Die silbernen Tannenzapfen auf dem Hübichenstein

Vor langen, langen Jahren da wohnte in der Bergstadt Grund ein Bergmann, der hatte in dem Schranke in seiner Stube einen Tannenzapfen stehen von lauterem Silber, so natürlich wie ein gewachsener. Wie er aber dazu gekommen, hat er Vielen erzählt. Nämlich sein Urgroßvater ist ein Bergmann gewesen, der ist einmal krank viele Wochen lang und es ist theure Zeit gewesen und Gnadenlohn haben die Bergleute zu dieser Zeit noch nicht bekommen, wenn einer krank war, denn das ist später erst aufgekommen. Er hat aber sieben lebende Kinder gehabt, da ist's nun kärglich zugegangen mit dem Brode und mit Allem und er und seine Frau haben fast den Muth verloren. Einmal steht die Frau des Morgens vor der Hausthür und denkt, wo sie heute wohl Brod herbekommen soll für die Kinder. Da denkt sie: Sollst nur hingehen und eine Kiepe voll Tannäpfel im Walde sammeln und verkaufen, es giebt doch etwas. Und so macht sie sich auf den Weg. Wie sie auf dem Wege zum Holze ist und über ihr Schicksal nachdenkt, da kommen ihr die Thränen in die Augen und sie setzt sich am Wege nieder und hält die Hände vor's Gesicht. Nach einer Weile denkt sie, es kann doch nicht helfen, du mußt aufstehen, sonst müßt ihr betteln gehen; und wie sie eben in die Höhe sieht, da steht vor ihr ein altes Männlein mit eisgrauem Barte und ist ganz wunderlich angethan und hat sie lange betrachtet. Das Männlein fragt, was ihr fehle? Sie sagt, er könne ihr doch nicht helfen. Er ist aber freundlich und sagt: Man traue ja Manchem nicht zu, was er könnte, und sie möchte ihm nur getrost sagen, was ihr fehle. Da bekömmt sie Muth und sagt ihm Alles heraus: daß ihr Mann nun schon so lange krank ist und daß sie sieben lebende Kinder hat und kein Brod im Hause, daß sie schon Alles versetzt und verkauft hat und die Leute sie nicht länger im Hause leiden wollen; deshalb wolle sie nun eine Tracht Tannäpfel suchen und Brod kaufen. Das Männlein mit dem grauen Bart tröstet sie: sie solle nur nicht verzagen, es würde noch Alles recht gut gehen, und wenn sie gute Tannäpfel haben wolle, so solle sie nur nach dem Hübichenstein gehen und sich nicht fürchten, und bietet ihr einen guten Morgen und geht in's Gebüsch am Wege. Die Frau aber geht nach dem Hübichenstein. Da setzt sie nun ihre Kiepe auf den Boden und sucht Tannäpfel. Wie sie nun anfängt zu suchen, da fallen ihr die Tannäpfel von allen Seite zu, rechts und links, von oben und aus allen Büschen heraus. Da denkt sie nun schon, es hätten sich Buben versteckt am Hübichenstein und die wollten sie soppen und das kleine Männchen hätte Schuld daran. Sie hebt also ihre Kiepe wieder auf und flüchtet, denn sie will sich doch nicht die Augen auswerfen lassen. Das hätte sie nun freilich nicht nöthig gehabt, denn die Tannäpfel fallen alle in die Kiepe, aber wer so betrübt ist, der hat auch nicht auf Alles Acht. Und so geht sie weg vom Hübichenstein und kommt an eine andere Stelle. Da füllt sie ihre Kiepe, hat nicht viel mehr nöthig gehabt hineinzulesen. Darauf geht sie heim. Aber die Kiepe wird ihr immer schwerer und schwerer, und sie muß gar zu oft ruhen, ehe sie heimkommt; das kommt ihr wunderlich vor, aber sie denkt doch noch an nichts. Wie sie heimkommt und geht in den Holzstall und will die Kiepe ausleeren und dann wieder ins Holz, da fallen lauter silberne Tannäpfel heraus, daß sie ganz starr wird vor Verwunderung. Aber die Tannäpfel will sie nicht behalten, denn sie meint, das gehe nicht mit rechten Dingen zu, und wer weiß, denkt sie, ob der kleine Kerl nicht der Satan gewesen ist. Also geht sie zu ihrem Manne in die Stube und erzählt ihm, wie es ihr gegangen ist und beschreibt ihm das Männchen und fragt ihn, ob das wohl mit rechten Dingen zugehe, und ob sie die Tannäpfel behalten dürfe. Da sagt ihr der Mann, daß sie Alles behalten dürfe und daß der kleine Kerl der Gübich gewesen sei, der hätte auch schon andern armen Leuten geholfen. Am andern Morgen läßt's ihr keine Ruhe. Sie muß erst nach dem Holze gehen, vielleicht daß sie den Gübich wieder trifft, so will sie sich bei ihm bedanken. Richtig, wie sie wieder an die Stelle kommt, ist das Männlein mit dem eisgrauen Barte wieder da und fragt, ob sie gestern nicht schöne Tannäpfel gefunden hätte? Wie sie ihm aber anfängt zu danken und wie sie nun aus aller ihrer Noth gerettet wäre, da locht der Gübich und giebt ihr ein Büschel Kräuter, davon solle sie ihrem Manne einen Trank kochen, so würde er schon gesund werden; und darauf geht er wieder in's Gebüsch am Wege. Die Frau aber geht heim und bereitet den Trank, und von der nämlichen Stunde an wird der Mann gesund und sie haben noch lange mit einander glücklich gelebt. Das Silber haben sie in die Münze gebracht und haben unmenschlichen Reichthum davon gehabt und vielen armen Leuten Gutes gethan, aber einen von den Tannäpfeln haben sie zum ewigen Andenken aufgehoben. Das ist der Tannapfel, den der Bergmann in dem Schranke stehen gehabt hat.
 

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