Ueber einige der wichtigsten fossilen Säugethiere der Quartärzeit oder Diluvial-Periode in Deutschland mit besonderer Berücksichtigung des nordwestlichen Deutschlands und der Provinz Hannover. Vortrag, gehalten in der Sitzung der naturhistorischen Gesellschaft vom Amtsrath C. Struckmann. Nachdem in der tertiären Periode unserer Erde die Fauna des Meeres und des Festlandes nach dem Zeugnisse der zahlreich vorhandenen fossilen Reste bereits grosse Verwandtschaft zur jetzigen Thierwelt bekundet hat, wenn auch noch manche fremde Formen auftreten, von denen die jetzige Zeit keine Repräsentanten mehr aufzuweisen hat, so treten wir mit der Diluvial-Periode in ein geologisches Zeitalter ein, welches uns noch näher steht, ja welches uns ein ganz ungewöhnliches Interesse dadurch bietet, dass in diese Zeitperiode höchst wahrscheinlich das erste Auftreten des Menschengeschlechts fällt. Einzelne neuere Forscher glauben freilich Beweise aufgefunden zu haben, dass der Mensch bereits am Ende der Tertiärzeit gelebt hat; indessen ist dieses noch keineswegs als eine feststehende Thatsache zu betrachten; vielmehr werden die behaupteten Beweise von den namhaftesten Gelehrten bislang noch angezweifelt und bestritten. Und zwar sind es weniger fossile Knochenreste des |
Menschen, die zu so bedeutsamen Entdeckungen und Schlussfolgerungen Veranlassung gegeben haben, sondern roh bearbeitete Feuersteine, die, nachdem einmal der ausgezeichnete französische Gelehrte Boucher de Perthes vor etwa dreissig Jahren zuerst die Aufmerksamkeit auf diese überraschende und epochemachende Thatsache gelenkt hat, an vielen Orten, namentlich aber im Thale der Somme in ganz unzweifelhaften quartären Sand- und Kiesschichten und zwar nicht etwa nur in einzelnen Exemplaren, sondern in grösseren Mengen aufgefunden worden sind. Es sind dieses ganz roh bearbeitete Schneidewerkzeuge und Steinwaffen aus Feuerstein, die unter Umständen aufgefunden sind, die keinen Zweifel zulassen, dass jene alten Werkzeuge nicht etwa später in jene altdiluvialen Ablagerungen hinein gerathen sind, sondern dass dieselben gleichzeitig mit dem quartären Sand und Kies zur Ablagerung kamen. Jene Feuersteine können natürlich nur von den ältesten menschlichen Bewohnern jener Gegenden bearbeitet sein, und wenn auch menschliche Knochenreste in diesen alten Kiesschichten zu den äussersten Seltenheiten gehören und nur ganz einzeln und nicht eimal ganz zweifellos aufgefunden worden sind, so liefern jene Steine doch den sicheren Beweis, dass das Menschengeschlecht in der That bis in ein so hohes Alter hinaufreicht. |
bislang in diluvialen Kiesablagerungen noch nicht nachgewiesen worden, obwohl man in neuerer Zeit auch hier der ältesten Geschichte des Menschengeschlechtes die grösste Aufmerksamkeit schenkt. |
nicht zu verwechseln mit den polirten Feuerstein-Geräthen und Steinwaffen einer verhältnissmässig neueren Zeit, wie dieselben in unseren Gegenden und im ganzen nördlichen Deutschland, sowie namentlich auch in Dänemark häufig gefunden werden. Diese stammen grösstentheils aus alten Grabhügeln und gehören der s. g. jüngeren Steinzeit, dem neolithischen Steinalter an. |
des Flusses erheben; im Weserthale finden sich sogar auf weite Erstreckungen Geröll-Ablagerungen in einer Höhe von 30 bis 40 Meter über dem jetzigen Niveau des Stromes. Diese Erscheinungen lehren uns, dass die Flüsse in einem viel höher belegenen Bette geflossen sein müssen und dass die jetzigen Thäler erst allmälig ausgewaschen sind; ein lehrreiches Bild bietet uns in dieser Beziehung der Weserstrom zwischen Hessen-Oldendorf und der Porta bei Minden; die nördliche Thalwand, die Uferberge der eigentlichen Weser-Gebirgskette mit der Paschenburg, der Ludener-Klippe, dem Papenbrink und andern steilen Uferbergen fallen mit mehren hundert Fuss hohen steilen Wänden zum Strome ab; ihnen vorgelagert sind an vielen Stellen die oben erwähnten Kieshügel, die vor langen Zeiträumen, als die Weser noch in einem höheren Niveau floss, von den Fluthen des Stromes aufgehäuft worden sind. Es ist durchaus nicht erforderlich, zur Erklärung dieser Thatsachen die Wirkungen ungewöhnlicher Fluthen oder aussergewöhnlicher Ereignisse anzunehmen. Die Weser ist ohnehin als ein Gebirgsstrom zu betrachten, der auch jetzt noch im Frühjahr nach der Schneeschmelze zu erheblicher Mächtigkeit und Wildheit anschwellt; wahrscheinlich aber war das Klima unserer Gegenden zur Diluvialzeit ein kälteres wie jetzt; grössere Eis- und Schneemassen bedeckten die Gebirge und so mögen allerdings die Frühjahrsfluthen unserer Ströme und Flüsse eine erheblich grössere Gewalt wie zu jetziger Zeit besessen haben, so dass die Auswaschungen des engen Thales, namentlich wenn man bedenkt, dass auch das Gefälle des Stromes noch ein bedeutenderes war, und dass die weicheren Gebirgsschichten längst fortgewaschen worden sind, in weit grösserem Umfange wie zur jetzigen Zeit Statt fanden. |
Ufers wird von den Gesteinen der Kimmeridgeformation gebildet; der Kamm des Gebirges besteht aus den Schichten des unteren Weissen Jura (Coralrag; Oxford-Bildungen); ihnen vorgelagert ist eine um einige hundert Fuss niedrigere Terrasse, auf der z. B. die Schaumburg steht, die dem braunen Jura angehört; am linken Weserufer folgen sodann in grosser Ausdehnung die Keuperbildungen, meist aus quarzreichem Saudsteine bestehend; es fehlt aber an den meisten Orten das Zwischenglied in der geologischen Kette, die unteren Jurabildungen, der Lias. Dieser ist grösstentheils aus weichen thonigen Gesteinen zusammengesetzt, die der Gewalt des Wassers nur geringen Widerstand entgegen zu setzen vermögen, sie sind daher im Laufe der Jahrtausende grösstentheils fortgespült und es sind nur geringe Spuren davon übrig geblieben; z. B. die bekannten untern Liasschichten von Exten unweit Rinteln am linken Rande des Weserthals. Jenseits der Porta dagegen in der westlichen Fortsetzung des Gebirges zwischen Minden und Osnabrück, wo es an einem grösseren Strome und den Wirkungen desselben gefehlt hat, sind die Liasschichten überall in grosser Ausdehnung erhalten geblieben. |
dass der Mensch in der That bereits mit den grossen jetzt ausgestorbenen Säugethieren, namentlich dem Mammuth und dem Rhinoceros gleichzeitig gelebt hat; neuere sehr sorgfältige Beobachtungen und Forschungen lassen es jedoch als feststehende Thatsache betrachten, dass der Mensch allerdings bereits der Zeitgenosse jener grossen jetzt erloschenen Thierarten war.
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I. Erloschene Arten. Derselbe unterscheidet sich von dem jetzt lebenden braunen Bären (ursus arctos) durch seine bedeutende Grösse (er war etwa um 1/5 bis 1/6 grösser), durch seinen stärkeren Schädelbau und durch eine abweichende Anordnung der Zähne; einige Zoologen sind allerdings der Ansicht, dass er durch verschiedene Mittelstufen sich dem braunen Bären eng anschliesse und daher kaum eine eigene Species bilden dürfte; jedenfalls aber wird der Höhlenbär stets als eine wohl charakterisirte Varietät betrachtet werden müssen. |
Waldungen in erstaunlichen Mengen bewohnt haben; hat man doch berechnet, dass aus den zahlreichen Höhlen in Oberfranken bislang die Knochen von mehr denn 800 Individuen dieser Bärenart an das Tageslicht befördert worden sind. Nicht minder reich an fossilen Bärenknochen waren und sind zum Theil jetzt noch die bekannten Höhlen des Harzgebirges, namentlich die Baumanns- und Bielshöhle bei Rübeland und die Einhornshöhle bei Scharzfeld am südlichen Harze. Die westphälischen Höhlen, von denen die berühmtesten die Grürmanns-Höhle bei Lethmate, die Sundwigs bei Iserlohn, die zu Balve and Rösebach bei Bülow sind, haben eine ebenso reiche Ausbeute geliefert; ebenso sind von den Professoren Quenstedt und Fraas reiche Knochenhöhlen in den schwäbischen Kalksteingebirgen ausgebeutet worden. Und es vergeht eigentlich kein Jahr, in welchem nicht neue Höhlen aufgeschlossen werden. Im Sommer des verflossenen Jahres 1874 hatte ich Gelegenheit, verschiedene Höhlen in Oberfranken, in der Umgegend von Streitberg und Muggendorf zu besuchen und benutzte ich einen Tag zu Ausgrabungen in der berühmten und schon so viel durchforschten grossen sog. Zoolithenhöhle bei Burg Gailenreuth. Obwohl dieselbe seit Anfang dieses Jahrhunderts unzählige Male besucht und längst ihrer werthvollsten fossilen Knochen beraubt worden ist, so war meine Ausbeute innerhalb einiger Stunden dennoch keine ganz unbedeutende. Die ersten Abtheilungen der weit ausgedehnen Höhle sind fast völlig ausgeräumt; in die vierte Abtheilung steigt man auf einer schlüpfrigen Leiter 6 Meter tief hinab und sodann in die fünfte Abtheilung wieder etwas aufwärts. Auch hier ist freilich der Boden in früheren Jahren längst durchwühlt, und sind damals zalüreiche wohlerhaltene Bärenschädel aufgefunden worden. So glücklich war ich freilich nicht; dagegen gelang es mir, einen Winkel aufzufinden, in welchem theils unter den Brocken des von der Decke herabgefallenen Tropfsteines, theils in einer gelblichen Lehmschicht und endlich in einer schwärzlichen, sehr humosen und modrigen Erde, welche einen höchst unangenehmen Geruch verbreitete, |
zahlreiche Thierknochen eingebettet lagen; die meisten derselben und darunter auch sehr viele Zähne, gehörten dem Höhlenbären an; ausserdem fand ich Hyänen- und Löwenzähne. Abgesehen von diesen Thierknochen entdeckte ich noch unzweifelhafte Spuren menschlicher Bewohner dieser Höhle, indem ich einige Fuss unter der Oberfläche eine dünne schwarze Schicht bemerkte, welche fast ganz aus kleinen Holzkohlenstückchen bestand, die unter sich durch Kalksinter verbunden waren; in dieser Schicht lagen sodann eine erhebliche Menge von Scherben sehr grob gearbeiteter Thongefässe zerstreut; es dürfte hieraus gefolgert werden, dass die Höhle in früheren Jahren bewohnt oder mindestens von den Urbewohnern zeitweilig benutzt worden ist. Irgend welche Schlüsse auf das Alter dieser Bewohner zu ziehen, würde jedoch voreilig sein, weil diese Zoolithen-Höhle in früheren Jahren bereits oft durchwühlt worden ist und daher nicht mit Bestinnntheit angegeben werden kann, ob die verschiedenen Erdschichten noch in ihrer ursprünglichen Reihenfolge lagern. |
denselben liegen bald an den Abhängen der Berge; in anderen Fällen aber sind sie ursprünglich, wenn nicht nachträglich künstliche seitliche Eingänge hergerichtet worden sind, nur von Oben her zugänglich gewesen. Ein Theil der leicht zugänglichen Höhlen wird den wilden Thieren Generationen hinter einander zu Schlupfwinkeln gedient haben; sie sind in denselben gestorben und ihre Cadaver verfault; mit ihren eigenen Resten vermengt liegen diejenigen solcher Thiere, die ihnen zur Nahrung gedient haben. |
zu erläutern und um spätere Wiederholungen zu vermeiden. 2. Die Höhlenhyäne (hyaena spelaea). Die Höhlenhyähe steht ihrem Knochenbau nach der gefleckten Hyäne (h. erocuta) des südlichen Afrika so nahe, dass viele Zoologen sie von derselben nicht specifisch verschieden halten. Ihre Knochen finden sich zusammen mit denen des Höhlenbären in Spalten und Höhlen und sie muss zur quartären Zeit in unseren Gegenden ebenfalls sehr häufig gewesen sein; in einigen Höhlen, z. B. in der berühmten Höhle von Kirkdale in Yorkshire finden sich sogar fast ausschliesslich nur Hyänenknochen und sogar ihre Excremente, die zum grossen Theil aus unverdauten Knochenstücken bestehen, haben sich in dem Höhlenlehm noch sehr wohl erhalten. 3. Der Höhlenlöwe (Felis spelaea). Nach den in verschiedenen Höhlen aufgefundenen Resten, die es jedoch zweifelhaft lassen, ob dieselben einem grossen Löwen oder einem Tiger angehören, muss dieses Raubthier eine gewaltige Grösse besessen und selbst die stärksten noch jetzt lebenden Löwen an Grösse und Kraft überragt haben. Ob man mit Recht diese fossile Katze als eigene Species bezeichnet, ist bis jetzt noch zweifelhaft; neuere Forscher sind geneigt, dieselbe als eine grosse Varietät des jetzt noch lebenden Löwen zu betrachten. Dass Knochen des Höhlenlöwen im nördlichen Deutschland bereits aufgefunden sind, ist mir nicht bekannt geworden; sicher hat er aber zur quartären Zeit im mittleren Deutschland gelebt; denn in den fränkischen Höhlen werden seine Reste nicht selten gefunden; ich selbst war so glücklich, Fussknochen und Zähne desselben in der Geilennuther Zoolithenhöhle auszugraben. |
diese Raubthiere ausgerottet sind. Wie in heutiger Zeit der Löwe durch die fortschreitende Cultur allmälig aus Algier verdrängt wird, so hat auch der Löwe in Deutschland mit anderen grossen Raub- und Jagdthieren mit dem Verschwinden der undurchdringlichen Wälder und mit der Vermehrung der menschlichen Bevölkerung weichen müssen. 4. Das Mammuth (Elephas primigenius). Jedenfalls die interessanteste und auch wohl in weiteren Kreisen bekannteste Erscheinung unter den grossen Säugethieren der Diluvialzeit ist das Mammuth oder Mamont, der Ur-Elephant unserer Gegenden. Seine fossilen Reste sind fast über die ganze nördliche Erdhälfte verbreitet; in Nordamerika findet er sich von der atlantischen Küste bis zur Küste des stillen Oceans; im ganzen nördlichen Asien sind seine Ueberreste ausserordentlich häufig; in Europa kommt es mit Ausnahme etwa von Norwegen, dem südlichen Italien und Spanien überall vor. In Deutschland und speciell im nordwestlichen Deutschland und in der Provinz Hannover gehören die grossen Knochen und Zähne des Mammuths zu den ziemlich häutigen Erscheinungen in den diluvialen Ablagerungen. Bei uns finden sich dieselben am meisten in den quartären Kiesschichten der grösseren Flüsse, aber auch wohl auf dem Boden von Sümpfen und Seen; in ersterem Falle haben die Knochen und Zähne eine weisse Farbe und sind im frischen Zustande so weich, dass sie leicht mit dem Messer geschnitten werden können. An der Luft und namentlich beim raschen Austrocknen zerfallen dieselben leicht in kleine Splitter und Lamellen; es hat dieses darin seinen Grund, dass der thierische Leim zerstört worden ist und dadurch das Bindemittel fehlt. Man thut daher gut, die frisch gefundenen Ueberreste geschützt vor der Sonne an einem kühlen Orte langsam austrocknen zu lassen und dieselben sodann mit Leimwasser zu tränken, indem dadurch ein künstliches Bindemittel wieder geschaffen wird. Am besten lassen sich noch die Backenzähne conserviren, deren einzelne Lamellen von einer dicken Schmelzschicht bedeckt sind; fallen alsdann auch die einzelnen Zahnlamellen auseinander, so |
lassen sich doch diese leicht wieder zusammenleimen. Am schwersten zu erhalten sind dagegen die grossen Stosszähne. Die in Torfmooren und Sümpfen gefundenen Mammuthreste haben dagegen eine schwarze Farbe und es sind dieselben der raschen Zerstörung weit weniger ausgesetzt. |
Sibirien als Erwerbsquelle. Man findet die Ueberreste des Mammuths dort namentlich an den unterwaschenen Ufern der Flüsse und Ströme im diluvialen Lehm; wenn im Frühjahre die Flüsse aufgehen und der gefrorene Boden einige Fuss tief aufthaut, so bilden sich Abstürze an den steilen Ufern, wodurch die Knochen blosgedeckt werden. Auf diese Weise hat man sogar mehrfach schon die vollständigen Skelette von Mammuthen entdeckt, ja, was noch weit wunderbarer ist, einige Male schon die noch wohlerhaltenen Cadaver dieser längst ausgestorbenen Thiere mit der ganzen Fleischhülle und Haut und Haaren aufgefunden. |
eingetrocknet und an einem Ohre sass noch ein Haarbüschel; der Rüssel und der Schwanz fehlten bereits. Ein grosses Stück Haut war noch mit dichtem Wollhaar und einzelnen langen Haaren bedeckt. |
welche die Adams'sche Mammuthleiche gesehen haben, zu entnehmen. |
5. Das wollhaarige Nashorn (Rhinoceros tichorhinus Cuv). Man kennt verschiedene Species fossiler Nashörner aus den quartären Ablagerungen; am bekanntesten und vermuthlich in den nördlichen und unseren Gegenden am verbreitetsten ist jedoch das Rhinoceros tichorhinus mit zwei Hörnern, einem vorderen bis 3 Fuss langen und einem kürzeren dahinter stehenden, und einer verknöcherten Nasenscheidewand, die bei keinem lebenden vorkommt. Sein Körper war, wie man an wohlerhaltenen Rhinoceros-Cadavern im Eisboden Sibiriens bemerkt hat, ähnlich wie beim Mammuth, mit langen Haaren bedeckt; es ist, wie ich bereits früher erwähnt habe, der beständige Begleiter des vorweltlichen Elephanten in den diluvialen Ablagerungen; da wo Mammuth-Ueberreste vorkommen, kann man auch sicher sein, die fossilen Gebeine des Nashorns zu finden. Am leichtesten erkennt man dasselbe an den eigenthümlich geformten Backenzähnen, die in Anbetracht der Grösse hinter den Mammuthzähnen weit zurückbleiben. In der Umgegend Hannovers sind Knochen und Zähne des Rhinoceros nicht selten aufgefunden. 6. Der irische Riesenhirsch (Megaceros hibernicus) erreichte eine Höhe von 10 Fuss und zeichnete sich durch die Pracht seiner mächtigen Geweihe aus, dessen äusserste Spitzen 10 bis 12 Fuss auseinanderstanden, und die breite gewaltige Schaufeln bildeten; er wird daher in seiner Erscheinung etwa einem riesenhaften Elent gleichgekommen sein. Möglicherweise hat er noch in historischer Zeit gelebt und man hat wohl angenommen, dass im Nibelungenliede der „grimme Schelch“ darunter verstanden wird. Am häufigsten werden die Ueberreste des Riesenhirsches in den Torfmooren Irlands gefunden, aus denen man verschiedene vollständige Skelette an das Tageslicht befördert hat. In Deutschland kommen dieselben als Seltenheit vor, nament- |
lich im Löss des Rheinthales und der grösseren Nebenthäler desselben. Die naturhistorische Sammlung des hiesigen Museums besitzt das Bruchstück eines derartigen Geweihes, welches beim Bau der hannoverschen Südbahn in einem Kieslager unweit Göttingen gefunden sein soll; im Museum zu Detmold wird ein Geweihstück aufbewahrt, welches dort in der Nähe entdeckt worden ist. II. Arten von grösseren Säugethieren, 7. Der Moschusochs (Ovibos moschatus), richtiger wohl das Moschusschaf, da er einem grossen Schafbocke ähnlicher sieht, als einem Ochsen, scheint zur Diluvialzeit das ganze nördliche Europa und auch Deutschland bewohnt zu haben, während er jetzt in seiner Verbreitung auf die Nordpolar-Gegenden beschränkt ist. Man kennt dieses höchst interessante Thier schon längere Zeit aus dem arktischen Amerika, während es der zweiten deutschen Nordpolarexpedition vorbehalten blieb, dasselbe im Jahre 1869 auch auf der Ostküste von Grönland und namentlich auf der Shannon-Insel zu entdecken. Dieser eigenthümliche Wiederkäuer ist ein Mittelding zwischen Schaf und Ochse, hat ein zottiges wildes Aussehen; die Beine sind kurz; der Körper ist mit lang herabhängenden dunkeln Haaren bedeckt und der Kopf bürgt zwei colossale, am Grunde mit einander verwachsene Hörner; er lebt heerdenweise auf den eisigen mit Schnee bedeckten Gefilden des hohen Nordens. Aus unseren Gegenden scheint derselbe schon früh verschwunden zu sein; denn es sind keine historischen Erinnerungen mehr an denselben vorhanden. Zur Diluvialzeit aber bewohnte er sicher Deutschland und die angrenzenden Länder, wenn seine fossilen Ueberreste bislang auch nur selten aufgefunden sind; man kennt dieselben aus der Gegend von Merseburg, Berlin und Jena, und kürzlich hat Ferd. Roemer das Vorkommen auch aus Schlesien nachgewiesen. In England und Frankreich ist der Moschusochse einige Male auf- |
gefunden worden, und aus Sibirien kennt num einige fossile Schädel schon seit längeren Jahren. 8. Das Renthier (Cervus tarandus). Eines der interessantesten und nächst dem Mammuth und Höhlenbären wichtigsten Thiere der Quartärzeit ist das Ren, welches bekanntlich zur Zeit nur mehr den hohen Norden Europa's, Asiens und Amerika's, sowie die Nordpolar-Länder Grönland, Spitzbergen und Novaja Semlja bewohnt, während es sich zur Diluvialzeit viel weiter nach Süden verbreitete und in Deutschland, Frankreich und England in grosser Anzahl vorkam. Soweit der Mensch bis jetzt nach Norden vorgedrungen ist, so weit hat er auch das Renthier gefunden. Auf den bewaldeten Höhen des Uralgebirges lebte es noch im vorigen Jahrhundert; jetzt ist es von dort verdrängt. Wild lebt es jetzt noch auf den Alpengebirgen Scandinaviens, in Lappland und Finnland; im Bergeuer Stift, auf dessen Hochgebirgen es lebt, reicht es bis zum 60. Grad nördlicher Breite hinab. Cäsar erwähnt das Vorkommen des Ren's in den hercynischen Wäldern; er scheint es selbst aber nicht gesehen zu haben. In Deutschland und im westlichen Europa ist die Art jetzt erloschen. In der diluvialen Periode hat es gleichzeitig mit dem Mammuth und dem Rhinoceros, wahrscheinlich auch gleichzeitig mit dem Höhlenbär bei uns gelebt; die menschlichen Urbewohner haben dasselbe fleissig gejagt; denn man findet die gespaltenen und des Marks beraubten Knochen vielfach in süddeutschen Höhlen; wahrscheinlich ist es erst nach dem Mammuth in unseren Gegenden ausgestorben. Aus den Kjökkenmöddings Dänemarks und aus den Pfahlbauten der Schweiz kennt man es nicht; dagegen sind seine Ueberreste in den Knochenhöhlen der Schweiz nachgewiesen. Es findet sich in Deutschland zugleich mit dem Mammuth und Rhinoceros in diluvialen Kieslagern; auch hat man es in Torfmooren aufgefunden; namentlich häufig aber sind seine Ueberreste in einigen süddeutschen Höhlen entdeckt worden. Dr. Oscar Fraas hat darüber namentlich auf Grund seiner Funde im „Hohlenfels“ bei Ulm sehr interessante Beob- |
achtungen gemacht und darauf hingewiesen, wie das Renthier nach den gemachten Höhlenfunden den alten Bewohnern nicht allein zur Nahrung, sondern auch als Material zur Herstellung ihrer einfachen Instrumente und Haushaltsgegenstände gedient hat. Die Geweihe wurden zu Waffen, Nadeln, Hammern, Angelhaken und anderen Werkzeugen bearbeitet; der Schädel wurde sorgfältig geglättet und diente wahrscheinhch als Schöpf- und Trinkgefäss, die Röhrenknochen der Extremitäten endlich wurden gespalten, ihres Marks entleert und sodann vielfach zu Spitzen verarbeitet. Dass die Felle zur Bekleidung gedient haben, ist höchst wahrscheinlich, aber nicht mit Sicherheit nachgewiesen. 9. Der Auerochs oder Wisent (Bison priscus Bojanus) ist mit dem amerikanischen Bison wenn nicht identisch, so doch jedenfalls sehr nahe verwandt; er war in alten Zeiten in Deutschland und im ganzen westlichen Europa sehr verbreitet und seine Ueberreste finden sich sowohl im diluvialen Flusskies, wie in den Knochenhöhlen, in Torfmooren und in den Pfahlbauten der Schweiz. Im Kies des Leinethales sind seine mächtigen Hörner mehrfach vorgekommen. Der |
Wisent ist aus Europa jetzt fast verschwunden; im Anfange des 17. Jahrhunderts lebte das Auerwild noch in ziemlich grosser Anzahl in Ostpreussen und zwar in dem Walde zwischen Tilsit und Labian; der letzte preussische Auerochs soll im Jahre 1755 den Kugeln eines Wilddiebs erlegen sein. Der jetzige Aufenthalt desselben in Mitteleuropa beschränkt sich auf den etwa 17 Quadrat-Meilen enthaltenden Bialowieser Wald in Lithauen, in welchem er unter dem Schutz strenger Jagdgesetze steht. Im Jahre 1857 soll seine Anzahl noch 1898 Stück betragen haben. 10. Das Elent (Cervus alces) ist der grösste der jetzt noch lebenden Hirsche, aber auch |
dem Aussterben nahe. Zu Cäsar's Zeiten war es wahrscheinlich noch über ganz Deutschland verbreitet; nach Albertus Magnus gab es in den Wäldern Preussens, Slavoniens und Ungarns noch eine Menge dieser Thiere. Um das Jahr 1500 war das Elenwild in Pomesanien noch häufig. Nach dem siebenjährigen Kriege wurde dasselbe, da es bereits sehr decimirt war, in Ostpreussen unter den Schutz strenger Jagdgesetze gestellt; indessen ist es daselbst jetzt auf einige Punkte beschränkt und trotz aller Sorgfalt scheint es sich eher zu vermindern wie zu vermehren; die bessere Cultur des Waldes scheint seinem Gedeihen hinderlich zu sein. In Skandinavien, in Russland, in Finnland und in den russischen Ostseeprovinzen kommt das Elent ebenfalls noch regelmässig vor. Fossile Elengeweihe werden in Deutschland vorzüglich in Torfmooren nicht ganz selten gefunden; namentlich sollen dieselben bei Braunschweig häufiger vorgekommen sein. 11. Der Vielfrass oder richtiger Fjalfras, d. h. Felsenbewohner Seine Ueberreste werden nicht selten in Höhlen zusammen mit den Knochen des Höhlenbären, z. B. in den fränkischen Höhlen gefunden; auch hat man noch historische Nachrichten, dass derselbe früher in Deutschland angetroffen ist. Jetzt ist derselbe nach dem hohen Norden zurückgedrängt, wo er die Waldregionen bewohnt; man findet ihn von Norwegen, Schweden und Lappland bis Kamtschatka; wahrscheinlich ist auch die nordamerikanische Wolverene nicht specifisch verschieden. III. Arten von Säugethieren, die noch jetzt mehr Es ist bereits von mir hervorgehoben, dass derselbe gleichzeitig mit dem Bison oder Wisent zur Quartärzeit in |
Deutschland wild gelebt hat. Die fossilen Schädel und Skelette des Ur's sind als Art vom Hausrinde nicht zu trennen; man hält denselben daher fast allgemein für die Stammform des Hausochsen und es wird von den Zoologen vielfach angenommen, dass derselbe noch bis zum 16. Jahrhundert in den Wäldern Polens neben dem Wisent wild vorgekommen sei. Auch in England scheint sich die Art lange Zeit wild erhalten zu haben; die berühmten halbwilden Rinder von Chillingham in Schottland werden allgemein für die verkümmerten Nachkommen des Urstiers gehalten. Erst in neuerer Zeit hat der ausgezeichnete schweizerische Naturforscher Rütimeyer Bedenken gegen die Abstammung des Hausrindes vom Ur geäussert, sich vielmehr dahin ausgesprochen, dass die zahlreichen Knochenreste aus den schweizerischen Pfahlbauten, welche der kleinen zahmen sog. Torfkuh angehören, eher auf eine Abstammung der letzteren vom Zwergochsen (Bos longifrons), welcher in Skandinavien wild gelebt hat, schliessen lassen, als auf eine Abstammung von den gewaltigen Urstieren. Die grossen Hörner der Ur's sind verschiedentlich, namentlich in jüngeren Ablagerungen (Alluvionen, Torflagern) der Provinz Hannover aufgefunden worden. 13. Das wilde Pferd (Equus Caballus fossilis). Die fossilen Ueberreste wilder Pferde finden sich in den diluvialen Kiesablagerungen Europa's und in den Höhlen überall häufig und zwar schon zusammen mit den Knochen des Mammuths; in der Umgegend Hannovers sind fossile Pferdezähne im Diluvialkies, z. B. des Leinethales gar nicht selten. Das fossile Pferd scheint von den jetzigen wilden Pferden, wie dieselben noch in grossen Heerden in Centralasien vorkommen, kaum verschieden gewesen zu sein; es hat nach der Häufigkeit der vorkommenden Ueberreste offenbar in grosser Anzahl in Deutschland gelebt und vielfache Funde in Höhlen liefern den deutlichen Beweis, dass es den menschlichen Urbewohnern zur beliebten Nahrung gedient hat. Ob die alten Höhlenmenschen bereits die Kunst verstanden haben, dasselbe zu zähmen, mag dahingestellt bleiben. |
Das wilde Pferd ist offenbar mit dem Fortschreiten der Cultur allmälig aus dem westlichen Europa verdrängt; im elften Jahrhundert soll dasselbe noch in der Schweiz und bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts noch wild in Ostpreussen und Lithauen vorgekommen sein. 14. Der Edelhirsch (Cervus elaphus). In den meisten diluvialen Ablagerungen Deutschlands gehören Ueberreste, namentlich Geweihe des Hirsches zu den häufigsten Erscheinungen; sie lassen sich von den jetzt lebenden nicht unterscheiden, zeichnen sich nur häufiger durch ungewöhnliche Dicke und Grösse der Geweihstangen aus. Sie kommen bereits in den älteren Kiesablagerungen zusammen mit den Resten des Mammuths vor, finden sich aber auch ebenso oft in jüngeren Schwemmgebilden und in Torflagern. In Höhlen und in Pfahlbauten werden bearbeitete Hirschgeweihe vielfach angetroffen. In den Kiesgruben des Leinethales sowohl wie der Wesergegend gehören fossile Geweihe der Edelhirsche zu den häufigsten Vorkommnissen. |
will ich noch bemerken, dass vor zwei Jahren beim Bau der Eisenbahnbrücke über die Innerste an den Zwerglöchern unweit Hildesheim in einer Tiefe von etwa 5 Metern unter der jetzigen Sohle des Flusses in einer Geröll-Ablagerung zwei menschliche Schädel, von denen der eine sehr wohl erhalten, mit einem Hammer aus Hirschhorn, einigen Geweihstücken vom Edelhirsche, einem Halswirbel des Bos priscus und einem Wolfsschädel gefunden worden sind. Der Hammer erinnert an Werkzeuge, wie dieselben in den schweizerischen Pfahlbauten vorkommen. Die Geröll-Ablagerung dürfte dem älteren Alluvium angehören. 15. Der Biber (Castor fiber). Der Biber, dessen Knochen einzeln in den Schwemmgebilden, in Torflagern und in Höhlen schon zusammen mit dem Höhlenbär gefunden worden, ist jetzt in Deutschland fast vollständig ausgerottet, während er früher eine sehr allgemeine Verbreitung gehabt zu haben scheint. Nach Blasius soll er noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts im Lüneburg'schen und in der Umgegend von Braunschweig, bis vor etwa 20 Jahren in Westphalen an der Lippe vorgekommen sein. An der Havel und an der Elbe zwischen Magdeburg und Wittenberg in der Gegend von Aken hat er noch bis zum Jahre 1848 in ziemlicher Anzahl gelebt; seitdem aber sind seine Colonien fast der Ausrottung nahe gebracht. Nach Brehm sollen sich neuerdings wiederum einige Biber bei Wörlitz angesiedelt haben und hier durch den Herzog von Anhalt sorgsam gepflegt werden. |
das Flusspferd (Hippopotamus major), eine der jetzt noch lebenden afrikanischen jedenfalls sehr nahe verwandte Art, vorgekommen zu sein, dessen Ueberreste im südlichen Europa und in England häufiger gefunden werden. Das Mammuth hatte in denselben Gegenden noch einen Verwandten an einer zweiten Elephanten-Art, die dem noch jetzt lebenden afrikanischen Elephanten sehr nahe gestanden hat, und auch das Nashorn scheint in verschiedenen Arten aufgetreten zu sein. Die Ueberreste des Fuchses, Wolfs und Luchses finden sich in den Knochenhöhlen; das Wildschwein war in älteren Zeiten über ganz Deutschland verbreitet; ob dasselbe bereits zur Diluvialzeit lebte, ist freilich noch nicht erwiesen; die unverkennbaren Hauzähne finden sich meist in jüngeren Ablagerungen und Torfmooren, aber auch in den Höhlen. |
sich gänzlich unterworfen und in veränderter meist verkümmerter, nur selten veredelter Gestalt dienen sie ihm als Hausthiere und treue Genossen seines Lebens; nur wenige grössere Thiere der alten Zeit beleben noch jetzt im wilden Zustande unsere Wälder; sie werden geduldet und gehegt, weil sie dem Menschen durch ihre Jagd Nutzen und Vergnügen gewähren; nur selten und in ausgedehnten Gebirgswaldungen, in schwer zugänglichen Schlupfwinkeln haben sich noch einige wilde Thiere, wie Wolf, Wildkatze und Luchs erhalten, auf deren gänzliche Ausrottung der Mensch jedoch fortwährend eifrig Bedacht nimmt, so dass die Zeit nicht mehr fern ist, in der auch die letzten eigentlichen wilden Thiere aus Deutschland verschwunden sein werden. Anhang Verzeichniss derjenigen Schriften, die ich bei der Ausarbeitung dieses Vortrages benutzt habe.
Ausserdem sind noch einzelne Nachrichten aus anderen Schriften und Zeitschriften benutzt worden. |
Jahresbericht Naturhistorische Gesellschaft Hannover 24:129-156