Die Geologie der Umgebung von Osterode Dr. Ralf Nielbock Die Umgebung von Osterode ist geomorphologisch geprägt durch den Harz und sein südwestliches Vorland. Die den Harz bildenden Gesteine bestehen durchweg aus Schichtabfolgen des Erdaltertums, das vor knapp 600 Millionen Jahren begann und bis vor ca. 225 Millionen Jahren andauerte. Die Schichten setzen sich überwiegend aus ehemaligen Meeresablagerungen zusammen, die im Laufe der Erdgeschichte u.a. zu Tonschiefern, Kalksteinen oder Sandsteinen umgewandelt wurden. Diese Sedimentgesteine sind fossilführend. Die ältesten Ablagerungen, am Ostrand des Harzes in der Umgebung von Wippra vorkommend, werden der Erdformation Ordivizium zugerechnet und sind nahezu eine halbe Milliarde Jahre alt. Gesteine des vor ca. 440 Millionen Jahren nachfolgenden Silurs finden sich in der näheren Umgebung von Osterode. Hierbei handelt es sich überwiegend um Tonschiefer, die in der Gegend von Herzberg und bei Bad Lauterberg anstehen. Am Ende des Silur wurde das Gebiet des heutigen Harzes kurzfristig Festland, einer der zahlreichen gebirgsbildenden Faltungsvorgänge der Erdkruste hatte dazu beigetragen. Im Verlauf der weiteren Erdgeschichte mehrfach nachfolgende Faltungsphasen prägten dann das heutige geologische Erscheinungsbild des Harzes. Seit Beginn des dem Silur zeitlich folgenden Devons war die hiesige Region dann über einen langen Zeitraum hinweg bis vor etwa 300 Millionen Jahren wieder vom Meer überflutet, zeitweise sogar Tiefseegebiet. Dabei bildeten sich kilometermächtige Ablagerungen, die heute als Kalk- oder Sandsteine sowie Tonschiefer des Devons und des frühen Karbons vorliegen. Hierzu zählen vor allem die dunklen "Wissenbacher Schiefer" des Mitteldevons, die Korallenriffkalke des Oberdevons vom Iberg sowie unterkarbonische Grauwacken (= grobkörnige Sandsteine mit Gesteinsresten), durch Kieselsäureskelette von Einzellern gebildete Kieselschiefer sowie Tonschiefer. An der Grenze vom Unter- zum Oberkarbon setzte in ganz Europa die sogenannte "variskische Gebirgsbildung" ein. Auch das Gebiet des Harzes wurde dabei intensiv aufgefaltet, stieg aus dem Meer auf und fiel trocken. Begleitet wurde die Gebirgsbildung von Vererzungen der dabei geöffneten Klüfte und Spalten: die Harzer Gangerzlagerstätten entstanden. Diese Blei, Zink, Kupfer und teilweise Edelmetall führenden Gänge wurden über mehrere Jahrhunderte hinweg bergmännisch ausgebeutet. Als letztes Buntmetall-Bergwerk stellte 1992 die Grube "Hilfe Gottes" in Bad Grund die Förderung ein. Andere Gesteine magmatischen Ursprungs (Tiefengesteine) aus dieser Zeit sind beispielsweise der Granit des Brockens oder die basaltartigen Diabase des "Oberharzer Diabaszuges", der bei Lerbach beginnt und sich über den gesamten Harz bis Bad Harzburg erstreckt. In Verbindung mit dem Diabas entstanden Roteisensteinlager. Dieser Eisenstein ist in der Umgebung von Lerbach bis in dieses Jahrhundert hinein abgebaut worden. Noch während des Oberkarbons, dann aber vor allem zu Beginn der Perm-Zeit wurde das variskische Gebirge wieder abgetragen. Der rötliche Abtragungsschutt - daher auch die Bezeichnung Rotliegendes für diese Zeitstufe - sammelte sich in weiten Becken am Rande des Rumpfgebirges. Der Harz war zunächst noch Festland, wurde dann aber vor ca. 250 Millionen Jahren erneut überflutet. Die neuen Ablagerungsschichten des "Zechstein-Meeres" legten sich hierbei flach auf das verfaltete Rumpfgebirge auf. Gerade in der direkten Umgebung von Osterode gibt es einige geologische Aufschlüsse, die dies quasi als Momentaufnahme der Erdgeschichte veranschaulichen, so der alte Steinbruch "Fuchshalle" in der Nähe des Osteroder Krankenhauses. Die Basis dieser neuen Meeresablagerungen, deren Gesteine sich heute gürtelförmig über 100 km am gesamten Südharzrand entlangziehen, bildet das Zechsteinkonglomerat. Dies ist ein aus aufgearbeiteten Gesteinen des Untergrundes bestehendes Brandungsgeröll des vorrückenden frühen Zechsteinmeeres. Überlagert wird das Konglomerat vom Kupferschiefer. Gebildet wurde dieser Schiefer als Faulschlamm am Boden eines ruhigen, stagnierenden Teilmeeres. Der Kupferschiefer enthält zahlreiche Metalle, so Kupfer, Blei, Zink und auch Silber. Er wurde am Südharzrand bergmännisch gewonnen. Im weiteren Verlauf des Zechsteins kam es zu zyklischen Ablagerungen von Kalken/Dolomiten, Tonsteinen, Gipsen und Salzen. Dies sind überwiegend rein chemische Absatzgesteine, die unter extremen Klimabedingungen durch Eindampfen des Zechsteinmeeres entstanden sind. Heute bilden die Abbau-Steilwände des Gipses, die sich u.a. von Osterode bis Badenhausen erstrecken, eine markante Geländestufe des südwestlichen Harzrandes. Das Gebiet mit oberflächlich anstehenden Gesteinen des Zechsteins ist überwiegend verkarstet. Dies bedeutet, daß vor allem der Gips ein sehr wasserlösliches Mineral ist und sich somit Hohlformen wie Dolinen im Gelände bilden sowie eine unterirdische Entwässerung mit Spalten- und Höhlensystemen entsteht. In den der Perm-Zeit nachfolgenden Jahrmillionen der Trias und des Juras war der Harz überwiegend Meeresgebiet. Erst an der Wende von der Jura- zur Kreidezeit und nochmals während der Oberkreide wurde er durch gebirgsbildende Erdbewegungen erneut aus dem Meer gehoben und ist seitdem Festland. Die Ablagerungen der vorherigen Formationen wurden daraufhin seit ca. 100 Millionen Jahren nach und nach abgetragen. Relikte oder Hinweise auf Gesteine des Erdmittelalters (Trias, Jura, Kreide) gibt es im Gebiet des Harzes heute nicht mehr. Diese Gesteine stehen allerdings weitflächig in der Vorharzregion an. Auch in der vor ca. 65 Millionen Jahren beginnenden Tertiärzeit wurde der Bereich des Harzes nochmals angehoben, dies wirkte sich begünstigend auf die Abtragung der Gesteine aus. In den Eiszeitphasen des nachfolgenden Quartärs mit entsprechenden extrem kalten Klimabedingungen erfolgte ebenfalls eine starke Erosion. Die Abtragungsmaterialien liegen heute vor allem in Form von Flußkiesen und Sanden wie im Söse-Bett und im Pöhlder Becken vor. Bei Eisdorf/Förste und in der Umgebung von Herzberg werden diese Lagerstätten abgebaut. Das heutige Erscheinungsbild des Harzes mit seinen Gesteinen aus über 400 Jahrmillionen ist somit erdgeschichtlich gesehen nur eine Momentaufnahme und die völlige Einebnung dieses augenblicklich aus seiner Umgebung herausragenden Gebirges nur eine Frage der Zeit. |