Schauhöhlen in historischer Zeit
- von Christel und Reinhard Völker -

 

Die Heimkehle
Über die Heimkehle ist in den bereits erschienen Heften schon vieles geschrieben worden. Seit 1357 bekannt, schlug die Stunde ihrer Erschließung erst im Jahre 1920. Bis zu dieser Zeit war der Besuch ein echtes Abenteuer.

F. STOLBERG's Vermessungen brachten wesentliche Voraussetzungen für diese Arbeiten.
In einem Brief vom 11. Juni 1921 faßte er die Erschließungsbemühungen so zusammen (12):

„. . . Obgleich seit dem Jahre 1357 bekannt, war die Höhle wegen ihrer Unwegsamkeit bis in die allerjüngste Zeit gefürchtet und nur sehr mangelhaft erforscht. Große Trümmerstürze und tiefe Moräste erschwerten den Besuch im hohen Maße, welcher Zustand infolge der alljährlichen Frühjahrsüberschwemmungen noch verschlimmert wurde. Die natürliche Klüftigkeit des Gesteins, vor allem aber ein auf Veranlassung des angrenzenden Grundbesitzers Fürst Stolberg erstellter Flutstollen, der „Entenseestollen“, führten zur Zeit der Schneeschmelze der Heimkehle bedeutende Wassermassen zu. Zweck des besagten Entenseestollens ist, eine Reihe tief gelegener Wiesen zu entwässern, was naturgemäß auf Kosten der Höhle geschieht! Erst die Erschließungsarbeiten haben hier eine Besserung der Verhältnisse erreicht. Angeregt durch die großartigen Raumverhältnisse der Höhle, begann ich, im Jahre 1919 eine planmäßige Erforschung und systematische Grundriß-Aufnahme der Heimkehle durchzuführen, sowie für eine sachgemäße Erschließung Stimmung zu machen. Meine Vorgänger in der Höhle waren gewesen: Professor Bose (um 1890), Rektor Magnus (um 1900) und Dr. Berg (1914). Genannte Herren waren aber durch widrige Verhältnisse ihrerzeit verhindert worden, ihre Absichten und Pläne zu verwirklichen. die Vermessungs- und Erkundungsarbeiten in der schwer zugänglichen, von Trümmerbrüchen und Schlammassen erfüllten Höhle gestalteten sich des öfteren einigermaßen schwierig, besonders da es mir nicht gelang, einen Geldgeber zur Förderung der unbedingt notwendigen Aufräumungsarbeiten zu gewinnen. Einen erfreulichen Wandel brachte dann das Jahr 1920, das den Fabrikanten und Unternehmer Theodor Wienrich, Halle a. S., in die Uftrunger Gegend führte. Angesichts des großartigen, so gut wie unbekannten Naturdenkmales, faßte Herr Wienrich den Plan, die Heimkehle dem öffentlichen Verkehre zu erschließen.
Das Arbeitsprogramm umfaßt:
  • Beseitigung der bislang bestehenden Hochwassergefahr
  • Schaffung gangbarer Wege
  • Erstellung einer elektrischen Beleuchtung
  • Sämtliche drei Teile des Programmes sind zur Zeit bereits rüstig vorwärts geschritten . . .“
    Die Höhle wurde sehr schnell berühmt, eine wahre Besucherflut setzte ein. Allen Harzreisenden wurde sie empfohlen. Im Arbeiter-Reiseführer von 1932 kann man lesen (12):
    „. . . Die bis jetzt erforschten Teile erreichen schon eine Weglänge von 2000 Meter und enthalten 12 größere Teiche! Das alles und die märchenhaften Lichtwirkungen machen den Besuch zu einem Erlebnis. Die Besichtigung kostet 1 RM. Sonderführungen 5,- RM. ... Im Winter ist die Anmeldung bei der Höhlenverwaltung in Uftrungen angebracht . . .“
    Kurze Zeit später kam in Deutschland der Nationalsozialismus an die Macht. Der eingeschlagene Kriegskurs brachte der Höhle den unrühmlichsten Zeitabschnitt in ihrer langen Geschichte. Über tausend Häftlinge mußten in den letzten Kriegstagen in den einst als einmalig und großartig gerühmten Hallen und Domen Kriegsgeräte produzieren. Kurz vor der endgültigen Niederlage wurden hunderte von Häftlingen durch bestialische Aufseher zu Tode gequält, erschossen und verbrannt. Mit etlichen Narben hat die Höhle auch diese Zeit überdauert.

    Die Barbarossahöhle

    Am 31. August 1860 begann eine westfälische Begwerksgesellschaft zwischen den Orten Rottleben und Steinthaleben im Südkyffhäuser, einen Stollen zur Erschließung des Kupferschieferflötzes in den Berg zu treiben. Fünf Jahre später, nach 178 m Stollenstrecke, entdeckten die Bergleute NACHTWEIDE, SCHUMANN und VOLLRODT etwas Ungewöhnliches (14):

    „. . . Am Tage vor dem Weihnachtsheiligabend, dem 23. Dezember 1865, wurde ihnen ein eigenartiges, unverhofftes Weihnachtsgeschenk zuteil. Ungewöhnlich dumpf erklangen ihre Schläge gegen das harte Gestein und verdoppelten ihren Arbeitseifer. Nach fast 178 m Stollenstrecke öffnete sich ihnen plötzlich das Berginnere und im Scheine ihrer Grubenlichter erblickten sie einen wuchtigen Hohlraum. Gespenstische Schatten warfen ihre Öllampen auf seltsam schöne Zaubergebilde an den Decken und Wänden der Gewölbe und große Wasserflächen erglänzten vor ihren Augen: sie hatten die Barbarossahöhle entdeckt!“
    Trotz eines weiter vorgetriebenen Stollens war das Höhlengeschäft einträglicher als der magere Kupferschieferbergbau. Am 28. April 1866 konnten die ersten Besucher die Höhle betreten. Der Grundbesitzer, Baron von Rüxleben, witterte das große Geschäft. In einem dreijährigen Prozess erreichte er, daß ihm die Höhle 1891 zugesprochen wurde. Ein neuer Zugangsstollen, elektrische Beleuchtung und ein Gasthaus machten die Höhle attraktiv. 1894 riet SENFT in einem geologischen Wanderführer, die Höhle zu besuchen (12):
    „. . . von da wandere man zu Fuß nach Frankenhausen und besuche zunächst die am Südfuße des Kyffhäusergebirges gelegene, höchst merkwürdige Barbarossahöhle oder die sogenannte Gerberei, eine in bituminösen Anhydrit (Stinkgips) eingebettete Höhle, von deren Decke napfförmig gekrümmte Steinschalen von schwarz und regelmäßig gebänderten Gekrösstein herabhängen, wie die Lederhäute in einer Gerberwerkstätte, während sich auf der Höhlensohle ein kleiner, aber tiefer, ganz klarer Wassertümpel ausbreitet, in welchem schön ausgebildete Gipskristalle vorkommen . . .“
    MEYER beschrieb die Höhle 1896 (15):
    „. . . Überall liegen auf dem Boden abgestürzte Felsentrümmer in malerischer Unordnung umher, an der Seite der Trümmer, oft auch mitten durch sie hindurch läuft der gebahnte, vielfach gebogene Pfad, an welchem rechts und links fünf kleinere und ein größerer, mit klarem, durchsichtigem Wasser gefüllte Höhlenseen liegen . . .
    An mehreren Stellen hängen von der Höhlendecke wunderlich geformte, mit schriftähnlichen oder geschlängelten Linien besetzte Gipsschwarten herab, welche man unwillkürlich mit versteinerten Tierfellen vergleicht, so daß man in einer unterirdischen Gerberei zu verweilen glaubt . . .“
    Einmalig für eine touristisch erschlossene Höhle waren die von Wänden und Decke herabhängenden Vergipsungslappen und die herrlichen Schlangengipsbildungen im Gestein.
    SPANGENBERG schrieb 1897 über sie (13):
    „Der Anhydrit der Höhle ist mit kohlensaurer Kalkmagnesia oder Dolomit verunreinigt und bildet dieser Dolomit, wo der Fels wie in dem Stollen der Höhle noch unverändert angehauen wird, papierdünne parallele Schichten in der Anhydritmasse. Nimmt der Anhydrit Wasser auf und wandelt sich in Gips oder wasserhaltigen schwefelsauren Kalk um, so tritt eine Volumenzunahme ein und falls eine seitliche Verschiebung oder ein Abblättern nicht stattfinden kann, winden sich die Gypslamellen in vielfältig gestalteten, mäander-ähnlichen Biegungen. Ist wie in der Höhle eine Bewegung möglich, so löst sich bei fortschreitender Wasseraufnahme auf der nächsten stärkeren Dolomitlamelle eine Platte des Felsens ab, die auf schwächeren Lamellen wieder in sich geteilt und gewunden ist. Diesen herabhängenden Speckseiten oder Fellen ähnliche Gestaltungen verdanken die Speckkammer, der Wolkenhimmel, die Gerberei in der Barbarossahöhle ihren Namen . . .“
    Die Baumannshöhle

    Keine mitteleuropäische Höhle hat einen solchen Ruf erhalten wie die Baumannshöhle. Nach der berühmten Adelsberger Grotte, im heutigen Jugoslawien gelegen, durfte sie in keiner zeitgenössischen Höhlenaufzählung fehlen. Mannigfaltig sind die Ausführungen und Darstellungen über diese Höhle. Baumannshöhle und Brockengipfel waren zur damaligen Zeit die touristischen Attraktionen des Harzes. So kam es auch, da Herzog Rudolf August von Blankenburg diese Höhle besuchte. Er fand derart unglaubliche Verwüstungen auf dem Führungsweg vor, daß er im Jahre 1668 eine verschließbare Tür vor dem Höhleneingang anbringen ließ. Des weiteren führte er offiziell das Amt des Höhlenführers ein. Von 1649 bis 1667 hatte ein Valentin Wagner mutige Menschen in das Innere des Berges geführt. Von nun an war Hans-Jürgen Becker herzoglich angestellter Höhlenführer, die Dynastie der Höhlen-Beckers starb erst 1895 aus.
    Der Höhlenführer hatte die Aufgabe, unter seiner Leitung und Aufsicht interessierte Menschen in den Berg zu führen. Er staffierte sie mit Kleidung und Geleucht aus, und dann kroch oder rutschte man je nach Mut in die erste, zweite oder dritte Kammer der Höhle. Die letzte Kammer, die siebente, haben wohl nur wenige Besucher zu Gesicht bekommen.
    BEHRENS beschrieb 1703 die Vorbereitungen zu einer Höhlenbesichtigung wie folgt (5):

    „. . . haben sie nun daselbst nach demselben gefraget (dem Höhlenführer), und ihn angetroffen, können sie demselben ihr Verlangen entdecken, so wird er alsdenn leichtlich ihnen seines Interesse wegen willfahren, und sie umb ein leidliches Trinck-Geld in die Höle führen; zu dem Ende er alsobald Berg- oder andere geringe Kleider verschaffet, welche die Compagnie anziehen muß, wenn sie anders nicht im Durchkriechen dere Hölen ihrer Kleider mit Staub und Koht abscheulich besudeln und verderben auch wohl gar zu ihrem Schaden noch Spott haben wollen . . .“
    Der Führer versah sich mit Lichtern und Fackeln und einem guten Feuerzeuge. Besonders das Feuerzeug war wichtig (5):
    „. . . Es wird aber das Feuer-Zeug von dem Führer deswegen in Vorraht mitgenommen: daß er sich desselben bedienen könne, wenn die Lichter und Fackeln nicht brennen wollen, sondern ausleschen, welches denn öffters zu geschehen pfleget, und von denen meisten denen Bosheiten und Tücken derer sich in der Höle auffhaltenden Erd-Geister oder Gespenster zugeschrieben wird . . .“
    Im Neuen Europäischen Reiselexikon von 1744 empfiehlt sich der Besuch der Baumannshöhle
    dann so (7):
    „. . . Den Eingang zu denenselben hat Herzog Ludwig Rudolph zu Blankenburg, mit einer Türe verwehren lassen, und pflegen diejenigen, so diese Höhle in Augenschein nehmen wollen, bei dem ersten Eintritt dero Kleider mit bergmännischen Habit zu verwechseln, und jeder mit einem oder mehr Gruben-Lichtern sich zu versehen. Der Höhlen selbst sind, wie mir gemeldet worden, sechse, oder wie einige wollen, sieben, teils neben, teils unter einander, und muß man mehrenteils auf hölzernen Fahrten hinunter steigen. Die Passage ist sehr enge und morastig . . .“
    Auch hundert Jahre später ging es nicht wesentlich anders zu, wie uns das Illustrierte Reisebuch von 1850 verrät (7):
    „. . . Der Besuch jener 7 Höhlen (gemeint sind 7 Räume) erfordert 1 - 2 Stunden. In der Nähe des oben genannten Gasthauses wohnen angestellte Führer, welche, wenn es gewünscht wird, die Höhlen mit bengalischen Feuer e.t.c. beleuchten, wofür man 10 - 20 Silbergroschen zahlt, sonst erhält der Führer für 1 Person 7 ½ Sgr., von zweien jede 5 Sgr., von 3 und mehreren jede 3 ¾ Sgr., wofür man mit den nötigen Grubenlampen versehen wird.“
    Die Bielshöhle

    Die Bielshöhle wurde im Jahre 1672 bei Aufräumungsarbeiten nach einem großen Waldbrand entdeckt. Man nannte sie "Mehlloch". Wahrscheinlich waren ihre eingangsnahen Bereiche mit einer dicken Schicht Kalkstaub überzogen. Die damalige Forstverwaltung ließ sie mit einer Tür verschließen. 1787 begann der ehemalige Steiger Christian Friedrich Becker, die Höhle für den Schaubetrieb zu erschließen. Er baute Treppen und Geländer ein, bediente sich dabei der Hilfe seines Schwiegersohnes und seiner beiden Töchter und erhielt 1788 durch die Herzögliche Kammer zu Blankenburg die Konzession als Höhlenführer. Die Bielshöhle wurde in kürzester Zeit ein Anziehungspunkt und übertraf an Popularität bald die schon lange bekannte Baumannshöhle.
    In den Jahrbüchern des Brockens fand sich auch ein Beleg der ersten offiziellen Besucher der Höhle (8):

    „. . . 1788, den 6ten Juni bin ich, der Rektor Acken, Gittelde, auf dem Brocken gewesen, nachdem ich vorher Blankenburg und die da herumliegenden Gegenden, z. E. den Regenstein, Roßtrappe, die Baumannshöhle, nebst der neu entdeckten so genannten Bielshöhle besucht, und diese Tour habe, Gott sey Dank, mit vollen Kräften und Gesundheit in meinem 65sten Jahre zu Fuß getan . . .“
    Auf Kosten des Höhlenführers Becker gab Lehmann ein Verzeichnis über die Leute heraus, die von 1796 bis 1802 die Höhle besuchten. Daraus kann man Wertung und Einschätzung der Bielshöhle ablesen (8):
    „1793 . . . Die Baumannshöhle verhält sich in ihrer innern Einrichtung und ihrer Fahrten nach gegen die Bielshöhle wie das hallische Carcer zum Commerz Saal des Kellers.
    DIONYSIUS d.R.K.a. Halle den 1. Juni“

    „1793 . . . Die Bielshöhle ist gegen die Baumannshöhle wie eine Walnußschale gegen einen hohlen Backenzahn.
    v. AVEMANN aus Berlin, der Rechte befl.
    zu Halle den 1. Juli“

    „18. August 1799
    Ich kam zu Haus von Dresden
    Manch fremdes Land zu sehn
    und wo bin ich gewesen
    und was hab ich gesehn
    Ich kam ein Schlosser heiter
    Dies Wunderwerk zu sehen
    Die Bielshöhle heiter
    Gefiel mir wunderschön
    Christian David Felix“
    Becker versuchte, mit viel Rhetorik den Höhlenbesuch zu einem einmaligen Erlebnis zu machen. Er deklamierte während der Führung selbstverfaßte Gedichte, seine Töchter sangen ein stimmungsvolles Lied, die Besucher mußten Höhlenwasser trinken (9).

    HORSTIGS schildert Beckers Auftritte 1805 so (10):

    „In der letzten Tiefe der Höhle . . . ließ uns der alte Becker stehen, um von hier aus über eine hohe Leiter hinaufzusteigen, und von oben her über einen Querbalken einige Verse im pathetischen Tone über die Allmacht und Größe des Schöpfers zu deklamieren, die nach seiner Aussage ihn selbst zum Verfasser haben. Wäre dieses letzte auch nicht, so würde man doch dem Manne, der sie vorträgt, das Verdienst nicht absprechen können, diese Kanzelrede unter den schauervollen, von einem schwachen Lämpchen beflimmerten Steinklüften, bey dem erschütternden Widerhalle in dem weiten Gewölbe, auf den größten Effect berechnet zu haben . . .“
    Die Neuentdeckungen in der Baumannshöhle im Jahr 1888 und die Einweihung der Hermannshöhle 1890 brechen den Ruhm der Bielshöhle, der Führungsbetrieb wurde eingestellt, die Höhle zugemauert.

    Die Altensteiner Höhle

    Die Altensteiner Höhle wurde wurde im Jahre 1799 bei Straßenbauarbeiten entdeckt. Der Pfarrer JOHANNES WALCH schrieb darüber in der Schweinaer Chronik (1):

    „Unstreitig war die Entdeckung der großen Höhle unter dem Hohlen Stein hinter dem Glücksbrunnischen Garten im Junius dieses Jahres das Merkwürdigste für diese Gegend. Die beiden Bergleute Valentin Göcking und Johannes Schulz von hier sprengten Felsen zur Anlage der Chaussee und es zeigte sich am Ende des Hohlen Steins eine Öffnung von ½ Schuh breit und 5 Schuh lang, aus welcher Wetter oder Luft gingen. Sogleich wurde sie auf der Stelle so erweitert, und schon am ersten Tage mußte Göcking die Höhle, welche 10 Schuh tief war, genauer untersuchen. Unten zeigte sich wieder eine Öffnung von der Größe eines kleinen Kellers nach Osten zu, in welcher man den 16jährigen Bergbursch Christof Horst hinunterschob. Hier zeigte sich abermals eine Kluft, durch welche sich Schulz zuerst wagte und aufs Neue eine Höhle von der Größe einer Stube entdeckte. Eine Entdeckung führte nun zur anderen und so gelangte man schon dieses Jahr bis an das unterirdische Glücksbrunner Wasser . . .“
    Bei den ersten Aufräumungsarbeiten wurden auch Knochen gefunden, die meistenteils vom längst ausgestorbenen Höhlenbären stammten.
    Köcher schrieb 1802 darüber (2):
    „Man fand gleich anfangs bei Aufräumung der Höhle verschiedene Tier-Knochen, deren Vorkommen man dem ehemaligen Aufenthalte von Füchsen und Wölfen in derselben zuschrieb, so wie sich aber in der Folge Zähne fanden, die ihrer Größe und Form nach, zu keinen von unseren bekannten inländischen Tieren paßten, dann wurde man aufmerksamer, und der Herzog schickte einige davon an den Herrn Hofrath Blumenbach in Göttingen, der sie für Zähne eines ausgestorbenen Bären-Geschlechts (des sogenannten Höhlen-Bären) erklärte . . .“
    Die Knochenfunde waren einer Diskussion in der damaligen Gelehrtenwelt würdig. WEPPEN kam dabei 1806 sogar auf die ausgefallene Idee, die Höhle könne unter anderem durch verwesende Tiere entstanden sein (3):
    „Es kommt auf das Zusammentreffen acadenteller Localumstände, auf die Beschaffenheit des Kalksteins, des Erdbodens e.f.c. an. Es scheint mir auch nicht unmöglich, daß durch das Verwesen so vieler Thiere, die zum Teil von beträchtlicher Größe gewesen sind, in dem Berge eine Concarität entstanden ist, die das eindringende Regenwasser nach und nach erweitert, und so die Höhle gebildet hat . . .“
    Bereits 1802 wurde die Höhle ausgebaut, der Eingang mit einem Stollen versehen, Gitter, Türen Geländer und Stufen errichtet. Iluminationen, Konzerte und Theater gehörten zu den „Selbstverständlichkeiten“, die die Meininger Herzöge in der Höhle für ihre ausgewählten Gäste veranstalteten. Klangvolle Namen aus Kunst, Wissenschaft und Politik weilten anläßlich eines Kuraufenthaltes auch für kurze Zeit in diesen unterirdischen Räumen.
    Der historische Stich zeigt zeigt eine Theaterkulisse am Höhlensee, aus Pappe errichtet, mag ihr kein langes Leben beschieden gewesen sein.
    MEYERS Reisebücher 1910 schrieben über die Höhle (4):
    „Im Sommer wird die Grotte täglich 8 - 7 Uhr elektrisch erleuchtet. Eintritt 75 Pfennig. Gesellschaften billiger. Vor dem Eintritt abkühlen.
    Man gelangt durch einen künstlichen Stollen in einen großen Saal, dann windet sich die Höhle durch das Labyrinth von West nach Nord und zuletzt nach Ost, bis man auf 14 Stufen in eine Wölbung emporsteigt und durch ein Grottenfenster in eine schaurige Tiefe hinabblickt, worin die Wasser der Unterwelt brausen. Weiter zu einem kleinen Weiher über den uns ein Nachen (Trinkgeld) wie auf stygischer Flut zum Jenseits trägt“.


    Der Kuhstall

    Die Sächsische Schweiz bietet mit ihren schroffen Felswänden und Schluchten viele Voraussetzungen für Überhänge, Nischen und Halbhöhlen.
    Sogar eine Reihe „richtiger Höhlen“ sind darunter. Addiert man die Zahl aller bekannten Höhlen und höhlenähnlicher Gebilde, so kann man sogar sagen, daß dieses Gebiet die höhlenreichste Landschaft der DDR darstellt. Die Höhlen sind jedoch alle klein, nur wenige erreichen eine Länge von 50 m.
    Eine dieser Höhlen wurde immer wieder auf Zeichnungen und Fotografien dargestellt, der Kuhstall auf dem Neuen Wildenstein. Diese Schichtfugenhöhle stellt eine Naturbrücke dar, größere künstliche Eingriffe und Erweiterungen sind erkennbar. Alle einschlägigen Wanderbücher und Reisebücher empfehlen einen Besuch dieser Felsenbrücke, so auch das illustrierte Reiselexikon von 1850 (7):

    „Anziehender als diese Punkte alle ist die sogenannte Sächsische Schweiz, über einen Flächenraum von etwa 16  M. sich ausdehnend, nördlich von der Wesenitz, westlich von der Gottleube, südlich und südöstlich von Böhmen und östlich von einer, über Stolpen und Neustadt laufende Linie begrenzt. Höchst merkwürdig in dieser Gebirgsgegend ist die seltsame Quader-Sandstein-Formation, welche den größten Theil dieses Landstriches einnimmt, während Granit, Basalt, Schiefer und anderes Gestein minder bedeutsam hervorragen. Bald gleichen jene Sandsteinmassen künstlich geformten Riesenwänden, bald neigen sie zerklüftet und Einsturz drohend ihre Häupter, bilden Höhlen und Tore und umfassen in den seltsamsten Gestaltungen wildromantische Täler, deren kleine Flüsse und Bäche sich in die, das Gebirgsland durchströmende Elbe ergießen . . .
    Kann man zwei Tage auf den Besuch der Sächsischen Schweiz verwenden, so fahre man frühe in 4 Stunden nach Schandau. In der Nähe der Stadt öffnet sich der Kirnitschgrund, welcher bis zur Haldemühle fahrbar ist. An der Ostrau- Mitteldorfer- und Haide-Mühle vorüber gelangt man zum Fall des Lichtenhainer Baches bei einer Felsgrotte, der hohle Stein genannt, und weiter über den Hausberg zu der großen Felsenhalle, dem Kuhstall. Das Eingangstor ist 20 Fuß hoch und 28 Fuß breit. Im Innern erweitert sich die Halle und erreicht an der jenseitigen Öffnung gegen 60 Fuß Höhe und 70 Fuß Breite. Zu den merkwürdigen Felsengestalten am Kuhstalle gehören: das sogenannte Wochenbett, das Schneiderloch, das Pfaffenloch und die Pfaffenkluft. Nachdem man sich in dem hier befindlichen Wirtshause erfrischt, setzt man die Wanderung fort, welche durch Tragsessel erleichtert werden kann . . .“
    LEBERECHT GÖTZINGER, einer der besten Kenner dieser Gegend, fühlte sich der Kuhstallhöhle sogar so zugetan, daß er 1802 ein Büchlein herausgab: „Rundgesang in der prächtigen Kuhstall-Höhle der sogenannten sächsischen Schweiz zu singen“. Im Vorwort zu diesem „lyrischen Erguß“ schrieb er (11):
    „Eine mit einigen Freunden verabredete Lustreise auf den berühmten Kuhstall-Felsen, und die Vorstellung, wie vortrefflich sich dort Singe-Chöre mit Instrumental-Begleitung ausnehmen würden, gab Veranlassung zu diesem Gesange. Es ward den 22. Julius (1802) in einer Gesellschaft von 33 Personen, Erwachsenen und Kindern in der großen Höhle dieses Felsens aufgeführt, und Keiner der dabei Gegenwärtigen wird es vergessen, welche Wirkung Gesang und Musik von blasenden Instrumenten mit Trompeten und Pauken-Begleitung dort machten . . .“
    Zu den Bildern
    Seit einigen Jahren sammelt das Karstmuseum Heimkehle Schriften, Bücher, Expeditionsberichte, alte Stiche, Postkarten und vieles mehr über und von Höhlen und Karstgebieten aus aller Welt.
    Von großem Schauwert sind immer wieder die alten Stiche und Darstellungen von Höhlen. Sechs unterschiedliche Motive von touristisch zugänglichen Höhlen aus dem Gebiet der DDR wurden hier reproduziert und mit einer Textauswahl aus historischen Quellen versehen. Im Verhältnis zu anderen berühmten Höhlen Europas gibt es relativ wenige Höhlenstiche aus unserem Gebiet, in der geografischen und geologischen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts sind Bilder der Mammouth-Höhle in den USA oder der Adelsberger Grotte im heutigen Jugoslawien üblich. Die Fingalshöhle auf Staffa ist wohl die am meisten dargestellte Höhle. Mit der Entwicklung der Fotografie verschwanden die schönen Stiche mit ihrer subjektiven Darstellungsweise. Das nüchterne, objektive Höhlenbild, oft als wissenschaftliches Detail, bringt auch bei schönster Brillianz nicht den romantischen Hauch längst verflossener Tage.
    Aus der Sammlung des Karstmuseums haben die Verfasser deshalb einiges weniger Bekanntes herausgegriffen, in einigen Fällen handelt es sich um im Karstmuseum vorhandene Kopien.
     
    Die HeimkehleVergrößerung eines Details einer Postkarte um 1900
    Die BarbarossahöhleSENFT
    „Synopsis der Mineralogie und Geognosie . . .“
    2. Abteilung Geognosie 1876
    Holzschnitt S. 109
    Die BaumannshöhleZEILLER
    „Topografia und eigentliche Beschreibung der vornehmbsten Stäte . . .“
    1654
    (MERIAN ist der Verleger
    Die BielshöhleTÄUBERT, Dresden
    Farblithographie
    Jahr unbekannt
    Die Altensteiner Höhlegezeichnet von O. WAGNER, Dresden
    gestaltet von J. CARTER
    Jahr unbekannt
    Der KuhstallVerlag E. MÜLLER, Dresden
    Druck v. BRAUNSDORF, Dresden
    Farblithographie
    um 1860
    RückseiteKÖCHER 1802
    Darstellung eines Bärenschädels aus der Altensteiner Höhle

    Literaturübersicht
    (1)
    WALCHChronik von Schweina
    Teil 1799
    Abschnitt von GRUBER 1985
    (2)
    KÖCHER„Die Höhle bei Glücksbrunn“
    1802
    (3)
    WEPPEN„Etwas über die Zoolithen Höhlen“
    1806
    (4)
    „Meyers Reisebücher Thüringen und Frankenwald“
    1910
    (5)
    BEHRENS„Hercynia curiosa“
    1703
    (6)
    SCHRAMM„Neues Europäisches Historisches Reiselexikon“
    1744
    (7)
    JAHN„Illustriertes Reisebuch“
    1850
    (8)
    LEHMANN„Jahrbücher der Becker-Bielshöhle oder Verzeichnis derer, welche die Becker-Bielshöhle befahren haben.
    vom Jahre 1796 bis 1803 . . .“
    (9)
    TSCHORNDie Bielshöhle
    unveröffentlichtes Manuskript unter Verwendung von Archivmaterial von F. BRANDES, Rübeland
    1984
    (10)STEINHOFFDie Ansprachen der Führer in den Rübeländer Höhlen
    1899
    (11)REINBOTH„Gereimte Ansprachen der Rübeländer Höhlenführer“
    1976
    (12)GÖTZINGER„Rundgesang in der prächtigen Kuhstall-Höhle der sogenannten sächsischen Schweiz zu singen“
    1802
    (13)SENFT„Deutschlands Landgebiet im Allgemeinen - Der Harz“
    1894
    (14)SPANGENBERG„Die Barbarossahöhle“
    1897
    (15)PFEIFER„Die Entdeckung der Barbarossahöhle am 23. Dezember 1865“
    1925
    (15)MEYER„Führer über das Kyffhäusergebirge“
    1896


    Quelle:
    Christel & Reinhard VÖLKER
    Schauhöhlen in historischer Zeit
    Heft 14, Mitteilungen des Karstmuseums, Uftrungen

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