Abb. 1: Blick auf den „Igelsumpf“ bei Ellrich, die neue Heimstatt des vor dem Aussterben geretteten Gips-Fettkrautes. Foto: A. Beleites.
Friedrich Ebel Am 18.09.1979 suchten Dr. Stephan Rauschert † und der Verfasser dieser Zeilen den Standort des Gips-Fettkrautes im Naturschutzgebiet (NSG) „Alter Stolberg“ bei Stempeda im Landkreis Nordhausen auf. Wegen der dort aufkommenden Gehölze und der bereits damals schon zunehmenden Beschattung erschien Ebel der Fortbestand der Population stark gefährdet. Daher schlug er eine Umpflanzaktion vor. Rauschert, ein erfahrener Kenner der heimischen Vegetation, konnte sofort einen geeigneten Sekundärstandort nennen. So wurden noch an diesem Tage sieben Individuen des Gips-Fettkrautes im Winterknospenstadium an den „Igelsumpf“ bei Ellrich umgesiedelt. Inzwischen ist diese aus nur wenigen Pflanzen hervorgegangene Population auf 3000 – 4000 Individuen angewachsen (Schätzung am 24.06.2004 durch Robert Schönbrodt, Halle), was auch deshalb sehr erfreulich ist, da die Population des Gips-Fettkrautes im NSG „Alter Stolberg“ seit Ende der 1980er Jahre als erloschen gilt. Das Gips-Fettkraut besiedelt an seinem Sekundärstandort, der nunmehr mit seinem Umfeld als NSG „Igelsumpf“ verordnet wurde, einen von Gipsfelsen und Blaugrasfluren geprägten nordexponierten, aber lichtoffenen Unterhang eines Erdfalltrichters, 2 bis 8 m über der Wasseroberfläche. Da sich in den Gipsgebieten oft kleinflächig karstmorphologische Ereignisse abspielen, also beispielsweise ganze Hangpartien abrutschen können, ist auch dieser Standort gefährdet. Aus diesem Grund werden einerseits kleine Erhaltungskulturen des Gips-Fettkrautes in den Botanischen Gärten Halle und Jena aufgebaut, andererseits aber weitere ökologisch vergleichbare Standorte mit dem Ziel einer kontrollierten Ansiedlung dieser stenöken Pflanzensippe erkundet. Die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie sowie die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Nordhausen konnten für eine Suche nach geeigneten Standorten gewonnen werden. Es gilt also, luftfeuchte, von einem Fließ- (wie im NSG „Alter Stolberg“) oder Standgewässer (wie im NSG „Igelsumpf“) tangierte nordexponierte Gipsfels- und Gipsgeröllfluren aufzufinden. Empfehlenswert wäre auch eine Wiederbesiedlung des ehemaligen Standorts am „Alten Stolberg“ durch Individuen der Igelsumpf-Population. Voraussetzung wäre hier jedoch die Rodung gehölzbestandener Flächen. Zuvor sollte auch überprüft werden, ob ähnlich günstige Bodenfeuchtebedingungen wie am „Igelsumpf“ vorliegen. Möglicherweise hat sich am „Alten Stolberg“ in den letzten Jahrzehnten die unterirdische Wasserführung verändert, was neben der Beschattung ein weiterer möglicher Grund für das Erlöschen der Sippe am „Alten Stolberg“ sein könnte. Es sollte daher bei der Erhaltung gefährdeter oder vom Aussterben bedrohter Arten neben dem Schutz ihrer Population in NSG und FND/NDF vielmehr auf den Aufbau von Erhaltungskulturen in Botanischen Gärten unter der Voraussetzung der Eliminierung potentieller Kreuzungspartner orientiert werden. Besser noch ist die Einrichtung von Schutzgärten in der freien Landschaft, in denen die Gefahr einer Bastardierung ausgeschlossen bzw. minimiert ist und die Sippen in individuenreichen Beständen gehalten werden können.
Die Pflege der Pflanzen in den Erhaltungskulturen Botanischer Gärten und Schutzgärten bietet gegenüber den Umpflanz- und Auswilderungsaktionen den Vorzug, dass sie durch gärtnerische Fürsorge konkurrenzfrei bzw. -arm erfolgen kann. Daher wäre es wünschenswert, ähnlich wie im Botanischen Garten Halle, im Brockengarten und im Schutzgarten an der Kapenmühle bei Dessau (Gemeinschaftsprojekt des Biosphärenreservats „Mittlere Elbe“ und des Instituts für Geobotanik und Botanischer Garten der Martin-Luther-Universität Halle; Ebel 2001), auch im geplanten Biosphärenreservat „Südharz“ Erhaltungskulturen für gefährdete Pflanzenarten anzulegen. Danksagung Herrn Kurt Reinhard, Ellrich, danken wir für die jahrelange vorbildliche naturschutzfachliche Betreuung des „Igelsumpfes“. Literatur Casper, S. J. (2001a): “Pinguicula gypsophila Wallroth” (Lentibulariaceae) – eine “Gipsrasse“ aus dem Südharz. Inform. Florist. Kartierung Thüringen 20: 5-9. Casper, S. J. (2001b): New insights into the actual taxonomical status of the Thuringian Pinguicula gypsophila WALLROTH (Lentibulariaceae) ? Haussknechtia 8: 93-98. Ebel, F. (2001): Schutzgarten des Biosphärenreservats “Mittlere Elbe” und des Botanischen Gartens der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gärtnerisch-Botanischer Brief. Nr. 143: 4-8.
Dr. Friedrich Ebel Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 43: 41 - 42 |