Neue Funde vom Steinberg bei Scharzfeld, Stadt Herzberg am Harz, Ldkr. Osterode am Harz Von Klaus Grote Mit 3 Abbildungen Der Bereich des Zechsteingürtels mit seinen Dolomitklippenformationen am Südharzrand um Scharzfeld ist seit langem als archäologisch-kulturgeschichtlich herausragendes Gebiet bekannt. Zu nennen sind als Höhlen die Einhornhöhle und die Steinkirche, als Rastplätze alt- und mittelsteinzeitlicher sowie eisenzeitlicher Jägergruppen die Felsdächer (Abris) am Steinberg und Schulenberg, als Befestigungsanlagen die mittelalterliche Burg Scharzfels mit den auf sie bezogenen Fortifikationen Frauenstein und Schandenburg, die mittelalterliche Befestigung auf dem Ritterstein sowie die undatierte Abschnittsbefestigung auf dem Steinberg (dazu zusammenfassend zuletzt CLAUS 1978). Nachdem bereits seit dem 19- Jahrhundert die Einhornhöhle Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen mit dem Spaten war, in und vor der Steinkirche 1925—1928 sowie 1937 umfangreiche Grabungen stattfanden, ebenso 1928 und 1929 unter mehreren Felsschutzdächern, sind in den letzten Jahren, abgesehen von noch unpublizierten Grabungsergebnissen in der Einhornhöhle durch R. MAIER, keine archäologische Neufunde bekannt geworden. Bei mehreren Begehungen des Steinbergs mit dem Ritterstein und des Schulenbergs sind durch den Verfasser seit 1973 Neufunde geborgen worden, die nachfolgend zusammenfassend beschrieben werden (vgl. dazu Abb. 1). Steinkirche Am Berghang wenige Meter südöstlich des dreieckigen Höhlenvorplatzes, freigelegt durch den Einschnitt eines kleinen Fußweges, der auf die Steinberghochfläche über der Höhle hinaufführt, fand sich ein faustkeilähnliches Steingerät (Abb. 2). Es steckte ca. 10 cm tief unter der Oberfläche in der Rendzina und lag unmittelbar dem Dolomitfels auf. Abb. 1 Scharzfeld, Stadt Herzberg am Harz, Ldkr. Osterode am Harz. Archäologische Fundstellen auf dem Steinberg und dem Schulenberg. 1: Steinkirche. 2: Reste einer Abschnittsbefestigung. 3: Abri unter der Bremke-Klippe. 4: Mittelalterliche Befestigung auf dem Ritterstein. 5: Mehrere Abris im Klippenbereich rings um die Bergkuppe. Abb. 2 Das aus einem plattigen unterkarbonischen Kieselschiefergeröll gearbeitete Gerät weist auf einer Seite totale Flächenretusche sowie bilaterale stufige Kantenretusche auf, während auf der anderen Seite bis auf gröbere Abschläge, die von der Spitze her geführt wurden, fazettierte Gerölloberfläche vorhanden ist. Interessant ist, daß das verwendete Material überwiegend erst bei Osterode in den Mittelharzer Nord-Süd-Gängen ansteht, ansonsten nur in sporadischen Vorkommen im übrigen Harz. Aufgrund des gesamten Habitus und der technischen Herrichtung des Gerätes besteht eine formale Verwandtschaft mit blattförmigen Faustkeilen bzw. Schabern, wodurch eine Einordnung allgemein in das Mittelpaläolithikum möglich wird. Es ist damit, neben einem 1974 durch E. ANDING publizierten, als Oberflächenfund bei Förste, Kr. Osterode, geborgenen Flintfaustkeil, das älteste derzeit bekannte Gerät im südlichen Harzvorland. Bremke-Klippe am Steinberg Eine Kurzuntersuchung durch K. H. JACOB-FRIESEN 1928 unter dem Felsschutzdach am Fuße der Bremke-Klippe hatte keine Befunde erbracht (JACOB-FRIESEN 1928), eine Grabung durch L. F. ZOTZ 1929 dagegen Funde der Steinzeit, Eisenzeit und des Mittelalters (ZOTZ 1930). Als Neufunde sind nun Belege des Mesolithikums zu nennen, und zwar ein schlanker, annähernd rechtwinkliger Dreiecksmikrolith (Abb. 3, 2), eine schlanke mikrolithische Spitze (Zonhovenspitze, Abb. 3,3) und ein kleiner Kerbrest (Abb. 3, 4), alles aus porzellanartig weiß patiniertem Flint. Dazu kommen eine Reihe kleiner Flint- und Kieselschieferabschläge, ein flaches, längliches Kieselschiefergeröll, an einem Ende abgebrochen (Druckstab oder "Seelenstein"?), eisenzeitliche und mittelalterliche Tonscherben, Knochen- und Holzkohlestückchen sowie ortsfremde Gerölltrümmer. Wenige Meter südwestlich des Felsdaches, in der Rendzina des steil ansteigenden Hanges neben der Bremke-Klippe, fand sich ein bifaziell gearbeitetes, schwach kantenverrundetes Flintkerngerät (Abb. 3, 1). Es ist porzellanartig weiß patiniert und könnte in den Kreis der mittelpaläolithischen bifaziellen Schaberformen gehören, wenn nicht ein kleines verwaschenes Kernbeil des Mesolithikums vorliegt. Hoch- oder spätmittelalterlich sind zahlreiche kleine blaugraue Kugeltopfscherben mit Gurtfurchen, die oberflächennah und engräumig verteilt auf der Kuppe der Bremke-Klippe nur wenige Meter über dem Felsdach gefunden wurden. Eine Deutung dieses mittelalterlichen Scherbenvorkommens auf der exponierten Klippennase muß vorerst offenbleiben. Befestigung auf dem Ritterstein An verschiedenen kleinen Erosionsstellen sowie im Zusammenhang der Absicherungs- und Unterfangungsarbeiten am Rittersteinfelsen für den Bau der Südharzautobahn barg der Verfasser Fundmaterial, das eine allgemeine Datierung der bisher zeitlich nur unsicher angesprochenen kleinen Befestigungsanlage erlaubt. Gefunden wurden im wesentlichen Scherben hoch- bis spätmittelalterlicher blaugrauer Kugeltopfirdenware, z. T. mit Gurtfurchen, die grob ins 12. bis 14. Jahrhundert datiert werden können. Dazu kommen zwei eiserne Armbrustbolzen (z.B. Abb. 3, 6) und Da sich, neben wenigen steinzeitlichen Flintabschlägen, die im übrigen in allgemeiner lockerer Streuung mehrfach auf dem Steinberg und Schulenberg gefunden wurden, bislang keine älteren Funde innerhalb der Befestigung auf dem Ritterstein nachweisen lassen, dürfte ihre zeitliche Zuordnung in das Hoch- und Spätmittelalter gesichert sein. Die seit längerem gehegte Vermutung, in der Ritterstein-Befestigung einen ,,Außenposten” der rund 2 km Luftlinie östlich gelegenen Burg Scharzfels zu erkennen, gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit. Abb. 3 Scharzfeld, Stadt Herzberg am Harz, Ldkr. Osterode am Harz. 1—4: Flintgeräte von der Bremke-Klippe (Abri und Berghang). 5—6: Schnallenfragment (?) und Armbrustbolzen aus Eisen von der Befestigung auf dem Ritterstein. M. 1:1. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das komplexe archäologische Fundgebiet um Scharzfeld durch die hier vorgestellten Neufunde zum einen eine Bereicherung bezüglich der bisher schon nachgewiesenen urgeschichtlichen und mittelalterlichen Relikte, zum anderen eine Erweiterung der Kenntnis zur kleinräumigen Fundstellentopographie, letztlich und vor allem aber eine weitere Akzentuierung durch den Nachweis des Mittelpaläolithikums erfährt. LITERATUR:
Anschrift des Verfassers: Klaus Grote M. A. Landkreis Göttingen - Kreisdenkmalpfleger - Reinhäuser Landstr. 4 3400 Göttingen
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