- von Reinhard Völker -
Etwa eine halbe Stunde von Uftrungen entfernt, befindet sich im Ahrendswald eine kleine, aber legendäre Höhle, die Diebeshöhle. Noch heute sagt ihr die einheimische Bevölkerung nach, und auch das Märchen von ihren unergründlichen Tiefen und geheimen verborgenen Schätzen ist wohl noch nicht völlig ausgestorben. Der Name Diebeshöhle ist bei Höhlen oder Felsspalten keine Seltenheit. Die Diebeslöcher bei Rottleben, das Diebesloch bei Questenberg und Diebeslöcher und Höhlen im Gebiet der Sächsischen Schweiz sprechen dafür. Auch manche andere Harzkleinhöhle trägt diesen Namen noch heute unter der einheimischen Bevölkerung, obwohl sich ein anderer Name für die Höhle in Fachkreisen eingebürgert hat. Wahrscheinlich deuteten die Menschen die unheimlichen und dunklen Löcher als ideales Versteck für Diebesgesindel, egal ob sich nun wahre Geschichten darum rankten oder nicht. Auch BEHRENS deutete in der Hercynia curiosa den Namen der Höhle auf diese Weise (1): " ... weil dem Berichte nach sich vormals eine zusammenrottierte Diebesgesellschaft heimlich darinnen aufgehalten habe." MÖTEFINDT gab 1914 eine andere Erklärung für die Entstehung dieses Namens (2): "Entweder dient als Bestimmungsort das altdeutsche diub, diob, niederhochdeutsch Dieb in der Bedeutung versteckt, verborgen, geheim, was für eine Höhle wie unsere Diebeshöhle sehr gut passen würde, oder das althochdeutsche tiuf, diuf, as. diop, diap, dän. dyb, niederhochdeutsch tief, was die Bezeichnung tiefe Höhle ergeben würde." Die Diebeshöhle wird bereits in alten Berichten mehrfach erwähnt und mit geheimnisvollen Dingen umgeben. Goldschätze und Totengebein werden immer wieder genannt. "Von der in der Gegend bei Ufftrungen vorhandenen Höhle, das Diebesloch genannt. Die nachfolgenden Zeitchronisten nehmen die BEHRENSsche Schilderung der Höhle immer wieder zum Vorbild. " ... Wären nun solche reichen Schätze darinnen versteckt gelegen, so ist wohl zu vermuthen, daß sie ihren Landes Herren würden Eröffnung davon gethan haben, da denn schon solche Anstalten würden getroffen worden seyn, daß diese Schätze an den rechten Herren gekommen würden ... " ZEITFUCHS nannte in der "Stolbergischen Kirchen- und Stadthistorie" 1717 ebenfalls kurz die Diebeshöhle, mit gleichen Formulierungen, wie man sie in der Hercynia curiosa lesen konnte (5): " ... ingleichen am Seeberge und Arnswalde das Diebesloch, darinnen sollen Goldkörner unter dem Sande angetroffen werden ... " KRANOLD nannte die Diebeshöhle in seiner Chronik. Eine Veröffentlichung erfolgte durch DIETRICH 1879 in dem Buche "Die landschaftlichen und Geschichtlichen Merkwürdigkeiten der goldenen Aue" (6): "Weiter wird hier am Arnswaldischen Holze nach Ufftrungen zu gewiesen, das sogenannte Diebesloch, eine Höhle, welche sehr dafür, daß öfters fremde Leute heimlich hierher kämen, um Gold- und Silbersand daraus zu hohlen, wiewohl viele aus Begierde reich zu werden dadurch sind betrogen worden." Auf dem "Situationsplan von dem Grubenfelde des Breitunger Kupferschieferreviers" von 1760 ist die Diebeshöhle als "Diebesloch" eingezeichnet. Dieser Plan ist Bestandteil der Mitteilungen des Karstmuseums Heimkehle, Heft 5 "Der Bauerngraben". Dr. RÄCHWITZ schrieb 1885 im Sonntagsblatt des "Nordhäuser Courier": "Eine Stunde südwestlich von Rottleberode liegt das Dorf Uftrungen und nicht weit davon die sogenannte Diebeshöhle, eine Reihe von sich in der Erde verzweigenden Gängen. Erst im vorigen Jahr hat man versucht, tiefer in die selbe einzudringen, doch ohne genügenden Erfolg. Eine Anzahl aus dem Schwemmboden ausgegrabener Thier- und Menschenknochen, sowie Reste von Holzasche bewiesen, daß vor langen Zeiten hier einmal Menschen gehaust haben müssen. Es wäre zu wünschen, daß in allen diesen Höhlen des Südharzes einmal systematische Befahrungen und Ausgrabungen von sachkundigen Leuten veranstaltet würden, zweifellos würden auch der Wissenschaft dienliche Resultate zu Tage gefördert." MÖTEFINDT erwähnte in einer Veröffentlichung die Diebeshöhle in einer kurzen Notiz im Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1885, S. 191. "Vom Harz, 15. Juni. Gestern wurden in der Diebeshöhle, östlich von Uftrungen, Ausgrabungen vorgenommen und dabei eine große Menge Knochen, darunter zerschlagene Menschenknochen, dann Urnen und Geräte gefunden. Die Diebeshöhle wurde noch in den verschiedensten Schriften angeführt, ohne daß jedoch sensationelle Neuigkeiten genannt wurden. Mit dem Einsetzen wissenschaftlicher archäologischer und speläologischer Arbeiten erschienen dann sogar sehr spezielle Artikel über Teilprobleme dieser Höhle. 2. Die archäologische Bearbeitung der Höhle In den historischen Darstellungen der Höhle war ersichtlich, daß seit längerer Zeit Menschen in der Höhle gruben und Schätze suchten. Dabei stießen sie auf verschiedenste archäologische Funde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzten organisierte Grabungen ein, die jedoch oft nur aus Abenteuerlust oder dem Drang, etwas besonders wertvolles zu finden, durchgeführt wurden. "Aus dem ziemlich versteckt liegenden Eingang dringt eisige Luft uns entgegen; wir halten also erst eine kleine Rast, um uns abzukühlen. Stab und Rucksack werden zur Seite gelegt und die Fackeln angezündet. Erwartungsvoll der Dinge, die wir sehen werden, geht es hinunter zu dem ein paar Meter tiefer liegenden Höhlenloch; der schmale Weg ist naß und schlüpfrig von dem vielen Regen. Vor der Höhle links hoher Felsen, rechts Bäume und Strauchwerk, über uns ein Stückchen blauer Himmel und vor uns das gähnende kalte Schwarz der Höhle. Ein paar Spatenstiche, die wir unmittelbar vor der Höhle tun, um nach Feuerstellen früherer Zeiten zu suchen, um festzustellen, ob die Höhle bewohnt gewesen ist, sind von negativem Erfolg; denn niedergegangenes Gestein und Jahrhunderte lange Ablagerungen von Laub usw. haben eine starke Humusschicht gebildet und wir sehen von dieser Untersuchung ab. Und nun die Fackeln hoch und hinein. Anfangs geht es in gebückter Haltung ganz gut, doch hat man die Empfindung, man dürfe nicht mit dem Kopfe oben an das Kalkgestein anstoßen, damit nicht schon loses Gestein zu Bruch geht, denn weiterhin sehen wir, daß große Felsstücke, welche am Boden hier und dort verstreut liegen und immer häufiger werden, je weiter man vordringt, in die Lücken an der Höhlendecke passen würden. MÖTEFINDT schrieb 1914 in der Zeitschrift für Ethnologie einen interessanten Artikel über die Diebeshöhle. WINKELHOFER gab über bekannte Funde im Heft "Der Höhlenforscher" Heft 3, 1979 eine Aufstellung. 3. Die Ergebnisse der geologischen Grabung 1981 Ausdrücklich wurde betont, daß die Grabungen in der Höhle geologische und speläologische Fragen beantworten sollten. Dabei wurden jedoch rund 200 Funde gemacht. Die Funde bestanden aus Tierknochen, Menschenknochen, Holzkohle, Getreidekörner und Scherben und waren relativ unbedeutend. Die Lage der Funde, die Profile der Schürfgruben und andere Untersuchungen warfen jedoch einige Fragen auf, die beantwortet werden mußten. In einem Untersuchungsbericht über die Grabungen wurden die Funde interpretiert. 3.1. Es ist unwahrscheinlich, daß in der Bronzezeit, aus der die ältesten Funde stammen, die Höhle die eigentliche Besiedlungsstätte darstellt. Durch Stichgrabungen rings um die Höhle herum wurden die gleichen Knochen, Getreide, Holzkohle und Scherbenfunde gemacht, wie in der Höhle. Die Höhle dürfte deshalb inmitten eines unbekannten Siedlungsplatzes gelegen haben. Sie wurde gelegentlich besucht, auch sind kultische Handlungen in der Höhle vorstellbar. 3.2. Die Höhle hat eine andere Entstehung als bisher angenommen. Dieser Teil wird in Punkt 4 behandelt. In der Entwicklung der Höhle wurde diese sehr schnell zu einer inaktiven Höhle. Die Phase des Verbruchs, der Verwitterung und des Einsturzes begann. Bruchplatten von Meter- bis Dezimeterstärke lösten sich von der Firste. Die Höhle verfüllte sich selbst. Im speläologischen Sinne ist die eigentliche Höhle heute fast vollständig verbrochen. Man kann heute nur noch eine Höhlenruine begehen. Würde das Mundloch nicht künstlich freigehalten, wären die Eingänge bereits restlos zugeschlämmt. Wahrscheinlich schuf die Elster-Kaltzeit mit ihren Eislagen die pleistozäne Voraussetzung für die Höhlenbildung in der Holstein-Warmzeit. Die eiszeitlichen Ablagerungen sind deutlich auf dem Felde unmittelbar vor der Höhle vorhanden, dabei auch genügend Feuersteinmaterial. Da angenommen werden muß, daß kurze Zeit später das hydrografische Netz völlig verändert war, dürfte die Entwicklung der Höhle vor vielen Jahrtausenden bereits in Richtung Höhlenruine gegangen sein. Zwischen dem Beginn des Höhlenverfalls und der ersten bekannten Besiedlung liegen mit Sicherheit Jahrtausende. Die bronzezeitlichen Menschen kannten deshalb die, Höhle schon als Ruine, obgleich bestimmt in bedeutend größeren Formen und Räumen als heute. 3.3. Die wenigen intakten Profile beweisen, daß ein großer Teil der Funde mit Sicherheit in die Höhle eingeschlämmt wurde. Ein Uhrglas und ein Kronenverschluß einer Flasche, sowie viele Tonpfeifenröhrchen aus dem Mittelalter kamen in ungestörten Schichten zusammen mit bronzezeitlichen Scherben und Menschenknochen vor. Die angeschnittenen Schichten zeigten deutlich einen Einschwemmkegel in die Höhle, nach der Tiefe der Hohle zu rissen die Schichten unter starken Verbiegungen ab. Starkregenfälle während der Grabungen bewiesen die Möglichkeiten des Einschlämmens. 3.4. Die seltsamen plattigen Gesteine, welche auch bei dieser Grabung oftmals Menschenknochen einschlossen und das Bild von gesetzten Steinplatten vortäuschten und an Gräber erinnerten, stehen an der Diebeshöhle im Grunde derselben an. 3.5. Der Marienglasschmuck aus der Höhle ist mit Vorsicht zu interpretieren, da mehrere große, verbruchsbestimmende Klüfte der Höhle intensiv mit Marienglas gefüllt sind. 3.6. Seit mindestens 150 Jahren wurden Raubgrabungen und Abenteuergrabungen durchgeführt, die das Bild der Funde in der Höhle zerstörten. Heute ist fast keine Stelle der Höhle mehr als ungestört zu betrachten. Ausnahmen sind die Stellen, die mit schweren Verbruchsblöcken bedeckt sind. Romantische Deutungen alter Funde schrieben ein Bild der Besiedlung der Höhle fest. |
4. Die speläologische Deutung der Höhle STOLBERG kommt der Verdienst zu, als erster eine sachliche Abhandlung über die Diebeshöhle gegeben zu haben. " ... Die Diebeshöhle (jüngerer Gips) stellt die Ruine eines älteren Höhlensystems dar. Sie besteht in ihrer eigentlichen Form aus einer einzigen unter 45 Grad gegen Südwesten in die Tiefe fallenden Kluft, die aber durch zahllos niedergegangene Felstrümmer in verschiedene, terrassenförmig übereinander liegende Einzelräume abgeteilt wurde. Die heutige Diebeshöhle besitzt im ganzen vier Sohlen, von denen die unterste, 17m tiefer als der Eingang gelegen, die unsprünglichste ist. Ein kleines, unter dem Felsen hervorsickerndes Rinnsal, das einem schmalen, schlammgefüllten Bette folgt, deutet hier auf die Lage des einstigen Hauptniveaus hin. Nähern wir uns durch das dichte Buschwerk, so stehen wir alsbald vor einem kleinen Erdfalle, der von steil abfallenden Gipsfelsen eingefaßt ist. Am Fuße der Felsen, dort wo der Erdfall sich trichterförmig verengt, gähnt ein kaum mannshohes schwarzes Loch: der Höhleneingang. Seitlich davon. hinter niedergegangenen Blöcken öffnet sich ein zweiter Höhlenmund, die Kleine Höhle. Diese, nur auf wenige Meter zu befahren, sinkt gegen Osten als schmaler Spalt in den Berg, wo sie durch Geklüft mit der Haupthöhle in Verbindung steht. Die Kleine Höhle bildet zusammen mit dem Erdfall die erste Sohle des Systems, 2,5 m unter dem oberen Rand der Erdsenke. Nach Durchschlüpfen des Einganges steht man in einer finsteren, steinerfüllten Galerie, die unter 30 Grad in die Tiefe fällt. Es ist dies die Obere Höhle oder zweite Sohle, die bereits bis 12 m unter den Nullpunkt abfällt. Sie ist von besonderem Interesse durch die an dieser Stelle gemachten prähistorischen Funde (ältere und jüngere Bronzezeit 2000 - 500 v. Chr.). 1890 und 1910 wurden erstmalig durch die Herren Eduard Günther, Roßla und Fritz Hellwig, Uftrungen, zahlreiche schöne Stücke zutage gefördert. (Menschenknochen aus Grabstellen, Tongefäße, Herdstellen, Bronzegegenstände, Schmucksachen aus Bronze, Marienglas und Bernstein eine Knochennadel, Samenkörner von Gersten- und Weizenarten) - (Vergleiche die Veröffentlichung von Mötefindt). Den glänzendsten Fund erzielte dann im Spätsommer 1923 der Verein für Höhlenkunde in Sachsen unter der Leitung von Herrn Johannes Ruscher Dresden. Es gelang. eine Schicht bronzezeitlicher Höckergräber bloßzulegen, darunter eines mit fast vollständigem Skelett. Letzteres wurde dem Dresdner Prähistorischen Museums übergeben. Anfangs aufrecht, dann gebückt, geht die Fahrt weiter. Überall zeigen sich Risse und Schlupfe zwischen kantigen Trümmern. Hier zweigt ein enger Kriechgang ab, der unvermittelt in einem direkt nach der nächst tieferen Sohle abbrechenden Schlot mündet, dort ziehen verwickelte, ebenfalls nur auf allen Vieren zu passierende Klüfte wieder nach oben gegen die Kleine Höhle hinauf. Am Ende der Oberen Höhle angelangt, müssen wir kauernd und kriechend über Bruch und Blöcke hinweg in die dritte Sohle, die Mittlere Höhle. Diese liegt 15 Meter unter dem Nullpunkt und 10 Meter unter dem Eingang. Der Raum verläuft annähernd horizontal bei 4 m Breite und 10 m Länge; die Decke ist kaum mannshoch. STOLBERG schilderte weitere Teile der Höhle. Er druckte auch einen Höhlenplan ab, der 4 Höhlenniveaus enthält. Diese Bezeichnung machte den Plan unübersichtlich, denn diese Etagen sind in Wirklichkeit nicht vorhanden. 4.1. Die Diebeshöhle liegt stratigraphisch im Sangerhäuser Anhydrit. Wahrscheinlich liegt die wahre Höhlensohle auf der Grenze Basalanhydrit - Hauptdolomit bzw. Stinkschiefer. Es ist wahrscheinlich, aber nicht nachweisbar, daß sich die Höhle an einer Störung mit geringen Verwerfungsbetrag befindet. Nördlich der Störung beträgt das Fallen der Schichten 5°, südlich dagegen 30 bis 40°. 4.2. Das Gebiet, in dem die Höhle liegt, ist tektonisch stark beansprucht. Herzyne und erzgebirgisch streichende Hauptklüfte durchsetzen die Höhle intensiv. Das führt zu großen Verbrüchen. 4.3. Auf dem Acker vor der Diebeshöhle fanden sich Grauwacken, Granit und Feuersteine, sowie anderes Material, welches auf eine pleistozäne Überprägung hindeutet. Wahrscheinlich war die heutige Hochfläche nördlich der Diebeshöhle von einer elstereiszeitlichen Eiszunge bedeckt. Die Ablagerungen auf dem Acker stellen Grundmoränenmaterial dar. In der ersten Warmphase erfolgte ein Wasserangebot, welches unter anderem an der tektonisch labilen Stelle ansetzte und im verkarstungsfähigen Gestein Ponore entstehen ließ. 5. Ausblick Weitere große Fortsetzungen der Diebeshohle werden wohl nie freigelegt werden können, vorausgesetzt, es gäbe bedeutsame Räumlichkeiten. Die Höhle ist durch ihren Verbruchscharakter sehr gefährlich. Von ihrer legendären Tiefe und Größe bleibt bei näherer Betrachtung nicht viel übrig. Weitere archäologische Funde dürften unter gewaltigen Versturzmassen begraben sein, die in vorstellbarer Zeit wohl niemand bewegen wird. Außerdem ist ein Betreten der Höhle genehmigungspflichtig, da sie ein bestätigtes Naturdenkmal ist. Literatur
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