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Der Gips ist in Wasser sehr stark löslich. In einem Liter Wasser lösen sich etwa 2 Gramm des Gipsgesteins, 10 bis 30 mal mehr als bei Kalkgestein, das das wohl berühmteste Karstgebiet, die "Schluchten des Balkan" in Kroatien, bildet. Eine Besonderheit der Karstgebiete im Südharz ist also die hohe Geschwindigkeit, mit der die Lösungsprozesse hier ablaufen. Die Dynamik der Landschaftsentwicklung ist dabei durchaus in den von Menschen überschaubaren Zeiträumen wahrnehmbar. So entstehen jedes Jahr etliche Dolinen oder Erdfälle neu. Die besondere Situation im Südharz wird aber auch durch die relativ hohen Jahresniederschläge von mehr als 800 Millimeter bei Osterode im Westen des Gebietes und etwa 500 Millimeter bei Sangerhausen im Osten geprägt. Zwar gibt es in ariden Gebieten stellenweise oberflächlich anstehenden Gips in größerer Ausdehnung. Doch nirgendwo wurde der Gips durch die klimatischen Bedingungen und die Abflußwässer der letzten vier Eiszeiten so stark ausgelaugt und geformt wie im Südharz.

Landschaft im Wandel

Neben den Niederschlägen sind die aus dem Hochharz herangeführten Wässer von hoher Bedeutung für die Landschaftsentwicklung im Südharz. Die Flüsse und Bäche aus dem Harz treffen im Südharz auf die querverlaufende Barriere des Zechsteinausstrichs. Durch ober- und unterirdische Lösungsprozesse haben sich quer zum Harz sogenannte Auslaugungstäler gebildet. An den Südseiten sind meist beeindruckende Steilhänge im anstehenden Gips entstanden. An einigen Stellen wurden diese Bergzüge durch die Harzbäche zerschnitten. Besonders beeindruckend ist das schmale Durchbruchstal der Nasse im sachsenanhaltinischen Gebietsteil. Außer dem Gips kommen im geplanten Biosphärenreservat unter anderem die ebenfalls schwach lösungsfähigen Dolomite sowie tertiäre Sedimente häufig vor. Am Südrand des Gebietes werden die Gesteine des Zechsteins durch solche des Buntsandsteins überlagert.

Auf Gipsbuckeln können je nach Bodenreaktion Arten saurer und basischer Standorte unmittelbar nebeneinander vorkommen.

Seit vielen Jahrhunderten schon eine Kulturlandschaft

Die besondere geologische und naturräumliche Situation hat dem Wirtschaften des Menschen seit Jahrhunderten enge Grenzen gesetzt. Karstbuchenwälder konnten seit jeher nur naturnah bewirtschaftet werden. Im Gegensatz zum Hochharz fehlen deshalb hier großflächige Nadelholzforste. Die landwirtschaftliche Nutzfläche weist auch heute noch einen hohen Anteil an extensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden auf.

Die ungewöhnliche enge Verzahnung der unterschiedlichen Landschaftselemente ermöglicht es einer Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten in einem relativ eng begrenzten Gebiet zu leben. So wurden allein in den Magerrasen des thüringischen Gebietsteils 419 Pflanzenarten nachgewiesen, von denen 106 Arten in den Roten Listen der Bundesrepublik Deutschland oder der drei beteiligten Länder verzeichnet sind. Pflanzengeographisch stellt der Südharz eine "Übergangslandschaft" dar. Hier treffen die Verbreitungsgebiete kontinentaler, mediterraner und eurasiatisch- subatlantischer Arten aufeinander. Ihren Verbreitungsschwerpunkt haben die kontinentaien Arten in Osteuropa. Für den Färber Meier, den Dänischen Tragant und das Grauscheidige Federgras liegt im Südharz der Westrand ihres Verbreitungsgebietes. Mediterrane Pflanzenarten besiedeln im geplanten Biosphärenreservat vor allem extrem flachgründige, stark sonnenexponierte Magerrasen. Beispiele sind das Nadelröschen, der Berg-Gamander oder der Hufeisenklee. Eine weitere Besonderheit des Gebietes sind die sogenannten "dealpinen Reliktarten". Es handelt sich um Pflanzenarten, die an wenigen Wuchsorten in den Mittelgebirgen auftreten, sonst aber in den Alpen verbreitet sind.

Da sie keine Verbindung mehr zu den alpinen Vorkommen besitzen, nimmt man an, daß es sich um Relikte einer kühleren Klimaperiode handelt, während der die alpine Vegetation weit verbreitet war. Besonders in nordexponierten Blaugrasrasen kommen zahlreiche dealpine Arten wie zum Beispiel das Glatte Brillenschötchen oder das Kriechende Gipskraut vor.

Die Wildkatze erreicht im Ostharz die größte Dichte unter ihren deutschen Verbreitungsgebieten. Uhu, Kolkrabe, Schwarzstorch und Waldschnepfe kommen regelmäßig vor. In den Höhlen und Klüften sowie totholzreichen Karstbuchenwäldern finden Fledermäuse ideale Sommer- und Winterquartiere. Im Thüringer Teil des Gipskarstes liegt das für die vom Aussterben bedrohte Mopsfledermaus bedeutendste Überwinterungsquartier in Deutschland. Fadenmolch und Geburtshelferkröte haben ihre östliche Verbreitungsgrenze im Südharz. In feuchten Karstwäldern ist der Feuersalamander weit verbreitet, in den Trockenbiotopen finden wir die seltene Schlingnatter. Hier laufen im Herbst auch die zinnoberrot gefärbten Männchen der Röhrenspinne auf der Suche nach Weibchen umher.

Entwicklungsperspektiven

Um die einzigartige Karstlandschaft im Südharz zu schützen und im Sinne der "Agenda 21" der Vereinten Nationen nachhaltig zu entwickeln, beschlossen die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Thüringen bereits im Oktober 1992 zusammen mit Niedersachsen ein gemeinsames Biosphärenreservat einzurichten. Noch offene Fragen in Zusammenhang mit der Antragstellung sollten durch ein Gutachten geklärt werden, das die drei Länder unterstützt vom Bundesumweltministerium 1993 in Auftrag gaben. Dieses Gutachten liegt seit September 1997 der Öffentlichkeit vor. Die Bearbeiter empfehlen die Einrichtung eines Biosphärenreservates im Südharz und zeigen auf, daß die Region alle Anforderungen der seit 1996 geltenden Kriterien für die Anerkennung von

Die besondere geologische Situation hat zu einer großen Vielfalt an Karsterscheinungen auf engstem Raum geführt: Höhlen, Klüfte, Steilwände, Dolinen, Erdfälle, Quellkuppen, Bachschwinden und Karstquellen.

Das vielfältige Relief, verbunden mit einem großklimatischen Gradienten, hat auf engstem Raum Lebensräume mit teilweise sogar entgegengesetzten Standortbedingungen hervorgebracht. Während im westlichen Teil feuchte, kühle Schluchtwälder als Besonderheit vorkommen, sind im Osten des Gebietes an trockenwarmen Südhängen Eichenmischwälder anzutreffen. Auch kleinräumig unterliegen die Standortfaktoren starken Schwankungen. So finden wir in Erdfällen und Dolinen ideale Lebensbedingungen für seltene Farne und Pilze.

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