Die Erschliessung der Heimkehle Das erscheinen des Heftes 1 "Die Heimkehle" hat viel Resonanz und viele Fragen ausgelöst, auf die ein solches Heft natürlich nicht umfassend Antwort geben kann. Mit weiteren Heften sollen historische Quellen zugänglich gemacht werden, die bestimmte Epochen der Heimkehle näher beleuchten. Das vorliegende Heft soll einige Quellen aus der Zeit der Höhlenerschließung wiedergeben, aus denen ersichtlich ist, welcher Mut und Fleiß dazugehörte, diese Höhle für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mancher Begriff, manche Zahl und manche geologische Vorstellung ist dabei völlig falsch und veraltet. Die moderne Auffassung ist im Heft 1 "Die Heimkehle" nachzulesen. Die zitierten Quellen stellen eine gute Ergänzung des Heftes dar. Der Stolberger Rektor MAGNUS unternahm 1900 erste praktische Schritte zur Erschließung der Höhle, wenn auch mit primitiven Mitteln. Es wurden einige Wege und Stege errichtet, mehr war jedoch nicht möglich. Über einen Besuch der Heimkehle aus dem Jahre 1901 berichtete er in der Zeitschrift "Der Harz": (6) ... "Unter der Leitung des Verfassers wurde der Zugang durchs Holzgestrüpp, der Höhleneingang und die Höhlengänge durch Arbeiter der nahen Apelschen pyrotechnischen Fabrik passierbar gemacht. Der Besuch und die Besichtigung der Höhle seitens des Vereins und eingeladener Gäste wurde zu wiederholten Malen vorgenommen, wobei photographische Aufnahmen durch den Hofphotographen Windling trotz des Herbstwetters glückten, die dem "Harz" vom Verein zur Verfügung gestellt wurden. Es war also ohne Zweifel ein aufwendiges Unternehmen, auf dem kaum ausgebauten Führungsweg die Höhle zu besuchen, noch dazu in einer solch umfangreichen Gruppe. (8) ... "Nachdem wir uns dem Charakter der Höhle entsprechend etwas umgekleidet hatten, führte uns ein ziemlich steiler Weg von hochgelegenen weitläufigen Portal aus zwischen Felsen hindurch hinab in die Tiefe, wo sich ein kleiner, tiefer, grünlich schillernder Teich vor uns ausbreitete. Wir betrachten hier die Felsen, bei welcher Gelegenheit wir einige schöne Stücken Fasergyps fanden, und gingen dann auf lehmigen Untergrund in ostnordöstlicher Richtung etwa 70 m weit vor, kehrten so dann jedoch, als nun die Passage zu unbequem wurde, wieder nach dem Teiche zurück. Nunmehr führte unser Weg im Bogen um das Wasserbassin und nach kurzer Zeit gelangten wir in den zweiten größeren Hohlraum. Ein großartiger Anblick bot sich uns beim Lichte des magisch leuchtenden Weißfeuers dar: Decken und Seitenwände zerrissen und zerklüftet, regellos aufeinander getürmte Felsen, verschiedene kleine Gewässer, das monotone Rieseln und Tröpfeln des von der Decke kommenden Wassers, das Vorbeihuschen von Fledermäusen. Fürwahr, eine selten schöne Szenerie, die aber noch seltsamer sich gestaltete, als wir gleich darauf in den sogenannten "Dom" eindrangen. Während wir einzeln auf allen vier Seiten dieser kreisrunden Fläche, die einen Durchmesser von ca. 35 m besitzt, Posto gefaßt hatten, beleuchtete wiederum Weißfeuer den Raum in solchem Glanze, daß das Licht unserer großen Kerzen gänzlich verblaßte. Kuppelförmig wälzt sich die Höhle bis zu einer Höhe von ca. 15 m, 2 breite Gänge zweigen sich ab, und obwohl wir in früheren Jahren noch dazu einen Teich voll klaren Wassers schimmern sahen, konnten wir uns an diesem grandiosen Anblick kaum sattsehen. Die Ausleuchtung der großen Hohlräume mit bengalischen Feuern war eine Mode, die man in den Schilderungen von Höhlenbesuchen früherer Jahrzehnte und Jahrhunderte oft nachlesen kann. Oft wurden diese Illuminationen noch durch gemeinsame Gesänge untermalt, auch wurden Dynamitpatronen entzündet, um durch den Knall die Akustik der Räume herauszufordern. Es ist also verständlich, daß solche Dinge bei frühen Heimkehlenbesuchen nicht fehlen durften. Da sich unmittelbar vor der Höhle die Apelsche Pulverfabrik befand, gab es auch die Möglichkeit, Vorräte für solche Veranstaltungen zu erlangen. Bis in die fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts kam es vor, daß im Großen Dom der Höhle Feuerwerksraketen der Apelschen Pulverfabrik entzündet wurden. (4) ... "Zur Heimkehle, einer schon im Mittelalter bekannten und neuerdings vom Harzklub wieder zugänglich gemachten Höhle im Gips. Von Stolberg über Rottleberode 9 km, von Station Uftrungen 2,5 km, Führung und Beleuchtung gegen Entgeld in der Apelschen Fabrik bei der Höhle. Neuer bezeichneter Weg ..." Für mutige Leute wurde die Höhle hier und da angepriesen. HEINE äußerte dazu 1902 noch sehr fragwürdige Ansichten über die Entstehung der Höhle: (2) ... "Die letztere (Heimkehle) ist recht umfangreich, aber nur im Sommer zugänglich; im Winter und Frühling ist die Sohle infolge Steigens des Grundwassers größtenteils mit Wasser angefüllt, das sich im Sommer auf einen See innerhalb der Höhle beschränkt. Die Heimkehle ist nur der Rest einer gewaltigen Höhlung, die sich einst über das ganze Tal, in dem jetzt Stempeda, Uftrungen und Rottleberode liegen, wölbte. Durch die Einwirkung des Wassers, das unten durch die Höhle dahinfloß und von oben durch die Decke hindurchsickerte, wurde diese schließlich morsch, es trat auch wohl noch ein besonderes Naturereignis hinzu, und dann barst die Decke an der Seite des Alten Stolberg ab und stürzte in die Tiefe; die übrigen Teile der Wölbung wurden ebenfalls mit hinabgerissen, und so entstand hier das Tal von Rottleberode. Der östliche Abhang des Alten Stolberg zeigt noch die Bruchstelle und fällt deshalb hier steil ab ..." Alfred BERG begann 1914 die Höhle zu vermessen. Der Ausbruch des Weltkrieges verhinderte jedoch die Vollendung. 1919 begann FRIEDRICH STOLBERG mit diesen Arbeiten. Aus seinen Tagebuchaufzeichnungen kann man entnehmen, mit wieviel Fleiß und Entbehrung dieses Werk getan wurde. Meist wurde ach getaner Arbeit der Rückweg von der Höhle nach Nordhausen zu Fuß angetreten, gleichgültig, welches Wetter herrschte. Die Familienmitglieder und Freunde halfen unermüdlich. (11) "7. August 1919 "20. August 1919 "2. September 1919 "23. September 1919 "3. Januar 1920 |
In der Zwischenzeit hatte sich das von MAGNUS geforderte "Kapital" in Form des Fabrikbesitzers THEODOR WIENRICH gefunden. Er war von der großen Höhle so begeistert, daß er an ihre Erschließung ging. Dazu fand er in Uftrungen tatkräftige Unterstützung durch HENNIG, RÖDER, HOHMEYER und andere. HENNIG war der führende Kopf, der alle praktischen Arbeiten erledigte. STOLBERGs Vermessungen boten eine gute Grundlage für die Höhlenerschließung. So eilte er oft zur Heimkehle und erlebte die Erschließungsarbeiten, die er durch seine Vermessung unterstützte. In seinem Tagebuch ist auch darüber zu lesen: (11) "9. September 1920 Am 12. September 1920 wurde die Höhle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, obwohl noch nicht alle Erschließungsarbeiten beendet waren. Erst 1921 war mit dem Wienrich-Stollen ein Rundweg möglich. Da man die Fortsetzung der Höhle ahnte, trieb man einen weiteren Stollen in den Berg, den Thyrastollen. Am 24. November 1920 stieß man in den ersten Hohlraum. Intensive Arbeiten für eine zukünftige Erschließung begannen. STOLBERG beteiligte sich daran und begann, die neuen Teile zu vermessen. Auszüge aus seinem Tagebuch belegen das: (11) "8. Januar 1921 "14. Januar 1921 Schließlich nahte der Tag der endgültigen Fertigstellung des Höhlenplanes: (11) "16. Januar 1921 "17. Januar 1921 " 18. Januar 1921 Die Besucher strömten zur Höhle. Prospekte sollten Wissenswertes vermitteln. Die geologischen Vorstellungen über die Entstehung der Höhle, die HENNIG 1920 gab, waren allerdings sehr daneben geraten: (1) "... Die Heimkehle ein Gipshöhle, wie der ganze "Alte Stolberg" aus Gips besteht. Wasserfreier Gips nahm Wasser auf. Dadurch entstand eine Volumenvergrößerung, welche dann Blasen und Hohlräume erzeugte. In diese eindringende Bergwässer begannen in jahrtausende langer Arbeit ihr höhlenbildendes Werk. Sie schufen die langgestreckten Gänge, die riesenhaften Hallen und Galerien. Die auswaschende Kraft des Wassers kann man deutlich in dieser Höhle sehen. Wunderbare Felsgebilde mit tierähnlicher Gestalt, Nischen und Trichter haben sich gebildet. Die Heimchen-Grotte rechts vom Bogengang weist eine Menge solcher wunderbaren Felsbildungen auf. An Abarten des Gipses findet man in der Höhle fleischroten Fasergips, Marienglas und Alabaster, welcher als "Uftrunger Marmor" bekannt ist ..." Die Heimkehle wurde zum touristischen Magneten. Bereits im Sommer 1921 konnte der 65.000 Besucher gezählt werden. Hennig preist die Höhle: (1) "... Wenn man vom Bahnhof Uftrungen die Harzklubbrücke an der Thyra erreicht hat, führt ein Fußgängerweg in nördliche Richtung am Hange des "Alten Stolberg" entlang zum Höhleneingang. Nach etwa 300 Meter steht man am Fuße eines 16 m hohen Hügels, welcher eine Bergschlucht vor uns verdeckt. In dieser Schlucht liegt der Höhleneingang. Sonderbar! Man will in eine Höhle und nun heißt es: Hinauf auf den Berg! Es ist aber so. Also vorwärts! Auf einem treppenartig angelegten Pfade durch schattiges Grün gelangen wir nach oben auf eine Plattform. Zur Linken liegt ein tiefer Erdfall. Vor uns tut sich der Riesen-Höhlenrachen auf, ein Höhleneingang sondersgleichen. 20 Meter breit und 15 Meter hoch. Wild durcheinander geworfene Felsblöcke bedecken links den Abgrund, der sich steil und schwarz in die Tiefe senkt. Über ängstliche Gemüter könnte da das Grauen kommen. Doch es beruhigt sie der Spruch über der Tür des Einganges zur Höhle: "Laßt nicht, die Ihr hier eingeht, jede Hoffnung fahren! ..." Der Höhlenbesuch war aber immer noch nicht frei von speläologischen Einlagen. Ein Prospekt aus dem Jahre 1920 schilderte das: (5) ... "Sind wir hier am Ende unserer Wanderung? Nein, noch nicht! Unser Führer zeigt uns am linken Ufer des Riegelteiches in der Decke ein 75 cm breites Loch und ruft uns zu: Hier, meine verehrten Herrschaften, müssen sie einmal wie der kleine Däumling in Grimms Märchen durch das Schlüsselloch kriechen. Wer aber die Mühe scheut oder einen größeren Leibesumfang hat, als die Öffnung, kann sich für 50 Pfennig mit dem Kahn übersetzen lassen. Schnell ziehen die Damen ihre Brieftaschen, um sich vom Aufstieg zum Schlüsselloch zu erlösen. Von den Herren aber verschwindet schon der erste im Schlüsselloch, unter schallendem Gelächter der ganzen Wandergruppe. Nun setzt sich der Kahn in Bewegung, und glücklich landen wir in einer zweiten gewaltigen Kuppelhalle, dem Kleinen Dom." Drei Jahre später war schon allerhand mehr erreicht, der Höhlenbesuch war durchaus zivilisiert: (9) ... "Auf einer 85-stufigen Treppe steigen wir hinab in die Unterwelt. Leises Tröpfeln herabsickernder Bergwässer unterbricht die feierliche Stille. Hier ist es besonders schön, wenn am Vormittag die Sonne in der Achse des Höhleneingangs steht und ihre Strahlen zitternde Reflexe auf Wasser und Felsgewölbe werfen. Wir sind am Heimensee - 3½ m unter dem Wasserspiegel der Thyra. Vom Heimensee kann man nach zwei Seiten in die Höhle eindringen. Wir wenden uns zunächst nach rechts und gelangen in die Hercynia-Halle. Es ist der Empfangsraum. Auf einem mächtigen Alabasterblock können die Höhlenbesucher ihre Besucherkarten niederlegen. Im Hintergrund der Halle erstrahlt märchenhaft das Morgenrot einer aufgehenden Sonne. Dahinter geht die Höhle noch 200 m weiter. Wir folgen unserem Führer nach links. Nach Umgehen des prächtigen Heimensees gelangen wir in den Bogengang. Nachdem wir etwa 20 m zurückgelegt haben, bietet sich unseren Augen sonderbares Felsgebilde an der Decke. Es ist die Heimchengrotte, welche in farbig elektrischer Beleuchtung feenhaft erstrahlt ..." WIENRICH ließ nicht nur die Höhle ausbauen. Ein Hotel mit Freiterrasse, Gondelteich, Andenkenbuden mit einer erstaunlichen Vielfalt von Bildserien, Postkarten, Höhlenplänen und üblichen Höhlenkitsch entstanden. Die Heimkehle bot alles Denkbare, was eine Schauhöhle der damaligen Zeit bieten konnte. Eine wissenschaftliche Ausstellung befand sich im Aufbau. (7) ... "Nr. 46 "Nr. 70 "Nr. 147 "Nr. 193 Die Heimkehle wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem Begriff. In einem Jahresbericht von 1924 schrieb HENNIG: (10) "... Zehntausende suchen sie alljährlich auf zu Fuß, mit Auto, Motorrad und Dampfroß. Aus den Großstädten kommen größere Vereine mit Sonderzügen, und alle Besucher waren sich einig in dem Urteil: Hier hat die Natur etwas Gewaltiges geschaffen, ein Naturdenkmal ohne Gleichen! Besonders fesselte der "Große Dom" die Besucher, denen der Aufenthalt hier eine Weihestunde war. Ein paar Quellenauszüge sollten die Zeit der Erschließung der Heimkehle belegen. Die behandelte Zeitspanne lag zwischen den Jahren 1901 und 1924. Die Heimkehle war in dieser Zeit zu einer bedeutenden europäischen Schauhöhle geworden, auch wenn sie nicht die größte Gipshöhle der Welt war, wie zahlreiche Werbesprüche verkündeten.
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