Besprechungen

Walter Janssen, Königshagen. Ein archäologisch-historischer Beitrag zur Siedlungsgeschichte des südwestlichen Harzvorlandes (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens Bd. 64). Hildesheim 1965. VIII und 246 Seiten, 21 Abbildungen, 21 Tafeln.

Die archäologische Erforschung mittelalterlicher Objekte lag bisher vorwiegend in den Händen von Prähistorikern und Kunstgeschichtlern. Das bedingte eine gewisse Einseitigkeit, einmal in der Auswahl der Grabungsplätze - die Kunsthistoriker untersuchten vorwiegend Kirchen, die Prähistoriker in erster Linie Städte und Burgen, weil solche Plätze aus denkmalpflegerischen Gründen ausgegraben werden mußten oder aber, im Falle einiger Burgen, Objekte bekannter Art darstellten, die gute Parallelen zu urgeschichtlichen Befestigungen boten -, zum anderen in der Auswertung, in der Quellen und Ergebnisse historischer Forschung trotz aller verdienstvollen Versuche doch oft nicht in wünschenswertem Maße berücksichtigt wurden. Die sich auch in Deutschland rasch zu einer selbständigen Disziplin entwickelnde Mittelalterliche Archäologie muß auch andere Objekte in die Forschung einbeziehen und die historischen Quellen gleichberechtigt und sachkundig verwerten, wenn sie die bisherige Einseitigkeit überwinden will. Ihre Träger müssen also archäologisch und historisch ausgebildet sein.
Das vorliegende Buch, aus einer Göttinger Dissertation von 1963 hervorgegangen, zeigt, daß W. Janssen diese Forderung erfüllt. Seiner Arbeit kommt daher, wie der Rezensent meint, als einer der bisher bei uns seltenen Publikationen 'mittelalterlicher Archäologen', eine grundsätzliche Bedeutung zu, vor allem in methodischer Hinsicht, die eine Besprechung an diesem Orte rechtfertigt, obgleich die Untersuchung sich auf ein kleines Gebiet, das südwestliche Harzvorland, beschränkt. Das Buch läßt die Möglichkeiten einer eigenen Archäologie des Mittelalters gut erkennen und weist neue Wege, zeigt aber auch die Schwächen, die einem jungen Wissenschaftszweige notwendigerweise anhaften müssen.
Königshagen ist eine Dorfwüstung in der Gemarkung Barbis des niedersächsischen Kreises Osterode am Harz, in der 1961/62 längere Grabungen durchgeführt wurden. Das Objekt der Untersuchung gehört also zu einer bisher vernachlässigten Quellengruppe. Allerdings spielte bei der Auswahl des Grabungsplatzes offensichtlich ein noch sichtbarer kleiner Ringwall, die Befestigung einer Turmburg, wie sich bei der Grabung herausstellte, eine gewisse Rolle. Die Untersuchung erstreckte sich dann aber auf große Teile des Dorfes und bezog auch die Umgebung ein. Sie konnte sich methodisch auf einige Vorbilder stützen, vor allem auf die Grabungen, die mitteldeutsche Prähistoriker seit 30 Jahren in wüsten und noch bestehenden Dörfern durchgeführt haben, aber auch auf die Erforschung mittelalterlicher Siedlungen in den slawischen und skandinavischen Ländern und in Großbritannien.
Der Platz war in mancher Hinsicht gut ausgewählt. Der Ringwall mit dem Steinbau in seiner Mitte und die einzelnen Hofplätze waren noch äußerlich zu erkennen, also recht gut erhalten. Oberflächliche Scherbenfunde gaben Hinweise auf Ausdehnung, Form und Zeitstellung der Siedlung. Diesen Vorteilen standen allerdings beträchtliche Nachteile gegenüber. Die Umgebung von Königshagen ist wie das ganze südwestliche Harzvorland extrem fundarm. Es ist noch nicht einmal sicher, ob die geringe Fundzahl in erster Linie auf dünne oder gar fehlende Besiedlung in den ur- und frühgeschichtlichen Epochen oder auf Forschungslücken zurückzuführen ist; mitgewirkt hat wohl beides. Aber auch die historische Quellenlage scheint nicht besonders günstig zu sein. Frühmittelalterliche Quellen fehlen ganz, hochmittelalterliche sind selten. Erst im späten Mittelalter und in der Neuzeit werden sie häufiger. Quellenverlust und unzureichende oder fehlende Publikation erschwerten die Arbeit beträchtlich.
Daß sich der Verfasser trotz dieser Lage nicht auf den Einzelfall Königshagen beschränkt, sondern die archäologischen und historischen Befunde in den größeren Zusammenhang des südwestlichen Harzvorlandes hineinstellt, spricht für seinen Mut und seinen Fleiß. Er kann auf diese Weise nicht nur Lücken in der örtlichen Überlieferung füllen, sondern gleichzeitig das landesgeschichtliche Wissen erweitern.
Die Einbeziehung des Umlandes von Königshagen bedingt eine Zweiteilung der Arbeit. In einem ersten Abschnitt werden die 'Grundzüge der allgemeinen Siedlungsgeschichte des südwestlichen Harzvorlandes und des Untereichsfeldes' behandelt, eines Gebietes, das im Westen durch den Westerhöfer und den Göttinger Wald vom Leinetalgraben, im Süden durch das Obereichsfeld vom Thüringer Becken, im Osten vom Ohmgebirge und den nördlich anschließenden Höhen von der Goldenen Aue abgetrennt wird und im Nordosten und Norden an den Oberharz stößt. Die geographischen Grundlagen der Besiedlung, vor allem Gewässernetz, Bodenverhältnisse, Verkehrswege und Vegetation, werden ausführlich geschildert. Einer schwachen urgeschichtlichen Besiedlung vom Neolithikum bis in die mittlere Latenezeit - die jungstein- zeitliche wird, da die einzeln gefundenen Steinbeile sekundär verschleppt sein können, lediglich durch zwei bandkeramische Siedlungen, die bronzezeitliche durch einige Grabhügel, die eisenzeitliche im wesentlichen durch die Pippinsburg und einen Grabfund dokumentiert - folgt eine Fundleere vom Spätlatene bis zum frühen Mittelalter. Janssen bezweifelt bei diesem Fundbild wohl zu Recht eine kontinuierliche Besiedlung von der urgeschichtlichen Zeit bis ins Mittelalter.
Der Ausfall anderer Quellen aus dem gesamten 1. Jahrtausend zwingt den Verfasser, die Siedlungsgeschichte dieser Zeit auf den Ortsnamen aufzubauen. Ob aber bei der geschilderten Fundlage die Siedlungen mit 'alten' Ortsnamen wirklich in die Zeit vor 300 zurückgehen, ist doch fraglich. Auch die wenigen Namen auf -heim, -ingen und -stedt, andernorts sicher merowingerzeitlich oder gar älter, scheinen eher 'Nachläufer' zu sein, die bei einer späteren Kolonisation mitgebracht wurden. Eine solche wird durch die zahlreichen Ortsnamen auf -hausen angezeigt, die sich auf gute Böden beschränken, hier sehr dicht liegen und wohl mit Recht in die Zeit vom 7. bis zum 9. Jahrh. datiert werden. Ihre Verbreitung zeigt deutlich, daß die mit ihnen benannten Orte nicht bei einem inneren Landesausbau, sondern durch eine von außen kommende Neukolonisation entstanden sind. Ob es sich freilich um eine 'sächsische Landnahme' handelt und ob die sächsisch-thüringische Stammesgrenze (entsprechend der heutigen niederdeutsch-mitteldeutschen Sprachgrenze) damals entstand, wird man bezweifeln müssen.
Gut lassen die Ortsnamen dann auch den hochmittelalterlichen Landesausbau erkennen. Die Namen auf -rode und -ingerode zeigen, daß der Siedlungsraum verdichtet und erweitert wurde. Einen entsprechenden Schluß lassen die Ortsnamen auf -hagen, -bach und -born zu. Ob die -hagen-Namen allerdings zeitlich und räumlich auf die -rode-Namen folgen, ist nicht sicher. Sie könnten durchaus mit den letzteren teilweise gleichzeitig sein und sind vielleicht in den Rodungsgebieten anderer Grundherren angewendet worden. Daß die Gründungsurkunde von Walkenried (1120/27) keine -hagen-Orte nennt, kann in deren Verbreitung begründet sein (vgl. Karte VI). In längeren Ausführungen wird dann dargelegt, daß die im Hägerrecht zum Ausdruck kommende Entwicklung von herrschaftlichen zu genossenschaftlichen Formen in den -hagen-Orten des südwestlichen Harzvorlandes noch nicht vollzogen ist und nur in wenigen Beispielen, meist schon im Harz selbst, nachgewiesen werden kann.
Ein weiteres Kapitel des ersten Abschnitts setzt sich dann mit den Wüstungen im Arbeitsgebiet auseinander. Ihr Prozentsatz ist erstaunlich groß. Karte VII enthält übrigens nur diejenigen des ehemaligen Fürstentums Grubenhagen und gibt damit ein ungenaues Bild. Sie liegen zum großen Teile auf guten Böden; die Anfälligkeit kleiner Betriebe bei wirtschaftlichen Krisen dürfte eine wesentliche Ursache des Wüstwerdens sein. Die ältesten mittelalterlichen Ortswüstungen stammen aus dem frühen 14. Jahrh., sind also in einer Zeit entstanden, in der in der Nachbarschaft noch Neusiedlungen angelegt wurden. Diese Überschneidung erschwert es sehr, den Siedlungsbestand des späten Mittelalters genau zu erfassen. Das heutige Siedlungsbild mit seiner Verbreitung von Wald und Offenland ist, wie der Verfasser darlegt, etwa zu Beginn des 16. Jahrh. erreicht; im 17. Jahrh. sind nur noch partielle Wüstungen entstanden, meist Flurwüstungen. Schließlich wird gezeigt, wie sich die hoch- und spätmittelalterlichen Siedlungsverhältnisse in den kirchlichen Grenzen der Zeit um 1500 spiegeln.
Der zweite Abschnitt, der sich speziell mit Königshagen befaßt, ist in einen historisch-geographischen und einen archäologischen Teil gegliedert. Im ersteren ist eine Unmenge von Geländebeobachtungen und Quellenaussagen zusammengefaßt. Das 1228 zuerst genannte Dorf - in diesem Jahre von den Grafen von Scharzfeld und Lauterberg an das Kloster Pöhlde geschenkt - dürfte, wie Janssen einleuchtend argumentiert, zwischen 1131 und 1158 gegründet worden sein, nachdem die Grafen von Scharzfeld von Lothar von Süpplingenburg mit der Verwaltung von Königsgut beauftragt worden waren und bevor dieses in den Besitz Heinrichs des Löwen kommt. Königshagen muß vor 1519/20 wüst geworden sein; nach einem Bericht von 1683 wird das Verlassen des Dorfes in die Zeit zwischen 1413 und 1420 datiert. Damit ist das Bestehen des Ortes mit einiger Wahrscheinlichkeit eingegrenzt. Seine Lage zeigt eine gewisse Abhängigkeit von den Verkehrswegen, läßt aber auch eine strategische Bedeutung (in der Südwestecke der Grafschaft Scharzfeld) erkennen. Die Befestigung mit dem Steingebäude kann diese Annahme unterstreichen.
Höchst aufschlußreich sind die Beobachtungen des Verfassers zur Flur. An verschiedenen Stellen haben sich Terrassenäcker erhalten; es handelt sich um längere oder kürzere Streifen, von denen mehrfach etwa zehn gleicher Breite zusammenliegen. Der Schluß auf zehn Bauern, die nach gemeinsamer Rodung gleiche Anteile haben, liegt nahe. Die Ackerstücke sind durch Unland und Weiden voneinander getrennt, also frei zugänglich, und offensichtlich individuell und ohne Flurzwang genutzt. Da aber im Ort 13 Hofstellen äußerlich erkennbar sind, werden einige nichtbäuerlichen Ortsbewohnern zugeschrieben, wahrscheinlich Gewerbetreibenden (Köhlerei, Glasherstellung, Töpferei und Ziegelei), wie sie aus der allerdings späteren Überlieferung zu erschließen sind. Der Ausgrabungsbefund bestätigt diese Annahme, sind doch zwei der vier untersuchten Hofstellen offensichtlich keine Bauernhöfe.
Interessant ist das Ergebnis einer vorläufigen Pollenanalyse. Sie zeigt, daß Getreide- und Ackerunkrautpollen schon vor der durch eine Brandschicht angezeigten Zerstörung des Dorfes abnehmen. Da aber gleichzeitig auch die Baumpollen zurückgehen, scheinen vor dem Ende des Ortes die Weiden auf Kosten des Ackerlandes vermehrt worden zu sein. Diese Umstellung dürfte eine wirtschaftliche Krise anzeigen, die die eigentliche Ursache des Wüstwerdens darstellt. Die gewaltsame Zerstörung gab nur den äußeren Anlaß. Da die Gemarkung von Königshagen bis heute zu Barbis gehört, sind die Bewohner offensichtlich dorthin gezogen. Die Flur wird teilweise von dort aus weiter bewirtschaftet, wobei nach der Pollenanalyse und der historischen Überlieferung gewisse Schwankungen im Verhältnis Ackerland – Weide – Wald eingetreten sind.
Der zweite Teil des zweiten Abschnitts berichtet dann über die Ausgrabungen in Königshagen. Ein erstes Kapitel beschreibt den Steinbau und die ihn umgebende Befestigung. Überzeugend wird klargelegt, daß der Steinbau ursprünglich ein turmartiges Haus auf flachem Hügel war, das dann später in zwei Phasen durch Anbauten im Westen (Turm) und Osten (Chor) zur Kirche erweitert wurde. Die Datierung gelingt freilich nicht. Die Keramik ist im südwestlichen Harzvorland nicht genügend aufgearbeitet, um mit ihrer Hilfe einzelne Bauten datieren zu können; der Versuch, bautechnische Merkmale, die in einzelnen Fällen im weit entfernten, städtischen Goslar zeitlich festgelegt sind, in Königshagen zur Chronologie heranzuziehen, begegnet grundsätzlichen Bedenken. So wird man nur folgern können, daß der Steinbau wie das Dorf in der ersten Hälfte des 12. Jahrh. errichtet wurde und die Umwandlung zur Kirche im 13. Jahrh. erfolgte, wahrscheinlich erst nach der Übergabe der Vogtei an das Kloster Pöhlde um die Mitte des Jahrhunderts.
Noch problematischer ist die Frage der Befestigung, die Turmbau und spätere Kirche ringförmig umgibt. Ursprünglich besteht sie aus Graben und Doppelpalisade (oder handelt es sich um zwei aufeinander folgende Palisaden?), wie es bei Turmhügelburgen häufig vorkommt. Dann aber werden am Innenrand des Grabens kleine Holzhäuser auf Steinsockel gebaut. Sie schließen aneinander an, so daß ihre Zahl auf etwa 25 geschätzt werden kann. Sie sind, wenigstens anfangs, nach den Funden bewohnt. Wer lebt in ihnen? Eine besondere Besatzung, die dann überraschend groß sein müßte, oder die Bewohnerschaft des Dorfes? Wie verhält sich im letzteren Falle die Zahl der Häuser zu den 13 Hofstätten im Dorfe? Es überrascht nicht, daß diese Fragen und manche andere bei dem bisher vereinzelten Befund nicht gelöst werden. Später nimmt die Zahl der Funde ab; wahrscheinlich sind die Häuser nach der Umwandlung des Turmhauses in eine Kirche mit Friedhof nur noch als Vorrats- oder Wirtschaftsgebäude benutzt worden. Aber auch jetzt bleibt der Befestigungscharakter gewahrt, wenn auch der Graben nicht mehr gepflegt wird.
Das zweite Kapitel dieses Abschnitts ist dem eigentlichen Dorf gewidmet. Es leuchtet ein, daß dieses nicht vollständig ausgegraben werden konnte. Man mußte sich auf die Untersuchung von vier Hofplätzen beschränken, die teilweise flächig ausgegraben, teilweise nur durch Schnittgräben erforscht wurden. Zwei von ihnen bestehen aus mehreren Rechteckhäusern verschiedener Funktion und sind als Bauernhöfe anzusehen. Der eine ist ein Vierseithof, der andere wurde nur teilweise untersucht, ohne daß aus der Schilderung hervorgeht, warum der Gesamtgrundriß nicht wenigstens durch einige Suchschnitte vervollständigt wurde. Die beiden anderen Siedlungsstellen bestanden anscheinend nur aus jeweils einem Haus. Beide sind durch einen ziemlich großen Keller ausgezeichnet. Janssen sieht in ihnen die Häuser der aus anderen Quellen erschlossenen Kötner oder Gewerbetreibenden. Alle Häuser sind Pfostenbauten mit Wänden aus Flechtwerk, Stroh und Lehm; Mittelpfosten sprechen für ein Firstdach.
Fragt man nach Einzelheiten, bleibt vieles unklar. Haben die Pfosten wirklich 40 cm Durchmesser oder sind die Pfostenlöcher gemessen worden? Kann man an den Verfärbungen wirklich feststellen, daß in die hölzernen Türschwellen Pfosten eingezapft waren? Sollten hier nicht eher Überschneidungen vorliegen? Das Wohnhaus von Hof I hat übrigens vier (!) 'Türschwellen'. Alle Bauten sind nach der Meinung des Verfassers einphasig. Wie vereinbart sich diese Ansicht aber mit der Tatsache, daß das Dorf fast 300 Jahre bestanden hat? Wie sind die Überschneidungen in Hof I zu erklären oder der Herd im ’Stall'? Wieso ist bei dem mit Brandschutt gefüllten Keller des Hauses II die Holzabdeckung als Holzkohleschicht angeblich an ursprünglicher Stelle erhalten?
Möglicherweise haben es Kürzungen des ursprünglichen Textes verursacht, daß diese und andere Fragen offen bleiben. Das ist bedauerlich, zumal die beigegebenen Pläne und Profilzeichnungen reichlich schematisch und einander kaum zuzuordnen, außerdem nicht vollständig sind. Auch sie geben also die gewünschte Auskunft nicht. Hier liegt ein entscheidender Mangel vor. Gerade die Dokumentation des archäologischen Befundes hätte klar und ausführlich erfolgen sollen, da es sich ja um neue, anderweitig nicht zugängliche und unwiederbringlich zerstörte Quellen handelt. Den erforderlichen Raum hätte man leicht durch Kürzung der weitgehend referierenden und mit Wiederholungen belasteten Teile des ersten Abschnitts gewinnen können. Selbst der archäologische Teil des zweiten Abschnitts hätte Kürzungen vertragen, so etwa bei den allgemeinen Bemerkungen über Burgen und Wehrkirchen.
Starke Kürzungen erfuhr auch das Kapitel über die Keramik von Königshagen, zumal eine ausführliche Bearbeitung in größerem Rahmen erfolgt1. Da der Keramik aber immerhin sechs Seiten und eine Tafel gewidmet werden, sind einige Bemerkungen nötig. Sie stellt ja einen absolut datierten Komplex dar, wenn er sich auch auf fast 300 Jahre erstreckt. Gelänge es, ihn in sich zu gliedern, so wäre eine wichtige Voraussetzung zur Datierung der mittelalterlichen Keramik im südwestlichen Harzvorland geschaffen. Ob das aber in der vom Verfasser vorgeschlagenen Weise möglich ist, muß bezweifelt werden. Denn die Fundtiefe einer Scherbe in einer zwischen 10 und 160 cm mächtigen, ungegliederten Schicht ist ja doch ein höchst unsicheres Zeitmaß, selbst wenn man versucht, die Fehlerquellen durch eine zahlenmäßige Auswertung einzuengen. Denn immer werden ältere Scherben in jüngere Schichtteile kommen. Das Ergebnis zeigt das auch: Die nach der Randform gebildeten 17 Gruppen der Keramik von Königshagen beginnen zwar zu verschiedener Zeit, ihr Ende läßt sich aber anscheinend nur in einigen Fällen durch die Keramik der Burg Freden, die in die Zeit von 1344 bis 1402, also etwa in die Spätphase von Königshagen, datiert ist, festlegen. Auf Tafel XVI laufen übrigens alle Gruppen bis zum Ende des Dorfes durch. Für die Datierung der Keramik sollten die stratigraphischen Möglichkeiten, wie sie bei der Kirche sicher, an den Hofplätzen wahrscheinlich gegeben sind, berücksichtigt werden. Vielleicht wären auch Kontrollgrabungen an anderen Hofstellen erfolgreich.
Man kann die aufgezeigten Schwächen des Buches nicht dem Verfasser anlasten. Ist ein einzelner, und noch dazu ein junger Doktorand, nicht überfordert, wenn er so unterschiedliche und komplexe Fachgebiete wie politische, Siedlungs-, Wirtschafts-, Sozial-, Rechts- und Kulturgeschichte, Ur- und Frühgeschichte, Baugeschichte, Ortsnamenkunde, Siedlungs- und Kulturlandschaftsgeographie, Vegetationsgeschichte und noch einige mehr beherrschen soll? Notwendigerweise müssen da auf einigen dieser Gebiete Unsicherheiten, Lücken oder Fehler auftreten. Wenn hier auf eine Reihe von ihnen hingewiesen wurde, so nicht, um den mutigen und verdienstvollen Versuch Janssens abzuwerten, sondern um darauf hinzuweisen, daß man solche Arbeiten thematisch schärfer begrenzen sollte. Weniger wäre hier mehr gewesen: Eine Beschränkung auf die Grabungsergebnisse und ihre Kombination mit der Königshagen betreffenden historischen Überlieferung hätte zu einer geschlosseneren, nicht durch vielerlei Nebensächliches belasteten Darstellung und damit auch zu besseren Ergebnissen geführt. Wenn durch das Buch erreicht würde, daß die junge Archäologie des Mittelalters ihre Aufgaben präzisiert und ihre Arbeiten in weiser Beschränkung auf genau festgelegte Fragen durchführt, hätte es ein wichtiges Anliegen erfüllt.
Es bringt aber auch so eine Fülle von Ergebnissen zum behandelten Gegenstand und erweitert unser Wissen über ein bisher vernachlässigtes Gebiet beträchtlich, vor allem durch das geschickte Verwerten ortsgeschichtlicher Quellen und geographischer Beobachtungen. In der mittelalterlichen Siedlungsforschung wird es anregend wirken wie seinerzeit P. Grimms 'Hohenrode'. Diese Bemerkung soll kein 'Trostpflästerchen' sein, sondern die ehrliche Überzeugung des Rezensenten zum Ausdruck bringen, der gern gesteht, daß er Janssens Arbeit mit Gewinn gelesen und viele Anregungen erhalten hat.
BochumG. Mildenberger


1 W. Janssen, Zur Typologie und Chronologie mittelalterlicher Keramik aus Südniedersachsen (Neumünster 1966).

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