Auf der Ziegelei

aus

-Ein Beitrag zur Geschichte des Dorfes Düna und seiner Umgebung-

von

Gustav Bierkamp (1982)

Der am 16. Juni 1809 geborene jüngere Sohn des Erbauers der Gaststätte Papenhöhe, Georg Christian, heiratete 22jährig, am 10. Januar 1832 Ernestine Luise Morig, Tochter des Gastwirts, Ziegelmeisters und Licentschreibers Johan Heinrich Morig aus Osterhagen und Ehefrau Justine, geb. Kunkel. Ernestine, geboren am 14. Februar 1808, wurde mit Georg Christian die Erbin der Ziegelei.

Aus dieser Ehe gingen 8 Kinder hervor, 1 Sohn und 7 Töchter. Der Sohn Eduard wurde am 3. Dezember 1832 geboren, sein Verbleib ist dem Verfasser nicht bekannt. Die Tochter Johanne Henriette Wilhelmine Mathilde wurde am 16. November 1834 geboren. Sie starb am 18. Januar 1836 im Alter von einem Jahr, zwei Monaten und zwei Tagen. Als Todesursache wird »Schüerchen« angegeben. Unter dieser Bezeichnung verstand man in früheren Zeiten periodisches, d. h. schauerweises Auftreten von Zahnkrämpfen. Das Kind wurde in der Nähe der Ziegelei begraben. Beurkundet von Pastor Hasenbalg, Elbingerode.

Diese Eintragung in das Sterberegister des Pfarramtes in Elbingerode beweist, daß die Beerdigung des Kindes in aller Form der christlichen Kirche erfolgte. Was aber hat die trauernden Eltern dazu bewogen, ihr Kind außerhalb des regulären Friedhofes beizusetzen? War die junge Mutter durch den Verlust des Kindes etwa seelisch krank geworden? Hat sie etwa den Wunsch gehabt, ihr totes Kind künftig in ihrer Nähe zu wissen?

Von der Kirche selbst ist dieser Schritt sicher nicht angeordnet, was hätte sie auch für einen Grund gehabt? Die kirchliche »obere Behörde«, die Superintendentur in Osterode wird aber auf Wunsch und stichhaltiger Gründe, die Erlaubnis erteilt haben. Es war Mitte Januar, allein Eis und Schnee wären kein ausreichendes Argument gewesen, schließlich war der Kirchhof in Hörden dazu da, die Verstorbenen aufzunehmen. Die Kirchenbehörde trug die Verantwortung, aber es war und blieb ein Sonderfall. Gerade weil hier etwas aus dem Rahmen des Normalen herausragt, soll es in dieser »Dorfgeschichte« seinen Platz haben. Die Frage, wo das kleine Kindergrab seinen Platz gefunden hatte, war nicht auf Anhieb ersichtlich. Bei der Suche konnte man von der Annahme ausgehen, daß noch Spuren zu erkennen sein müßten. Bei den einschneidenden Veränderungen in den mehr als hundert Jahren, wie durch den Bau der Eisenbahn, Straßen- und Wegebau durch den Papeschen Besitz in Hofnähe, waren die Aussichten gering. Man konnte auch davon ausgehen, daß dieses Grab länger als üblich gepflegt sein könnte. Bei einem solchen Einzelgrab dürfte ihnen niemand den Platz streitig gemacht haben, zumal er auf ihrem eigenen Grund und Boden lag. Aber Eigentums- und Grenzveränderungen, ohne Rücksichtnahme auf das Grab, waren nicht auszuschließen.

Im Gegensatz aller Erwartungen, vielleicht durch Einflußnahme oder Bitte der noch lebenden Eltern, blieb das Grab zunächst erhalten. Man fand eine ideale Lösung, indem man das Grab in den Straßenbau einbezog (siehe Skizze).

GPS-Koordinaten
N 51.6893° E 10.2971°

In dem beim Straßenbau notwendig gewordenen Dreieck der Abzweigung nach Papenhöhe bzw. nach Rehhagen, steht eine Traueresche, ca. 150 Jahre alt. [Anmerkung: der Baum wurde 2006 aus Sicherheitsgründen niedergelegt]. Wer pflanzt wohl einen solchen Baum, wenn nicht zum Gedenken an einen lieben Verstorbenen? Wer umgibt wohl ein Grab mit schweren, sonderbar geformten Steinen, wenn nicht aus gleichem Grund? Dieser Grabschmuck sollte wohl für die Ewigkeit sein, er war mit Ketten miteinander verbunden worden. Die Ketten sind verrostet, nur die Ösen als Halterungen waren noch vorhanden. Durch ihre Schwere waren sie teils in die Erde gesunken, teils waren sie mit Gräsern zugewachsen. Grün bemoost lagen sie da, d. h. bis Juni 1979. Da verschwand einer der drei Steine und die anderen im Verlaufe des Juli 1980, sicher aufgeladen und abgefahren mit Hebefahrzeugen. Vielleicht liegen sie aufpoliert in irgendeinem Hausgarten als Zierde oder als Sitzbänke. Als solche mögen sie auch den trauernden Angehörigen gedient haben. Die Eltern lebten noch, als die Wege aus Gründen des Eisenbahnbaues verlegt wurden. Die Mutter des Kindes starb am 25. April 1876 und der Vater am 4. Juni 1886.


Maße der steinernen Zeugen der wahrscheinlichen Grabstätte der einjährigen Mathilde Pape in der Nähe der einstigen Dünaer Ziegelhütte. Der Verfasser konnte den eigenartigen Grabschmuck im Jahre 1978 vermessen. Das Gewicht wurde auf 400 kg pro Einheit geschätzt. Siehe am Kopfende angedeutete eiserne Halterung für Ketten

Obwohl ich zunächst einmal in manchen Dingen auf Vermutungen angewiesen war, wurden mir diese durch Herrn August Wehmeyer aus Elbingerode, heute 70 Jahre alt, bestätigt. Dieser ist ein Großneffe der Emilie Pape, verheiratete Wehmeyer, einer Schwester des verstorbenen Kindes.

Ein Jahr nach dem Tode der Tochter Mathilde wurde den Eltern die zweite Tochter geboren. Sie wurde auf die Namen Johanne Henriette Adeline getauft. Paten waren Auguste Vollmer aus Osterode (geb. Winter), Elisabeth Schirmer (geb. Lohrengel) aus Düna, Andreas Domeyer, Forstbediensteter in Hörden. Adeline starb am 17. Februar 1855 im Alter von 18 Jahren.

Die vierte Tochter, Henriette Konradine Emilie wurde am 3. Juni 1841 geboren, heiratete am 10. Juni 1862 den Schulmeister August Wehmeyer aus Elbingerode. Dieser war später Lehrer in Schnedinghausen, Kreis Northeim, gab aber seinen Dienst als Lehrer frühzeitig auf. Wehmeyer erwarb im Raum Schnedinghausen/Berwartshausen/Moringen Land. Er baute an der Landstraße zwischen Höckelheim und Moringen einen Hof auf, den er nach dem Vornamen seiner Frau »Emilienhof« nannte. Nach Aussagen der Verwandten in Elbingerode soll er über Geldmittel verfügt haben, die sicher nicht aus den Ersparnissen seines kargen Lehrergehalts jener Zeit stammten. Ihm schwebte sicher vor, hier neben der Landwirtschaft eine Gaststätte zu betreiben. Als Vorbild dienten ihm die Gaststätten seiner Verwandten in Papenhöhe, Aschenhütte und Osterhagen. Seine Erwartungen mögen sich nicht erfüllt haben, denn er kaufte sich in seinem Geburtsort Elbingerode ein Haus und lebte dort mit seiner Tochter bis zu seinem Tode.

Die fünfte Tochter des Ehepaares Georg Pape und Frau Ernestine, geb. Morig, auf der Ziegelhütte bei Düna, geboren am 14. November 1843, mit den Namen Karoline Henriette Albertine Louise, heiratete am 3. Dezember 1868 den Bäckermeister Julius Meine in Osterode. Die siebente und jüngste Tochter Henriette Charlatte Albertine Louise wurde am 16. Januar 1846 geboren. Sie heiratete am 27. Mai 1869 den Landwirt Friedrich Wilhelm Marienhagen aus Hillerse, Kreis Northeim. Sie wurden nach dem Willen der Eltern die Erben der Ziegelei. In dieser Ehe wurden drei Kinder geboren. Das älteste, ein Sohn, starb im Alter von sieben Jahren; die beiden Töchter, Zwillinge, starben im Kleinkindalter bis zu zwei Jahren.

Am 4. Juni 1886 starb im Alter von 50 Jahren der Vater dieser Kinder. Den Ziegeleibetrieb leitete der Ziegelmeister Christian Klemme. Für die Landwirtschaft stellte Frau Marienhagen einen Verwalter ein, dieser hieß Robert v. Werder, er stammte von einem großen Hof aus Höckelheim, Kreis Northeim.

Am 22. August 1895 starb auch die Witwe Marienhagen, sie wurde 49 Jahre alt. Auch auf der Papenhöhe war der Tod eingekehrt. Der Gastwirt Apel war zu dieser Zeit ebenfalls verstorben.

Am 30. Januar 1896 heiratete der Verwalter der Ziegelei, Robert v. Werder, die Witwe Auguste Apel, geb. Pape. Damit wurde er Mitinhaber der Gaststätte. Die Verwaltertätigkeit auf der Ziegelei blieb davon unberührt. Um die Jahrhundertwende wurde er auch Besitzer der Ziegelei. (Hier soll noch vermerkt werden, die Rehhagener Wiesen waren von alters her im Besitz der Ziegelei. Es fiel in die Zeit des Friedrich Wilhelm Marienhagen, als sich die Forstverwaltung an dieser Enklave interessiert zeigte. Sie bot dem Besitzer Marienhagen einen Tausch an gegen Grundbesitz außerhalb des geschlossenen Waldgebietes. Die Forstverwaltung plante, im Rehhagen ein Haus für einen Beamten zu bauen, was nach dem Tausch auch geschah.)

Es kann hier kein festes Datum angegeben werden, wann v. Werder Besitzer der Ziegelei wurde, auch nicht auf welche Art und Weise er in ihren Besitz kam, wahrscheinlich aber durch Kauf.

Weder Friedrich Wilhelm Marienhagen, noch Robert v. Werder, waren Ziegeleifachleute. Sie waren Landwirte und mußten sich für den Ziegeleibetrieb einen fremden Ziegelmeister halten. Es soll damit aber nicht gesagt werden, daß das der alleinige Grund des Niederganges war. Robert v. Werder legte in den ersten Kriegsjahren 1914/15 den Ziegeleibetrieb endgültig still. Die Einrichtungen wurden abgerissen. 1907 verkaufte er zunächst die Gaststätte Papenhöhe an Karl Linnemann.
In den Inflationsjahren 1923/24 verkaufte v. Werder seinen Betrieb, der zuletzt nur noch landwirtschaftlich genutzt wurde, an einen Herrn Harden bzw. dessen Schwiegersohn J. Bellometti.
Hiermit müssen die geschichtlichen Betrachtungen über die einst »Herrschaftliche Ziegelhütte bey Düna« beendet werden, denn sie existiert nicht mehr. 238 Jahre hat sie die nähere und weitere Umgebung mit Ziegelsteinen und Dachziegeln versorgt; ebenso lange sind die auf ihr tätig gewesenen bzw. ihre Besitzer nachzuweisen.
 
1.
AndreasRettstadt1678Vater
2.
Claus Jürgen Rettstadt1744Sohn
3.
Adam Feuerriegel1745Vater
4.
Henrich A.Feuerriegel1753Sohn
5.
Johan Christoph Klingspor1764Vater
6.
Heinrich Klingspor1794-1806Sohn
7.
Joh. Heinrich Christian Pape1806-1839Vater
8.
9.
Karl Heinrich Friedrich Pape
Georg Christian Pape
1839-1870
1839-1886
Brüder
10.
Friedrich Wilh. Marienhagen1869-1886Schwiegersohn zu 8
11.
Robert v. Werder1895 - 1915Schwiegersohn zu 7
12.
Christian Klemmeum 1900Angestellter

Diese Aufstellung sagt nichts über Anfang und Ende ihrer Tätigkeit auf der Ziegelhütte aus, die Jahreszahlen stammen teilweise aus dem persönlichen Bereich, z. B. vom Ableben der Personen. Von diesen genannten Personen erfahren wir über die Kopfsteuererhebung und über die Kirchenbucheintragungen in Elbingerode. Einen Besitzer lernte ich persönlich kennen. Wie es zu dieser Begegnung kam und was ich dabei erfuhr, möchte ich kurz beschreiben:

Es war im Herbst 1935, wir waren bei der Bestellung der Wintersaat. Ich arbeitete mit meinen Pferden auf der sogenannten Ziegeltrift an der Auffahrt nach Düna. Da kam ein Mann die Straße hoch, in gebeugter Haltung, sich auf einen Stock stützend. Das Gesicht von einem schlohweißen Bart umrahmt; man sah ihm sein hohes Alter an. Da er immer wieder stehenblieb und meiner Arbeit interessiert zusah, ließ ich die Pferde ein wenig verschnaufen und ging zu ihm. Nach kurzem Gruß nannte ich meinen Namen, er stellte sich als v. Werder vor. Auf die Frage, woher und wohin, sagt er, er wolle sich Düna einmal nach der Neubesiedlung ansehen, er kenne es noch aus der Zeit des »Amtmannes« Feldmann, dem vorletzten Pächter der Domäne Düna. Er erzählte weiter, daß er vor den Linnemanns auf der Papenhöhe der Besitzer der Gaststätte gewesen sei und vor J. Bellometti der Besitzer der Ziegelei. Er habe 1907 die Papenhöhe und 1923 die Ziegelei verkauft, familiäre Verhältnisse hätten ihn dazu gezwungen. Durch die Geldentwertung habe er einen Großteil seines Vermögens verloren und gerade noch soviel gerettet, daß er sich in der Bahnhofstraße in Herzberg ein Haus bauen konnte. Es war mir, als ob Tränen in seinen Augen standen.

Neben Wilhelm Marienhagen, Robert v. Werder mit ihrem Meister Christian Klemme, haben wir die letzten Ziegelbrenner vor uns. War nun Andreas Rettstadt wirklich der erste? Das ist unwahrscheinlich; denn sein Name fällt 1678 nicht im Zusammenhang mit dem Bau der Ziegelei, sondern bezieht sich auf seine Tätigkeit und Stellung. Noch wissen wir nichts über den Zeitpunkt des Beginns. Ich nehme aber an, daß sie schon weit früher bestand. Nachdem der Herzog Philipp I. von Grubenhagen zu Herzberg den Wiederaufbau des wüsten Dorfes Donde verfügte, war der Bedarf an Dachziegeln groß. Als er gleichzeitig einen Großteil der früher dazugehörenden Ländereien von Osterode zurücknahm, liegt es nahe, daß seinerzeit die Ziegelei gebaut wurde und auch die notwendigen Ländereien dazugelegt und die Grenzen abgesteckt wurden, so, wie sie bis in die Neuzeit bestanden.

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