Eine endbronzezeitlich-früheisenzeitliche Siedlung am Westrande des Harzes
bei Badenhausen, Kr. Gandersheim

Mit 5 Abbildungen und 1 Tafel

Beim Bau der neuen Teilstrecke der Bundesstraße 243 am Westrande des Harzes, die die Orte Gittelde, Teichhütte und Badenhausen östlich umgeht, wurden bei Badenhausen zwei Gruben zum Zwecke der Schottergewinnung für die neue Trasse ausgehoben. Während dieser Arbeiten bemerkte ich im Juni 1970 an der Westwand der nördlichen Schottergrube (Flurbezeichnung "Karrenbruch" der Katasterplankarte), die östlich der neuen B 243 zwischen dieser und der Bundesbahnstrecke Seesen-Osterode unmittelbar nördlich des Sülpkebaches gelegen ist, eine auffällige Veränderung des Mutterboden- und Lehmhorizontes. Bei näherer Untersuchung fanden sich in dem durch die Baggerarbeit bereits herabgestürzten Erdreich unterhalb einer muldenförmigen, mit dunklem Mutterboden angefüllten Eintiefung auch einige Scherben. Weil durch die fortgesetzten Baggerarbeiten eine unverzügliche Untersuchung geboten erschien, übertrug der zuständige Bodendenkmalpfleger nach der Fundmeldung mir die weiteren Arbeiten, die in den Jahren 1970/71 durchgeführt wurden.

Abb. 1
Badenhausen, Kr. Gandersheim.
Lageplan der Grabungsstelle "Karrenbruch".
Zeichnung: W. Reißner.

Die Fundstelle liegt auf einem flachen ost-west-gerichteten Höhenrücken der auslaufenden Abdachung des Westharzrandes (Abb. 1). Der Aufschluß durch die Baggerarbeiten zeigte auf einem mächtigen Schotteruntergrund Lößlehm in unterschiedlicher Stärke, der von alters her landwirtschaftlich genutzt wurde. Den Höhenrücken begrenzt im Norden die geringe Talung des Wetteborns mit dem ehemaligen Karrenbruch, im Westen die Niederung des Johannisborns am Rande Badenhausens und im Süden der Sülpkebach. Die auffällig verfärbte Mulde wurde 100 Meter nördlich dieses Baches durch den Bagger angeschnitten. Das Ausmaß der bereits verlorengegangenen Funde und Befunde konnte nicht mehr festgestellt werden, da alle Nachfragen bei dem Baggerführer über Gestalt, Richtung, Maße und Inhalt der muldenförmigen Eintiefung ergebnislos blieben.

Die Grabung beschränkte sich auf einen relativ engen Raum von 12 m zu 2,5 m am Rande der Schottergrube, der wegen eines vorher zusammengeschobenen Walles abgetragenen Mutterbodens oberhalb der Fundstelle keinerlei Ausdehnung auf das angrenzende Feld erlaubte. Trotz der bedauerlichen Umstände konnte noch der ungestörte Rest einer vorgeschichtlichen Abfallgrube von 10 m Länge und 2 m Tiefe in der verbliebenen Breite von 2,50 m unter dem abgeschobenen Mutterboden durch die Grabung schichtweise untersucht werden (Taf. 26, 2). Die Grube war mit dunkelbrauner humoser Erde gefüllt, die mit zunehmender Tiefe Holzkohleteilchen enthielt. Ihr Grund wurde durch gelbbraunen Lehm und Schottergerölle verschiedener Größe angezeigt, die durch ihre Schräglage die ursprüngliche Böschung der Grube deutlich machte. Außerdem war das Gestein in der helleren Lehmschicht (zum Unterschied der Gerölle in der Grubenfüllung) niemals zerschlagen und in weit größerer Anzahl vorhanden als in der darüber lagernden Grubenfüllung. Mit zunehmender Tiefe wurde die gelbbraune, mit Schottergeröllen angehäufte Lehmschicht kiesiger, am Grunde der Mulde und nordwärts etwas aufgeböscht befand sich fast nur reiner Lehm. Unter der verschieden mächtigen Lehmschicht der gesamten Grube stand graues Kies- und Schottergestein an, das keine Lehmbestandteile als Bindemittel enthielt und deshalb nur geringe Festigkeit aufwies (Abb. 5).

Außer der Keramik befanden sich in der Füllung der Abfallgrube Gerölle, die häufig plattige Formen aufwiesen und in den meisten Fällen zerschlagen worden waren. Die kantigen Schlagflächen zeigten in den Gesteinsschnitten teilweise Verfärbungen, die auf Hitzeeinwirkung hindeuten. Gleiche Beobachtungen wurden besonders bei konglomeratischen Gesteinen festgestellt, die dadurch zersprungen und mürbe geworden waren. Die Gewinnung von Magerungsmaterial für die Töpferei scheint in dieser Form nicht ausgeschlossen zu sein, da die grobe Keramik ähnliche Magerungsbestandteile zu enthalten scheint. Der Unterschied der kantig zerschlagenen Gesteine in der Grubenfüllung zu den Gerollen der helleren darunter liegenden Lehmschicht wurde besonders deutlich in den scharfkantigen flach gewölbten und spitzkantigen Abschlägen in der Art steinzeitlicher Techniken. Einige zerschlagene plattige Gesteine (meist fester feinkörniger roter Sandstein) zeigen Glätteflächen und weisen auf eine Nutzung als Schleifsteine hin. Einige Bruchstücke eines stark verwitterten weißen grobkörnigen und plattig geschichteten Sandsteins sind als Teile eines Mahlsteins anzusprechen. Die Mahlfläche ist noch deutlich feststellbar. - Außerdem fanden sich weiße und hellockerfarbene mürbe und weiche Gesteinsbröckchen, die als Schlämmaterial für die Keramik gedient haben könnten. Daneben sind gebrannte Tonklümpchen und einige Feuerstein- und Kieselschiefergeräte bzw. Abschläge erwähnenswert. Dem Grubenboden auf halber Höhe aufliegend wurde ein graublauer Tonklumpen (60X30X5 cm) unregelmäßiger Formung angetroffen, der durch seine hangabwärtsfließende Lage in feuchtem Zustand auf die Böschung der Abfallgrube gelangt sein muß. - Hinzu treten zu den Funden sehr kleine kalzinierte Knochenreste, die zwar wiederholt in dem dunklen Boden bemerkt werden konnten, aber ihrer geringen Größe wegen nur in kleiner Zahl geborgen wurden. Ähnliche Schwierigkeiten bereitete die Bergung der häufig auftretenden Holzkohle in den tiefer gelegenen Schichten der Grube. Sie konnte nur dann gesammelt werden, wenn sie durch eine gewisse Härte ein Loslösen vom Erdreich Überstand, und das war vom gesamten Vorkommen nur ein geringer Bruchteil (150 g in trockenem Zustand). - An Metallgegenständen fanden sich lediglich einige wenige unbedeutende Eisenreste, die durch Oxydation stark verformt waren, und eine Bronzescheibe (13,5 mm 0, Abb. 4,12) mit geradlinig angeordneter fünfzeiliger Punktverzierung im runden Mittelfeld.


Abb. 2
Badenhausen, Kr. Gandersheim.
Fundplatz Karrenbruch. Keramik.
M. 1 : 3. Zeichnung: W. Reißner.

Abb. 3
Badenhausen, Kr. Gandersheim.
Fundplatz Karrenbruch. Keramik.
M. 1 : 3. Zeichnung: W. Reißner.

Abb. 4
Badenhausen, Kr. Gandersheim.
Fundplatz Karrenbruch. Keramik (1-11), Bronze (12).
M. 1-11 = 1:3; 12 = 1 : 2. Zeichnung: W. Reißner.

Die Keramik (Abb. 2-4) besteht sowohl aus grober Gebrauchsware mit grober Magerung (Abb. 2, 2.3; 3,20.21; 4,7-11), als auch aus kleineren Gefäßen aus feingemagertem Ton (Abb. 3, 1.13-15). Neben großen Vorratsgefäßen mit aufgeschlämmter gerauhter Wandung (Abb. 2, 2-4; 4, 10) treten auch glatt abgestrichene schüsselförmige Typen auf (Abb. 2,1; 3,22.23). Einige Gefäße weisen Henkel und Griffknubben auf (Abb. 3, 13; 4, 1-5).

Die verschiedenen Arten der aufgeschlämmten Oberflächenaufrauhung müssen als beabsichtigte flächendeckende Verzierung angesehen werden. Einige Scherben zeigen einen fortlaufenden vertikalen Abstrich der aufgeschlämmten Masse auch Fingernagelfläche (Daumennagel) (Abb. 4,8), andere lassen einen Wechsel dieses Abstrichs zu der normal aufgeschlämmten Oberfläche erkennen (Abb. 4, 9). - Auch horizontaler lockerer Abstrich der Aufschlämmung durch die Finger der offenen Hand sind auf einigen Scherben zu beobachten (Abb. 4, 10.11). Je nach Art der Magerung der Schlämmasse ist eine spezielle Oberflächenwirkung erzielt worden.

Bei einigen bauchigen Gefäßen, deren Unterteil vertikal gerauht ist, fällt horizontale Glättung des Halses auf. Die Trennung der verschieden gestalteten Oberflächen bilden umlaufende verschiedenartig geformte Wülste, teilweise durch Fingerkuppen- oder Fingernageleindrücke verziert (Abb. 2, 2.3; 3, 19-21). In zwei Fällen scheinen die Wülste nachträglich auf die Gefäßoberfläche aufgetragen worden zu sein (Abb. 3, 7; 4, 6), während bei den sonstigen Beispielen die Wülste lediglich bei der Ausformung des Gefäßes aus der Tonmasse der Wandung herausgearbeitet worden sind. - Ein Gefäß betont die Trennung zwischen Oberteil (Hals) des Gefäßes und Unterteil über das soeben beschriebene Maß hinaus noch zusätzlich durch verschiedene Farbgebung der aufgeschlämmten Masse (Unterteil: braun, Oberteil: ockerfarbig) (Abb. 3,21). Die einfachen oder verzierten Wülste betonen zuweilen die Schulter der Gefäße, die einen S-förmig ausschwingenden Hals haben, der aber in keinem Falle vom übrigen Gefäße abgesetzt ist (Abb. 2, 2; 3,7). Eine an der gesamten Außenfläche gerauhte Schüssel ist im Wulst durch Fingereindrücke in solch ausgeprägterWeise verziert, daß der Eindruck einer rundlich geformten Knubbenreihung entsteht (Abb. 2, 4).

Abb. 5
Badenhausen, Kr. Gandersheim.
Fundplatz Karrenbruch. Schnitt durch die Restgrube.
Zeichnung: W. Reißner.

1 Abgeschobener Humusboden.
2 Dunkelbraune humose Grubenfüllung mit Holzkohleteilchen.
3 Gelbbrauner Lehm mit Schottergeröllen verschiedener Größe; Grubenboden mit fast reinem Lehm.
4 Grauer Kies mit Schottergeröllen, ohne Lehm.

An einem großen kumpartigen Gefäß ist flächendeckende Kammstrichverzierung festzustellen (Abb. 4, 7), während eine feingemagerte Schüssel Fingernageleindrücke vom Boden bis zum leicht eingezogenen Randteil in mehrfacher, annähernd horizontaler Reihung aufweist (Abb. 2, 1). Fingertupfeneindrücke auf dem Rand des Gefäßhalses sind nur auf einer einzigen Randscherbe zu beobachten (Abb. 3, 18).

Außer Gefäßen mit S-förmig ausschwingendem Hals fanden sich Randscherben mit eingezogener Randlippe. Die dünnwandigen Gefäße waren aus fein gemagertem Ton gefertigt, die Oberflächen sind sauber glattgestrichen (Abb. 3, 13-15.17).

Die vorhandenen Bodenstücke einiger kleinerer bauchiger Gefäße und einer Schüssel zeigen eine deutlich betonte Standfläche, von der aus der Gefäßkörper in leicht eingeschnürtem Bogen nach oben schwingt (Abb. 3, 8-12). Zwei Beispiele haben einen ausgeprägteren Standfuß (Abb. 3, 8.11).

Die Farbe der Keramik reicht vom Schwarzgrau über graue, hellockerfarbene und braune Töne bis zum Hellrot und Rot. Einige Scherben lassen eine weiße Farbgebung vermuten (Abb. 4, 5). - Eine besondere Funddichte innerhalb der Grubenfüllung war in keiner Schicht festzustellen, zusammenpassende Scherben lagen in den allermeisten Fällen nicht beieinander. Es handelte sich bei den Bruchstellen der Scherben in weit überwiegendem Maße um alte Brüche, die wohl beim Hineinwerfen der defekten Gefäße in die Abfallgrube entstanden waren.

Die Beschaffenheit der Keramik und der Begleitfunde einschließlich der Grabungsbefunde lassen auf eine endbronzezeitlich-früheisenzeitliche Siedlung in unmittelbarer Nähe der Abfallgrube schließen. Nicht geklärt werden konnte die Frage, ob diese Siedlung noch auf dem westlich der Schottergrube anschließenden Feld nachweisbar ist, oder ob sie bereits bei den Baggerarbeiten im Bereich der Schottergrube zerstört wurde.

Wilhelm Reißner



Quelle: 
REIẞNER, Martin (1972): Eine endbronzezeitlich-früheisenzeitliche Siedlung am Westrande des Harzes bei Badenhausen, Kr. Gandersheim - Nachr. Niedersachs. Urgeschichte 41:249-256, 5 Abb., Hildesheim

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