Zwei jungbronzezeitliche Hakenspiralen aus dem südwestlichen Harzvorland Mit 1 Abbildung und 1 Tafel Im Herbst 1973 meldete der Kreisbeauftragte für archäologische Denkmalpflege im Landkreis Osterode a. Harz, Herr Konrektor i. R. E. Anding, den für die jüngere Bronzezeit Südniedersachsens wichtigen Fund von zwei bronzenen Hakenspiralen, die dank der Aufmerksamkeit seines Helfers, Herrn W. Deppe, Hattorf-Rödermühle, in der Gemarkung Hattorf, Kr. Osterode a. H., geborgen werden konnten. Dem ausführlichen, von E. Anding veröffentlichten Fundbericht (1973, S. 10 ff.) entnehmen wir folgende Angaben: Die Fundstelle liegt am Südhang eines Höhenzuges, der das in Ost-West-Richtung verlaufende Odertal gegen Norden begrenzt (TK 25, Blatt 4327 Gieboldehausen; r 3584170, h 5726800). Auf einer Feldparzelle (Besitzer A. Böttcher, Hattorf) waren in den vergangenen Jahren an mindestens fünf verschiedenen Stellen größere Mengen von meist dickwandiger, grober Keramik gefunden worden. An einem dieser Plätze entdeckte W. Deppe bei einem Kontrollgang über den frischgepflügten Acker die beiden Hakenspiralen inmitten dunkel gefärbten Erdreiches, in dem ebenfalls Scherben jener groben Keramik lagen. Eine sofort von E. Anding vorgenommene Untersuchung der Fundstelle durch eine 2,5X2,5 m große Flächenabdeckung lieferte weitere keramische Reste der gleichen Art. Da die Pflugtiefe stellenweise bis an den felsigen Untergrund reichte, konnten nur noch geringe, dünne Reste einer ehemaligen Kulturschicht, die sich in einem Ausmaß von 1,25X0,75 m flachmuldenförmig bis zu 12 cm vertiefte, festgestellt werden. In dieser Mulde lagen geringe Reste von Holzkohle, gebrannten Tonklumpen und kleinere atypische Gefäßscherben. E. Anding deutet diesen Befund als Feuerstelle, zumal auf der gesamten freigelegten Fläche größere Stücke von Grauwacke, die deutlich Feuereinwirkung erkennen ließen, verstreut lagen. Es muß unbeantwortet bleiben, ob die beiden Hakenspiralen mit diesen Funden in einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden können, da sie nicht „in situ" sondern ausgepflügt an der Oberfläche gefunden worden waren. Die auf diesem Fundplatz geborgene Keramik besitzt zu wenig Aussagekraft, um sie zeitlich und kulturell näher einordnen zu können. Zwischen der ausgepflügten und der aus der restlichen Kulturschicht stammenden Keramik bestehen keine Unterschiede. Es handelt sich durchweg um schlecht gebrannte, dickwandige Gefäßscherben, deren Stärke zwischen 1,2 bis 1,8 cm wechselt, überwiegend tragen sie auf der Außenwandung eine künstliche Rauhung durch aufgetragenen Schlick, dem Flußkiespartikel von unterschiedlicher Größe beigemengt sind; andere Scherben sind grob verstrichen. Ihre Farbe ist außen einheitlich lehmigbraun mit gelegentlich helleren oder dunkleren Nuancen, innen braun bis schwarz-grau, im Bruch ebenfalls lehmigbraun bis schwarz. Der Ton weist eine grobe Magerung durch Flußkies auf. Bei den wenigen, auffallend dickwandigen Bodenstücken geht die Gefäßwandung mit einer schwachen Einziehung in einen flachen Standboden über. Einzelne Wandungsstücke lassen einen leicht S-förmig geschweiften Gefäßaufbau erkennen, wobei die Halspartie des Gefäßes frei von aufgetragener Rauhung, aber grob verstrichen ist. Gering ist die Zahl der Randstücke; sie stammen von mittelhohen, steilen, nur schwach nach außen geneigten Gefäßrändern mit abgerundetem Saum. Nur eine einzige Randscherbe mit niedrigem Rand zeigt eine etwas stärkere Ausbiegung. In ihrer Erscheinungsform unterscheidet sich die Keramik nicht von der, die man schlechthin als spätbronze- bis früheisenzeitlich bezeichnet. Um so bedeutungsvoller sind die beiden Hakenspiralen (Taf. 21, a). Abb. 1 Hakenspiralen von Hattorf, Kr. Osterode a. Harz M. 2 : 3 Zeichnung: H. Mahn Hakenspirale 1 (Abb. 1, 1). Große Hakenspirale mit 15 Windungen aus rundem, maximal 4 mm starkem Bronzestab, vollständig erhalten, Hakenteil jedoch abgebrochen. Am Haken sowie an der inneren Windung verjüngt sich der Bronzestab und geht in flach-rechteckigen Querschnitt über. Abgesehen von der weiten äußeren Windung ist die Spirale eng gewunden. Verzierung trägt nur die Oberseite; sie ist in Gruppen angebracht. Die äußerste Windung bis zum Hakenbeginn ist verziert mitfortlaufenden Winkelmustern aus Doppelstrichen, stellenweise infolge starker Abnutzung nur noch sehr schwach erkennbar. Es folgt eine Gruppe von zarten, schräg liegenden strichartigen Kerben. Auf den folgenden 6 Windungen sind Dekorelemente nicht mehr erkennbar; vereinzelte Rudimente zeigen jedoch, daß Verzierungen vorhanden waren. Zwei mittlere Windungen sind mit zwei sich gegenüberliegenden Gruppen von kräftigen Querkerben versehen. Die Innenwindungen waren anscheinend unverziert. Dm. der Spirale: 10,7 cm; Gewicht: 215 g. Mäßig gute, fleckig blaugrüne Patina mit Korrosionserscheinungen an verschiedenen Stellen. Tafel 21 zu Claus (Seite 114)
Hattorf, Kr. Osterode a. Harz Hakenspirale 2 (Abb. 1, 2). Unbeschädigt, ebenfalls mit 15 Windungen; weist die gleiche Beschaffenheit wie Hakenspirale 1 auf, auch im Verzierungsmuster und in der Patina. Dm. der Spirale: 10,7 cm; Gewicht: 220 g. Die völlige Übereinstimmung beider Stücke zeigt deutlich, daß sie zu einer Kollektion gehört haben. Mit dem Fund von Hattorf sind Hakenspiralen, deren Kennzeichen das sich verjüngende, hakenförmig aufgebogene Spiralende ist, zum ersten Male im südniedersächsischen Raum, bzw. im südwestlichen Harzvorland nachweisbar. Sie stellen eine spezifisch thüringische Form dar, die ihre Verbreitung im wesentlichen im mittel- und nordthüringischen Gebiet findet, wo sie nach den von W. A. von Brunn (1968, S. 281), B. Schmidt-W. Nitzschke (1972, S. 27) und D. W. Müller (1972, S. 115 ff.) gegebenen Verbreitungslisten im Bereich der jungbronzezeitlichen Unstrutgruppe, der Helmsdorfer Gruppe und vereinzelt auch noch in der Saalemündungsgruppe auftreten. Außerhalb dieses Verbreitungsgebietes liegt lediglich südlich des Thüringer Waldes der von W. A. von Brunn aufgeführte Fund von Kaltennordheim, Kr. Bad Salzungen, bereits zur nördlichen Rhön gehörend und nunmehr der neueste Fund aus Flattorf, Kr. Osterode, im südwestlichen Harzvorland. In seinen Untersuchungen über die mitteldeutschen Hortfunde der jüngeren Bronzezeit stellt W. A. von Brunn (1968) fest, daß Hakenspiralen nach Ausweis von bisher gut beobachteten Grabfunden zum weiblichen Kopf- bzw. Kappenschmuck gehörten. Wenn auch in den Gräbern die Hakenspiralen in der Regel einzeln auftreten, ist doch anzunehmen, daß sie ursprünglich auch paarig getragen worden sind, wenn ein derartiges Auftreten in den Hortfunden berücksichtigt wird. Bereits in seiner Arbeit über die Steinpackungsgräber von Köthen hat von Brunn (1954) H. Agdes Datierung (1935) berichtigt und die Hauptmasse der Hakenspiralen in die Bronzezeitperioden III und IV (nach Montelius), bzw. in die Stufen Brz. D bis HaB (nach Reinecke) eingeordnet. Mit ihm stimmt B. Schmidt (1964; 1972) überein. Als älteste Spiralen sind nach v. Brunn reich verzierte Hakenspiralen anzusehen, z. B, Bliederstedt, Kr. Sondershausen, deren Ornamentierung deutlich auf Beziehungen zum späten westlichen Hügelgräberkreis hinweist (v. Brunn, 1959, S. 103 ff.; 1968, S. 191). Hierzu gehört auch die von D. W. Müller (1972) publizierte, reich verzierte Hakenspirale von Eschenbergen, Kr. Gotha. Von ihnen unterscheiden sich durch fehlende Verzierungen und auch durch unterschiedliche Größe Fundstücke aus späteren Hortfunden, die bereits in den Anfang der Per. V (Montelius) gehören, wie z. B. vom Langen Berg bei Dornburg, Kr. Jena (Neumann 1937 a, S. 7 f., Fig. 2) und Günserode, Kr. Artern (Schmidt-Nitzschke 1972, Tf. 5 h und 6d). Ausgehend von der Hakenspirale aus Eschenbergen, Kr. Gotha, hat D. W. Müller (1972) nach Unterschieden des Dekors und den Größenverhältnissen eine Aufschlüsselung in vier verschiedenen Typen von Hakenspiralen unternommen. Seinem Typ A ordnet er die großen, reich mit verschieden angeordneten Linien- und Kerbverzierungen versehenen Funde ein (Stufe Brz. D); im Typ B faßt er die großen Spiralen mit Kerbverzierungen (Stufe Brz. D und HaAJ zusammen, während er kleinere unverzierte (Typ C) dem süddeutschen Chronologieschema HaA-HaB und große unverzierte (Typ D) in HaBi-HaBa einordnet. Hiernach dürften die beiden Hakenspiralen von Hattorf, trotz der im Vergleich zu Bliederstedt und Eschenbergen etwas zurückhaltenderen Ornamentierung noch dem Typ A, d. h. Brz. D, angehören. Es mag verfrüht sein, aus dem Auftreten dieser beiden Hakenspiralen bereits weiterreichende Rückschlüsse auf kulturelle Verbindungen zwischen der mitteldeutschen Unstrutgruppe und dem südwestlichen Harzvorland zu ziehen. Hierfür dürfte dessen bislang bekanntgewordener Fundvorrat noch nicht ausreichen. Immerhin muß in diesem Zusammenhang auf das im Jahr 1945 geborgene Steinpackungsgrab aus der gleichen Gemarkung Hattorf verwiesen werden, das auf mögliche Beziehungen zum nordthüringischen Gebiet, d. h. zur Unstrutgruppe, schließen läßt, nicht zuletzt auch aus landschaftlich-räumlichen Gründen (Claus 1966). Die beiden Hakenspiralen dürften die damals geäußerten Vermutungen weiter bestätigen. In diesem Zusammenhang sei noch ein weiterer Fund aus der Gemarkung Hattorf bekanntgegeben. Es handelt sich um eine Gefäßscherbe mit Reliefverzierung nach Art der bekannten Kalenderbergkeramik. Auch dieser Fund ist wieder der Aufmerksamkeit von Herrn W. Deppe, Hattorf, zu verdanken. Durch Vermittlung von Lehrer E. Reiff, Hattorf, erhielt Anfang des Jahres 1972 der Kreispfleger, Herr E. Anding, Kenntnis von diesem Fundstück. Die Fundstelle liegt etwa 1,5 km westlich des Ortes Hattorf auf der Unterterrasse des Odertales. Durch zahlreiche auffällige Bodenverfärbungen und Scherbenkonzentrationen ist der Platz bereits seit längerer Zeit bekannt. Vermutlich handelt es sich um Reste einer ehemaligen größeren spätbronze- bis früheisenzeitlichen Siedlungsfläche, die sich in ihrer Gesamtausdehnung über mehrere Ackerparzellen erstreckt. Einige von E. Anding durchgeführte Probeuntersuchungen ergaben jedoch, daß der Boden durch Pflugeinwirkung tiefgründig gestört ist und Reste alter Kulturschichten nicht mehr vorhanden sind. Am südlichen Rand dieser vermuteten Siedlungsfläche wurde die Gefäßscherbe ausgepflügt und an der Oberfläche nahe einer größeren dunklen Bodenverfärbung gefunden (TK 25, Blatt Nr. 4327 Gieboldehausen; r 3584420, h 5724980). Wenn es auch naheliegt, diesen Fund in den Gesamtkomplex des von hier stammenden keramischen Fundgutes einzubeziehen, so stellt er doch streng genommen einen Einzelfund dar, dessen Publikation wegen seiner Besonderheit gerechtfertigt erscheint, zumal das übrige von dieser Scherbenstelle stammende Fundgut noch einer Bearbeitung harrt. Es handelt sich um eine Scherbe aus der unteren Hälfte eines Gefäßes, dessen Form nicht mehr rekonstruierbar ist. Die Außenseite trägt eine Reliefverzierung nach Art der Kalenderbergkeramik. Sie wird durch schwach ausgeprägte Rippen gebildet, die zum Teil geradlinig, z. T. schwach S-förmig geschwungen aufwärts streben. Die Vertiefungen zwischen den Rippen sind durch schrägliegende Fingernageleindrücke gefiedert. Der Bodenansatz des Gefäßes ist gerade noch erkennbar und gegen das flächendeckende Reliefmuster durch eine 2 cm breite glattgestrichene Zone abgesetzt. Die Farbe der Gefäßscherbe ist außen brandrot, innen grauschwarz, der Ton mit kleinen Glimmerpartikeln gemagert (Taf. 21, 6). Wandstärke: 0,8 cm, zum Boden zu bis 1,2 cm stärker werdend. Über Verbreitung und Zeitstellung dieser auffallenden Keramik ist in anderem Zusammenhänge bereits berichtet worden (Claus 1940; 1952). Durch den Fund von Hattorf ist diese Reliefkeramik nach Art der Kalenderbergware erstmals für das südwestliche Harzvorland belegt. Ein weiterer, von E. Plümer (1967) vorgelegter Fund aus dem nördlichen Teil Südniedersachsens, aus einer Siedlungsgrube bei Einbeck stammend, ist für die zeitliche Einordnung dieses Keramiktyps in die Stufe HaD insofern wichtig, als C14-Bestimmungen von Holzkohleresten aus dem Fundzusammenhang ein Alter von 640 ± 60 v. Chr. ergaben. Funde von reliefverzierter Keramik dieser Art sind auch aus dem Leinetal bei Göttingen bekannt (Maier 1971, S. 14; 106; Taf. 43, 13). Ebenfalls in nur geringer Entfernung von Hattorf liegt ein weiterer Fundplatz mit „Kalenderbergkeramik", der „Kohnstein" bei Niedersachswerfen, Kr. Grafschaft Hohenstein, der als befestigte Höhensiedlung der Thüringischen Kultur der frühen Eisenzeit angehört (Claus 1940, S. 139). Das Auftreten reliefverzierter Keramik im südwestlichen Harzvorland ist an und für sich nicht überraschend, wenn man einmal die Bedeutung der nahegelegenen Pipinsburg bei Osterode mit ihren weitreichenden Kulturverbindungen bedenkt, zum andern aber auch die landschaftliche Struktur des südwestlichen Harzvorlandes berücksichtigt. Als eine von Bergmassiven und Höhenzügen umgebene „Pfortenlandschaft", die nur durch die Täler der Söse gegen Norden, der Rhume gegen Westen und der Helme am Südharzrand gegen Osten Zugänge besitzt, hat es in allen Perioden als Durchgangsland stets eine kulturvermittelnde Rolle gespielt. Martin Claus Literatur:
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