Die Diebeshöhle

- von Reinhard Völker -


 1. Die Diebeshöhle in historischer Darstellung

Etwa eine halbe Stunde von Uftrungen entfernt, befindet sich im Ahrendswald eine kleine, aber legendäre Höhle, die Diebeshöhle. Noch heute sagt ihr die einheimische Bevölkerung nach, und auch das Märchen von ihren unergründlichen Tiefen und geheimen verborgenen Schätzen ist wohl noch nicht völlig ausgestorben.

Der Name Diebeshöhle ist bei Höhlen oder Felsspalten keine Seltenheit. Die Diebeslöcher bei Rottleben, das Diebesloch bei Questenberg und Diebeslöcher und Höhlen im Gebiet der Sächsischen Schweiz sprechen dafür. Auch manche andere Harzkleinhöhle trägt diesen Namen noch heute unter der einheimischen Bevölkerung, obwohl sich ein anderer Name für die Höhle in Fachkreisen eingebürgert hat. Wahrscheinlich deuteten die Menschen die unheimlichen und dunklen Löcher als ideales Versteck für Diebesgesindel, egal ob sich nun wahre Geschichten darum rankten oder nicht.

Auch BEHRENS deutete in der Hercynia curiosa den Namen der Höhle auf diese Weise (1):

" ... weil dem Berichte nach sich vormals eine zusammenrottierte Diebesgesellschaft heimlich darinnen aufgehalten habe."

MÖTEFINDT gab 1914 eine andere Erklärung für die Entstehung dieses Namens (2):

"Entweder dient als Bestimmungsort das altdeutsche diub, diob, niederhochdeutsch Dieb in der Bedeutung versteckt, verborgen, geheim, was für eine Höhle wie unsere Diebeshöhle sehr gut passen würde, oder das althochdeutsche tiuf, diuf, as. diop, diap, dän. dyb, niederhochdeutsch tief, was die Bezeichnung tiefe Höhle ergeben würde."

Die Diebeshöhle wird bereits in alten Berichten mehrfach erwähnt und mit geheimnisvollen Dingen umgeben. Goldschätze und Totengebein werden immer wieder genannt.
Eine sehr schöne Schilderung gab BEHRENS 1703 (1):

"Von der in der Gegend bei Ufftrungen vorhandenen Höhle, das Diebesloch genannt.
Es stösset in der Grafschaft Stolberg ein Wald an den nicht weit von Ufftrungen gelegenen sogenannten Seeberg, und wird der Arnswald geheissen, darinnen ist die vielfältige Höle, welche man insgemein das Diebesloch nennet, weilen, dem Bericht nach sich vormahls eine zusammenrottierte Diebesgesellschaft sich heimlich darinnen soll aufgehalten haben. Diese Höle ist sehr dunckel, und richtet man darinnen ohne brennende Fackeln und Lichter nichts aus, wie auch mehrenteils in anderen geschiehet. Der Eingang derselben ist sehr enge, und so niedrig, daß man nicht anders, als durch Kriechen, in die Höle gelangen kann; ist man also hinunter in die erste Höle kommen, so steiget man aus derselben in die andere hinab, und so weiter, weilen der Hölen viel nacheinander sind; man wird aber nicht in alle geführet, sonderlich in die äußerste; darin man derer Führer Bericht nach nicht ohne die größte Gefahr Leibes und Lebens kommen kann, weilen man gleich hinter dem Eingange über ein grausam tiefes Loch springen müsse. Ingleichen wird von ihnen und anderen Leuthen vermeldet, daß es in dieser letzten Höle nicht allein wie in der Baumannshöle ein kleines Bächlein gebe, darinnen Goldkörner unter dem Sande gefunden würden, sondern man treffe auch darinnen solche reichen Ertze an, daß davon etliche sowohl in den nahe dabei gelegenen als auch weit entfernten Oertern wohnende Personen heimlich reich geworden wären, es hätten aber dieselben die Löcher und Gänge  zu denen gedachten Ertzen so genau und künstlich versetzt oder verstopfet, daß niemand anderes dieselben finden könne als sie selber, weilen andere die Merck-Zeichen nicht wüsten und verstünden, die sie dieser Gänge wegen gemacht hätten. Sonst werden auch in dieser Höle unterschiedene Menschen - Hirn - Schädel angetroffen, welche mit Fleiß nach einander geleget sind, fraget man nun die Führer um die Ursache, so geben dieselben zur Antwort; daß insgemein davon gehalten werde, wie solches von denjenigen geschehen sei, so gemeldete Ertze daraus holten, um dadurch andere, die auch Ertz darin suchen wollten, abzuschrecken und glaubend zu machen, daß sich in der Höle Mörder aufhielten, und solche Hirn Schalen von denen Menschen wären, die von ihnen ermordet worden, welche Muthmassung mit vor gedachter Erzehlung man dahin gestellet sein lässet ... "

Die nachfolgenden Zeitchronisten nehmen die BEHRENSsche Schilderung der Höhle immer wieder zum Vorbild.
ROHR schrieb 1739 in seinen "Geographische und historische Merkwürdigkeiten des Vor- und Unterhartzes" fast das gleiche, er äußerte nur seinen Unglauben über die reichen Schätze (3):

" ... Wären nun solche reichen Schätze darinnen versteckt gelegen, so ist wohl zu vermuthen, daß sie ihren Landes Herren würden Eröffnung davon gethan haben, da denn schon solche Anstalten würden getroffen worden seyn, daß diese Schätze an den rechten Herren gekommen würden ... "

ZEITFUCHS nannte in der "Stolbergischen Kirchen- und Stadthistorie" 1717 ebenfalls kurz die Diebeshöhle, mit gleichen Formulierungen, wie man sie in der Hercynia curiosa lesen konnte (5):

" ... ingleichen am Seeberge und Arnswalde das Diebesloch, darinnen sollen Goldkörner unter dem Sande angetroffen werden ... "

KRANOLD nannte die Diebeshöhle in seiner Chronik. Eine Veröffentlichung erfolgte durch DIETRICH 1879 in dem Buche "Die landschaftlichen und Geschichtlichen Merkwürdigkeiten der goldenen Aue" (6):

"Weiter wird hier am Arnswaldischen Holze nach Ufftrungen zu gewiesen, das sogenannte Diebesloch, eine Höhle, welche sehr dafür, daß öfters fremde Leute heimlich  hierher kämen, um Gold- und Silbersand daraus zu hohlen, wiewohl viele aus Begierde reich zu werden dadurch sind betrogen worden."

Auf dem "Situationsplan von dem Grubenfelde des Breitunger Kupferschieferreviers" von 1760 ist die Diebeshöhle als "Diebesloch" eingezeichnet. Dieser Plan ist Bestandteil der Mitteilungen des Karstmuseums Heimkehle, Heft 5 "Der Bauerngraben".

Dr. RÄCHWITZ schrieb 1885 im Sonntagsblatt des "Nordhäuser Courier":

"Eine Stunde südwestlich von Rottleberode liegt das Dorf Uftrungen und nicht weit davon die sogenannte Diebeshöhle, eine Reihe von sich in der Erde verzweigenden Gängen. Erst im vorigen Jahr hat man versucht, tiefer in die selbe einzudringen, doch ohne genügenden Erfolg. Eine Anzahl aus dem Schwemmboden ausgegrabener Thier- und Menschenknochen, sowie Reste von Holzasche bewiesen, daß vor langen Zeiten hier einmal Menschen gehaust haben müssen. Es wäre zu wünschen, daß in allen diesen Höhlen des Südharzes einmal systematische Befahrungen und Ausgrabungen von sachkundigen Leuten veranstaltet würden, zweifellos würden auch der Wissenschaft dienliche Resultate zu Tage gefördert."

MÖTEFINDT erwähnte in einer Veröffentlichung die Diebeshöhle in einer kurzen Notiz im Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1885, S. 191.

"Vom Harz, 15. Juni. Gestern wurden in der Diebeshöhle, östlich von Uftrungen, Ausgrabungen vorgenommen und dabei eine große Menge Knochen, darunter zerschlagene Menschenknochen, dann Urnen und Geräte gefunden.
Norddeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 275."

Die Diebeshöhle wurde noch in den verschiedensten Schriften angeführt, ohne daß jedoch sensationelle Neuigkeiten genannt wurden. Mit dem Einsetzen wissenschaftlicher archäologischer und speläologischer Arbeiten erschienen dann sogar sehr spezielle Artikel über Teilprobleme dieser Höhle.

2. Die archäologische Bearbeitung der Höhle

In den historischen Darstellungen der Höhle war ersichtlich, daß seit längerer Zeit Menschen in der Höhle gruben und Schätze suchten. Dabei stießen sie auf verschiedenste archäologische Funde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzten organisierte Grabungen ein, die jedoch oft nur aus Abenteuerlust oder dem Drang, etwas besonders wertvolles zu finden, durchgeführt wurden.
MÖTEFINDT berichtet in (2) über einen Höhlenbesuch, den HERMANN WENZEL in der damaligen Zeit veröffentlichte:

"Aus dem ziemlich versteckt liegenden Eingang dringt eisige Luft uns entgegen; wir halten also erst eine kleine Rast, um uns abzukühlen. Stab und Rucksack werden zur Seite gelegt und die Fackeln angezündet. Erwartungsvoll der Dinge, die wir sehen werden, geht es hinunter zu dem ein paar Meter tiefer liegenden Höhlenloch; der schmale Weg ist naß und schlüpfrig von dem vielen Regen. Vor der Höhle links hoher Felsen, rechts Bäume und Strauchwerk, über uns ein Stückchen blauer Himmel und vor uns das gähnende kalte Schwarz der Höhle. Ein paar Spatenstiche, die wir unmittelbar vor der Höhle tun, um nach Feuerstellen früherer Zeiten zu suchen, um festzustellen, ob die Höhle bewohnt gewesen ist, sind von negativem Erfolg; denn niedergegangenes Gestein und Jahrhunderte lange Ablagerungen von Laub usw. haben eine starke Humusschicht gebildet und wir sehen von dieser Untersuchung ab. Und nun die Fackeln hoch und hinein. Anfangs geht es in gebückter Haltung ganz gut, doch hat man die Empfindung, man dürfe nicht mit dem Kopfe oben an das Kalkgestein anstoßen, damit nicht schon loses Gestein zu Bruch geht, denn weiterhin sehen wir, daß große Felsstücke, welche am Boden hier und dort verstreut liegen und immer häufiger werden, je weiter man vordringt, in die Lücken an der Höhlendecke passen würden.
Also eine Ermahnung zu äußerster Vorsicht!
Tripp, tripp - fallen die einzelnen Wassertropfen hernieder, sonst Grabesstille und Modergeruch, wie er wohl allen Höhlen eigen ist. Je weiter wir vordringen, um so enger und zerklüfteter wird die Höhle, und um so zackiger ihre Decke, und das Hinabsteigen wird immer schwieriger. Felsgestein, das am Boden liegt, muss man überklettern, teils auf den Knien, teils fast liegend, dabei immer darauf achtend, daß man nicht Gestein ins bringt, welches zu weiteren Einstürzen der Höhle Anlaß geben könnte. Bald links, bald rechts eine kleine Ausbuchtung und drehen wir uns einmal um, so kann man gar nicht mehr feststellen, von welcher Seite man gekommen ist, denn diese Ausbuchtungen würden uns bei schlechterer Beleuchtung, als unsere Fackeln sind, immer dazu verleiten, darauf los zu kriechen und in ihnen ebenfalls den Ausgang zu vermuten. Immer tiefer dringen wir in das Dunckel ein, immer stärker wird das Tropfen von der Decke ...  ... Unsere Fackeln brennen kleiner, auch sie sind schon zur Hälfte niedergebrannt, und wir wollen doch noch die Höhle auf Überreste, im Falle, daß sie bewohnt gewesen, untersuchen. Und so geht es langsam wieder nach oben, denn eine Bindfadenrolle haben wir nicht aufgewickelt beim Hinabsteigen, und würden, falls die Fackeln verlöschten, wohl gar lange nach dem Ausgange suchen können und ihn womöglich kaum wiederfinden.
Schon haben wir beim Hineingehen gleich am Anfang, vielleicht 30 m vom Eingang entfernt, den Schädel eines Hasen oder Kaninchens und kleine Knochen von anderen Tieren gefunden, welche hier jedenfalls vom Raubzeug verzehrt wurden. Nun kommen wir bei bei unserem Rückwege an eine andere Stelle und finden dort auffallend schwarze Erde, wie von Feuer herrührend, desgleichen ein paar Steine, rauchgeschwärzt und voller Ruß.
Bei näheren Durchsuchen entdecken wir zwischen dieser schwarzen Erde verbranntes Getreide, anscheinend Weizen; wir nahmen einen solchen schwarzen Stein und auch Erde davon mit. Beim Durchsuchen des Platzes einer Ausbuchtung der Höhle, finden wir die Schädeldecke eines Menschen. Wieder an einer anderen Stelle fanden wir beim Durchwühlen des Erdreiches den Schädel und den Wirbelknochen und mehrere Rippenknochen verschiedener größerer Tiere - und so gelangten wir kurz vor dem Erlöschen unserer Fackeln wieder ins Freie, und wir atmeten mit Behagen die warme, reine Luft."

MÖTEFINDT schrieb 1914 in der Zeitschrift für Ethnologie einen interessanten Artikel über die Diebeshöhle.
Er beschrieb darin neben einer allgemeinen Abhandlung zur Diebeshöhle auch eine Reihe von Funden. Bekannte Grabungen wurden durch GÜNTHER aus Roßla 1910 und durch HELLWIG aus Uftrungen 1914 durchgeführt. Von 1922 bis 1925 leitete der Vorsitzende der sächsischen Höhlenforscher RUSCHER umfangreiche Grabungen in der Diebeshöhle. Er fertigte auch einen Höhlenplan an. 
ANDREE und GRIMM führten 1927 Grabungen in der Höhe durch. Die Ergebnisse wurden in der "Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder" Nr. 17 Halle 1929 unter dem Titel "Die Diebeshöhle bei Uftrungen am Südharz" veröffentlicht. Die Funde wurden zu verschiedenen Zeiten verschieden gedeutet. Die Diebeshöhle wurde zur Wohnhöhle deklariert. Abbrechendes Gestein, eine begrabene Feuerstätte, verschüttete Menschenknochen gaben zu Spekulationen über Katastrophentheorien Anlaß. STOLBERG sprach von einer plötzlichen Katastrophe, die über eine bronzezeitliche Sippe hereinbrach, als sich plötzlich ein Firstfall ereignete und die in der Höhle wohnenden Menschen unter sich begrub. Diese Annahme stammte aus der Deutung der Grabungsergebnisse, welche ANDREE und GRIMM 1929 gaben.
RUSCHERS Höckergrabfunde wiesen darauf hin, das die Höhle, zu irgendeiner Zeit auch Kultstätte und Begräbnisplatz gewesen sein könnte.
BEHM-BLANKE äußerte die Ansicht, daß die Diebeshöhle ein ähnliches Heiligtum wie die Ausgrabungshöhlen bei Bad Frankenhausen gewesen sein konnten. Er regte neue Untersuchungen an, um die Funde auf Parallelen zu Bad Frankenhausen zu prüfen. Zu solchen Grabungen kam es bisher jedoch nicht. Bearbeitete Menschenknochen konnten bisher nicht gefunden werden.
Die bisher gefundenen Objekte lassen sich in folgende Kategorien einteilen:
Menschliche Knochen, tierische Knochen, pflanzliche Reste, Keramik, Bronze, bearbeitete Knochen, bearbeitetes Gestein.

WINKELHOFER gab über bekannte Funde im Heft "Der Höhlenforscher" Heft 3, 1979 eine Aufstellung.
Das Karstmuseum führte zusammen mit dem Arbeitskreis Höhlen- und Karstforschung beim Kulturbund der DDR im Mai 1981 Untersuchungen in der Höhle durch. Dabei wurden auch geologische Grabungen durchgeführt. Diese brachten eine Reihe neuer Aspekte für die archäologische Deutung zutage.

3. Die Ergebnisse der geologischen Grabung 1981

Ausdrücklich wurde betont, daß die Grabungen in der Höhle geologische und speläologische Fragen beantworten sollten. Dabei wurden jedoch rund 200 Funde gemacht. Die Funde bestanden aus Tierknochen, Menschenknochen, Holzkohle, Getreidekörner und Scherben und waren relativ unbedeutend. Die Lage der Funde, die Profile der Schürfgruben und andere Untersuchungen warfen jedoch einige Fragen auf, die beantwortet werden mußten. In einem Untersuchungsbericht über die Grabungen wurden die Funde interpretiert.

3.1. Es ist unwahrscheinlich, daß in der Bronzezeit, aus der die ältesten Funde stammen, die Höhle die eigentliche Besiedlungsstätte darstellt. Durch Stichgrabungen rings um die Höhle herum wurden die gleichen Knochen, Getreide, Holzkohle und Scherbenfunde gemacht, wie in der Höhle. Die Höhle dürfte deshalb inmitten eines unbekannten Siedlungsplatzes gelegen haben. Sie wurde gelegentlich besucht, auch sind kultische Handlungen in der Höhle vorstellbar.
Beweise für größere kultische Handlungen, ähnliche wie bei den Ausgrabungshöhlen an der Kattenburg bei Bad Frankenhausen, fehlen völlig. Der Eingang der Höhle ist nach Norden geöffnet. Die Höhle stellt klimatisch einen Kaltluftsack dar. Selbst im Sommer liegen die Temperaturen bei 4 bis 5 Grad. Sie ist deshalb besiedlungsfeindlich. Eine einsturzgefährdete Decke, die in wenigen Jahren größeren Veränderungen unterlag, spricht ebenfalls gegen längere Höhlenaufenthalte des Menschen.

3.2. Die Höhle hat eine andere Entstehung als bisher angenommen. Dieser Teil wird in Punkt 4 behandelt. In der Entwicklung der Höhle wurde diese sehr schnell zu einer inaktiven Höhle. Die Phase des Verbruchs, der Verwitterung und des Einsturzes begann. Bruchplatten von Meter- bis Dezimeterstärke lösten sich von der Firste. Die Höhle verfüllte sich selbst. Im speläologischen Sinne ist die eigentliche Höhle heute fast vollständig verbrochen. Man kann heute nur noch eine Höhlenruine begehen. Würde das Mundloch nicht künstlich freigehalten, wären die Eingänge bereits restlos zugeschlämmt. Wahrscheinlich schuf die Elster-Kaltzeit mit ihren Eislagen die pleistozäne Voraussetzung für die Höhlenbildung in der Holstein-Warmzeit. Die eiszeitlichen Ablagerungen sind deutlich auf dem Felde unmittelbar vor der Höhle vorhanden, dabei auch genügend Feuersteinmaterial. Da angenommen werden muß, daß kurze Zeit später das hydrografische Netz völlig verändert war, dürfte die Entwicklung der Höhle vor vielen Jahrtausenden bereits in Richtung Höhlenruine gegangen sein. Zwischen dem Beginn des Höhlenverfalls und der ersten bekannten Besiedlung liegen mit Sicherheit Jahrtausende. Die bronzezeitlichen Menschen kannten deshalb die, Höhle schon als Ruine, obgleich bestimmt in bedeutend größeren Formen und Räumen als heute.
Da die bronzezeitlichen Funde etwa 3500 Jahre alt sind, ist seit dieser Zeit sehr viel Material nachgebrochen. Die Höhle dürfte also nie für eine Besiedlung anregend gewesen sein. Andererseits können weitere Funde unter tonnenschweren Blöcken und meterhohen Schlammbergen verborgen sein. Eine Grabung in diesen Regionen ware sehr aufwendig und technisch kompliziert. Der Erfolg ware ungewiß. Die schnellen Veränderungen in der Höhle werden schon durch die Tatsache bewiesen, daß zwischen der Erstvermessung 1921 und der Neuvermessung 1981 das Bild der Höhle deutlichen Veränderungen unterlag.
Die westliche untere Abteilung ist heute total verbrochen. Eine Aufwältigung wurde versucht, erwies sich aber als undurchführbar.

3.3. Die wenigen intakten Profile beweisen, daß ein großer Teil der Funde mit Sicherheit in die Höhle eingeschlämmt wurde. Ein Uhrglas und ein Kronenverschluß einer Flasche, sowie viele Tonpfeifenröhrchen aus dem Mittelalter kamen in ungestörten Schichten zusammen mit bronzezeitlichen Scherben und Menschenknochen vor. Die angeschnittenen Schichten zeigten deutlich einen Einschwemmkegel in die Höhle, nach der Tiefe der Hohle zu rissen die Schichten unter starken Verbiegungen ab. Starkregenfälle während der Grabungen bewiesen die Möglichkeiten des Einschlämmens.

3.4. Die seltsamen plattigen Gesteine, welche auch bei dieser Grabung oftmals Menschenknochen einschlossen und das Bild von gesetzten Steinplatten vortäuschten und an Gräber erinnerten, stehen an der Diebeshöhle im Grunde derselben an.
Es handelt sich um eine fazielle Vertretung des Stinkschiefers in Form von Hauptdolomit. Dieser steht auf dem Felde vor der Höhle an und kann bei Grabungen im Vorland der Höhle und in der Höhle massig gefunden werden. Da die Höhle eine Ponorhöhle ist, kann das Material in die Höhle transportiert worden sein. Wahrscheinlicher ist die Annahme, daß die wahre Höhlensohle auf dem Hauptdolomit steht.

3.5. Der Marienglasschmuck aus der Höhle ist mit Vorsicht zu interpretieren, da mehrere große, verbruchsbestimmende Klüfte der Höhle intensiv mit Marienglas gefüllt sind.

3.6. Seit mindestens 150 Jahren wurden Raubgrabungen und Abenteuergrabungen durchgeführt, die das Bild der Funde in der Höhle zerstörten. Heute ist fast keine Stelle der Höhle mehr als ungestört zu betrachten. Ausnahmen sind die Stellen, die mit schweren Verbruchsblöcken bedeckt sind. Romantische Deutungen alter Funde schrieben ein Bild der Besiedlung der Höhle fest.
Leider sind die alten Grabungen fast ausnahmslos nie dokumentiert worden. Wenige wirkliche Dokumente befinden sich noch heute in Privatbesitz und sind für moderne wissenschaftliche Betrachtungen bisher nicht greifbar gewesen. Selbst die Eintragung der Schürfgruben solch bedeutender Archäologen. wie ANDREE und GRIMM sind nicht eindeutig, da die kartenmäßige Darstellung der Hohle nicht eindeutig war.


4. Die speläologische Deutung der Höhle

STOLBERG kommt der Verdienst zu, als erster eine sachliche Abhandlung über die Diebeshöhle gegeben zu haben.
1925 schreibt er (4):

" ... Die Diebeshöhle (jüngerer Gips) stellt die Ruine eines älteren Höhlensystems dar. Sie besteht in ihrer eigentlichen Form aus einer einzigen unter 45 Grad gegen Südwesten in die Tiefe fallenden Kluft, die aber durch zahllos niedergegangene Felstrümmer in verschiedene, terrassenförmig übereinander liegende Einzelräume abgeteilt wurde. Die heutige Diebeshöhle besitzt im ganzen vier Sohlen, von denen die unterste, 17m tiefer als der Eingang gelegen, die unsprünglichste ist. Ein kleines, unter dem Felsen hervorsickerndes Rinnsal, das einem schmalen, schlammgefüllten Bette folgt, deutet hier auf die Lage des einstigen Hauptniveaus hin. Nähern wir uns durch das dichte Buschwerk, so stehen wir alsbald vor einem kleinen Erdfalle, der von steil abfallenden Gipsfelsen eingefaßt ist. Am Fuße der Felsen, dort wo der Erdfall sich trichterförmig verengt, gähnt ein kaum mannshohes schwarzes Loch: der Höhleneingang. Seitlich davon. hinter niedergegangenen Blöcken öffnet sich ein zweiter Höhlenmund, die Kleine Höhle. Diese, nur auf wenige Meter zu befahren, sinkt gegen Osten als schmaler Spalt in den Berg, wo sie durch Geklüft mit der Haupthöhle in Verbindung steht. Die Kleine Höhle bildet zusammen mit dem Erdfall die erste Sohle des Systems, 2,5 m unter dem oberen Rand der Erdsenke. Nach Durchschlüpfen des Einganges steht man in einer finsteren, steinerfüllten Galerie, die unter 30 Grad in die Tiefe fällt. Es ist dies die Obere Höhle oder zweite Sohle, die bereits bis 12 m unter den Nullpunkt abfällt. Sie ist von besonderem Interesse durch die an dieser Stelle gemachten prähistorischen Funde (ältere und jüngere Bronzezeit 2000 - 500 v. Chr.). 1890 und 1910 wurden erstmalig durch die Herren Eduard Günther, Roßla und Fritz Hellwig, Uftrungen, zahlreiche schöne Stücke zutage gefördert. (Menschenknochen aus Grabstellen, Tongefäße, Herdstellen, Bronzegegenstände, Schmucksachen aus Bronze, Marienglas und Bernstein eine Knochennadel, Samenkörner von Gersten- und Weizenarten) - (Vergleiche die Veröffentlichung von Mötefindt). Den glänzendsten Fund erzielte dann im Spätsommer 1923 der Verein für Höhlenkunde in Sachsen unter der Leitung von Herrn Johannes Ruscher Dresden. Es gelang. eine Schicht bronzezeitlicher Höckergräber bloßzulegen, darunter eines mit fast vollständigem Skelett. Letzteres wurde dem Dresdner Prähistorischen Museums übergeben. Anfangs aufrecht, dann gebückt, geht die Fahrt weiter. Überall zeigen sich Risse und Schlupfe zwischen kantigen Trümmern. Hier zweigt ein enger Kriechgang ab, der unvermittelt in einem direkt nach der nächst tieferen Sohle abbrechenden Schlot mündet, dort ziehen verwickelte, ebenfalls nur auf allen Vieren zu passierende Klüfte wieder nach oben gegen die Kleine Höhle hinauf. Am Ende der Oberen Höhle angelangt, müssen wir kauernd und kriechend über Bruch und Blöcke hinweg in die dritte Sohle, die Mittlere Höhle. Diese liegt 15 Meter unter dem Nullpunkt und 10 Meter unter dem Eingang. Der Raum verläuft annähernd horizontal bei 4 m Breite und 10 m Länge; die Decke ist kaum mannshoch.
Chaotische Trümmer bedecken den Boden und hängen am First, nach Südwesten stürzt eine steile Plattenkluft 6 m tiefer zur östlichen Unteren Höhle ab. Zunächst wird dieser kleine Abgrund näher untersucht. Über Gesteinsstufen steigen wir hinunter auf den Grund, der 21 m unter dem Nullpunkt liegt. Vor uns strebt eine einzige kolossale Felsplatte in die Höhe, dicht darüber hängt die geneigte Decke der Kluft, unter der sich ein zentnerschwerer Block festgekeilt hat. Eine kurze Kriechpartie führt unter die große Platte und zu dem eingangs erwähnten Rinnsal, das aus hängenden Felsen hervorkommt, um sofort wieder geheimnisvoll zwischen den Gipswänden zu verschwinden. Ob hier wohl der verborgene Weiterweg zu anderen, vielleicht bedeutenden Höhlenteilen vor uns liegt?
Wir haben den tiefsten Punkt der Diebeshöhle an dieser Stelle erreicht, 22 m unter dem Rande des Erdfalls, 17 m unter dem Eingange ..."

STOLBERG schilderte weitere Teile der Höhle. Er druckte auch einen Höhlenplan ab, der 4 Höhlenniveaus enthält. Diese Bezeichnung machte den Plan unübersichtlich, denn diese Etagen sind in Wirklichkeit nicht vorhanden.
BIESE schrieb 1931 in seiner Abhandlung "Entstehung der Gipshöhlen am südlichen Harzrand und am Kyffhäuser" auch über die Diebeshöhle. Er räumte mit einigen Unklarheiten auf, übernahm jedoch den falschen Begriff der Etagen.
SCHUSTER und GRAF stellten in den 60iger und 70iger Jahren weitere Dinge über die Diebeshöhle richtig. Das Grabungslager im Mai 1981, durchgeführt durch Karstmuseum Heimkehle und den Arbeitskreis Höhlen- und Karstforschung beim Kulturbund der DDR, führte umfangreiche Untersuchungen durch, die eine Reihe neuer Erkenntnisse brachten.

4.1. Die Diebeshöhle liegt stratigraphisch im Sangerhäuser Anhydrit. Wahrscheinlich liegt die wahre Höhlensohle auf der Grenze Basalanhydrit - Hauptdolomit bzw. Stinkschiefer. Es ist wahrscheinlich, aber nicht nachweisbar, daß sich die Höhle an einer Störung mit geringen Verwerfungsbetrag befindet. Nördlich der Störung beträgt das Fallen der Schichten 5°, südlich dagegen 30 bis 40°.
Nördlich der Diebeshöhle ist ein Kuppenzug vorgelagert, der aus Dolomit besteht. Der Dolomit ist eng mit Stinkschiefer verzahnt. In Schürfen am Eingangsbereich der Höhle konnte der Dolomit in größeren Mengen gefunden werden.

4.2. Das Gebiet, in dem die Höhle liegt, ist tektonisch stark beansprucht. Herzyne und erzgebirgisch streichende Hauptklüfte durchsetzen die Höhle intensiv. Das führt zu großen Verbrüchen.
Der Schuttkegel in der Höhle hat eine Stärke von über 10 m.

4.3. Auf dem Acker vor der Diebeshöhle fanden sich Grauwacken, Granit und Feuersteine, sowie anderes Material, welches auf eine pleistozäne Überprägung hindeutet. Wahrscheinlich war die heutige Hochfläche nördlich der Diebeshöhle von einer elstereiszeitlichen Eiszunge bedeckt. Die Ablagerungen auf dem Acker stellen Grundmoränenmaterial dar. In der ersten Warmphase erfolgte ein Wasserangebot, welches unter anderem an der tektonisch labilen Stelle ansetzte und im verkarstungsfähigen Gestein Ponore entstehen ließ.
In der Höhle gibt es deutlich ausgeprägte schräge Wandflächen (P 340 - 341). Sie sind durch Verbruch verdeckt und können nur von wenigen Stellen eingesehen werden. Diese schrägen Wandflächen beweisen eindeutig, daß die Diebeshohle durch ein größeres Wasserangebot entstand und nicht nur eine kleine Sickerwasserhöhle ist. Es ist anzunehmen, daß durch Erweiterung des Ponors ein Höhlensystem entstand. Das hydrografische Netz dürfte sich mit seiner Tieferlegung in Richtung Breitunger Grund sehr schnell verändert haben. In südlicher Richtung tieften sich die Buntsandsteintäler in Richtung Rosperwenda ein. Damit konnte nur noch wenig Buntsandsteinmaterial in Richtung Norden eingeschlämmt werden. Diese Abschlämmungen haben einen Teil des Sulfatkarstes in den Sedimenten ertrinken lassen, wie die Grabungen auf den "Gipskuppen" neben und nördlich der Höhle bewiesen. Durch das Sinken des Wasserangebotes wurde die Höhlenbildung beendet. Die Transportkraft des Wassers ließ nach. Durch jahrhundertelange Niederschläge nivellierten die Abschlämmassen des Buntsandsteins, die einst von den höheren Berglagen heruntergeschwemmt wurden, die Karstumgebung des Ponors ein. Die alten Karsterscheinungen ertranken im Sediment. Die Entwicklung der Höhle zur Höhlenruine begann. Heute sind nur noch unbedeutende Reste des Hohlraumes bekannt. Der Verbruch der Höhle erfolgte bereits im Stadium ihrer Entstehung. Das Verbruchsmaterial wurde aber bei normaler Wasserführung schnell abgelaugt. Mit dem Trockenfallen des Ponors konnte das nicht mehr geschehen. Die großen Dolinen und Uvalabildungen in unmittelbarer Nachbarschaft der Diebeshöhle beweisen, daß diese Höhle nicht die einzige vorhandene sein kann. All die anderen möglichen Eingänge sind aber völlig verschlammt oder verbrochen.

5. Ausblick

Weitere große Fortsetzungen der Diebeshohle werden wohl nie freigelegt werden können, vorausgesetzt, es gäbe bedeutsame Räumlichkeiten. Die Höhle ist durch ihren Verbruchscharakter sehr gefährlich. Von ihrer legendären Tiefe und Größe bleibt bei näherer Betrachtung nicht viel übrig. Weitere archäologische Funde dürften unter gewaltigen Versturzmassen begraben sein, die in vorstellbarer Zeit wohl niemand bewegen wird.
Von einem Besuch dieser Höhle wird dringend abgeraten.

Außerdem ist ein Betreten der Höhle genehmigungspflichtig, da sie ein bestätigtes Naturdenkmal ist.
Beim Karstmuseum Heimkehle liegt weiteres Material in Form von Berichten, Dias und Bildern über die Höhle vor. Weiterführende Erläuterungen zu dieser Höhle können ebenfalls an dieser Stelle eingeholt werden. Das Karstmuseum hat die Betreuung dieser Höhle übernommen.

Literatur
 
(1) BEHRENSHercynia curiosa
Nordhausen 1703
(2) MÖTEFINDTDie Diebeshöhle bei Uftrungen, Kreis Sangerhausen
Zeitschrift für Ethnologie Nr. 4 und 5 1914
(3) ROHRGeographische und historische Merkwürdigkeiten des Vor- und Unterhartzes
Frankfurt und Leipzig 1748
(4) STOLBERGDie Höhlen des Harzes
Sonderausgabe zur Zeitschrift "Der Harz"
Eilers Verlag 1926
(5) ZEITFUCHSStolbergische Kirchen- und Stadt Historie, Stolberg 1717
(6) DIETRICHDie landschaftlichen und geschichtlichen Merkwürdigkeiten der goldenen Aue
1879
(7) ANDREE, GRIMMDie Diebeshöhle bei Uftrungen im Südharz
Jahreszeitschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder
Nr. 17 1929

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