiner und ist meist trocken bzw. schwach sumpfig; selten sind hier kleinere Wassertümpel vorhanden. Der obere Randumfang des Kleinen Seeloches beträgt 204 m, und der Durchmesser macht etwa 65 m aus. Der steilen Uferböschung mit einem Neigungswinkel von 45 Grad folgt eine kesselartige Vertiefung mit einer Sohlenbreite von etwa 15 m. Auf Grund der Sattellage auf dem Riethberg erhält auch dieser Erdfall keinerlei Zuflüsse; die Niederschläge versickern bzw. verdunsten allmählich. Trotz des klüftigen Untergrundes ist ein Ponor nicht festzustellen; somit ist also das Wasserschluckloch mit beachtlichen Schlammassen verstopft. Der Uferrand ist mit krüppelartigen Bäumen - insbesondere mit älteren Zwetschenbäumen, Weichselkirschen, Birken, Salweiden, Sträuchern und Gestrüpp - bewachsen. Auch die Schlehenbüsche dehnen sich teilweise bis an die angrenzenden Felder aus und begrenzen so den Erdfall.

Das Kleine Seeloch selbst kann land- und forstwirtschaftlich nicht genutzt werden, es ist unproduktives Ödland, welches aber als Biotop dennoch erhalten bleiben sollte. Die angrenzenden Felder um diesen Erdfall haben ebenfalls eine hohe Bodenqualität; sie gleichen dem Nachbargebiet hinsichtlich der Bodenwertzahlen und des Getreideanbaues. Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche wird von der LPG (P) Mauderode bewirtschaftet; das Territorium gehört zu der Gemeinde Hochstedt.
 

Das Moosloch

Vorauszuschicken ist, daß von dem Erdfall "Moosloch" recht wenig bzw. kaum etwas bekannt ist, und daß selbst bezüglich der Namensbezeichnung Unklarheiten bestehen. Während die Hochstedter Bürger und andere benachbarter Gemeinden vom "Moosloch" oder "Sumpfloch" sprechen, erwähnten der Nordhäuser Höhlenforscher und Geologe Friedrich SCHUSTER als auch der Biologe Kurt WEIN diesen Biotop nur im Zusammenhang mit vielen anderen Erdfällen des Südharzvorlandes als "Meeseloch". 19 Lediglich Hugo HAASE beschriftete in seiner "Hydrographischen Übersichtskarte des Südharz-Vorlandes" zu seiner Dissertation den Erdfall als "Moosloch", brachte dazu aber keinerlei Aussagen. 20


Auf der vermoorten Insel des Moosloches bei erhöhtem Wasserstand

Dieser Erdfall ist in den Flurkarten kartographiert und liegt auf dem Areal des "Riethberges" (auf dem Meßtischblatt aber nur als "Seeberg" beschriftet) zwischen dem "Moosberg" und dem "Meeseberg"; diese beiden liegen in der Gemarkung Hochstedt. Beide ". ....berge" bzw. Erhöhungen befinden sich fast auf gleicher Höhe und sind optisch von einander kaum zu unterscheiden. Im Grunde genommen wären also beide Namen "Moosloch" und "Meeseloch" nicht falsch. Dieser Erdfall ist auf dem Meßtischblatt 4430, auf der Geologischen Karte 2525 sowie auf den Wanderkarten des Südharzes eingezeichnet, er ist jedoch niemals mit einem Namen versehen. Deshalb möchte ich hier, weil die Bezeichnung "Moosloch" zutreffender und etwas bekannter ist, unter Berücksichtigung der Fakten (als wässeriger, versumpfter bzw. vermoorter Erdfall mit interessanter Pflanzenwelt) das namensgebende Merkmal als ausschlaggebend betrachtet und dieses Phänomen als "Moosloch " bezeichnen.

Das Moosloch liegt in der Verlängerung der Erdfälle vom Großen zum Kleinen Seeloch, nur etwa 120 m nordwestlich von letztgenanntem entfernt. Es ist wiederum ein Buntsandsteinerdfall und verdankt seine Entstehung der Auslaugung der Zechsteinsulfate und Salze. Obwohl dieser Erdfall kleiner als die benachbarten Seelöcher ist, so hat er doch eine beachtliche Größe und einen ganz spezifischen Charakter: es ist ein vermoorter Erdfall. Nach der Flurkarte beträgt der obere Randumfang 230 Meter, wahrend der innere Umfang an der Begrenzung der Wasserfläche 170 m ausmacht. Der nahezu kreisförmige Erdfall hat einen Durchmesser von 73 m und nimmt eine Gesamtfläche von 0,49 ha ein. Davon wurde die Böschungsfläche mit 0,25 ha und die Wasser- und Inselfläche mit 0,24 ha ausgewiesen. Nach eigener Geländevermessung konnte ein Inseldurchmesser von 48 m festgestellt werden, wobei der Flächeninhalt des vermoorten Eilandes 0,18 ha ausmacht. Die Insel ist von einem ansehnlichen Wasserkranz oder Wasserring umgeben, der jahreszeitlich und entsprechend der Niederschläge eine unterschiedliche Breite von 3 bis 5m aufweist. Außerdem befinden sich hier häufig Moortümpel und Feuchtstellen. Dieses Moorgebiet ist nicht immer begehbar; Niederschläge und Verdunstung regulieren offenbar den Wasserstand. An den Wasserkranz schließt sich die Erdfallböschung mit einem 10 bis 12m hohen Uferrand an.


Das Moosloch. Bei erhöhtem Wasserstand an der vermoorten Insel (Foto: Tauchmann)

Inwiefern ist das Moorgebiet für uns Menschen interessant? "Moore in der Landschaft faszinieren uns immer wieder; wohl jeder, der beginnt, sich mit der heimatlichen Natur zu beschäftigen und dabei wachsenden Mooren begegnet, wird von dem Zauber dieses naturnahen Lebensraumes berührt und immer wieder aufs neue angezogen." 21 Wenn auch das Moosloch in der Südharzlandschaft zu den kleinen Mooren zählt, so ist es jedoch für viele Naturfreunde von Bedeutung. Hier bilden die geologischen Verhältnisse die interessante Pflanzenwelt und insbesondere der Sonnentau als Rarität eine Anziehungskraft.

Vor etwa 25 Jahren war lange Zeit - außer einigen Wassertümpeln - kaum Wasser im Moosloch vorhanden. Auf dem schwankenden Moorboden kam damals die sehr seltene fleisch- und insektenfressende Pflanze, der Sonnentau (Drosera), noch häufig vor. Durch die höheren Niederschläge und die Umweltprobleme der folgenden Jahre hatte der Sonnentau scheinbar nicht mehr die erforderlichen Lebensbedingungen. Das wurde besonders im Jahre 1981 deutlich, wo 831,7 mm als eine der höchsten Niederschlagsmengen des Südharzes registriert wurden. Auch 1984, 1986 und 1987 lagen die jährlichen Regenmengen über dem langjährigen Mittelwert, so daß es auch im Moosloch zu einem erheblichen Wasseranstieg kam. Der Wasserring um die Insel breitete sich besonders im ersten Quartal 1988 aus. Durch die Niederschlagshäufigkeit im Februar 1988 mit 56,5 mm (149 % des Normalwertes) und im März mit 88,8 mm (254 % erhöhte sich der Wasserstau nach eigenen Pegel- und Niederschlagsmessungen um rund 140 Millimeter. Somit wurde der Zugang bzw. das Betreten der uhrdeckelartig gewölbten Inseloberfläche lange Zeit verhindert. Bald darauf trat jedoch eine extreme Trockenheit ein, die von April bis August anhielt. In diesen fünf Monaten fielen nur 134,7 mm Niederschlag, also nur 48 % des Normalwertes. 22 Bei dem reichlichen Sonnenschein und den hochsommerlichen Temperaturen des heißen Sommers 1988 verdunsteten kontinuierlich beachtliche Wassermengen, wobei bis Ende August die Wasseroberfläche um 180 Millimeter fiel. Damit verringerte sich der Wasserkranz, er löste sich teilweise sogar ziemlich auf. Nun konnte die vermoorte Inselfläche über flache Stellen erreicht werden. Die Insel war relativ gut begehbar, sie sollte aber hinsichtlich des Naturschutzes sowie infolge des Schwarzwildeinstandes und anderer Gefahrenquellen weitgehendst gemieden werden.
Das Moosloch erhält also weder einen Grundwasserzufluß noch einen ober- oder unterirdischen Abfluß; es wir lediglich von den atmosphärischen Niederschlägen gespeist und reguliert.

Bei einer gemeinsamen Geländeaufnahme mit Kurt REINHARDT konnte zur Vegetation folgendes festgestellt werden: Der botanisch interessanteste Teil des Moosloches ist die vermoorte Inselfläche. Hier dominieren 50 bis 60 schlanke Moorbirken. Diese Bäume haben eine Höhe bis zu 15 m bei einem Stammdurchmesser von teilweise 25 cm. Ihre grauweiße Ringelborke, filzig behaarte diesjährige Triebe und am Grund gerundete bis herzförmige Laubblätter unterscheiden sie von den bei uns verbreitet wachsenden Hängebirken. Abgestorbene Stämme sind teilweise von Porlingen verschiedener Arten besetzt, die das Holz zerstören und dadurch schließlich zum Abbrechen oder Fallen der Bäume führen. Begrünt sind nur die in den vollen Lichtgenuß kommenden Baumkronen. Diese Birken sind die einzigen Bäume im Moorbereich, andere treten kaum über das Keimstadium hinaus. Die Krautschicht ist recht üppig ausgebildet. Hier gedeiht der Bittersüße Nachtschatten, dessen Triebe sich am Boden ausbreiten oder in heruntergebrochenen Zweigen hochklettern, teils noch mit seinen zierlichen violetten Blüten, teils mit noch grünen oder leuchtend roten reifen Beerenfrüchten. Weiter finden sich das Große Hexenkraut, der Wasserdarm, der Kriechende Hahnenfuß, der Gifthahnenfuß, der Dornige Wurmfarn, der Breitblätterige Dornfarn, das Schmalblätterige Weidenröschen, das Bergweidenröschen, die Stadtnelkenwurz, der Mauerlattich, die Dreinervige Moehringie, der Europäische Wolfstrapp mit seinen kleinen weißen Lippenblüten und die Flatterbinse. Von den Gräsern bildet das Straußgras einen verfilzten Teppich; dazu gesellen sich hier und da Wolliges Honiggras, Riesenschwingel und an stärker ausgetrockneten Stellen Sandreitgras. In der Moosschicht waren außer einigen Ast- und sonstigen Laubmoosen kleine kümmerliche Reste von Torfmoos vorhanden. Vom Sonnentau - dem wegen seines früheren Vorkommens im Moosloch unsere besondere Aufmerksamkeit galt - fehlte jede Spur.

An Tieren konnten im Moosloch Meisen, Buchfinken und ein Bussard sowie zahlreiche braune Grasfrösche beobachtet werden. Auf der vermoorten Inselfläche gab es viele frische Aufbrüche an der Grasnarbe durch Schwarzwild. An einigen Wasserstellen befanden sich Wildschweinsuhlen. Am Rand des Erdfalles konnten Malbäume und Fährten von Wildschweinen festgestellt werden. Auch Rehböcke bewiesen durch Schälschäden, Losung und Trittsiegel ihren zeitweiligen Einstand.

Die etwa um 20 Grad geneigte Böschung des ehemaligen Erdfalls ist mit der Gemeinen Esche, mit teils abgestorbenen Fichten, Vogelkirschen sowie von Stieleichen, Schwarzerlen, verwilderten Hauszwetschgen, Schwarzem Holunder und Schlehdorn bewachsen. Am Unterhang gedeiht üppig eine Krautschicht mit dem Gemeinen Wurmfarn sowie mit Brombeeren und anderem Gestrüpp. Auf gleichem Territorium bieten sich gute Nistmöglichkeiten für zahlreiche Singvögel. Auch der Pirol, der Kuckuck und der Eisvogel kommen gelegentlich vor. Rehe, Hasen und Wildschweine finden hier ebenfalls oft eine sichere Zuflucht.

Zur Frage der Moorbildung ist bekannt, daß die Voraussetzung ein wasserundurchlässiger Boden ist. Der Lehmboden steht in diesem Buntsandsteingebiet reichlich zur Verfügung. Die Niederschläge und das gemäßigte Klima mit maritimer Komponente führten zur Entfaltung einer vielseitigen Pflanzenwelt. Bei der Zersetzung der organischen Substanz kam es zur Vertorfung. Eine Torfgewinnung ware jedoch infolge des geringen Areals nicht produktiv.
Die Einschätzung als Moortyp ist für das Moosloch kompliziert. Die Kriterien "Kesselmoor" oder "Verlandungsmoor" treffen nicht voll zu. Die uhrdeckelartige Aufwölbung der Inselfläche neigt zu der Annahme, daß es sich um einen hochmoorartigen Charakter handelt, um ein sogenanntes "Sauer-Zwischenmoor". Diese Einschätzung wird durch den im Labor festgestellten pH-Wert bestätigt. Von der entnommenen Torfsubstanz beträgt der pH-Wert 4,2 und der des Moorwassers 5,5. Die Nährstoffverhältnisse durch den Stickstoffgehalt wurden nicht ermittelt. M. SUCCOW und L. JESCHKE 23 geben Hinweise zur Eingruppierung von Moortypen: "Bei sauren Mooren liegen die ph-Werte unterhalb 4,8; schwach saure (subneutrale) Moore haben ph-Werte von 4,8 bis 6,4. Somit ist das Moosloch ein "Sauer-Zwischenmoor"; die durchgeführte Torfprobe entspricht in ihrer wertung der Einstufung "sauer", während das Moorwasser unter den Begriff " schwach sauer" fällt. Ein Bodenprofil kann für eine Torfzusammensetzung infolge des hinzutretenden Wassers zur Zeit nicht durchgeführt werden. Das Moosloch als vermoorter Buntsandsteinerdfall mit seinem hochmoorartigen Charakter weist sich als "S a u e r - Z w i s c h e n m o o r" aus. Es ist ein Spezialstandort in unserem Südharzbereich und bietet einer sonst nicht vorkommenden Flora geeignete Wachstumsbedingungen. Allerdings ist die ursprüngliche Pflanzenwelt durch die Düngung, weitgehend verändert und verarmt. Die Vielfalt dieses Standortes, wovon sicher noch Interessantes zu erforschen ist, läßt schon jetzt erkennen, daß das Moosloch in seiner Einmaligkeit zweifellos als Naturphänomen zu bezeichnen ist und als solches unseren Schutz, Pflege und Aufmerksamkeit als
Flächen- und Naturdenkmal genießen soll.
 

Schlußbetrachtung

Die beiden Seelöcher und das Moosloch als "Sauer-Zwischenmoor" bilden einen Teil der interessanten Karsterscheinungen zwischen Kleinwechsungen und Hochstedt. Weitere Buntsandsteinerdfälle bzw. Dolinen im landwirtschaftlichen Bereich sind in unmittelbarer Nähe vorhanden; einige davon sind von der F 243 aus erkennbar. Gegenüber der Abzweigung der Straße nach Haferungen zeigt sich deutlich eine schüsselartige Hohlform, die im Volksmund "Arschkerbe" genannt wird. Ein weiterer kesselartiger ehemaliger Buntsandsteinerdfall befindet sich in der Nähe der Abzweigung nach Herreden. Diese vollkommen in die Felder einbezogene Fläche ist ertragreicher Ackerboden geworden.
Ähnliche Erdfälle in der Umgebung des Südharzes befinden sich im Raum Liebenrode - Klettenberg und Limlingerode; davon sind der Röste-See (Reffel-See), das Wiedertäuferloch, der Milch-See, das Grubenloch (Elige Grabenthal), der Opfer-See (Opffer-See) und die Ketterlöcher zu erwähnen. Im Bereich des Zechsteinaustrittes des Südharzes treten in östlicher Richtung die Erdfälle von Petersdorf, Steigerthal, Uftrungen (insbesondere die Heimkehle), Breitungen, Questenberg, Großleinungen, die Mooskammer und östlich von Sangerhausen bis nach Pölsfeld auf. Nach Ch. und R. VÖLKER sind zur Zeit über 3000 verschiedene Hohlformen dieser Art im Südharz bekannt.
 

Anmerkungen

  1. Paul Lauerwald, Konrad Dunckelberg (1640-1708) - ein progressiver Pädagoge seiner Zeit, in Eichsfelder Heimathefte 22/1982, S. 262-268.
  2. D. Georg Henning Behrens: Hercynia curiosa oder Curiöser Hartz-Wald, Nordhausen 1703, S. 84.
  3. Ebenda, S. 85.
  4. Heinrich Heine: Heimatbuch für Nordhausen und die Grafschaft Hohenstein, Nordhausen,o.J.
  5. R. Reichardt: Die Seelöcher bei Nordhausen, in: Der Harz 10, 1898, S. 211-216.
  6. 6 Flurkarten der LPG (P).
  7. Liesegang: Bergbuch (handgeschrieben), Stadtarchiv Nordhausen. X 1132.
  8. Köppen, Fricke und Tauchmann: Niederschlagsmessungen in Großwechsungen und Nordhausen für den Meteorologischen Dienst der DDR.
  9. Reinhard Krause: Das große Seeloch bei Kleinwechsungen, in: Thüringer Neueste Nachrichten, vom 14. 3. 1987.
  10. R. Rackwitz: Sagen und Märchen aus dem Helmegau.
  11. D. Georg Henning Behrens: a. a. O.
  12. Liesegang: Bergbuch (hschr.), nach einer Fotokopie der Zeitungsdruckseite 38; eindeutig wird das Kloster G e r o d e genannt - fälschlich wird teils Gernrode geschrieben.
  13. D. Georg Henning Behrens, a. a. 0.; hier wird von Junker Jost Adolph von Tastungen, Gerichtsherr auf Großwechsungen, berichtet; Liesegang bzw. Magister Ehrhardt nennen einen Junker Jost von Huchstedt. Eine Identität beider Personen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgeprüft werden.
  14. Heinrich Heine, o. o. O., S. 198.
  15. Informationsgespräch mit Horst Wolter, Agronom in der LPG (P) Großwechsungen.
  16. Friedrich Schuster: Der Nordhäuser Roland, Sonderheft 1955. S. 71.
  17. Christel und Reinhardt Völker: Dolinen und Erdfälle im Sulfatkarst des Südharzes, Mitteilungen des Karstmuseums Heimkehle, Heft 15, S. 4.
  18. Reinhard Krause, a. a. O.
  19. Friedrich Schuster und Kurt Wein: Der Nordhäuser Roland, Sonderheft 1955, S. 31.
  20. Hugo Haase: Übersichtskarte in: Hydrologische Verhältnisse im Versickerungsgebiet des Südharz-Vorlandes, Göttingen 1936.
  21. M. Succow und L. Jeschke: Moore in der Landschaft, Urania-Verlag Leipzig-Jena-Berlin, 1986, S. 7.
  22. Eigene Niederschlagsmessungen
  23. M. Succow und L. Jeschke, o. a. O., S. 28.
Josef Tauchmann
( Verfasser )

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