Eine früheisenzeitliche Siedlungsstelle
bei Herzberg, Kr. Osterode am Harz

Von

Edwin Anding, Werner Ricken und Wilhelm Reißner

Mit 13 Abbildungen

Am 1.1.1976 entdeckte W. Ricken eine an keramischem Material reiche Fundstelle im Staatsforst Aue zwischen Herzberg und Auekrug, Distrikt 57, dicht südlich der Bundesstraße 27 (TK 25, Blatt 4327 Gieboldehausen, R. 35 90 770, H. 57 23 820). Das Areal wird zur Zeit von der Firma Huke, Herzberg, als Kiesgrube genutzt.

Zur geologischen Situation

Das Fundstellengelände gehört zu einem weichseleiszeitlichen Flußlauf der Sieber, der sich in die Schichten des Unteren Buntsandsteins und der pleistozänen Terrassenfläche eingesenkt hat. Er stellt sich heute als ein Trockental mit einem 5-10 m mächtigen Schotterpaket dar, das von Unterem Buntsandstein und Zechsteingips unterlagert wird. Auslaugungsvorgänge im Gipsbereich führten zu Senkungserscheinungen, die sich häufig durch den Buntsandstein und die überlagernden Schotter bis an die Oberfläche fortsetzten. Einige dieser Erdfälle reichen mit ihren Trichtern teilweise bis in den Grundwasserbereich über den stauend wirkenden Sandsteintonen hinein, andere dichteten sich durch Sedimentation teilweise ab und sind deshalb wasserführend. Oberflächiger Zufluß erfolgt durch Regenwasser oder kleine Quellen aus dem nördlich der Fundstelle liegendem Hang und durch den Haxgraben.

Auf dem Schotter des Trockentales der Aue liegen mit Ausnahme der feuchten Stellen mineralreiche, aber fast durchweg flache und trockene Braunerden. Die älteren Terrassen werden von entkalkten Lößlehmen überlagert, deren Mächtigkeit auf der südlich der Fundstelle liegenden Mittelterrasse stellenweise über 10 m beträgt und die vor Beginn der eigentlichen Rodungszeit noch humusreich gewesen sein dürften (W. RICKEN 1973). Diese Lößlehme sind die Grundlage der heutigen Landnutzung. Die Bodenbedeckung der Oberterrasse ist geringmächtiger, lehmreicher und ärmer als die der Mittelterrasse und neigt stellenweise zur Vernässung. Anbau ist hier, wie auch auf den tonigen Böden des Unteren Buntsandsteins möglich.




Abb. 1
Versuch einer Rekonstruktion der natürlichen
Siedlungsvoraussetzungen zur Eisenzeit im Raum
Herzberg, Kr. Osterode am Harz

Die Fließerdeflächen der nördlichen Talbegrenzung sind wegen ihres hohen Tongehaltes und steiler Lagen für die Landwirtschaft kaum nutzbar. Die Karte (Abb. 1) versucht eine Zusammenschau der geologischen Voraussetzungen für eine Siedlung im Auetal nach den heutigen Gegebenheiten zu schaffen. Dabei sind auch die noch in jüngster Zeit überschwemmten Flußniederungen berücksichtigt.

Die eigentliche Siedlungsstelle liegt in einem Erdfall, von dessen Gesamtfläche bei unserer Grabung nur noch weniger als ein Viertel vorhanden gewesen sein dürfte. Nach einem Rekonstruktionsversuch anhand der Grenze Erdfallfüllung - Schotter könnte der Erdfall eine Tiefe von 2 m und einen Durchmesser von 12 - 14 m gehabt haben. Seine Wände begannen am Rande steil, der Boden war flach. Bis zur Anlage der Siedlung wurden im Erdfall noch maximal 1 m lehmige Feinsande von der umgebenden Terrassenfläche zugeführt. Hierauf folgte nach der Siedlungszeit eine weitere Auffüllung des Trichters.


Zustand der Fundstelle vor der Grabung

Da für die Kiesgewinnung die Füllung des Erdfalles nicht brauchbar war, der umgebende Kies aber abgebaut wurde, zeigte sich der Fundort bei der Besichtigungam 2.1.1976 als ein auf drei Seiten freigelegter, mehrere Meter hoher Kegelstumpf aus sandig-lehmiger Erde mit einem dunklen Querstreifen im oberen Drittel, der sich nach Westen zu bei zunehmender Mächtigkeit vertiefte, nach Osten zu leicht ansteigend ausdünnte (Abb. 2). Es war eine Kulturschicht mit vorgeschichtlichen Scherben, Holzkohle und einigen Schottern. Sie trennte die etwas dunklere, mit humosen Stoffen angereicherte Deckschicht, die als spätere Einfüllung die Kulturschicht überlagerte, von dem helleren, sterilen Boden des Untergrundes. Im Anschnitt zeigte sich schon, daß offensichtlich nur noch der Rest einer ausgedehnten Siedlungsfläche vorhanden war, die sich zwar stark abgeschwächt bis zum nördlichen Dolinenrand fortsetzte, aber leider durch einen probeweise geführten Baggerquerschnitt, der bis unter die Kulturschicht reichte, erheblich eingeengt wurde. Von der Hauptsiedlungsfläche blieb also nur noch ein ungestörter Rest von ca. 6 qm, wobei gerade der wichtigste Teil im Westen nur noch eine Breite von weniger als 1 m erreichte. Die Menge und Art der aus dem davorliegenden Abraum geborgenen Keramik versprach trotzdem noch eine lohnende Untersuchung. Obgleich nun wegen der augenscheinlichen Anfälligkeit der Füllerde gegen winterliche Witterungseinflüsse rasches Handeln geboten war, konnte mit der Arbeit erst Anfang März begonnen, mußte dann witterungsbedingt unterbrochen werden und litt in den letzten Tagen durch tägliche Frostabbrüche und tiefgehende Frostrisse im verbliebenen Teil.


Abb. 2
Herzberg, LK. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal vor Beginn der
Grabung 1976 - Profil von Südosten

Die Grabungsbefunde (Abb. 3)

Bis zum Beginn der Untersuchung war im westlichen Teil der Kulturschicht durch Abbröckeln der Erde der Bodenteil eines großen, groben Gefäßes sichtbar geworden, der anscheinend noch in situ innerhalb der hier verstärkten Kulturschicht stand und sehr gefährdet zu sein schien. Darüber lag noch eine 15 cm dicke Schicht schwarzer Erde, die abgedrückte Stücke der Seitenwände des Gefäßes bedeckte. Dieses selbst stand auf einer 10 cm dicken kiesigen Unterlage, die anscheinend auf eine terassenartige Abstufung aufgetragen worden war. Ganz am Westrande fiel der dunkle, leider nur noch als schmaler Streifen erhaltene Teil der Kulturschicht steil ab. Der eigentliche, nicht mehr feststellbare Grubenboden kann deshalb noch erheblich tiefer gelegen haben. Die Vermutung, daß es sich bei der Anlage um eine Feuerstelle handelt, die erhöht in der Grubenwand angelegt wurde, wird gestützt durch eine 1952 auf der Pipinsburg bei Osterode gewonnen Erfahrung, wo ein richtiger Lehmofen 1 m über dem Fußboden in die Wand eingebaut worden war (E. ANDING 1961). Im jetzt vorliegenden Falle ist die Annahme einer offenen Feuerstelle wahrscheinlicher. Bei der Untersuchung ergab die schwarze Schicht über dem Gefäßrest viele Scherben, etwas Holzkohle in kleinen Stücken und einige einseitig gerötete Lehmbrocken. Die darunter liegende Kiesschicht endete auf einem Pflaster aus etwa faustgroßen Schottern, das sich ungefähr bis zur Mitte der noch vorhandenen Fläche nach Osten zu fortsetzte. Der darauf liegende, verhältnismäßig dünnen Kulturboden enthielt ebenfalls Keramik und etwas Holzkohle. Größere Gerolle bis zu 30 cm Durchmesser umrandeten in loser Folge diese vermutliche Hauptfeuerstelle der Siedlung.

Abb. 3
Herzberg, Krs. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Grabung 1976

Die im Profil des östlichen Teiles nach Osten zu leicht ansteigende und ausdünnende Kuiturschicht, die sich anscheinend der Trichterform der Doline anpaßte, täuschte über deren weiteren Verlauf und Stärke. Im mittleren Teil fiel sie rasch nach Norden zu ab und zeigte mehrere kleine Scherbenkonzentrationen mit Holzkohle in verschiedener Höhenlage, ohne daß man sie als planmäßig angelegte Feuerstellen hätte ansprechen können. Unmittelbar über den unteren Teilen der Kulturschicht lagen mehrere große Gerolle (bis zu 30 cm Längsachse), die sich leicht in die Fundschicht eindrückten. Darüber folgten teilweise halbierte Grauwackengerölle, dazwischen regellos Scherben. Dieses an sich schon verwirrende Bild wurde noch rätselhafter durch eine größere Anhäufung von groben Schottern über dem oberen Teil der Kulturschicht, die trotz sorgfältiger Untersuchung keinen Sinn ergab. Ein klare Scheidung innerhalb der Kulturschicht war ebenfalls nicht möglich, so daß sich hier kein einwandfreies stratigraphisches Resultat ergab. - So war trotz mengenmäßig erheblicher Keramikausbeute auch in diesem Teil der Siedlungsfläche das Ergebnis zunächst enttäuschend.

Die Funde

Die in großer Menge geborgene Keramik (Abb. 4-13) stellte fast das gesamte Fundgut dar. Leider waren es überwiegend kleine und kleinste Stücke, von denen sich im Verhältnis zur Gesamtmenge nur wenige zusammenfügen ließen. Deshalb muß man sich bei der Deutung der Keramik und ihrer zeitlichen Einordnung durchweg mit Teilformen begnügen. Trotzdem bleibt sie beim Fehlen anderer typischer Funde und einer durchgehend gesicherten Stratigraphie dafür die einzige Stütze. Einen, wenn auch räumlich und materiell sehr begrenzten Einblick gab nur der in seiner Schichtung ungestört gebliebene Rest der großen Feuerstelle. Die bereits erwähnte Kiesschicht trennte zwei unterschiedliche Keramikarten, von denen die untere in Beziehung zu dem Steinpflaster stehen mußte. Mangels größerer und typischer Stücke läßt sich eine klare Differenzierung gegenüber der Oberschicht nicht durchführen. Die Unterscheidungsmerkmale liegen in Farbe und Materialbehandlung und - mit Ausnahme einer imitierten Kalenderbergscherbe (Abb. 6,5) - im völligen Fehlen von Verzierungen, die in auffallendem Gegensatz dazu in der Oberschicht reichlich angewendet wurden. Die Darstellung der Keramik muß sich deshalb auf das Material der Oberschicht beschränken, wobei nicht ganz auszuschließen ist, daß dabei einige Formen der Unterschicht mit erfaßt wurden.

Abb. 4, 1-3 zeigt Terrinen mit S-förmiger, weicher Profillinie, wobei das Gefäß Abb. 4, 2 einen leichten Schulterknick andeutet. Daneben kommen flache Schalen mit sehr unterschiedlicher Randbildung (Abb. 5, 4-6; 6, 6.7) vor. Die Scherbe (Abb. 7,4) muß zu einem sehr großen Exemplar dieser Gattung gehört haben. Der Gefäßrest aus der großen Feuerstelle kann als Vertreter der großen, gerauhten Vorratsgefäße gelten, der in 18 cm Höhe einen Innendurchmesser von 34 cm, einen Bodendurchmesser von 19 cm und Wandstärken von 1,5 oben, 2 am Bodenansatz und eine Bodenstärke von 2,5 cm hat. Die Abb. 8, 5-28 geben eine Zusammenstellung von Randformen, die wohl alle Möglichkeiten der Gestaltung erschöpfen, sich im einzelnen aber kaum besonderen Gefäßtypen zuordnen lassen.


Abb. 4
Herzberg, Krs. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 5
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 6
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 7
416 Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 8
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 9
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 10
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 11
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 12
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2



Abb. 13
Herzberg, Kr. Osterode am Harz
Fundstelle Auetal - Keramik
M. 1 : 2


Eine ähnliche Vielfalt zeigen auch die Bodenformen. Überwiegend vertreten sind Flachböden, meist etwas stärker als die Wand. Der Wandansatz kann fließend sein (Abb. 9, 1.2.4.5) oder mehr oder weniger kantig, abgesetzt (Abb. 9, 3.6; 10, 2-6). Auffallend sind Stücke mit gewölbter Innenseite (dreimal vertreten) und umlaufenden, breiten Rillen auf der Außenseite (Abb. 10,1) oder gleicher Art auf der Innenseite (Abb. 11, 6) und dünnerem Wandansatz (Abb. 10, 6). Dieses Stück gibt sich durch die Abnutzung der Randpartien als Bodenstück zu erkennen, auch wenn der Kammstrich bis an den Umbruch reicht, während bei anderen Zweifel bestanden, ob es nicht auch Deckel sein könnten. An technischen Einzelheiten sind zu erwähnen die unterrandständige Schnuröse mit Einsatzzapfen (Abb. 12, 10) und zwei unterhalb des Randes durchbohrte Stücke (Abb. 8, 1.3).

Reichhaltig sind Formen und ihre Abwandlungen im Dekor. Sehr häufig sind die Gefäße mit Tupfenrand durch Stäbchen- oder Fingereindrücke (Abb. 5; 7; 13, 3-5). Bei dem Gefäß Abb. 5, 6 sind sie von Schrägdellen dicht unter dem Rand der Innenseite begleitet. Ob es sich bei der Scherbe Abb. 5, 3 um einen gewollten Wellenrand oder eine Deformierung beim Brennen handelt, läßt sich bei dem kleinen Stück nicht entscheiden. Eindrücke wie die obengenannten in Reihen oder flächendeckend beleben auch die Wandflächen (Abb. 6, 1-4; 13, 1-3). Eine ähnliche Wirkung erreichte man durch Eindrücke mit hohlen Pflanzenstengeln (Abb. 12, 4). Die Linie in Einzelführung oder im Kammstrich gebündelt wurde immer wieder variiert, in gelockerter Art mit unregelmäßiger Kreuzung (Abb. 12, 2.6.8) oder als wirres Linienmuster (Abb. 12, 11) daneben auch in regelmäßiger Kreuzung mit geometrischen Formen (Abb. 12, 5.7). Nach der Scherbe Abb. 12,7 ist auch eine Anordnung in Gruppen möglich. Ähnlich wurde auch der Kammstrich verwendet (Abb. 9, 4.6; 11, 1-3). Durch seine parallele Linienführung erlaubte er wirkungsvolle girlandenartige (Abb. 11, 3) und Spiralmuster (Abb. 12, 5).

Glatte Schulterpartien und mehr oder weniger gerauhte Rumpfteile brachten weitere Abwechslung. Die Aufschlickung war in einzelnen Fällen nicht nur übertrieben dick (Abb. 11, 4.5), sie steigerte sich bei der Scherbe Abb. 11,7 stellenweise zu einem regelrechten Wulst. (Die punktierten Linien auf Abb. 11, 5.7 zeigen die Außengrenze der eigentlichen Gefäßwand). Wenn auch die verwendeten Motive dem damals herrschenden Geschmack entsprachen, scheint ihre häufige Verwendung und die Ausnutzung der Flächen mehrfach bis zum Bodenansatz für eine besondere Dekorfreudigkeit dieser Menschengruppe zu sprechen.


Die gleiche Meisterschaft muß man dem Hersteller der Keramik auch bei der Materialbehandlung zugestehen. Schwarze und hellbraune, dünnere Gefäße waren meist nicht oder nur wenig gemagert. Dazu verwendete man bis zu über 90 Prozent Granitgrusbestandteile, vor allem Feldspat, bei grobem Feinkies bis zu 2 mm von Kieselschiefer, Quarz, Quarziten und Hornfelsen. Alle diese Stoffe konnten aus dem Sieber- und Oderschotter gewonnen werden. Der Brand ist sehr oft klingend hart, teilweise so vorzüglich, daß die Außenseite wie verschlackt wirkt. Das war sicher ein gewolltes Ergebnis und entsprach der sorgfältigen Stoffauswahl bei der Magerung und dem Bestreuen der Außenfläche mit grob-sandartigem Material vor dem Brennen. So war es möglich, daß selbst große Gefäße wie auf Abb. 7, 4 bei 35 cm Innendurchmesser mit 1 cm Wandstärke gebrauchsfähig waren. - Dazu eine interessante Beobachtung ganz anderer Art. Ein kleines, durch allseitige, kleine, steile Abschläge gerundetes Scherbenstück (Abb. 8,2) konnte nicht als Zufallsprodukt gelten. Nach dem letzten Fundbericht über die Grabungen auf der Pipinsburg bei Osterode fand Dr. SCHLÜTER dort ebenfalls ein solches Stück und erwähnt gleichartige Funde aus dem latènezeitlichen Gebiet der Gleichberge bei Römhild (W. SCHLÜTER 1975,126). Ihre Verbreitung scheint demnach nicht örtlich begrenzt zu sein. Wenn auch noch Unklarheit über ihren Zweck besteht, so scheint die Deutung als Spielsteine nicht abwegig, zumal in unserem Material noch mehr als zehn halbrund geformte Stücke mit meist gerader Basis vorkamen.

Unter dem Fundgut sind eine größere Anzahl Lehmstücke bis zu 3 cm Dicke. Soweit sie gut erhalten sind, zeigen sie eine wenig gebrannte, glatte Außenfläche mit einer hellen Überfangschicht, die bei D. ROSENSTOCK (1973, 268) für ähnliche Stücke aus Göttingen-Geismar als Kalkanstrich bezeichnet wird, und einen Übergang zu stärkerem Ziegelrot auf der Gegenseite, die immer Bruchfläche ist. Ruteneindrücke sind nicht einwandfrei zu erkennen, doch dürfte es Wandbewurf sein. Dafür spricht die weite Streuung solcher Stücke. Ihr Auftreten in allen Teilen der Kulturschicht läßt keine sichere Zuweisung zu einem von ihnen zu. - Auffallend ist das völlige Fehlen von Knochen, Zähnen und Metallteilen.


Trotz mengenmäßig geringer Holzkohlenrückstände wurde eine Bestimmung der daran beteiligten Holzarten versucht, bei der Herr Dipl.-Geol. WILLE vom Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Tübingen behilflich war. Ihm sei dafür an dieser Stelle gedankt.

Es konnten 4 g Holzkohle aus der gesamten Fundstelle untersucht werden. Da wegen der Weichheit der Stücke zu viele zerbrochen waren, erfolgen hier die Angaben über die beteiligten Holzarten in Prozenten des Gewichts. Ihnen wurden in Klammern die bei der Grabung der gleichaltrigen Fundstelle in der Kleinen Jettenhöhle bei Düna ermittelten Werte beigefügt (nach WILLERDING 1975). Sie liegt nur wenige Kilometer von unserer Fundstelle entfernt.


Fundstelle AueKleine Jettenhöhle
QuercusEiche=63 %(35 Exemplare)
FagusBuche=12,5 %(21 Exemplare der Rotbuche)
AcerAhorn=13,5 %(11 Exemplare)
CorylusHasel=  8 %(  9 Exemplare)
BetulaBirke=  3 %(  6 Exemplare)

Bei beiden Ergebnissen ist der hohe Eichenanteil auffällig, da nach FIRBAS (1949/1952) während der frühen Eisenzeit am Harz die Buche vorherrschte. Es ist möglich, daß auf den Schotterflächen bzw. dem Gipskarst bei der Jettenhöhle mit etwas wärmerem Klima als heute die Eiche überwog. Wahrscheinlicher ist aber, daß die Hölzer der Fundstelle für eine spezielle Nutzung, etwa zum Hausbau, besonders ausgewählt wurden.

Zeitliche und regionale Einordnung

Schon während der Grabung waren bei den Siedlungsgewohnheiten und der Keramik Gemeinsamkeiten mit denen der vorgeschichtlichen Pipinsburg aufgefallen. Nach der Bearbeitung der Funde bestätigte Dr. M. CLAUS diese Feststellung und ordnete die Keramik der Oberschicht der Übergangszeit vom Mittel- zum Spätlatène zu. Diese Periode entspricht der letzten vorgeschichtlichen Siedlungsphase und der kulturellen Blütezeit der Pipinsburg (vgl. M. CLAUS 1957; W. SCHLÜTER 1974; 1975). Nur die Lage in der Niederung paßte nicht recht in dieses Zeitbild. Aber die Wahl dieses Ortes ist wohl mehreren damit verbundenen günstigen Bedingungen zuzuschreiben: Hochwasserfrei und doch nicht wasserlos, geschützt durch den nahen Höhenzug vor kalten Winden und die Nähe fruchtbaren Lößbodens. Es ist bedauerlich, daß nicht die ganze Siedlungsstelle ausgewertet werden konnte. Dann wäre vielleicht der Zweifel beseitigt worden, ob man sie zu den einfachen dörflichen Niederlassungen rechnen - dazu paßt die außergewöhnliche Menge guter Keramik nicht - oder ihr eine gehobene soziale Stellung innerhalb einer Siedlungsgemeinschaft zubilligen soll.

Für die untere Schicht der Fundstelle Auetal bleibt der Versuch einer Zeitbestimmung sehr problematisch. Die Keramik gibt außer der Kalenderbergscherbe (Abb. 6,5). keinen Hinweis. Aber auch diese Verzierungsart scheint zu langlebig zu sein, um als Indiz beweiskräftig gelten zu können. Bleibt noch das Pflaster aus kleinen Steinen um die älteste Feuerstelle. Dr. SCHLÜTER fand ein ähnliches in der urnenfelderzeitlichen Schicht der Pipinsburg (W. SCHLÜTER 1975, 116). Aber auch danach wäre hier eine Zeitbestimmung ohne gesicherte Begleitfunde zu gewagt. Deshalb muß diese Frage offen bleiben.

Wenn auch diese neu entdeckte Fundstelle den Rahmen der bisherigen Erkenntnisse über die frühe Eisenzeit in unserem Raum kaum erweitert, so bleibt ihr Wert für die Siedlungsgeschichte des südwestlichen Harzvorlandes und die anschließende Teile des Leinetales. Im engeren Raum schließt sie die bisher bestehende Siedlungslücke jener Zeit zwischen Scharzfeld und der Gegend Hattorf- Jettenhöhle. Sie reiht sich ein in die Kette bedeutender Niederlassungen am Harzrand, die in der Pipinsburg, einer vermutlichen Höhensiedlung westlich davon bei Katzenstein und einer bei Badenhausen ihre Fortsetzung findet. Aus zahlreichen Einzelfunden früheisenzeitlicher Keramik in den Gemarkungen Dorste, Förste, Eisdorf und Willensen kann man auf ein weites Hinterland dörflicher Gemeinschaften schließen. Wir erwarten eine weitere Vervollständigung des damaligen Siedlungsbildes durch die Auswertung der in den letzten Jahren in diesem Raume durchgeführte archäologische Landesaufnahme.


LITERATUR:

E. ANDING, Eine Ofenstelle auf der Pipinsburg. - Heimatkalender des Kreises Osterode 1961, 59 ff.
M. CLAUS, Ausgrabungen auf der Pipinsburg bei Osterode am Harz. Ein Vorbericht über die Grabungskampagnen 1953-1956. - Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 26, 1957, 26 ff.
F. FIRBAS, Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. - Jena 1949/1952.
W. RICKEN, Zur Rekonstruktion der geologischen Verhältnisse im Pleistozän bei Herzberg (Südwestharz) mit Hilfe der Schotteranalyse. - Unveröffentliches Manuskript. Herzberg 1973.
D. ROSENSTOCK, Eine Siedlungsstelle der vorrömischen Eisenzeit und römischen Kaiserzeit in Göttingen-Geismar. - Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 42, 1973, 264 ff.
W. SCHLÜTER, Vorbericht über die Ausgrabungen auf der Pipinsburg bei Osterode am Harz im Jahre 1973. - Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 43, 1974, 124 ff.
W. SCHLÜTER, Vorbericht über die Ausgrabungen auf der Pipinsburg bei Osterode am Harz im Jahre 1974. - Nachrichten aus Niedersachsen Urgeschichte 44,1975,133 ff.
U. WILLERDING, Untersuchungen in der Kleinen Jettenhöhle bei Düna, Gem. Hörden, Kr. Osterode am Harz. IV. Eisenzeitliche Pflanzenreste aus der Kleinen Jettenhöhle. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 44, 1975, 107 ff.
 
Anschriften der Verfasser:
Konrektor i. R. Edwin Anding, Northeimer Str. 5, 3360 Osterode am Harz 1
Hauptlehrer Wilhelm Reißner, Thüringer Str. 74, 3361 Badenhausen am Harz
stud. rer. nat. Werner Ricken, Ernst-August-Str. 5, 3420 Herzberg am Harz




Quelle: 
ANDING, Edwin, RICKEN, Werner & REIßNER, Wilhelm (1976): Eine früheisenzeitliche Siedlungsstelle bei Herzberg, Kr. Osterode am Harz. - Nachr. Niedersachs. Urgeschichte 45:407-426, 13 Abb., Hildesheim

 
GPS-Koordinaten
N 51.6414° E 10.3101°

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