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Über die bisher in der Provinz Hannover und den unmittelbar angrenzenden Gebieten aufgefundenen fossilen u. subfossilen Reste quartärer Säugetiere.

Von Dr. C. Struckmann.


Im Jahre 1875 habe ich im 24. Jahresberichte der naturhistorischen Gesellschaft in Hannover einen Aufsatz „über einige der wichtigsten fossilen Säugethiere der Quartärzeit oder Diluvialperiode in Deutschland mit besonderer Berücksichtigung des nordwestlichen Deutschlands und der Provinz Hannover“ veröffentlicht. Seitdem habe ich der Verbreitung fossiler und subfossiler Säugethierreste in der Provinz Hannover und den unmittelbar angrenzenden Gebietstheilen fortwährend meine Aufmerksamkeit zugewandt, auch meine früheren Beobachtungen durch zahlreiche neue Funde ergänzen können. Während die frühere Uebersicht sich auf die fossilen Säugethierreste der älteren Quartärzeit oder Diluvialperiode beschränkte, habe ich bei der vorliegenden Zusammenstellung auch die Reste der jüngeren Quartärzeit oder der Alluvialperiode, soweit dieselben der vorhistorischen Zeit angehören, berücksichtigt. Reste aus unzweifelhaft recenten, in historischer Zeit entstandenen Bildungen sind dagegen ausser Acht geblieben. Während die diluvialen Knochenreste grösstentheils einen echt fossilen Erhaltungszustand aufweisen, besitzen die Ueberreste aus den jüngeren Ablagerungen eine mehr oder weniger frische, beziehungsweise eine subfossile Beschaffenheit, indem der in den Knochen enthaltene thierische Leim minder vollständig zerstört worden ist.
Unsere Kenntniss der älteren Wirbelthier-Fauna unserer Provinz hat durch meine in den Jahren 1881 und 1882 mit Unterstützung der hiesigen provinzialständischen Verwaltung vorgenommenen umfangreichen Ausgrabungen in der Einhornhöhle bei Scharzfeld am südlichen Harzrande keine unerhebliche Bereicherung erfahren. Während ich in Betreff

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aller Einzelheiten auf meine bezüglichen Publikationen 1) Bezug nehme, will ich hier nur erläuternd bemerken, dass die Höhle sich im Zechsteindolomit befindet, eine Länge von 251 m besitzt und auf dem Boden Anhäufungen von Schutt und Lehm enthält, welche an einzelnen Stellen eine Mächtigkeit von 5 m erreichen und durch horizontale Tropfsteinplatten in verschiedene Schichten gesondert werden, welche ganz verschiedenen Altersperioden angehören. Ich nehme an, dass die untersten Ablagerungen mit überaus zahlreichen Resten des Höhlenbären, in welchen aber keine Spur von der Anwesenheit des Menschen hat nachgewiesen werden können, dem unteren Diluvium angehören und bis in die Glacialzeit hinaufreichen, während die mittleren Schichten, welche von mir als dritte und zweite Kulturschicht bezeichnet sind und neben zahlreichen fossilen Resten des Höhlenbären und anderer Diluvialthiere auch einzelne menschliche Artefacte enthalten, dem oberen Diluvium werden zugerechnet werden müssen. Die obere bezw. jüngste Kulturschicht dagegen mit Knochenresten von verhältnissmässig frischer Beschaffenheit und mit zahlreichen rohen Artefacten aus Stein, Thon und Knochen, auch einzelnen Geräthen aus Bronce und Eisen wird aus dem Alt-Alluvium bezw. aus dem neolithischen Zeitalter bis in das Jung-Alluvium bezw. bis in die historische Zeit hineinreichen. Die betreffenden Ueberreste werden auf dem Provinzial-Museum in Hannover aufbewahrt. Zahlreiche andere Knochenfunde sind bei Gelegenheit von Eisenbahnarbeiten und insbesondere bei der Ausbeutung


1) Bisher kommen folgende Arbeiten des Verfassers in Betracht:
a.C. Struckmann, die Einhornhöhle bei Scharzfeld am Harz.
I. Theil. Archiv für Anthropologie. Band XIV. Seite 191—234. Tafel VIII bis X.
II. Theil. Ebendaselbst. Bd. XVI. S. . Tafel VIII und IX. (Im Druck begriffen.)
b.Referat über einen Vortrag, gehalten auf der 30. Versammlung der deutschen geologischen Gesellschaft in Meiningen. Leopoldina Heft XIX. Seite 67—70. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Band XXXIV (1882). Seite 664 - 672.

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von diluvialen Kiesablagerungen in unseren grossen Flussthälern namentlich im Weser- und Leinethale gemacht worden. Diese Kiesablagerungen erreichen theilweise eine sehr erhebliche Mächtigkeit, z. B. im Weserthale bei Emmern, am Bahnhofe zu Hameln, am Bockshorn unweit Rinteln und im Leinethale bei Northeim, Banteln, Ricklingen unweit Hannover und Seelze zwischen Hannover und Wunstorf. Die meisten Knochenreste diluvialer Säugethiere pflegen sich in den untersten Kieslagen unmittelbar über einer Lehm- und Thonschicht zu finden, welche die untere Grenze der abbauwürdigen Kiesschicht bezeichnet; wahrscheinlich gehören dieselben der älteren Diluvialzeit an. Einzelne fossile Knochen kommen dagegen auch in den höheren Kiesschichten vor und werden dem jüngeren Diluvium angehören. Endlich werden auch im oberen Abraum der Kiesgruben, nicht selten zusammen mit Todtenurnen und prähistorischen Geräthen, Knochenreste von frischerer Beschaffenheit gefunden, welche dem Alluvium angehören.
Eine weitere ergiebige Fundgrube für diluviale Säugethierreste sind die mit Lehm ausgefüllten Gebirgsspalten, namentlich in den Gypsbrüchen am Südrande des Harzes, in den Gypsbrüchen bei Gr. Giesen unweit Hildesheim und anderen Orten, in früheren Jahren auch am Sudmerberg bei Goslar.
Ferner haben in der Ebene Mergelgruben und Torflager, Sümpfe und Schlammablagerungen manche Ausbeute geliefert. Leider lässt sich nicht in allen Fällen, insbesondere bei den älteren Funden, das geologische Alter der Knochen mit Genauigkeit feststellen. Selbst bei neueren Vorkommnissen ist es oft zweifelhaft, ob ein Torflager dem Diluvium oder Alluvium angehört. Die ältere Literatur ist, soweit die Angaben zuverlässig erscheinen, thunlichst von mir berücksichtigt worden.
Sämmtlichen Fachgenossen und sonstigen Freunden, die mich bei meiner Arbeit durch gütige Mittheilungen unterstützt haben, spreche ich an dieser Stelle meinen verbind-

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liebsten Dank aus, namentlich den Vorständen und Besitzern der grösseren paläontologischen Sammlungen in unserer Provinz, die mir bereitwilligst Kenntniss von den an den verschiedenen Orten aufbewahrten Säugethierresten gegeben haben.
Die Aufzählung der nachgewiesenen Ueberreste erfolgt in zoologischer Reihenfolge.

I. Fledermäuse.

Seit längeren Jahren sind bereits die von Herrn Professor Ulrich in einer diluvialen (wahrscheinlich postglacialen) Knochenbreccie in Spalten des Sudmerberges bei Goslar entdeckten, von Giebel und Nehring bestimmten Fledermausreste bekannt. 2)
Sehr zahlreiche Ueberreste von Fledermäusen, darunter viele gut erhaltene Schädel, sind von mir ferner aus der Einhornhöhle zu Tage gefördert; dieselben fanden sich grösstentheils in der oberen Kulturschicht und sind auf meine Bitte von Herrn Professor Dr. K. Th. Liebe in Gera bestimmt worden. Zwar enthielt auch der jüngere diluviale Höhlenlehm einzelne Fledermausknochen; indessen liessen dieselben keine sichere Art-Bestimmung zu. Die sämmtlichen angeführten 6 Arten kommen nach Blasius noch jetzt lebend am Harze vor.
1.Plecotus auritus L. Langöhrige Fledermaus.
Sudmerberg. (?) Häufig in der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle.
2.Synotus Barbastellus Schreb. Breitöhrige Fledermaus.
Obere Kulturschicht der Einhornhöhle, mehrfach.
3.Vesperugo serotinus Schreb, Spätfliegende Fledermaus.
Obere Kulturschicht der Einhornhöhle, mehrfach.


2) A. Nehring, Uebersicht über 24 mitteleuropäische Quartär-Faunen. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXXI (1880). S. 476. Auf diese Abhandlung wird häufiger von mir Bezug genommen werden.

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4.Vespertilio murinus Schreb. Gemeine Fledermaus.
Sudmerberg; einzeln in den jüngeren Ablagerungen der Einhornhöhle.
5.Vespertilio mystacinus Leisler. Bartfledermaus.
2 Schädel aus der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle.
6.Vespertilio Daubentonii Leisler. Wasserfledermaus.
Nur wenige Reste aus der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle.

II. Insektenfresser.

7.Talpa europaea L. Maulwurf.
Wenige Reste aus den jungdiluvialen und den alluvialen Schichten der Einhornhöhle.
8.Sorex pygmaeus Pall. Zwergspitzmaus.
Ein wohlerhaltener Unterkiefer aus der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle.
9.Erinaceus europaeus L. Igel.
Reste von 2 Individuen aus der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle.

III. Raubthiere.

10.

Felis catus L. Wildkatze.
Sehr selten in den oberen diluvialen, häufiger in den jüngeren Ablagerungen der Einhornhöhle. Die Wildkatze findet sich noch jetzt lebend in den Waldungen der Provinz Hannover.

11.

Felis (Leo) spelaea Goldf. Löwe.
Mit Sicherheit bislang nur vom Südrande des Harzes nachgewiesen. Bereits Leibnitz hat in seiner Protogaea, Tafel XI, Figur1, ein Schädelstück desselben aus der Einhornhöhle abgebildet, welches jetzt auf dem geologischen Museum der Universität Göttingen aufbewahrt wird. Nach Hausmann 3) soll auch Blumenbach die Reste eines Tigers oder löwenartigen Raubthieres in derselben Höhle entdeckt haben. Von mir selbst sind mehrfache unzweifelhafte Reste des Löwen sowohl in den altdiluvialen als in den jüngeren


3) Braunschw. Magazin v. Jahre 1808. Nr. 41.

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diluvialen Schichten der Einhornhöhle, in letzteren zusammen mit Spuren der Anwesenheit des Menschen aufgefunden worden. Es ist daher anzunehmen, dass dieses Raubthier seine Streifzüge bis in das nördliche Deutschland noch zu einer Zeit ausgedehnt hat, als dasselbe bereits von Menschen bewohnt war, eine Annahme, welche auch mit den älteren Entdeckungen von Liebe 4) und Nehring 5) übereinstimmt. Endlich bildet Cuvier 6) das Fragment eines Unterkiefers und einen Metatarsus ab, welche im Jahre 1806 zwischen Osterode und Scharzfeld gefunden wurden und welche sich damals im Besitze von Blumenbach befanden.

12.

Felis antiqua Cuv.
Einzelne Knochenreste und Zähne aus den tiefsten Lehmschichten der Einhornhöhle, welche auf eine Katzenart von der Grösse eines Panthers schliessen lassen, werden nach den von Schmerling in seinem bekannten Werke: „Recherches sur les ossemens fossiles decouverts dans las cavernes de Liege“ gegebenen Abbildungen von Belgischen Knochenresten auf vorstehende Art zu beziehen sein.

13.

Hyaena spelaea Goldf. Höhlenhyäne.
So viel mir bekannt, sind Hyänenreste bislang nur am Harze und im Göttingenschen gefunden. Von Krüger und Cuvier 7) wird die Baumannshöhle als Fundort bezeichnet; aus den Spaltausfüllungen im Gj'psgebirge bei Osterode (Dorste) sind bereits seit langen Jahren derartige Ueberreste bekannt; 8) ich selbst besitze ein schönes Unterkieferfragment aus den Spalten der Gypsbrüche bei Forste unweit


4) Die Lindenthaler Hyänenhöhle. II. Stück. 1878. S. 6.
5) Die quarternären Faunen von Thiede und Westeregeln nebst Spuren des vorgeschichtlichen Menschen. Separatabdr. aus Archiv für Anthropologie. Bd. X. (1877.) S. 58.
6) Ossemens fossiles. Tom. IV. 1823. pag. 452 und 455, Taf. XXXVI, Fig. 2 und 8.
7) Geschichte der Urwelt. II. Theil. 1823. S. 852. Ossemens fossiles. Tom. IV. pag. 393.
8) Blumenbach, Specimen Archaeologiae Telluris alternum ; in d. Commentationibus Soc. Reg. Scient. Gottingensis. 1816. Vol. III. pag. 12.

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Osterode; von derselben Lokalität enthält das hiesige Provinzial-Museum und die Sammlung der Königlichen Bergakademie zu Clausthal ziemlich zahlreiche Hyänenreste. Wenn auch die Scharzfelder Höhle von Cuvier 9) als Fundort aufgeführt wird, so beruht dieses vielleicht auf einer Verwechselung der Lokalität, indem ich in derselben bei meinen umfangreichen Ausgrabungen keine Spur von Hyänenresten habe entdecken können. Dagegen werden in der Clausthaler Sammlung derartige Reste aus dem Diluvium beim Dorfe Scharzfeld aufbewahrt, einem Fundorte, welcher auch mehrfach Mammuthknochen geliefert hat. Endlich ist ein Schädelfragment der Hyaena spelaea aus den Spaltausfüllungen im Buntsandsteine von Mariaspring unweit Göttingen bekannt. (Göttinger palaeontologisches Museum.)

14.

Canis lupus L. (Lupus vulgaris fossilis Woldrich. 10) Gemeiner Wolf
In den älteren und jüngeren diluvialen Ablagerungen der Einhornhöhle sind ziemlich zahlreiche Wolfsreste von mir gefunden worden, ferner zwei Unterkieferfragmente und verschiedene Extremitäten-Knochen in den Spaltausfüllungen der Gypsbrüche bei Forste unweit Osterode am Harz. Die Sammlung der Königlichen Bergakademie in Clausthal enthält Wolfsreste aus dem Diluvium beim Dorfe Scharzfeld. Aus alluvialen Bildungen sind mir keine Funde bekannt geworden, obwohl der Wolf noch vor wenigen Jahrzehnten einzeln in der Provinz vorgekommen ist. Meines Wissens sind die letzten Exemplare, deren Bälge auf dem hiesigen Provinzial-Museum ausgestopft stehen, 1839 in der Oberförsterei Knesebeck und 1851 im Wietzenbruche geschossen worden.

15.Canis familiaris matris optimae Jeitteles. Haushund (Broncehund).


9) Ossemens fossiles. Tom. IV. pag. 293.
10) Woldrich, über Caniden aus dem Diluvium. Abdruck aus dem XXXIX. Bande der Denkschriften der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien. 1878. S. 20.

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Von dieser im Zahn- und Knochenbau einem grossen Windhunde sehr nahe stehenden Art sind zahlreiche wohlerhaltene Reste von jungen und alten Individuen, insbesondere eine ganze Reihe schöner, völlig übereinstimmender Unterkieferäste von mir in der oberen prähistorischen Kulturschicht der Einhornhöhle ausgegraben worden. Ferner besitze ich in meiner Sammlung einen dieser Art angehörigen Schädel, welcher im Jahre 1873 bei den Fundamentirungsarbeiten an der Eisenbahnbrücke über die Innerste an den sogenannten Zwerglöchern bei Hildesheim zusammen mit einigen menschlichen Schädeln, einem Hirschhornhammer, einigen Knochen des Edelhirsches und einem Halswirbel von Bos priscus zu Tage gefördert wurde. Endlich wurde ein gleicher Schädel im Jahre 1881 zusammen mit einigen menschlichen Knochen in einer alluvialen Kiesablagerung des Leineflusses 3 — 4 m unter der Oberfläche bei Niedernjesa unweit Göttingen gefunden, der jetzt in meiner Sammlung aufbewahrt wird. Der prähistorische Haushund mag von den alten Bewohnern zugleich als Jagd- und als Hirtenhund benutzt sein, hat indessen, wie die Untersuchung der Reste aus der Einhornhöhle ergeben hat, gelegentlich auch zur Nahrung gedient.
Einige Knochenreste von fossiler Erhaltung aus den tieferen, diluvialen Schichten der Einhornhöhle lassen auf dieselbe Hundeart schliessen, also auf den diluvialen Stammvater des Haushundes, welcher nach der Ansicht hervorragender Gelehrten in der älteren Quartärzeit gleichzeitig mit dem Wolfe als wildes Thier gelebt hat. Pictet bezeichnet diesen diluvialen Hund als Canis familiaris fossilis, Bourguignat als Canis ferus. Uebrigens ist es nicht unwahrscheinlich, dass es verschiedene wilde Stammformen gegeben hat, deren Zähmung der Mensch in der Diluvialzeit begann. 11)


11) Woldrich, Beiträge zur Geschichte des fossilen Hundes. Separat-Abdruck aus Bd. XI der Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. 1881. S. 18 ff.
Derselbe, Caniden aus dem Diluvium u. s. w. S. 13.

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Ausserdem sind von mir in den diluvialen Schichten der Einhornhöhle noch einige fossile Knochenreste gefunden, welche anscheinend einer erheblich kleineren Form als Canis ferus angehört haben, die wegen ihrer Unvollständigkeit indessen keinen bestimmten Schluss zulassen.

16.

Canis vulpes L. (Vulpes vulgaris Bourg.) Gemeiner Fuchs.
Von Krüger 12) aus dem Kalktuff des Leinethaies bei Göttingen angeführt; von mir in wenigen subfossilen Resten in der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle und in der Jettenhöhle zwischen Osterode und Herzberg gefunden. Der Eisfuchs (Canis lagopus L.) ist mir aus der Provinz Hannover bislang nicht bekannt geworden; dagegen hat Nehring 13) seine Reste in den jungdiluvialen, lössartigen Ablagerungen zwischen den Gypsfelsen bei Thiede unweit Wolfenbüttel nachgewiesen. Ich zweifele daher nicht daran, dass auch die ganz ähnliche Verhältnisse bietenden Spaltausfüllungen des Gypsgebirges bei Osterode am Südharze diese interessante Art demnächst noch liefern werden.

17.

Ursus arctos L. Brauner Bär.
Obwohl der braune Bär noch in historischer Zeit im nördlichen Deutschland gelebt hat, werden seine Reste doch auffallend selten in jüngeren Ablagerungen gefunden. Mir sind solche nur aus der Einhornhöhle bekannt, wo dieselben sehr einzeln in der oberen Kulturschicht, selten auch in den älteren und jüngeren diluvialen Ablagerungen vorgekommen sind. Nach Grotrian 14) ist bei der Anlage eines Brunnens im Flecken Calvörde im Braunschweigischen Drömling der Schädel eines Ursus arctos 1,5 m unter der Oberfläche im Moorsande gefunden worden.

18.Ursus spelaeus Blumenb. Höhlenbär.


12) Geschichte der Urwelt. IL S. 853.
13) Die quartären Faunen von Thiede und Westeregeln. Archiv für Anthropologie. Bd. X. S. 359 ff.
14) Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXXII. (1880.) S. 658.

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Die Knochen desselben finden sich in ausserordentlicher Häufigkeit in den altquartären Ablagerungen der Einhornhöhle und der Baumannshöhle am Harz, ferner in der Hermannshöhle und in den von Lehm ausgefüllten Klüften und Spalten des devonischen Kalks bei Rübeland; einzelne Reste sind auch in den Spaltausfüllungen bei Osterode, namentlich in den Gypsbrüchen bei Förste vorgekommen. Wahrscheinlich gehören auch einige in der Knochenbreccie des Sudmerberges bei Goslar gefundene Bärenreste dieser Art an. 15)

19.

Meles Taxus Schreb. Dachs.
Einzeln in den jüngeren diluvialen Schichten, etwas häufiger (Reste von mindestens 3 Individuen) in der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle von mir ausgegraben.

20.Mustela Martes Briss. Baummarder.
Selten in der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle.
21.Mustela Foina Briss. Steinmarder.
Sehr selten im jüngeren diluvialen Lehm der Einhornhöhle.
22.Foetorius Erminea Keys, und Blas. Hermelin.
Sehr selten in den jüngeren diluvialen Ablagerungen der Einhornhöhle.
23.

Lutra vulgaris Erxl. Fischotter.
Mehr oder weniger häufig in sämmtlichen diluvialen Ablagerungen der Einhornhöhle, selten in der der neolithischen Zeit angehörigen oberen Kulturschicht dieser Höhle.

IV. Nagethiere.

24.Sciurus vulgaris L. Eichhörnchen.
Selten im oberen Diluvium, etwas häufiger in den jüngeren Schichten der Einhornhöhle.
25.Cricetus frumentarius Pall. Hamster.
Knochenbreccie in Spalten des Sudmerberges.

15) Nehring, in Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXXII. (1880.) S. 476.

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26.Mus sylvaticus L. Waldmaus.
Einzeln in den jüngsten Ablagerungen der Einhornhöhle.
27.Arvicola glareolus Blas. Waldwühlmaus.
Spalten des Sudmerberges und obere Kulturschicht der Einhornhöhle, selten.
28.

Arvicola amphibius L. Wasserratte.
Knochenbreccie des Sudmerberges; selten in den jungdiluvialen, häufig in den neueren Ablagerungen der Einhornhöhle; ferner auch in den Spaltausfüllungen der Gypsbrüche bei Osterode.

29.

Arvicola arvalis Pall. Feldmaus.
Nach der Bestimmung von Liebe gehört ein in dem jüngeren diluvialen Lehm der Einhornhöhle von mir gefundener Unterkiefer dieser Art an.

30.

Arvicola gregalis Desm. Zwiebelmaus.
Von Nehring in der Knochenbreccie des Sudmerberges bei Goslar nachgewiesen, häufiger in dem lössartigen Lehm von Thiede bei Wolfenbüttel, 16)

31.

Myodes torquatus Pall. Halsbandlemming.
Zusammen mit der vorigen Art, indessen in zahlreicheren Exemplaren. Reste von Myodes lemmus, die nach den Untersuchungen von Nehring so häufig bei Thiede vorkommen, sind in der Provinz Hannover bislang noch nicht nachgewiesen, aber kürzlich von Herrn A. Wollemann auch in einer Höhle am Hilsgebirge unweit des Dorfes Holzen im Braunschweigischen Kreise Holzminden entdeckt worden. 17)

32.

Castor Fiber L. Biber.
Ein schön erhaltener Schädel wurde vor einigen Jahren zusammen mit dem Geweih eines jungen Elchs beim Torfstechen unweit Vilsen im Amte Bruchhausen gefunden. Im Jahre 1878 wurde ein vortrefflich erhaltener Schädel zusammen mit einigen Skelettheilen 16 Fuss tief im Torfmoore


16) Nehring, in Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXXIl. (1880.) S. 476 und 471.
17) Nehring, in Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1883. S. 516.

32

bei Lübbow unweit Lüchow entdeckt. (Provinzial-Museum in Hannover). — In der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle fand sich ferner der linke Femur eines sehr starken Bibers.

33.Lepus timidus L. Gemeiner Hase.
Sparsame Reste in der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle.
34.

Lepus variabilis Pall. Schneehase.
In der Knochenbreccie des Sudmerberges fanden sich einige Hasenreste, welche nach Nering wahrscheinlich dieser Art angehören. Unter den von mir in der Einhornhöhle ausgegrabenen Knochen wies ferner Liebe den Schneehasen nach und zwar einmal aus den jüngeren Diluvialschichten (II. Kulturschicht) und sodann subfossil aus der oberen neolithischen Kulturschicht.

35.

Lagomys pusillus Desm. Pfeifhase.
Eine Unterkieferhälfte aus der Knochenbreccie des Sudmerberges bei Goslar in meiner Sammlung gehört nach der Bestimmung von Nehring wahrscheinlich dieser Art an, vielleicht aber auch zu L. hyperboreus. Pfeifhasenreste sind von dem genannten Forscher auch in Thiede bei Wolfenbüttel und Westeregeln bei Magdeburg in altquartären Schichten entdeckt worden. 18)

V. Wiederkäuer.

36.

Cervus tarandus L. Renthier.
Aus der Provinz Hannover und den unmittelbar angrenzenden Gebieten sind bislang nur wenige Renthierreste nachgewiesen worden.
a.Ein linker Unterkiefer aus der diluvialen Knochenbreccie des Sudmerberges. 19)
b.

Mehrfache Reste, insbesondere schöne Geweihstangen, in den Spalten und Klüften des devonischen Kalks und in der


18) Nehring, im Archiv für Anthropologie. Bd. X. (1877J. S. 389 ff.
19) Nehring, ebendaselbst.

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       Hermannshöhle bei Rübeland am Harz, (Grotrian'sche Sammlung in Braunschweig.) 20
c.

Auf dem städtischen Museum in Osnabrück werden einige Geweihfragmente aufbewahrt, welche sieben Fuss tief unter der Oberfläche in einem Torfmoore bei Lemförde in der Nähe des Dümmer-See's aufgefunden sind.

d.

Von ganz besonderem Interesse ist es, dass in den letzten Jahren mehrfach sehr wohl erhaltene Rengeweihe aus dem Schlamme des Dümmer-See's in der Nähe des Dorfes Hüde beim Fischen mit Netzen zu Tage gefördert sind. Ich habe mich durch eigenen Augenschein überzeugen können, dass dieselben theils alten, theils ganz jungen Thieren angehören, theils natürlich abgeworfen sind, theils noch an Fragmenten des Schädels haften und wahrscheinlich, da deutliche Spuren menschlicher Eingriffe wahrnehmbar sind, von erlegten oder geschlachteten Thieren herrühren. Zugleich mit diesen Rengeweihen sind zahlreiche Reste des Edelhirsches (und einer verwandten Art), mehrfache Geweihstangen des Elchs und eine grössere Anzahl von Gehörnen unseres Rehs (Cervus capreolus) gefunden worden. Diese Umstände sprechen für die Annahme, dass das Ren noch in einer verhältnismässig nicht sehr weit zurückliegenden Zeit in unseren Gegenden in grösserer Anzahl gelebt hat und von den Urbewohnern gejagt, vielleicht auch als Herdenthier gehalten ist. 21)
Die Fundstücke sind leider theilweise durch einen unglücklichen Zufall auf dem Transporte verloren gegangen; ein anderer Theil wird auf dem hiesigen Provinzial-Museum und in meiner eigenen Sammlung aufbewahrt ; andere Stücke sind in verschiedenen Sammlungen zerstreut. 22)


20) C. Struckmann, über die Verbreitung des Renthiers. Zeitschrift d. deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXXII. (1880) S. 751.
21) C. Struckmann, über d. Veränderungen in d. geograph. Verbreitung d. höheren wildlebenden Thiere u. s. w. Kettler's Zeitsch. f. wissensch. Geographie. Bd. III. (1883.) S. 133 f. (Sep.-Abdr. 2. Hälfte. S. 8.)
22) cfr. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXXII. (1880.) S. 759.

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37.

Cervus alces L. Elen oder Elch.
Reste des Elchs sind in der Provinz Hannover bisher vorzugsweise in jüngeren quartären Bildungen gefunden worden, so von mir in mehrfachen unzweifelhaften Resten in der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle, ferner in einem Torfmoore unweit Vilsen im Amte Bruchhausen und im Schlamme des Dümmer-See's. In den Torfmooren bei Vechelde im Braunschweigischen unweit der Hannoverschen Grenze sind mehrfach Elengeweihe vorgekommen, von denen eines von einem jungen Thiere in meiner Sammlung aufbewahrt wird; andere Exemplare befinden sich im naturwissenschaftlichen Museum in Braunschweig. Im naturwissenschaftlichen Museum zu Lüneburg wird ein Elchgeweih aufbewahrt, welches 1863 beim Bau der Eisenbahn zwischen Scharnebeck und Adendorf gefunden ist. 23) Im geologischen Universitätsmuseum zu Göttingen befindet sich eine einzelne Geweihstange von Seeburg auf dem Eichsfelde ohne nähere Bezeichnung der Fundschicht und ferner die Geweihstange eines jungen Elenthiers, welche beim Bau der Göttinger Irrenanstalt in diluvialen Schichten gefunden ist.

38.

Cervus euryceros Aldr. (Megaceros hibernicus.) Riesenhirsch.
Die bezüglichen Funde sind selten; zwei derselben gehören dem diluvialen Flusskies des Leinethales an. Auf dem Hannoverschen Provinzial-Museum wird eine Geweihstange aufbewahrt, welche vor 30 Jahren beim Bau der Hannoverschen Südbahn in einer Kiesgrube bei Edesheim unweit Northeim gefunden worden ist; sodann lieferte eine Kiesgrube unweit Seelze zwischen Hannover und Wunstorf im Jahre 1878 das Fragment einer Geweihstange, welches sich jetzt in meinem Besitze befindet. Daneben fanden sich Reste von Elephas primigenius, Rhinoceros tichorhinus und Bos priscus. Ferner enthält das Museum in Detmold ein schönes Schädelfragment, welches in der Werre bei Lage


23) Steinvorth, Zur wissenschaftlichen Bodenkunde des Fürstenthums Lüneburg. Schulprogramm. 1864. S. 23.

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vorgekommen ist. Endlich ist ein Schädelfragment nebst einigen anderen Skelettheilen auf dem geologischen Museum in Göttingen zu verzeichnen, welche aus der Umgegend von Fallingbostel wahrscheinlich aus einer diluvialen Mergelgrube stammen. Interessant ist es, dass kürzlich auch in den diluvialen Ablagerungen von Thiede bei Wolfenbüttel Knochen des Riesenhirsches zusammen mit Mammuth-, Rhinoceros- und Löwen-Resten entdeckt worden sind und dass ein zu den Riesenhirsch-Resten gehöriger Metatarsus eine merkwürdige Verunstaltung in Folge einer vernarbten Wunde zeigt, welche möglicherweise auf einen Pfeilschuss oder Lanzenwurf zurückzuführen ist. 24) Aus jungquartären Bildungen der hiesigen Gegend sind mir bislang keine Reste des Riesenhirsches bekannt geworden.

39.

Cervus dama L. Damhirsch.
Herr Professor Dr. K. Th. Liebe glaubt unter den von mir im Jahre 1882 aus der oberen, der neolithischen Zeit angehörigen Kulturschicht der Einhornhöhle ausgegrabenen Knochenresten den Schneidezahn eines Damhirsches entdeckt zu haben, hält indessen die Bestimmung nicht für ganz sicher. Früher wurde allgemein angenommen, dass die ursprüngliche Heimat des Damwildes in den Mittelmeerländern zu suchen und dass die Einführung nach Deutschland erst in historischer Zeit erfolgt sei. Seitdem aber vor Kurzem ein fast vollständiges Skelet, welches nach dem Urtheile von Nehring 25) dem Cervus dama angehört, in einem präglacialen Süsswasserkalklager bei Beizig im südwestlichen Theile der Mark Brandenburg entdeckt worden ist, kann die frühere Theorie nicht mehr aufrecht erhalten werden; das Vorkommen von Damhirschresten in der Scharz-


24) Nehring, über die letzten Ausgrabungen bei Thiede. Separatabdr. aus den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1882. Heft 4. S. 4 und 6
25) Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. 1883. S. 68 f.

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felder Höhle würde daher auch minder auffallend erscheinen. Wahrscheinlicher ist es allerdings, dass das Damwild sich bei der zunehmenden Vereisung des nördlichen Europa's nach Süden zurückgezogen hat und erst in historischer Zeit wieder nach Norden zurückgeführt ist.

40.

Cervus elaplius L. Edelhirsch.
Ueberreste von Hirschgeweihen werden in diluvialen und alluvialen Ablagerungen sehr häufig gefunden; indessen sind dieselben selten so vollständig erhalten, dass die Art mit völliger Sicherheit bestimmt werden kann. Uebrigens habe ich aus verschiedenen Funden die Ueberzeugung gewonnen, dass unser Edelhirsch bereits zur Diluvialzeit zusammen mit dem Mammuth und Rhinoceros in unseren Gegenden gelebt hat, während daneben allerdings noch eine zweite, nahe verwandte, durch stärkere, aber auch sonst etwas abweichende Geweihbildung ausgezeichnete, dem Wapiti Nordamerikas (Cervus canadensis) ähnliche Art vorkam.

1)Folgende Funde von Resten des Edelhirsches stammen aus diluvialen Ablagerungen
a.

Zwei zusammengehörige Geweihstangen mit einem Fragment des Schädels wurden beim Bau der Hannoverschen Wasserwerke im Jahre 1878 unweit des Dorfes Eicklingen im diluvialen Kies des Leinethales zusammen mit Resten von Elephas primigenius und Bos primigenius gefunden. (Provinzial-Museum zu Hannover.)

b.

Zwei prachtvolle Geweihstangen, welche auf dem hiesigen Provinzial-Museum aufbewahrt werden, stammen aus der diluvialen Torfschicht, welche das diluviale Süsswasserkalklager von Honerdingen bei Walsrode überdeckt; gleichzeitig wurden mächtige Gehörne und sonstige Knochenreste von Bos primigenius gefunden.

c.

Wahrscheinlich sind auch einige Geweihreste aus der Mergelgrube von Mengebostel an der Böhme diluvialen Alters. (Provinzial-Museum.)

d.

Bei den Fundamentirungsarbeiten zum Bau der Eisenbahn-Weserbrücke bei Emmern oberhalb Hameln und

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bei Ausschachtungsarbeiten am Bahnhofe Emmerthal sind aus dem diluvialen Weserkies zugleich mit einigen Mammuthzähnen und einzelnen Geweihen einer anderen Hirschart zahlreiche Geweihe des Edelhirsches zu Tage gefördert, welche damals von der Strousberg'schen Bauverwaltung auf dem Central-Büreau in Berlin abgeliefert worden sind.

e.

In der Kiesgrube unweit der Eisenbahnstation Seelze zwischen Hannover und Wunstorf im Leinethale sind mehrfach mit Mammuth-Resten Geweihfragmente des Edelhirsches vorgekommen, von welchen einige in meiner Sammlung aufbewahrt werden.

f.

In der Einhornhöhle bei Scharzfeld sind in den oberen diluvialen Schichten verschiedene Knochen des Edelhirsches von mir zusammen mit den Resten von Ursus spelaeus. Felis (Leo) spelaea, Wildschwein, Wolf, Fischotter und anderen Thieren gefunden.

g.

Nach gütiger Mittheilung des Herrn Bergraths Dr. von Groddeck in Clausthal werden in der Sammlung der Königlichen Bergakademie daselbst ein Humerus-Fragment, ein Metacarpus, ein Stirnbein und verschiedene nicht näher bestimmte Knochentheile des Edelhirsches aufbewahrt, welche aus den Gypsschlotten von Förste bei Osterode am Harz stammen.

h.

In dem diluvialen Süsswasserkalk, welcher in der bekannten Mergelgrube in der Uelzener Stadtforst zu landwirthschaftlichen Zwecken ausgebeutet wird, haben sich mehrfach Geweihfragmente und sonstige Knochenreste des Edelhirsches gefunden.

2)Folgende Funde von Resten des Edelhirsches sind aus jüngeren Ablagerungen zu erwähnen:
a.

Zahlreiche gut erhaltene Geweihe, darunter einige, welche noch am Schädel haften, im Schlamme des Dümmer-See's zugleich mit Geweihen des Renthiers, Elchs und vom Reh.

b.

Im alluvialen Kalktuff von Lenglern unweit Göttingen sind mehrfach Geweih- und Knochenreste vorgekommen,

38

Herr Forstmeister Wallmann in Hannover besitzt sogar eine auf einer Kalkplatte ausserordentlich deutlich abgedrückte Fährte von dort, welche nach dem Urtheile von Jagdverständigen mit der Fährte eines Edelhirsches völlig übereinstimmt.

c.

Bei den Fundamentirungsarbeiten zur Innerstebrücke an den Zwerglöchern bei Hildesheim wurde eine Geweihstange zusammen mit menschlichen Schädeln, einem Hirschhornhammer, einem Schädel von Canis familiaris matris optimae und einem Halswirbel von Bos priscus gefunden. Diese Gegenstände werden in meiner Sammlung aufbewahrt.

d.

In einer Kiesgrube bei Banteln an der Hannoverschen Südbahn sind im Abraum einige Fuss unter der Oberfläche im Jahre 1883 verschiedene Geweihstücke gefunden, welche deutliche Spuren der Bearbeitung durch Menschenhand erkennen lassen. (In meiner Sammlung.)

e.

In der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle sind von mir in den Jahren 1881 und 1882 zahlreiche Reste des Edelhirsches unter den Knochenabfällen aufgefunden. (Provinzial-Museum.)

f.

Im Jahre 1872 fanden sich im oberen Abraum einer Kiesgrube bei Rethen an der Leine die Fragmente eines sehr grossen Geweihes, welche über einer Steinplatte lagen, die 4 kleine Todtenurnen mit verbrannten menschlichen Gebeinen bedeckten. — Von sonstigen Funden erwähne ich noch: Geweihstange aus einer Baugrube im Alluvium des Leinethales am Bahnhofe zu Göttingen (in meiner Sammlung), Geweihstangen aus alluvialen Thon- und Sandgruben in der Ricklinger Marsch bei Hannover (Witte'sche Sammlung, jetzt in Göttingen), ein frisch erhaltenes Geweihfragment aus dem jüngeren Weserkies bei Hohnstorf, ein ähnliches Stück aus dem älteren Alluvium des Weserthals zwischen Rinteln und Veitheim. (Beide Stücke in meiner Sammlung.)

39

Auch in Ostfriesland sind mehrfach Reste des Edelhirsches im Torf- und Bruchboden vorgekommen (Museum in Emden); leider fehlen indessen die näheren Fundberichte.

41.

Cervus cf. canadensis.
Aus einer hart am Bahnhofe Emmerthal beim Dorfe Emmern unweit des Weserstromes belegenen diluvialen, zu Eisenbahnzwecken ausgebeuteten Kiesablagerung besitze ich das Fragment eines colossalen, noch mit beiden Stangen an einem Stücke des Schädels haftenden Geweihes, welches auf einen dem Wapiti ähnlichen Hirsch schliessen lässt. 26) Vielleicht gehört hierher auch die Geweihstange eines ungewöhnlich starken Hirsches, welche vor einer Reihe von Jahren in der Nähe von Detmold gefunden ist und jetzt auf dem dortigen Museum aufbewahrt wird.
Auf dem geologischen Museum in Göttingen wird endlich eine Geweihstange aus dem Flussbette der Werre bei Löhne unter der Bezeichnung Elaphus primigenius aufbewahrt, die vielleicht ebenfalls hierher gehört.

42.

Cervus capreolus L. Reh.
Ueberreste vom Reh in quartären und prähistorischen Ablagerungen sind im Allgemeinen nicht häufig; aus unserem Bezirke vermag ich nur 5 Funde anzuführen.
a.

In der Einhornhöhle wurden einzelne unzweifelhafte Knochen des Reh, darunter ein gut erhaltener weiblicher Schädel, von mir in den jüngeren diluvialen Schichten gefunden; häufiger waren die Reste in der oberen (prähistorischen) Kulturschicht.

b.

Mehrfache Rehgehörne sind aus dem Schlamme des Dümmer-See's zugleich mit Hirsch-, Elch- und Renthiergeweihen zu Tage gefördert; dieselben weichen freilich zum Theil von der Normalform ziemlich erheblich ab; indessen ist Herr Professor Dr. Rütimeyer, dem ich die Fundstücke zur Begutachtung mitgetheilt habe, der Ansicht, dass die sämmtlichen Gehörne dem gewöhnlichen Reh angehören.


26) Ueber Cervus canadensis cfr. Liebe, die Lindenthaler Hyänenhöhle. II.1878. S. 10.

40

c.

Eine einzelne Stange von grosser Schönheit, 26 cm hoch, fand sich 1874 beim Bau der Eisenbahn von Hameln nach Löhne zwischen Rinteln und Veitheim 14 Fuss tief unter der Oberfläche in der Nähe der Weser in einer wahrscheinlich altalluvialen Ablagerung zusammen mit einigen Resten des Wildschweins und Edelhirsches.

d.u.e.

In dem diluvialen Süsswassermergel von Honerdingen und Mengebostel im Lüneburgischen sind mehrfach Knochenreste von Cervus capreolus vorgekommen. (Geologisches Museum in Göttingen.)
Auch in Ostfriesland sind einige Male in tieferen Erdschichten Rehgehörne aufgefunden; leider fehlen jedoch nähere Angaben, aus denen sich das Alter der Fundschicht ableiten lässt.

43.

Antilope sp.
Einige Antilopen-Reste (Hornzapfen), wahrscheinlich zu Antilope saiga gehörig, sind von Herrn H. Grotrian in der Hermannshöhle bei Rübeland zusammen mit Cervus tarandus und Ursus spelaeus gefunden. 27)
Vielleicht gehört zu dieser Art auch ein Unterkieferast, welcher in der Knochenbreccie des Sudmerberges bei Goslar vorgekommen ist und in meiner Sammlung aufbewahrt wird.

44.

Ovis aries L. Hausschaf.
Ausserordentlich zahlreiche Reste des Hausschafes, welche grösstentheils auf eine sehr kleine, einzeln auch auf eine mittelgrosse Rasse schliessen lassen, sind in der oberen, der prähistorischen Zeit angehörigen Kulturschicht der Einhornhöhle vorgekommen. In den älteren (diluvialen) Ablagerungen war das Schaf nicht vertreten, eben so wenig wie sonstige Hausthiere.

45.

Capra hircus L. Hausziege.
In der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle bei Scharzfeld fanden sich neben mannigfaltigen Resten anderer ge-


27) Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, Bd. XXXII. (1880.) S. 751.

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zähmter und wilder Thiere auch zahlreiche Knochen der Hausziege von einer ziemlich kleinen Rasse, jedoch minder häufig als die Reste des Schafes. —
Sodann ist noch zu bemerken, dass im Jahre 1876 beim Umbau des Bahnhofs Göttingen 2 m unter der Oberfläche in einer wahrscheinlich alluvialen Sand- und Kiesablagerung in der Nähe des Leineflusses zusammen mit einer wohlerhaltenen Geweihstange des Edelhirsches (cfr. oben) und einem Pferde-Unterkiefer eine Anzahl ungewöhnlich grosser und starker Hornzapfen der Hausziege zu Tage kamen, welche jetzt in meiner Sammlung aufbewahrt werden. Wie diese Gehörne dorthin gelangt sind, ist nicht wohl aufzuklären, weil sonstige Knochenreste nur ganz vereinzelt mit denselben vorgekommen sind.

46.

Bos (Bison) priscus Bojan. Wisent.
Die Funde sind durchaus nicht häufig. In den diluvialen Kiesablagerungen bei Edesheim unweit Northeim und bei Banteln im Leinethale sind zusammen mit Mammuthresten mächtige Hornzapfen vorgekommen, welche jetzt auf dem hiesigen Provinzial-Museum bezw. in meiner Sammlung aufbewahrt werden. Auch in der diluvialen Kiesgrube bei Seelze an der Leine zwischen Hannover und Wunstorf haben sich Knochenreste gefunden, welche wahrscheinlich der vorstehenden Art angehören. Dasselbe gilt von einigen Extremitätenknochen, welche in den tiefsten diluvialen Schichten der Einhornhöhle von mir erbeutet sind. Der Fund eines Halswirbels von Bos priscus im Kiese der Innerste 4 m unter der Oberfläche an den Zwerglöchern bei Hildesheim ist bereits bei Gelegenheit des Haushundes erwähnt worden.
Steinvorth 28) erwähnt ein Schädelstück mit Hornzapfen von Bos priscus aus dem tiefen Torfmoore bei Wendisch-Evern unweit Lüneburg und einen Hornzapfen, welcher zwischen Scharnebeck und Adendorf beim Bau der Eisenbahn


28) Zur wissenschaftlichen Bodenkunde des Fürstenthums Lüneburg. Schulprogramm 1864. S.23.

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im Jahre 1863 gefunden ist. Beide Stücke werden in der Sammlung des naturwissenschaftlichen Vereins in Lüneburg aufbewahrt.

47.

Bos primigenius Bojan. Ur.
Die Reste des Urochsen sind in unserem Bezirke im Allgemeinen häufiger als die des Wisent. Auf dem hiesigen Provinzial-Museum wird das Fragment eines sehr grossen Schädels mit den beiden Hornzapfen und verschiedenen anderen Skelettheilen aufbewahrt, welche zusammen in der diluvialen Torfschicht über dem Süsswasserkalklager (sogen. Mergel) von Honerdingen bei Walsrode gefunden sind. Zwei Gehörne in derselben Sammlung stammen ferner aus dem Wesumer Moor im Amte Meppen, wo dieselben im Jahre 1842 ausgegraben sind.
Zwei Hornzapfen aus dem Diluvium der Umgegend von Hildesheim (Gercke's Ziegelei am Steinberge) 29) und ein mächtiger wohlerhaltener Schädel, welcher nach freundlicher Mittheilung des Herrn H. Roemer kürzlich im Moore bei Broistedt unweit Steinbrück auf Braunschweigischem Gebiete entdeckt wurde, befinden sich auf dem städtischen Museum in Hildesheim.
Ein Schädelfragment mit Hornzapfen von einem jungen Thiere wurde im Jahre 1878 beim Bau der Hannoverschen Wasserwerke zusammen mit Hirsch- und Mammuthresten im diluvialen Kiese des Leinethals unweit Ricklingen ausgegraben. (Provinzial-Museum.)
Auch die obere prähistorische Kulturschicht der Einhornhöhle hat neben anderen Rinderarten auch einige Knochenreste von Bos primigenius geliefert.
Die Sammlungen der Königlichen Bergakademie in Clausthal enthalten einen gut erhaltenen Schädel aus einem Torfmoore bei Ballenstedt am Harz. Das Emdener Museum besitzt ein Hörn des Ur, welches zu Warsingsfehnpolder im Amte Leer 20 Fuss unter dem


29) H. Roemer, die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 1883. S. 80.

43

Moore auf der darunter liegenden Sandschicht gefunden ist, also wahrscheinlich dem Diluvium angehört.

48.

Bos primigenius taurus L. Hausrind.
Unzweifelhaft prähistorischen Ursprungs sind die zahlreichen Knochenreste einer mittelgrossen Rindviehrasse, welche von mir bei meinen Ausgrabungen in der Einhornhöhle bei Scharzfeld am südlichen Harze zusammen mit vielen anderen Thierresten und mit mannigfaltigen Artefacten aus Stein, Thon, Knochen, Bronce und Eisen in den jüngsten Ablagerungen, der sogen. oberen Kulturschicht über dem diluvialen Höhlenlehm, erbeutet wurden. 30)
Vielleicht haben auch diejenigen Knochenreste vom Hausrinde, Torfkuh, Pferd und Schwein einen vorhistorischen Ursprung, welche von dem Herrn Bergrath Schuster im Jahre 1881 in einer 4 m tiefen Baugrube am Ufer der Weser zu Hameln unweit der Kettenbrücke beim Bau der neuen Mühle gesammelt worden sind und welche sich jetzt theilweise auf dem hiesigen Provinzial-Museum befinden.
Ferner darf ein grösseres Schädelfragment der Primigenius-Rasse mit den beiden Hornzapfen, jetzt in meiner Sammlung, welches sich 1874 beim Bau der Eisenbahn von Hameln nach Löhne 14 Fuss tief unter der Oberfläche zusammen mit einem Rehgehörn und Fragmenten von Hirschgeweihen im alluvialen Kies des Weserthals zwischen Rinteln und Veitheim vorfand, einen prähistorischan Ursprung in Anspruch nehmen.

49.

Bos hrachyceros Rütimeyer. Torfkuh.
Ziemlich zahlreiche, theilweise auf meine Bitte von Herrn Professor Dr. L, Rütimeyer in Basel untersuchte und als solche anerkannte Reste der Torfkuh sind von mir in der eben erwähnten oberen Kulturschicht der Einhornhöhle gefunden worden. Hornzapfen und Extremitätenknochen lassen auf eine ausserordentlich kleine Rindviehrasse schliessen, welche die Höhe eines grossen Marschschafes nicht erheblich überschritten haben wird. Die Frage der Herkunft und


Archiv für Anthropologie. Bd. XIV. S. 215.

44

 

Abstammung der Torfkuh ist nicht endgültig entschieden; Rütimeyer neigt sich der Ansicht zu, dass eine von Bos primigenius unabhängige Stammform dieser kleinen Art ursprünglich wild in Europa gelebt hat. 31) Vielleicht stammen einige Gehörne von Bos brachyceros, welche in den letzten Jahren im Kalktuflf bei Lenglern unweit Göttingen zusammen mit Resten des Edelhirsches gefunden sind und welche ich der Güte des Herrn Forstmeisters Wallmann hierselbst verdanke, von der wilden Urform ab; dieselben haben Herrn Rütimeyer gleichfalls vorgelegen und sind von diesem berühmten Forscher als Reste der Torfkuh anerkannt. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass unser braunes, feinknochiges und ursprünglich kleines und zierliches Harzvieh seinen Ursprung von Bos brachyceros herleitet und erst allmählich durch Kreuzungen verbessert worden ist.
Dass auch am Weserufer bei Hameln einige Reste der Torfkuh in wahrscheinlich vorhistorischen Ablagerungen gefunden worden sind, ist von mir bei Gelegenheit des Hausrindes erwähnt worden.

VI. Einhufer.

50.

Equus caballus L. Pferd.
Aus der Provinz Hannover liegen leider nur wenige, insbesondere aber sehr unvollständige Reste vor.
a.

Aus diluvialen Ablagerungen:
In einer Kiesgrube bei Banteln im Leinethale wurden zusammen mit Mammuthresten eine grössere Anzahl zusammengehöriger Zähne gefunden, ferner ein einzelner Backenzahn in einer Kiesgrube am Bockshorn bei Eisbergen im Weserthale an einer Stelle, an der auch mehrfach Zähne von Elephas primigenius vorgekommen sind, ferner ein einzelner Backenzahn in einer Kiesgrube in der Feldmark Ahlten unweit Lehrte. In einer mit Lehm ausgefüllten Spalte des


31) Rütimeyer, Versuch einer natürlichen Geschichte des Rindes. II. Abth. 1867. S. 161 ff.

45

 

oberen Jurakalks am Kahlberge bei Echte sind vor etwa 15 Jahren zahlreiche Skelettheile vom Pferde zu Tage gekommen, aber aus Unkenntniss verloren gegangen. Einige Zähne konnten nach Jahresfrist von mir noch gerettet werden. — Ein Kronenbein von echt fossiler Beschaffenheit, welches auf ein Pferd ziemlich grosser Rasse schliessen lässt, erhielt ich neben den Resten von anderen Diluvialthieren, namentlich Mammuth, Rhinoceros, Hyäne und Bär, aus einer Spaltausfüllung der Gypsbrüche von Förste unweit Osterode am Harz.

b.

Aus jüngeren Ablagerungen:
Von grösserem Interesse sind nur die von mir in der oft erwähnten prähistorischen oberen Kulturschicht der Einhornhöhle entdeckten Pferdereste; die grösseren Röhrenknochen sind freilich sämmtlich zerschlagen und aufgespalten; jedoch lassen ein einzelner Backenzahn, ein Kronenbein, ein Hufbein und einige sonstige Reste auf ein kleines und auf ein mittelgrosses Pferd schliessen.
Ein Unterkieferfragment und 2 Backenzähne von frischer Beschaffenheit, gefunden 1876 bei der Anlage eines Brunnens auf dem Bahnhofe Hameln 7 m unter der Oberfläche in einer alluvialen Kiesschicht, ferner verschiedene Unterkiefer und Extremitätenknochen aus einer 4 m tiefen Baugrube am Weserufer bei Hameln (cfr. unter Hausrind) und endlich ein wohlerhaltener, sehr frischer Unterkiefer aus einer 2 m tiefen Baugrube im Leinethale am Bahnhofe Göttingen (cfr. unter Ziege) gehören anscheinend jungalluvialen, jedoch wahrscheinlich prähistorischen Ablagerungen an.
Herr Forstmeister Wallmann in Hannover besitzt einen Pferde-Unterkiefer, welcher vor längeren Jahren in einer etwa 10 Fuss mit Sand bedeckten Torfschicht in der Feldmark Klein-Bokern, Amts Fürstenau, Forstort Maiburg aufgefunden ist. Nach der von mir vorgenommenen Untersuchung enthält jeder Unterkieferast noch die 4 letzten Backenzähne, während die vorderen ausgefallen sind; Form und Grösse entsprechen einem jetzigen Pferde mittelgrosser

46

 
 

Rasse; die Knochensubstanz ist mürbe und äusserlich schwarz gefärbt. Der Unterkiefer besitzt offenbar ein hohes Alter und entstammt entweder der älteren Alluvial- oder der Diluvialzeit; der Fund besitzt in dieser Beziehung ein erhebliches Interesse.
In der Sammlung der naturforschenden Gesellschaft in Emden wird das Bruchstück eines Pferdeschädels aufbewahrt, welches bei der Emdener Schleuse, Nesserland, 20 Fuss tief unter der Oberfläche und 8 Fuss unter der Sohle des Kanals aufgefunden ist, wahrscheinlich also dem Diluvium angehört.

VII. Schweine. (Setigera.).

51.

Sus scrofa ferus L. Wildschwein.
In der Einhornhöhle fanden sich Reste des Wildschweins bereits häufig in dem jüngeren Diluviallehm (der sogen. zweiten Kulturschicht), in ausserordentlicher Häufigkeit dagegen zusammen mit den Knochen des Hausschweins in der oberen, neolithischen Kulturschicht.
Im Jahre 1875 kamen in einer mit Lehm ausgefüllten Spalte des oberen Jurakalks (Korallenooliths) am Limberge bei Salzhemmendorf zahlreiche einem und demselben Individuum angehörige Skelettheile des Wildschweins zum Vorschein, welche jetzt in meiner Sammlung aufbewahrt werden.
Ein Paar prachtvolle Hauer von ungewöhnlicher Grösse aus dem jüngeren Diluvialkies des Leinethals bei Ricklingen unweit Hannover, die im Jahre 1880 gefunden wurden, zieren jetzt ebenfalls meine Sammlung.
Ein erheblich kleinerer Hauer stammt aus einer wahrscheinlich altalluvialen Ablagerung im Weserthale zwischen Rinteln vmd Veitheim (cfr. unter Reh).
Auch die diluvialen Spaltausfüllungen im Gypse bei Osterode am Harz haben einige Knochenreste des Wildschweins geliefert. (Göttinger Museum.)

52.

Sus scrofa domesticus L. Hausschwein.
Hier sind nur die zahlreichen Reste aus der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle und einige Unterkiefer und Extre-

47

mitätenknochen aus einer wahrscheinlich prähistorischen Ablagerung am Weserufer bei Hameln zu erwähnen (cfr. unter Hausrind).

VIII. Vielhufer.

53.

Rhinoceros antiquitatis Blumenbach seu ticliorhinus Fischer.
Das wollhaarige Rhinoceros.
Reste des Rhinoceros gehören zu den häufigen Erscheinungen in den altquartären Ablagerungen der Provinz Hannover. Dieselben haben bereits früh die Aufmerksamkeit der Naturforscher erregt und zu gelehrten Untersuchungen Veranlassung gegeben. Im Jahre 1751 sind in der Nähe von Herzberg (unzweifelhaft im diluvialen Lehm) eine erhebliche Menge von Knochen und Zähnen ausgegraben, welche Hollmann als Ueberreste des Rhinoceros erkannte und die noch jetzt auf dem geologischen Universitäts-Museum zu Göttingen aufbewahrt werden. 32)
Blumenbach hat Nashornreste beschrieben, welche im Jahre 1808 in den Gypsschlotten zwischen Dorste und Osterode am südlichen Harze zusammen mit Mammuthknochen entdeckt worden sind. 33)
Auch im Jahre 1773 sind zwischen Herzberg und Osterode in einem Lehmmergel Extremitätenknochen gefunden, welche dem Rhinoceros angehören. 34)
Krüger führt die Scharzfelder Höhle als Fundort an, 35) während meinerseits darin keine Spuren des Rhinoceros entdeckt sind, Brandt auch die Baumanns-Höhle am Harz. 36)
Aus neuerer Zeit vermag ich folgende Funde anzuführen, wozu sich die Belegstücke, falls keine andere Angabe gemacht ist, in meiner Sammlung befinden.


32) Commentarii Societatis Gottingensis. Tom. II. (1753.) S. 215.
33) Göttinger gelehrte Anzeigen, 1808. Nr. 88
34) Cuvier, Osseraens fossiles. 1822. Tom. II. pag. 76.
35) Geschichte der Urwelt. Bd. II. 1823. S. 804.
36) J. F. Brandt, Monographie der tichorhinen Nashörner. Petersburg 1877. S. 58.

48

Gut erhaltener, mit Ausnahme der Zähne ziemlich vollständig erhaltener Schädel, der im Jahre 1881 am Ufer der Weser in der Nähe von Stolzenau losgespült ist. (Provinzial-Museum.)
Zähne und zahlreiche Extremitätenknochen aus den Spaltausfüllungen in den Gypsbrüchen hei Förste unweit Osterode am Harz. (Provinzial-Museum, Clausthaler Bergakademie und meine Sammlung.)
Die Edesheimer Kiesgrube bei Northeim im Leinethale hat zu verschiedenen Zeiten erhebliche Skelettheile und viele Zähne geliefert. (Göttinger Universitäts-Museum und meine Sammlung.)
Ferner sind auch bei Anlage des neuen Güterbahnhofs in Göttingen einige Zähne aus dem Diluvialkies zu Tage gefördert. (Göttinger Museum.)
Gut erhaltener Unterkiefer, einzelne Zähne und verschiedene Extremitätenknochen aus der grossen, in der Feldmark Afferde belegenen Kiesgrube in der Nähe des Bahnhofs zu Hameln im Weserthale.
Einzelne Zähne aus den Kiesgruben zu Emmern im Weserthale oberhalb Hameln und zu Banteln im Leinethale. Verschiedene Skelettheile aus der Kiesgrube in der Nähe des Bahnhofs Seelze im Leinethale zwischen Hannover und Wunstorf. Ein Humerus, gefunden zusammen mit einem Backenzahne von Elephas primigenius im Jahre 1871 beim Eisenbahnbau in einer torfigen Wiese beim Dorfe Wieren im Amte Oldenstedt. Die Torfschicht gehört vielleicht dem älteren Alluvium an. Im Jahre 1883 sind bei dem Dorfe Gross-Giesen unweit Hildesheim in den Spalten eines Gypsbruches zahlreiche in Lehm eingeschlossene Knochen und Zähne von Rhinoceros tichorhinus gefunden, 37) welche auf dem städtischen Museum in Hildesheim aufbewahrt werden.

54.

Elephas primigenius Blum. Mammuth.
Der Mammuth muss zur Diluvialzeit in unseren Gegenden sehr zahlreich gewesen sein. Denn seine Reste finden sich namentlich in den altquartären Ablagerungen der grossen


37) H. Roemer, 1. c. S. 80.

49

Flüsse in grosser Häufigkeit, während solche aus jüngeren Bildungen mit Sicherheit nicht bekannt sind. In Folge ihrer Grösse sind die Knochen und Zähne bereits in älterer Zeit beachtet und Berichte über derartige Funde liegen zahlreich vor, von denen ich die hauptsächlichsten hier erwähnen will.
Im Jahre 1663 sind nach der Mittheilung von Scheffer urweltliche Elephantenreste bei Herzberg am Harz gefunden, in den Jahren 1724 und 1742 bei Osterode; der zuletzt erwähnte Fund betraf sogar ein vollständiges Skelet, welches von Dr. Koenig entdeckt wurde. In der Grafschaft Hohenstein im Jahre 1748 bei Mauderode zwischen Nordhausen und Ilfeld und 1803 bei Steigerthal; von dem damals ausgegrabenen Gerippe wird noch ein Zahn auf der Königlichen Bergakademie in Clausthal aufbewahrt. 38) Nach den Mittheilungen von Blumenbach im Jahre 1808 in den Spaltausfüllungen der Gypsbrüche zwischen Osterode und Dorste. 39)
Von Krüger wird 1. c. auch die Baumannshöhle bei Rübeland am Harz als Fundort aufgeführt. Ein grosser Stosszahn, welcher jetzt auf dem paläontologischen Museum in Halle an der Saale aufbewahrt wird, wurde im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts bei Mehle unweit Elze gefunden. 40)
Unter den sehr zahlreichen neueren Funden von Mammuthresten hebe ich folgende hervor: 
Ein grosser Beinknochen im Diluvium beim Dorfe Scharzfeld am südlichen Harzrande. (Provinzial-Museum.)
Kahleberg bei Echte. (Sammlung der Königlichen Bergakademie in Clausthal.)
Verschiedene Zähne sind im Kiese des Leinethals bei Anlage des neuen Göttinger Güterbahnhofs gefunden. (Paläontologisches Universitäts-Museum in Göttingen.)


38) Krüger, Geschichte der Urwelt. Bd. IL 1823. S. 825. Cuvier, Ossemens fossiles. Tom. I. 1821. pag. 130.
39) Göttinger gelehrte Anzeigen. 1808. Nr. 88.
40) H. Roemer, 1. c. S. 16.

50

Zahlreiche Knochenreste und Zähne aus den Kiesgruben im Leinethale bei Edesheim unweit Northeim, Banteln, Betheln unweit Gronau, Nordstemmen, Rethen, Ricklingen bei Linden und Seelze zwischen Hannover und Wunstorf. (Göttinger Museum, Provinzial-Museum, in meiner Sammlung.)
Kiesgruben bei Mehle unweit Elze und zwischen Behrensen und Afferde an der Eisenbahnstrecke Hameln-Elze; ferner Kiesgruben bei Emmern oberhalb Hameln und im Weserthale unweit des Bahnhofs Hameln in der Feldmark Afferde. Von der zuletzt erwähnten Fundstelle, welche in den tieferen Kieslagen ausserordentlich zahlreiche Mammuthreste enthält, besitzt der Herr Regierungs- und Baurath Beckmann in Hannover einen vorzüglich schön erhaltenen Stosszahn eines jüngeren Thieres. Ferner sind Mammuthreste nachgewiesen in Kiesgruben bei Hessen-Oldendorf und am Bockshorn unweit Rinteln im Weserthale, sodann aus dem Flussbette der Weser bei Nienburg und Stolzenau; eine einzelne grosse Rippe ist beim Baggern unterhalb Bremen aus dem Strombette der Weser zu Tage gefördert. (Provinzial-Museum und in meiner Sammlung.)
Auch im Flussbette der Werre sind häufiger Mammuthzähne zum Vorschein gekommen, z. B. bei Löhne und Schöttmar. (Göttingen, Detmold und in meiner Sammlung.)
Eine Kiesgrube am Fusse der Grotenburg bei Detmold hat einen einzelnen Backenzahn geliefert (Detmolder Museum), ebenso ein Kieslager in der Eilenriede bei Hannover unweit des Steuerndieb. (Provinzial-Museum.)
In der Stadt Osnabrück sind bei Anlage eines Brunnens an der Weissenburgerstrasse in diluvialen Schichten verschiedene Knochenreste des Mammuths zu Tage gefördert. (Osnabrücker Museum.)
Bei Bleckede fand sich im Flussbette der Elbe ein einzelner schlecht erhaltener Backenzahn. (Lüneburger Museum.)
Bemerkenswerth ist ferner der Fund eines Backenzahns von Elephas primigenius und eines Humerus von Rhinoceros

51

tichorhinus im Jahre 1871 beim Bau der Eisenbahn von Uelzen nach Salzwedel in einer torfigen Wiese unweit des Dorfes Wieren im Amte Oldenstadt; die Fundschicht gehört anscheinend nicht dem Diluvium, sondern dem Altalluvium an.
Endlich ist ein interessanter Fund aus neuester Zeit zu erwähnen, indem im Spätherbst 1883 in der Bauerschaft Hastrup im Amte Bersenbrück bei Gelegenheit von Wiesenanlagen in einem todten Arme des Haseflusses verschiedene sehr wohlerhaltene und offenbar einem und demselben Individuum angehörige Skelettheile des Mammuths zu Tage gekommen sind; nach dem mir vorliegenden Fundberichte eines Augenzeugen ist es einstweilen noch zweifelhaft, ob die Lagerstelle dem Diluvium oder Altalluvium angehört. —
Aus der vorstehenden Zusammenstellung ergiebt sich, das dass Berg- und Hügelland im südlichen Theile der Provinz Hannover an Mammuthresten erheblich reicher ist, als das nördliche Flachland.

IX. Cetaceen.

Reste von Walthieren sind mehrfach in quartären Bildungen vorgekommen; insbesondere sind in Ostfriesland in der von See-Alluvionen bedeckten, unter dem Namen Darg bekannten Torfschicht an verschiedenen Orten Zähne von grossen, nicht näher bestimmten Delphinen ausgegraben worden. (Museum in Emden, meine Sammlung.) Ferner haben sich einige Male im Lüneburgischen und zwar in Sandgruben — nähere Angaben fehlen leider — Cetaceen-Reste gefunden, welche auf den Museen in Lüneburg und Hannover aufbewahrt werden.


Schlieslich lasse ich noch eine tabellarische Uebersicht der bislang in der Provinz Hannover nachgewiesenen fossilen und subfossilen Säugethiere nach ihrer Verbreitung in den verschiedenen quartären Ablagerungen folgen. Da nicht

52 und 53

überall mit Sicherheit nachzuweisen ist, ob die Funde dem unteren oder oberen Diluvium, dem Alt-Alluvium oder Jung-Alluvium angehören, so habe ich in derartigen zweifelhaften Fällen die Zahlen in die Mitte von zwei angrenzenden Rubriken eingetragen. Die letzten 3 Spalten der Tabelle weisen nach, ob die betreffenden Arten oder deren directe Nachkommen noch jetzt bei uns leben, bezw. ob dieselben aus unserer Gegend verdrängt oder aber jetzt völlig ausgestorben sind.

54

Von den aufgeführten 54 Arten gehören also noch 34 Arten der jetzigen Fauna der Provinz Hannover an, 12 Arten sind zwar aus unserer Gegend verdrängt, leben aber noch in anderen Gegenden der Erde, 8 Arten sind dagegen völlig ausgestorben. Zu letzteren habe ich auch den Höhlenlöwen (Felis spelaea) gerechnet, obwohl es nicht unwahrscheinlich ist, dass der noch jetzt lebende Löwe von dem fossilen Löwen specifisch nicht verschieden ist. Die Reihe der bei uns vorkommenden fossilen Säugethiere wird durch vorstehende Liste keineswegs erschöpft sein; vielmehr ist mit Sicherheit anzunehmen, dass dieselbe bei weiterer Forschung noch eine ansehnliche Bereicherung erfahren wird.


Jahresbericht Naturhistorische Gesellschaft Hannover 33:21-54

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