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Über die bisher in der Provinz Hannover und den
unmittelbar angrenzenden Gebieten aufgefundenen
fossilen u. subfossilen Reste quartärer Säugetiere.

Nachträge und Ergänzungen.

Von Dr. C. Struckmann.

Hierzu Tafel I.

Im Jahre 1884 habe ich im 33. und 34. Jahresberichte der Naturhistorischen Gesellschaft in Hannover unter obigem Titel eine Zusammenstellung der mir bis dahin bekannt gewordenen Funde von Resten quartärer Säugetiere in der Provinz Hannover unter gleichzeitiger Berücksichtigung der unmittelbar angrenzenden Gebiete geliefert. Gleichzeitig erschien dieser Aufsatz als Sonderabdruck. Seitdem sind eine nicht unerhebliche Anzahl neuer Funde hinzugekommen, von denen ich die wichtigsten, soweit dieselben zu meiner Kenntnis gelangt sind, als Nachtrag zu meiner früheren Arbeit im Nachfolgenden aufführen will. Während ich bei Bearbeitung meiner ersten Zusammenstellung vielfach auf die Resultate meiner umfangreichen Ausgrabungen in der Einhornhöhle bei Scharzfeld am südlichen Harzrande Bezug zu nehmen hatte, hat in neuerer Zeit der nördliche Harz und zwar die Umgegend des Braunschweigischen Hüttenortes Rübeland bei Gelegenheit der wissenschaftlichen Durchforschung der dortigen Höhlen, welche im Auftrage des Herzoglich Braunschweigischen Staats-Ministeriums seitens der Herren Professoren Dr. J. H. Kloos und Dr. Wilh. Blasius in Braunschweig ausgeführt sind, sehr reiche Funde fossiler Säugethier-Reste geliefert. Bereits bei meiner ersten Arbeit sind die älteren Funde in der Baumanns- und Hermanns-Höhle bei Rübeland von mir berücksichtigt worden. Wenn nun auch die wissenschaftliche Bearbeitung des vorliegenden sehr reichen Materials seitens der genannten Forscher noch

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nicht abgeschlossen ist, so habe ich doch auf die bisherigen Ergebnisse in soweit Rücksicht genommen, als über dieselben bereits wissenschaftliche Berichte vorliegen. Es sind dieses folgende:
1) J. H. Kloos, Vorläufige Mitteilungen über die neuen Knochenfunde in den Höhlen bei Rübeland im Harz. Zeitschr. d. deutschen geol. Gesellschaft. Jahrgang 1888. S. 306 ff.
2) Die Hermannshöhle bei Rübeland. Geologisch bearbeitet von Dr. J. H. Kloos u. photographisch aufgenommen von Dr. Max Müller. Mit Atlas. Weimar 1889.
3) J. H. Kloos, Die Höhlen bei Rübeland im Harz. Sonder-Abdruck aus dem „Globus“ Bd. 59. Nr. 13 u. 14. 1891.
4) Wilh. Blasius, Neue Knochenfunde in den Höhlen bei Rübeland. Verbesserter und zum Teil erweiterter Sonder-Abdruck aus Nr. 289 bis 291 der Braunschweigischen Anzeigen vom 10. - 12. Dezember 1890.
5) Auf Grund vorstehender Publikationen berichtete A. Nehring in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft, Sitzung vom 21. März 1891, über „Neue Knochenfunde in den Höhlen bei Rübeland im Harz“.
6) Endlich hat Professor Wilh. Blasius in der Sitzung des Vereins für Naturwissenschaft zu Braunschweig vom 7. Januar 1892 kurz über seine gemeinschaftlich mit Professor J. H. Kloos im Sommer 1891 in den neuen Teilen der Baumannshöhle ausgeführten Untersuchungen und über die sehr interessanten Ergebnisse der weiteren Ausgrabungen berichtet. (Braunschweiger Tageblatt Nr. 46 vom 28. Januar 1892. Abend-Ausgabe.) Da ferner das Herzogtum Oldenburg ganz von Hannoverschem Gebiet umschlossen wird, so habe ich auch dieses bei den gegenwärtigen Ergänzungen berücksichtigt und zwar wesentlich nach den Angaben in der kleinen Schrift von C. J. Wiepken „Über Säugetiere der Vorzeit, die ausgestorben und von denen Reste im Herzogtum Oldenburg gefunden oder deren Nachkommen noch existieren“. Der Verfasser dieses Aufsatzes berichtete seit 1884 über folgende Funde:

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1) C. Struckmann, Notiz über das Vorkommen des Moschus-Ochsen (Ovibos moschatus) im diluvialen Flusskies von Hameln an der Weser. Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. Jahrgang 1887. S. 601 ff. Mit Tafel.
2) Derselbe, Über den Fund eines Schädels von Ovibos moschatus im diluvialen Flusskies bei Hameln an der Weser. Archiv für Anthropologie. Jahrg. 1888. S. 171.
3) Derselbe, Eine Ansiedelung aus der norddeutschen Rentierzeit am Dümmer See. Correspondenz-Blatt der deutschen Gesellsch. für Anthropologie etc. Jahrgang 1887. S. 13 ff
4) Derselbe, Nachträgliche Funde im Schlamme des Dümmer Sees. Archiv für Anthropologie. Jahrg. 1888. S. 174.
Über einige andere, wenn auch minder erhebliche Funde berichte ich zum ersten Male an dieser Stelle. In dem früheren Verzeichnisse konnte ich die fossilen oder subfossilen Reste von 54 verschiedenen Säugetieren aufführen, die mir bis zum Jahre 1884 aus unserem Gebiete mit Sicherheit bekannt geworden waren. Zu diesen treten jetzt neu hinzu:

Raubtiere.

55.

Canis familiaris palustris Rütimeyer. Torfhund.
Ein gut erhaltener Schädel dieses ältesten prähistorischen Haushundes, welcher der Steinzeit entspricht und als Stammvater des jetzigen Jagdhundes angesehen wird, ist von mir unter den Knochenfunden des Dümmer Sees nachgewiesen, während Wiepken nach einem von Rütimeyer bestimmten Unterkiefer diese Hunderasse aus den in den Oldenburgischen Watten belegenen, von Fr. von Alten beschriebenen Kreisgruben auf dem „Hohen Wege“ bei Fedderwarder Siel erwähnt.*)

56.

Canis (Vulpes) lagopus L. Eisfuchs. Ich habe denselben in meiner früheren Liste nur beiläufig unter Nr. 16 bei Gelegenheit des gemeinen


*) Friedrich von Alten, Die Kreisgruben in den Watten der Nordsee. Bericht über die Thätigkeit des Oldenburger Landesvereins für Altertumskunde. III. Heft. Oldenburg 1881. S. 17. Taf. I. Fig. 16.

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Fuchses aus den Gypsbrüchen von Thiede bei Wolfenbüttel, die ausserhalb des von mir behandelten Gebiets liegen, erwähnt. Inzwischen sind in der Hermannshöhle bei Rübeland fossile Reste eines Fuchses gefunden, die nach Nehring (1. c.) wahrscheinlich dem Eisfuchs angehören. Wilh. Blasius erwähnt denselben neuerdings auch aus der Baumannshöhle.

57.

Gulo borcalis Nilss. Vielfrass.
Eine sehr interessante Bereicherung unserer fossilen Fauna verdanken wir den weiteren Ausgrabungen der Herren Wilh. Blasius und J. H. Kloos in den neu erschlossenen Abteilungen der Baumannshöhle im Harz, indem sie zusammen mit den Resten anderer nordischen Tiere (Rentier und Polarfuchs) einige ausgezeichnet erhaltene Schädel und andere Skeletteile des Vielfrasses entdeckten, (cf. den vorläufigen Bericht im Braunschweiger Tageblatt vom 28. Januar 1892.)

Nagetiere.
58.

Aroicola ratticeps Keys. u. Blas. Nordische Mühlratte.
Von Wilh. Blasius in den neu erforschten Teilen der Baumannshöhle zugleich mit anderen Mitgliedern einer nordischen Fauna nachgewiesen.
A. Nehring hat dieselbe Art bereits früher aus dem löstartigen Lehm von Thiede bei Wolfenbüttel aufgeführt.

59.

Myodes obensis Pall Ob-Lemming.
Zusammen mit der vorigen Art in der Hermannshöhle und in der Baumannshöhle bei Rübeland, ferner bei Thiede, sowie in einer Höhle am Hilsgebirge bei Holzen im Braunschweigischen Kreise Holzminden. Der zuletzt erwähnten Funde ist bereits in meiner ersten Zusammenstellung bei Erwähnung des Myodes torquatus Erwähnung geschehen.

60.

Alactaga jaculus Brdt Der grosse Sandspringer.
Diese interessante, für die jetzige osteuropäische Steppenfauna sehr charakteristische Springmaus ist bereits

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früher von Nehring aus den Gypsbrüchen von Thiede bei Wolfenbüttel und Westeregeln bei Magdeburg beschrieben worden*); jetzt ist diese wichtige Art auch von Wilh. Blasius mit andern Gliedern einer Steppenfauna in d. Baumannshöhle entdeckt worden. (1. c. S. 5.)

Wiederkäuer.
61.

Cervus sp. (Tafel I.)
In der paläontologischen Sammlung des hiesigen Provinzial-Museums wird eine fossile Geweihstange aufbewahrt, welche auf der alten Etiquette als Cervus euryceros (Megaceros hibernicus) bezeichnet und im Jahre 1852 in einer Kiesgrube bei Edesheim unweit Northeim gefunden worden ist. Auf Grund dieser Angaben habe ich in meiner ersten Zusammenstellung der in der Provinz Hannover aufgefundenen fossilen und subfossilen Reste quartärer Säugetiere dieses Geweih unter den Funden des Riesenhirsches aufgeführt. Die kürzlich von Nehring in dem Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin vom 20. Oktober d. J. (Nr. 8 des Jahrganges 1891, S. 151 ff.) veröffentlichte Mitteilung über eine besondere Riesenhirsch-Rasse (Cervus megaceros vas. Ruffii Nehring) aus der Gegend von Kottbus veranlasste mich, die hiesige Geweihstange einer näheren Untersuchung zu unterziehen, welche zu dem Ergebnis geführt hat, dass dieselbe keinenfalls von einem Riesenhirsche abstammt, sondern wahrscheinlich einer noch nicht beschriebenen diluvialen Hirschart angehört. Bei dem seltenen Vorkommen derartiger Reste schien es mir von einigem Interesse zu sein, das Geweih bei Gelegenheit dieser Nachträge zu beschreiben


*) Nehring, Die quaternären Faunen von Thiede u. Westeregeln etc. Sonderabdr. aus Archiv für Anthropologie. Bd. X. (1877.) S. 29.
Derselbe, Beiträge zur Kenntnis der Diluvialfauna. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. XLVH. 1876. S. 1 ff.
Derselbe, Übersicht über 24 mitteleuropäische Quartär-Faunen. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. Jahrgang 1880. S. 471 u. 473.

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und auf einer besonderen Tafel abzubilden. Zu letzterem Zwecke hatte der Sekretär auf hiesigem Provinzial-Museum Herr Runde die Güte, zunächst eine sehr genaue Zeichnung der Geweihhälfte in natürlicher Grösse anzufertigen, nach welcher sodann die Vervielfältigung auf photolithographischem Wege und bei Verkleinerung auf ca. 1/4 der Kunstanstalt von A. Frisch in Berlin geschehen ist. Unser Geweih ist eine abgeworfene rechte Geweihhälfte und von der Vorderseite, die am besten erhalten ist, abgebildet. Dasselbe hat eine echt fossile Beschaffenheit und eine gelblich-weisse Farbe, wie solche fast allen fossilen Knochen, welche im Diluvialkies des Leinethals gefunden worden, eigen ist. Die Fundstelle ist, wie bereits oben erwähnt, die der Königlichen Eisenbahnverwaltung gehörige Kiesgrube im Leinethale bei Edesheim unweit Northeim, unmittelbar an der Hannoverschen Südbahn. Diese mir wohl bekannte Kiesgrube, die sich bis vor wenigen Jahren im Betriebe befand, hat zahlreiche Reste diluvialer Säugetiere geliefert, insbesondere von Elephas primigenius und Rhinoceros tichochinus, welche also die Zeitgenossen unseres Hirsches gewesen sind. Die Grössenverhältnisse des Geweihs, welches leider an der Spitze abgebrochen ist, sind folgende:

Die Breite dicht unter der abgebrochenen Spitze beträgt 8 cm, der Umfang an der Rose 20 cm, dicht unter der Eissprosse 26,5 cm, dicht unter der Spitze 21 cm. Die Hauptstange ist schwach nach aussen gekrümmt und mit ziemlich tiefen Längsfurchen bedeckt; die Rose, von der nur geringe Spuren erhalten sind, scheint

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schwach gewesen zu sein. Unmittelbar über letzterer ist die Hauptstange rund, über der Augensprosse wird der Durchschnitt ein ovaler; dann erweitert sich dieselbe da, wo die Eissprosse abzweigt, schaufelförmig, verschmälert sich wieder zwischen dieser und der Mittelsprosse, wo abermals eine wenn auch minder erhebliche Erweiterung eintritt. Über der Mittelsprosse bis zur abgebrochenen Spitze behält die Hauptstange einen rundlich-ovalen Umriss; die Spitze scheint sich wiederum schaufelförmig erweitert zu haben. Die dicht über der Rose stehende Augensprosse ist sehr lang; sehr eigentümlich ist die Eissprosse gebildet, die zu einer schaufelförmigen Abplattung des Geweihs Veranlassung gegeben hat und in einer Doppelspitze ausläuft, von welcher leider eine abgebrochen ist; auf der Rückseite des Geweihs sind beide Spitzen durch eine tiefe Furche getrennt. Die Mittelsprosse, die nicht sehr gross und lang gewesen zu sein scheint, ist leider zum grössten Teil abgebrochen.
Ich vermag diese Geweihstange mit keinem bereits beschriebenen Geweih zu identifizieren. Auch Herr Professor Dr. A. Nehring in Berlin, dem ich die Zeichnung zur Beurteilung zugesandt habe, hat keine entschiedene Ansicht darüber gewinnen können. Jedoch teilt derselbe meine Meinung, dass ziemlich nahe verwandtschaftliche Beziehungen zu Cervus Browni, dessen Reste Boyd Dawkins aus mittel-diluvialen Flusskiesablagerungen in England beschrieben hat, vorhanden sind.*) Indessen ist bei unserer Art die Eissprosse wesentlich abweichend gebildet; bei der englischen Art fehlt gerade an dieser Stelle die schaufelförmige Abplattung der Hauptstange. Es würde immerhin bedenklich sein, auf Grund einer einzelnen, nicht einmal vollständig erhaltenen Geweihstange eine neue Art zu begründen; jedoch erschien es mir gerechtfertigt, durch eine kurze Beschreibung und


*) Boyd Dawkius, British Pleistocene Mammelia. Part VI. British Pleistoceue Ceividae. S. 17 ff. Pl. IV.

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Abbildung die Aufmerksamkeit der Forscher auf dieses in mehrfacher Beziehung merkwürdige Geweih zu lenken, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass mit der Zeit auch an anderen Orten ähnliche Reste gefunden werden.
62.

Antilope rupicapra Pall. Gemse.
In der Hermannshöhle bei Rübeland ist bei den Aufräumungsarbeiten das Bruchstück eines Unterkiefers gefunden, welches nach Blasius (1. c. S. 2) wahrscheinlich der Gemse angehört.

63.

Ovibos moschatus Blainville. Der Moschus-Ochse.
Eine der interessantesten Bereicherungen hat unsere fossile Fauna durch den Fund eines Schädelfragments des jetzt nur im höchsten Norden lebenden Moschusochsen erfahren, welches ich im Jahre 1887, wie oben erwähnt, in der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft näher beschrieben und abgebildet habe. Der Schädel stammt aus den untersten diluvialen Kiesschichten des Weserthals, welche am sog. „Sintel-Berge“ in der Nähe des Bahnhofs Hameln seit längeren Jahren ausgebeutet werden. Seit diesem ersten Funde hat sich an derselben Stelle noch der Epistropheus des Moschusochsen in 2 wohlerhaltenen Exemplaren gefunden, deren Bestimmung ich der Güte des Herrn Professors Dr. Nehring in Berlin verdanke. Derselbe bemerkt, dass freilich einige kleine Differenzen gegenüber dem lebenden Ovibos bezw. in Vergleich mit einem recenten Skelet zu konstatieren seien, dass aber die Zugehörigkeit zum Moschusechsen nicht zu bezweifeln sei.
Nach meinen früheren Mitteilungen sind zusammen mit dem Schädel von Ovibos in denselben Kiesschichten die fossilen Reste folgender Säugetiere gefunden:
Elephas primigenius. Mammuth.
Rhinoceros tichochinus. Wollhaariges Rhinoceros.
Cervus elaphus. Edelhirsch.
Bison priscus. Wisent.
Bos primigenius. Urochs.
Equus caballus. Wildpferd.

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Dazu kann ich jetzt noch den Löwen (Felis spelaea) anführen, auf den ein wohlerhaltener Radius eines starken Exemplars schliessen lässt, der vor einigen Jahren an derselben Stelle und im gleichen Niveau gefunden wurde und von Herrn Dr. Nehring untersucht und bestimmt worden ist.
Diese Fauna zeigt also ein Gemisch von nordischen Tieren und solchen, die auf ein gemässigtes Klima schliessen lassen. Erwägt man nun ferner, dass aus den starken Flusskies-Ablagerungen zu schliessen, das Weserthal schon in der Bildung begriffen gewesen ist, so wird es wahrscheinlich, dass die Reste der vorstehend genannten Säugetiere während der Interglacialzeit zur Ablagerung gelangt sind bezw. dass die letzteren während dieser Zeit gelebt haben. Einen sehr weiten Transport haben die Knochen jedenfalls nicht erfahren, weil dieselben keine Spur von Abrollung zeigen; vielmehr ist es wahrscheinlich, dass die Cadaver dort angeschwemmt sind, da mehrfach zusammen gehörende Skelet-Teile bei einander gefunden worden sind.

Waltiere.

In meiner ersten Zusammenstellung geschieht einiger Reste von Cetaceen nur im Allgemeinen Erwähnung. Inzwischen ist es mir gelungen, einige derselben näher zu bestimmen.

64.

Phocaena Orca Cuv. Schwertfisch.
Dieser Art gehört ein wohlerhaltener Schädel ohne Zähne an, welcher auf dem Provinzial-Museum in Hannover aufbewahrt wird und angeblich in einer Sandgrube im Lüneburgischen gefunden sein soll.

65.

Physeter macrocephalus L. Der Cachelot oder Pottfisch.
Zu dieser Art gehören wahrscheinlich die dicken, kegelförmigen Zähne, welche mehrfach in Ostfriesland in submarinen Torfschichten, sog. Darg gefunden worden sind. Ein einzelner Zahn ist nach Wiepken (1. c. S. 10) auch bei Langwarden im Oldenburgischen (im Butja-

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dingerlande) beim Graben eines Brunnens 7 1/2 m tief im Sande unter dem Klei gefunden.
Während die Anzahl der neu aufgeführten Arten nicht gross ist, kann ich zu einer ziemlich erheblichen Anzahl von fossilen und subfossilen Säugetier-Resten neue Fundstellen aufführen, wobei ich mich allerdings auf die wichtigsten Funde beschränke. Der leichteren Übersicht halber führe ich dieselben unter den laufenden Nummern meiner ersten Zusammenstellung an.

Raubtiere.

11.

Felis (Leo) spelaea Goldf. Löwe.
In den unteren Schichten der Kiesgrube am „Sintel-Berge“ in der Nähe des Bahnhofs Hameln wurde, wie ich bereits bei Gelegenheit der Besprechung der Reste des Moschusochsen erwähnt habe, ein wohlerhaltener Radius des Löwen in echt fossilem Zustande aufgefunden.
Aus den mit Lehm ausgefüllten Spalten der Gypsbrüche bei Förste unweit Osterode am Harz, die bereits viele Tierreste geliefert haben, erhielt ich einen einzelnen Eckzahn des Löwen.
Nach Blasius (1. c. S. 2) wurde bei den Aufräumungsarbeiten in der Hermannshöhle bei Rübeland ein Unterkieferstück von Felis spelaea erbeutet, welches jetzt im Museum der technischen Hochschule zu Braunschweig aufbewahrt wird.

12.

Felis antiqua Cuv.
Diese grosse von mir früher aus der Einhornhöhle nachgewiesene Katzenart ist von Wilh. Blasius jetzt auch aus der Baumannshöhle bekannt gemacht. (Braunschweiger Tageblatt vom 28. Januar 1892.)

15.

Canis familiaris matris opimae Jeitteles. Der Broncehund.
Wiepken beschreibt (1. c. S. 9) einige dieser Rasse zugehörige Schädel aus den der urgeschichtlichen Zeit angehörigen Kreisgruben von Dangast an der südlichen Spitze des Jadebusens.

58
18.

Ursus spelaeus Blumenbach. Höhlenbär.
Auf dem Grossherzoglichen Museum in Oldenburg wird ein Eckzahn des Höhlenbären aufbewahrt, welcher nach Wiepken aus dem Torf von Moleshöhe im Oldenburgischen stammt.

22.

Foetorius erminea Keys. u. Blas. Hermelin.
Nach Blasius sind Reste des Hermelins sowohl in der Hermannshöhle, als zusammen mit Resten des Schneehasens in diluvialen Schichten der neuen Baumannshöhle bei Rübeland gefunden worden.

Nagetiere.

25.

Cricetus frumentarius Pall. Hamster.
Zusammen mit Resten des Lemmings, Pfeifhasens, Schneehasens, Moorschneehuhns und Rentiers in der Hermannshöhle bei Rübeland. (Kloos, 1. c. S. 308.)

28.

Arvicola amphibius L. Wasserratte.
Zusammen mit der vorigen Art in der Hermannshöhle.

31.

Myodes torquatus Pall. Halsbandlemming.
Zusammen mit den beiden vorstehend genannten Arten in der Hermannshöhle, ausserdem in zahlreichen Exemplaren von Blasius zusammen mit anderen Mitgliedern einer Glacialfauna in diluvialen Schichten der neuen Baumannshöhle entdeckt.

32.

Castor Fiber L. Biber.
Ich erhielt in diesem Herbst (1891) einen wohlerhaltenen Unterkiefer des Bibers, welcher aus dem Schlamme des Dümmersees zu Tage gefördert ist.
Nach Wiepken (1. c. S. 10) ist im Jahre 1862 bei der Ausschachtung eines Kellers in der Stadt Oldenburg in einer Tiefe von 10 Fuss unter der Oberfläche auf einer Sumpfschicht ein Biberkopf gefunden, der jetzt auf dem Grossherzogl. Museum aufbewahrt wird.
Nach Wilh. Blasius (1. c. S. 8) wurde bei der Anlage eines Steinbruchs an der Christinenklippe in der Nähe von Rübeland 30 Meter über dem jetzigen Niveau des Bodeflusses mit anderen noch nicht untersuchten

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Tierknochen ein Biberzahn gefunden, welcher wahrscheinlich einer jüngeren Ablagerung entstammt.
34.

Lepus variabilis Pall. Schneehase.
Sowohl die Hermannshöhle als die Baumannshöhle haben nach den Untersuchungen von Kloos und Blasius zahlreiche Reste des Schneehasens zusammen mit denen des Ren, des Lemmings und anderen nordischen Tieren geliefert.

35.

Lagomys pusillus Desm. Pfeifhase.
Reste einer Pfeifhasen-Art werden von Kloos aus der Hermannshöhle erwähnt.

Wiederkäuer.

36.

Cervus tarandus L. Rentier.
Seit meinem ersten Berichte sind noch eine grosse Menge von Geweihen und anderen Knochenresten des Ren's von den Fischern aus dem Schlamme des Dümmer Sees zu Tage gefördert, von denen eine erhebliche Anzahl in meine Sammlung übergegangen ist, während andere in den Besitz von verschiedenen Museen und Privatpersonen gelangten. Ich habe über diese Funde in den oben erwähnten Schriften ausführlich berichtet und will hier nur erwähnen, dass ich kürzlich an Ort und Stelle einen in den hinteren Teilen gut erhaltenen Rentierschädel eines jüngeren Tieres erworben habe, an welchem die eine Geweihstange grösstenteils unverletzt ist, während die andere dicht über dem Schädel anscheinend künstlich und zwar in alter Zeit abgetrennt ist. Ueber einen in ähnlicher Weise behandelten Elch-Schädel aus dem Dümmer See, an welchem die künstliche Bearbeitung ganz unzweifelhaft ist, habe ich im Korrespondenz-Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Jahrgang 1887, Seite 14, berichtet.
Soweit ich Kenntnis davon erhalten habe, sind im Dümmer See bislang die Reste von folgenden Säugetieren gefunden: Torfhund, Biber, gemeiner Hase (nach der Farbe des Schädels zu urtheilen aus neuerer Zeit),

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Rentier , Elch , Edelhirsch , Reh, Ur, Pferd und Wildschwein.
Ausser in der bereits früher von mir erwähnten Hermannshöhle sind zahlreiche wohlerhaltene Rentierreste diluvialen Alters von Wilh. Blasius in der Baumannshöhle im Harz zusammen mit Knochenresten von Lemmingen und Wühlmäusen, sowie einigen anderen Arten gefunden worden.

37.

Cervus Alces L. Elch.
Auch aus dem Herzogthum Oldenburg sind nach Mitteilung von Wiepken (l. c. S. 6) mehrfache Funde von Elchgeweihen zu verzeichnen und zwar aus dem Bornhorster Moor, aus der Umgegend von Westerstede und 10 Fuss tief aus dem Klei bei Schweewarden.

38.

Cervus euryceros Aldr. (Megaceros hibernicus.) Riesenhirsch.
E. J. Ottmer hat in dem Sitzungsberichte des Vereins für Naturwissenschaft in Braunschweig am 12. Dezember 1872 über ein bei Oelsburg unweit Peine gefundenes Geweih berichtet, welches sich nach den Mitteilungen von Wilh. Blasius (die faunische Litteratur Braunschweigs, Braunschweig 1891, S. 198) später als Cervus euryceros herausgestellt hat.

46.

Bos (Bison) priscus. Wisent.
Nach Wiepken werden auf dem Grossherzoglichen Museum in Oldenburg zwei Hörner dieser Art aufbewahrt, welche im Jahre 1881 auf Urwalds-Boden im Neuenburger Moore gefunden sind.

47.

Bos primigenius Boj. Ur.
Die oberen diluvialen Schichten der Kiesgruben am „Sintel-Berge“ unweit des Hameler Bahnhofs haben ein Schädelfragment eines jüngeren Exemplares mit den beiden Hornzapfen geliefert, welches in meiner Sammlung aufbewahrt wird.
Auf dem Grossherzogl. Museum in Oldenburg befindet sich nach Mitteilung von Wiepken der Schädel

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eines mächtigen Ur, welcher bei Otterndorf im Kreise Hadeln (Provinz Hannover) beim Ausschachten eines Kanals im Klei gefunden wurde. Auch die Moore im Herzogtum Oldenburg, insbesondere das Heller und Torsholter Moor haben nach demselben Verfasser (1. c. S. 4) einige Reste des Bos primigenius geliefert.
Bei Werlte im Kreise Hümmling sind in einem Torfmoore zwei Hörner des Bos primigenius gefunden. (Correspondenz-Blatt d. deutsch. Ges. für Anthropologie etc. Jahrgang 1871. S. 39.)
Ueber ein im August 1875 in dem Torfmoore bei Alvesse im Kreise Peine aufgefundenes Skelet des Urochsens hat Wilh. Blasius in dem Sitzungsberichte des Vereins für Naturwissenschaft in Braunschweig vom 12. April 1877 berichtet. (Wilh. Blasius, Faunische Litteratur. 1891. S. 201.)

48.Bos primigenius taurus L. Hausrind.
49.

Bos brachyceros Rütimeyer. Torfkuh.
Wiepken berichtet in der oft zitierten Schrift über Rindvieh-Schädel beider Rassen, welche in den Kreisgruben auf dem Hohen Wege bei Fedderwarden im Oldenburgischen vorgekommen sind. Die Schädel und sonstigen Knochenreste der Torfkuh lassen nach ihm auf so kleine Tiere schliessen, wie sie jetzt selbst auf der Geest nicht mehr gefunden werden.

Einhufer.

50.

Equus caballus L. Pferd.
Aus dem Schlamme des Dümmer Sees sind neuerdings neben den übrigen Tierknochen auch einige Reste eines ziemlich grossen Pferdes zu Tage gefördert.
Nach Wiepken sind im Herzogtum Oldenburg bislang keine Reste des Diluvial-Pferdes entdeckt. Dagegen sind aus urgeschichtlicher Zeit in den Kreisgruben von Dangast, welche mit den jüngeren Pfahlbau-Ansiedelungen etwa gleichaltrig sein sollen, verschiedene Pferdereste vorgekommen, welche eine sehr kleine

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Rasse bekunden. Nach dem Ausspruche von Nehring soll das Oldenburgische Kreisgrubenpferd etwa die Grösse der Isländischen Pferde gehabt haben. (Wiepken 1. c. S. 7.)

Vielhufer.

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Elephas primigenius Blum. Mammuth.
Reste des Mammuths kommen, wie ich bereits früher hervorgehoben habe, in den altquartären Ablagerungen der Provinz Hannover, insbesondere in den mittleren und südlichen Teilen derselben ausserordentlich häufig vor, so dass es kaum von Interesse ist, die zahlreichen auch in den letzten Jahren gemachten Funde einzeln aufzuführen. Seltener finden sich seine Reste in unserem nördlichen Flachlande; ich will daher nachfügen, dass nach den Mitteilungen von Wiepken Knochen und Zähne des Mammuth mehrfach auch im Herzogtum Oldenburg nachgewiesen sind, so in Gristede in den Ovie'schen Büschen, ferner in Hatten, wo ein Backenzahn im Diluvialsande gefunden wurde, endlich in Westerstede bei Begradigung der Norderbäke. (1. c. S. 4.)
Hoffentlich wird es gelingen, die Liste unserer quartären Säugetiere mit der Zeit noch zu erweitern; es ist nur zu wünschen, dass alle derartige Funde zur Kenntnis von Sachkundigen gebracht oder noch besser den grossen Sammlungen in der Provinz eingeliefert werden.


 

Jahresbericht Naturhistorische Gesellschaft Hannover 40/41:48-62

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