Das Teufelsbad bei Osterode

In der Nähe des Städtchens Osterode liegt ein Erdfall, von Bergen eingeschlossen, dessen trübes Wasser, wie das Volk behauptet, eine unergründliche Tiefe hat. Hier in diesem Gewässer soll der Teufel oft um Mitternacht sich baden und die in der höllischen Glut ermatteten Glieder erfrischen. In der Nähe des Teufelslochs oder Teufelsbades halten sich auch noch der wilde Jäger und Frau Holle auf. Wanderer, welche herzhaft genug waren in nächtlicher Stunde das Erlengebüsch zu passiren, das mit seinem schattigen Grün den schauerlichen Fleck umkränzt, sahen in den schwärzlichen Fluthen menschenähnliche Glieder schwimmen, bald emportauchend, bald wieder vom Strudel in die Tiefe hinabgezogen. Ein Feuerregen soll sich auch manchmal sprühend aus dem Wasserbecken ergossen haben, während dessen Wellen siedend in die Höhe stiegen. Auch in der Gestalt einer riesenhaften schwarzen Schlange, die sich spielend bald zusammenrollte, bald in tausendfachen Windungen auf- und niedertauchte, hatte man den Bösen schon erblickt. Bisweilen hat er sogar Wanderer, auf welche er in seiner ganzen Schreckensgestalt mit Hörnern, Pferdefuß und Krallen einen Angriff machte, so lange geängstigt und hin- und hergetrieben, bis sie in das mit Wasser gefüllte Loch hinabsanken oder er hat sie wohl auch durch Irrlichter hineingelockt. Andere hat er nur zu seiner Kurzweil erschreckt, indem er als ein wüthender Eber auf sie zurannte oder indem er in der Gestalt einer Rohrdommel im Thale umherging und ein widerwärtiges Geschrei erhob. Die Heerden umkreiste er, in einen Wehrwolf verwandelt und trieb die Schafe in das Moor, aus dem die Hirten sie nicht zu retten vermochten. Daher vermeiden es die Leute, welche von Osterode nach Herzberg gehen wollen, bei Nacht am Teufelsbade vorbeizugehen und auch bei Tage thun sie es nur, wenn sie Eile haben und keinen Umweg machen wollen.

Einst nahte in der Stille der Nacht ein flüchtiger Verbrecher diesem von andern Menschen gemiedenen Orte, weil er hoffte, hier am sichersten gegen seine Verfolger zu sein; freilich gelang es ihm selbst nur mit Mühe, das Grausen, welches ihm die schauerliche Gegend einflößte, zu überwinden, um hier die Nacht zuzubringen. Mit Anbruch des Tages wollte er dann seine Flucht fortsetzen und hoffte so in ein fremdes Land entkommen zu können. Nachdem er sich von Laub und Moos ein Lager bereitet, streckte er sich nieder, doch kein Schlaf kam in seine Augen, theils ließ ihm das böse Gewissen keine Ruhe, theils führte ihm seine Phantasie fortwährend gräßliche Bilder vor seine Augen, so daß er von jedem Geräusch des Windes, von jedem zur Erde fallenden Blatte in Schrecken gesetzt wurde. Seine Angst erreichte den höchsten Grad, als er endlich gar Tritte vernahm, die ganz in der Nähe erschollen. Bald erblickte er den, welcher ihn durch das Geräusch seines Ganges so sehr erschreckt hatte. Es war ein Köhler von hoher Gestalt, das Gesicht von Ruß geschwärzt, einen mächtigen Knotenstock in der Hand. Der Räuber wagte gleichwohl nicht den Kommenden anzurufen, sondern blieb ruhig auf seinem Lager zusammengekauert liegen. Allein der Köhler entdeckte ihn trotz der Dunkelheit und fragte ihn mit barscher Stimme, wer er sei und was er hier mache. Der Flüchtling versetzte, er habe sich, der Gegend unkundig, vom Wege verirrt und beschlossen, die Nacht hier zuzubringen, weil er vor Müdigkeit nicht viel weiter habe kommen können. Da meinte der Köhler, das glaube er wohl, denn ein in der Gegend Bekannter werde sich so schon schwerlich diesen Ort zum Nachtquartier gewählt haben, allein wenn er hier ohne Obdach, aller Witterung ausgesetzt, die Nacht über bleiben werde, werde er vor Kälte und Nässe erstarren, er solle mit ihm nach seinem Meiler kommen und sich dort wärmen, am andern Morgen früh wolle er ihn dann auf den richtigen Weg bringen. Der Räuber mußte wohl oder übel das Anerbieten annehmen und so führte ihn denn der Köhler über Berg und Thal durch dichtes Gebüsch und Waldebenen der Kreuz und Quere, ohne ein einziges Wort zu sprechen. Indeß wollte sich kein Meiler zeigen und der Flüchtling gewahrte mit Schrecken, daß er von dem Köhler im Kreise herumgeführt worden sei, denn er sah sich plötzlich wieder bei den hohen Erlen und Tannengruppen und vor ihm lag der Spiegel des unheimlichen Teufelsloches. Da versagten seine Beine den Dienst und er vermochte dem grausigen Führer nicht weiter zu folgen. Letzterer aber drehte sich plötzlich herum und sprach: »Ihr seid wohl vom schnellen Gehen erhitzt, wollt Ihr nicht ein Bad nehmen? Hier ist ein kühles ruhiges Wasser!« Mit diesen Worten trat er auf den tödtlich Erschrockenen zu und als dieser Miene machte zu fliehen, da wuchs auf einmal die Gestalt des Köhlers ins Ungeheure, seine langen Arme streckten sich aus und mit seinen, mit spitzen Krallen versehenen Händen packte er jetzt den in die Kniee sinkenden Verbrecher, zog ihn an sich und preßte ihm Hals und Brust zusammen, dann aber hob er ihn hoch in die Höhe und schleuderte ihn mit furchtbarer Gewalt hinab in das Teufelsbad, daß das schmutzige Wasser hoch aufspritzte, hierauf sprang er ihm selbst nach und riß den ohnmächtigen Widerstand Versuchenden mit sich in die Tiefe hinab.
 

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