Die Jettenhöhle bei Düna und ihre Umgebung
Ein Führer durch den Gipskarst bei Düna und seine Höhlen

2. Geologischer Überblick

Von  F i r o u z  V l a d i

Für ein rechtes Verstehen von Karst und Höhlen im Naturschutzgebiet bei Düna und ihrer Bedeutung als Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung wollen wir den Leser zunächst mit ihrem erdgeschichtlichen Werdegang vertraut machen. Als Orientierungshilfe möge die Tabelle auf Seite 18 dienen.

Das Gebiet des Harzes und des umliegenden Vorlandes war für die meiste Zeit des Erdaltertums Meeresboden. Hier lagerte sich der Schutt ab, der von Festländern, die z. T. schon lange abgetragen sind, hierher verfrachtet wurde. Auch die Reste früherer Meeresbewohner sammelten sich hier. Auf Untiefen und den Kuppen unterseeischer Vulkane begannen Korallenriffe zu wachsen; so besteht der Iberg bei Bad Grund aus unendlich vielen Kalkskeletten solcher Korallentierchen, die in der Zeit des Devon, vor ca. 300 Millionen Jahren, lebten.

Um die Mitte des Karbons, vor 270 Mio. Jahren, fing der Meeresboden an, sich zu bewegen. Die Schichten wurden gefaltet, verfestigt und stiegen alsbald aus dem Meere auf, um zum Festland zu werden. Mit dieser "varistischen" Gebirgsbildung erhielt der Harz sein bis heute kaum verändertes inneres Gefüge. Er ist aber nur ein Teil eines gleichartig gebauten Gebirgszuges, der sich vom Rheinischen Schiefergebirge, an dessen Küsten (Ruhrgebiet) die Wälder der Steinkohle zu wachsen begannen, über den Harz nach Osten erstreckte.

Allmählich begann aber das Gebirge wieder im Meere zu versinken. Im Rotliegenden, der ersten Hälfte des Perms, noch weitgehend Landoberfläche, senkte sich das Gebiet des Harzes und bildete den Boden des langsam wieder vordringenden Meeres. Mit dem Zechstein, der jüngeren Hälfte des Perms, beginnt nun die Ablagerung der Gesteine, die wir heute als den Untergrund von Düna wiederfinden. Vor 200 Mio. Jahren trennte sich das Meer durch eine Schwelle vom Ozean ab und wurde zu einem weiten und seichten Becken, welches von der Nordsee bis in die Gegend südlich des Harzes reichte und im Osten weit nach Polen hineinragte. Ein warmes, wüstenhaftes Klima führte dazu, daß das Meerwasser, welches zunächst keinen Zuzug vom Ozean mehr erhielt, schneller verdampfte. Die im Wasser gelösten Salze reicherten sich rasch an und überschritten nacheinander den Punkt ihrer maximalen Löslichkeit. Nachdem sich zuvor nur feinster Ton hatte ablagern können, kristallisierten jetzt Salzkörnchen aus und setzten sich am Boden ab: zuerst Kalk CaC03, dann Anhydrit CaS04, Steinsalz NaCl und zuletzt Sylvin KCl und die Magnesium enthaltenden Mischsalze. Nach dieser Zeit der Eindampfung und Salzausfällung erhielt das Becken kurzzeitig wieder Zufluß von frischem Meerwasser. Auch dies wurde dem Eindampfungsvorgang unterworfen. Hierzu war es insgesamt viermal gekommen, bis sich die Verhältnisse in dem Becken änderten. Am Boden des Beckens hatten sich während des Zechsteins somit vier Serien von Ton, Kalk, Anhydrit und Steinsalz gebildet, die zusammen einige hundert Meter Mächtigkeit erreichten. In der Zechsteingliederung (s. Tabelle) finden wir sie als Werra-, Staßfurt-, Leine- und Aller-Serie bezeichnet und näher aufgeteilt. Die Untergliederung deutet schon an, daß die Verhältnisse in Wirklichkeit viel komplizierter sind, als es die gegebene schematische Erklärung ihrer Entstehung zu beschreiben vermag.


Bis hierher hat uns der Weg durch die Erdgeschichte gezeigt, wie und wann das Gestein entstand, in dem sich die Höhlen von Düna befinden. Mit dem Ende des Zechsteins, mit dem wir das Erdaltertum verlassen, kam es in dem Becken zur Ablagerung von Tonen und später von Sanden. Es ist die Formation des Buntsandsteins, der die Trias einleitet. Auch im weiteren Erdmittelalter war das Gebiet zeitweise vom Meere bedeckt. Aber schon gegen Ende des Jura, vor ca. 145 Mio. Jahren, setzten Bewegungen ein und hoben nun den Harz selbst als Scholle aus dem Verbande des alten varistischen Gebirges heraus und ließen ihn trockenfallen. Als ein Flachland wurden seine Küsten von dem Meere der Kreidezeit angenagt. Die Schichten des jüngstvergangenen Jura, der Trias und des Zechsteins wurden langsam wieder vom Rücken des Harzes abgetragen. Die subherzyne Gebirgsbildung hob gegen Ende der Kreide den Harz weiter heraus und stellte ihn schräg, so daß sein Nordrand sich hoch über die kreidezeitlichen Schichten des Vorlandes erhob, die dabei steilgestellt wurden. Seine Oberfläche fiel nach Süden hin gleichmäßig unter die leicht schräggestellten Schichten des Perms und der Trias ab.

Mit dem Beginn der Erdneuzeit war der Harz bis auf den varistisch gefalteten Rumpf abgetragen. Eine große Verebnungsfläche überspannte jetzt den Harz in gleicher Höhe wie sein nördliches und westliches Vorland. Nur der Brocken und der Acker-Bruchberg ragten aus diesem Flachland heraus, dessen Reste wir heute in der Hochfläche von Clausthal vor uns haben. Das Meer des Eozäns (vor ca. 45 Mio Jahren) griff über die eingeebneten Harzflächen aber nicht mehr hinweg.

Nachdem im Laufe des Jungtertiärs der Harz die letzten Hebungen von wenigen 100 m Höhe erfahren hatte, die ihn aus dem Verband der frühtertiären Verebnung vollends herausrissen, prägten sich all die Oberflächenformen heraus, die trotz der Veränderungen durch die nachfolgenden Eiszeiten die heutigen Landschaften dieses Mittelgebirges charakterisieren. Die großen Harzflüsse entstanden und tieften die Täler ein. Ein subtropisches, bis Ende des Tertiärs allmählich abkühlendes Klima mit großzügigem Pflanzenwuchs förderte die tiefgründige Zersetzung des Bodens. Im Untergrund des Vorlandes, am Harzrand selbst und an dem Kalkplateau von Rübeland begannen schon im frühen Tertiär die Kräfte der Verkarstung zu wirken. Bei Rübeland entstanden die Baumannshöhle, die Bielshöhle und die Hermannshöhle. Die Iberger Tropfsteinhöhle bei Bad Grund und die Einhornhöhle bei Scharzfeld verdanken dem Jungtertiär ihre Entstehung.

Vom Harzrand ausgehend begann in den Ebenen des Harzvorlandes das Grundwasser die leicht löslichen Stein und Kalisalze des Zechsteins fortzuführen. Die darüber befindlichen Schichten bogen nach und zerrissen bisweilen in Schollen. Der südliche Harzrand stellt die Grenze dar, bis zu der die jüngeren Deckschichten des varistischen Harzgebirges gegenwärtig abgetragen sind. Dementsprechend liegt hier der Ausstrich der Zechsteinschichten, an welchen die Verkarstung alsbald einsetzte. Ihr voraus geht unter Einfluß des Grundwassers und Sickerwassers die Umwandlung des ursprünglichen, schwerlöslichen Anhydrits (CaS04) in den leichtlöslichen Gips (CaS04 · H2O) bei einer Volumenvermehrung von ca. 60 Prozent. Auf Grund der hohen Löslichkeit des Gipses, der den aggressiven Schmelz- und Regenwässern des Quartärs kaum widerstand, verwandelte sich das Bild der südlichen Harzrandlandschaft besonders im Laufe der Eiszeiten häufig und tiefgreifend. So deutet auch im Dünaer Gebiet manches darauf hin, daß wir hier mehrere Generationen von Erdfällen haben, die den Phasen des Quartärs zuzuschreiben sind. Einer der letzten größeren Einstürze konnte auf die Zeit kurz vor Christi Geburt datiert werden.

Entscheidend für die Verteilung der Karsterscheinungen in der Landschaft ist die Abfolge der Zechsteinschichten (s. Tabelle). Diese verhalten sich gegenüber dem Angriff der Tages- und Grundwässer gänzlich verschieden. Somit erzeugt der Anschnitt der durch die Harzhebung um ca. 5-15 Grad schräggestellten Schichten von Zechstein -und Trias eine dem südlichen Harzrand entlanglaufende Abfolge von Karststreifen, nämlich den Ausstrich der einzelnen Anhydritschichten. Sie werden getrennt von den nicht verkarstungsfähigen Tonen und den nur unter sehr günstigen Bedingungen (so die Einhornhöhle bei Scharzfeld) verkarsteten Kalken bzw. Dolomitgesteinen; letztere sind unter Aufnahme von Magnesium aus dem Kalk hervor gegangen und bestehen aus CaMg (C03)2. Diese besonderen Umstände sind es, die dem Südharzer Gipskarst sein eigenes Gepräge mit einem nur äußerst selten anzutreffenden Landschaftstyp vermitteln.

Für die Rekonstruktion der engeren Geschichte der Verkarstung und Höhlenbildung müssen wir nach den Zeugnissen, die diese Geschichte hinterlassen hat, suchen. Da wären in den Höhlen z.B. folgende Kriterien: die Formgebung und der Erhaltungszustand, die Aufschluß über die Entstehung und Reife der Höhle geben; Ablagerungen in Höhlen und Erdfällen, die u.U. Aussagen über ihr Alter und die ehemalige Umgebung der Höhle zulassen. Pflanzenreste sowie Knochen und Zähne von Tieren, die sich in den Höhlen und Erdfällen erhalten haben, sind hervorragende Zeugen für das Alter des verkarsteten Fundortes und ehemalige Klimata. Es wird ersichtlich, daß die geologische Erforschung der Höhlen von Düna, die noch in den Anfängen steht, hier gute Voraussetzungen für die Aufhellung der geologischen Geschichte des Südharzes findet. Dabei rückt das Hainholz und der Beierstein besonders in das Interesse der Geologen und Höhlenforscher, da hier die ursprünglichen Verhältnisse noch nicht angetastet, erdgeschichtliche Dokumente und seltene Landschaften noch nicht den Löffelbaggern der Steinbrüche zum Opfer gefallen sind.

Wir haben uns vor Augen gehalten, wie im Raume Düna im Laufe von Jahrmillionen Voraussetzungen entstanden, unter denen sich dann Höhlen und andere Karsterscheinungen bilden konnten. Diesen erdgeschichtlichen Werdegang finden wir durch den geologischen Aufbau der Landschaft vom Hainholz bis zum Beierstein bestätigt.

Verlassen wir die B 243, die im Tale dem Harzrand entlang läuft, und fahren in südwestlicher Richtung nach Düna hinauf, so passieren wir den steilen Anstieg der knapp 100 Meter mächtigen Anhydrit-Gips-Schicht der Werra-Serie. Oben auf dem Plateau von Düna steht die Ortschaft schon auf der nächst jüngeren Schicht der Zechsteinzeit, dem Hauptdolomit, einem sehr harten und widerstandsfähigen Gestein, das den Werra-Anhydrit vor raschem Abtrag schützt. Er bildet über Tage mit dem darauf folgenden Basalanhydrit die Staßfurt-Serie. Hart südlich des Rötzels, südlich des Heiligentals und südwestlich des Ortes Düna taucht der Hauptdolomit unter den Basalanhydrit ab. Mit dieser nur ca. 20 Meter mächtigen, zweiten Anhydrid-Gipsschicht setzt jetzt das eigentliche Karstgebiet von Düna ein.

Ebenso wie der Werra- hat sich auch der Basalanhydrit dort, wo er zutage tritt, unter dem Einfluß des Grundwassers in Gips umgewandelt. Wo das Gestein von alters her Sprünge und Risse hat, vermag nun das Wasser den Gips bevorzugt aufzulösen. So entstehen die vielen Erdfälle und Dolinen, die den Beierstein und den Mittelsberg nördlich umsäumen.

Abb.1 Geologischer Profilschnitt durch das Gipskarstgebiet bei Düna am Harz.
- Schematisierte Darstellung, 2,5fach überhöht.

Wenige Zehnermeter weiter nach Südwesten taucht auch der Basalanhydrit ab. Beginnend mit dem Grauen Salzton von ca. 15 Metern Mächtigkeit setzen nun die Schichten der Leine-Serie ein. In dem weichen Ton finden sich bevorzugt die Täler, denn hier, wo das Wasser nicht sofort versickern kann, liegt die normale oberirdische Entwässerung durch Bäche vor. Zugleich räumen diese den Ton gern aus und tiefen so die Täler ein. Der Plattendolomit ist nur geringmächtig entwickelt und säumt dort, wo der Ton untertaucht, die markante und am Nordwestrand des Beiersteins grandiose Schichtkante des Hauptanhydrits. Von dessen ursprünglicher Mächtigkeit von ca. 80 Metern sind z. T. nur noch 30 Meter übriggeblieben. Der Rest fiel im Laufe der Zeit der lösenden Tätigkeit von Grund- und Sickerwasser anheim, ein Prozeß, der auch heute unverändert anhält.

Die zwischen dem Basal- und dem Werra-Anhydrit liegenden Schichten (der klüftige Hauptdolomit und der nur sehr dünne Braunrote Salzton) behindern die Versickerung des Regenwassers in den tieferen Untergrund nur unwesentlich. Der Gips des Basalanhydrit löst sich somit, von den Klüften ausgehend, überwiegend an seiner Oberfläche. Mit dem Fortführen des allmählich in Lösung gehenden Gipses sackt die aufliegende tonig-lehmige bis sandige Bodenkrume von wenigen Metern langsam nach. So bilden sich die weichen Schüsselformen der Dolinen. Anders sind die Verhältnisse im völlig vergipsten Hauptanhydrit, dessen eigentliche Unterlage, wenn man vom stark wasserwegsamen und nur geringmächtigen Plattendolomit absieht, der wasserundurchlässige Graue Salzton ist. Auf der Schichtgrenze vom Gips zum dichten Ton stauen sich die Sickerwasser, nun greift die Auflösung des Gesteins vornehmlich hier, an der Unterkante an. In die entstehenden Hohlräume bricht der im Vergleich zu Kalk nicht sehr standfeste Gips plötzlich nach. Es entstehen die - besonders dort, wo die Bodenkrume weitgehend fehlt - steilwandigen Erdfälle.

Die Gesteine der Aller-Serie, der jüngsten der Zechsteinzeit, sind hier kaum anzutreffen. Die weichen Letten sind bedeckt vom Schutt des alsbald mit dem Rikkesberg und dem Krücker im Südwesten ansteigenden Buntsandsteins. Er grenzt mit seinen mächtigen Tonen und Sandsteinen das verkarstungsfähige Gebiet des Zechsteins nach Süden ab.

Von dieser schematischen Gliederung, wie sie zwischen Beierstein und Hainholz realisiert ist, weicht das östliche Hainholz und der Südrand des Beiersteins ab. Hier sind die Schichten gegeneinander verworfen, sie sind als Folge der Auslaugung der Steinsalze im Untergrunde ungleichmäßig nachgesackt. So grenzt z.B. am Parkplatz zum Hainholz der Graue Salzton direkt an den Hauptanhydrit, wobei der Plattendolomit, noch bevor er zutage ausstreicht, durch eine solche Verwerfung abgeschnitten wird. In der Niederung zwischen der Jettenhöhle und dem westlichen Hainholz ist der Graue Salzton samt dem darüber liegenden Plattendolomit zwischen zwei Verwerfungen angehoben, so daß der Hauptanhydrit schneller als in der Umgebung abgetragen werden konnte. In der Niederung des Grauen Salztones fließt jetzt der Jettenbach. Zwei Verwerfungen im Westen und Südosten des Beiersteins, lassen diesen inselartig aus der durch den Grauen Salzton gebildeten, sich südlich anschließenden Ebene herausragen. Gleich im Wald hinter dem Parkplatz am Hainholz ist der Hauptanhydrit von einem kleinen Vorkommen von Buntsandsteinresten und roten Lehmen bedeckt. Man muß hierin die Füllung eines ehemaligen Erdfalls, der einer älteren Erdfallgeneration angehörte, vermuten.

Schichten, die im ausgehenden Erdaltertum nacheinander und damit übereinander abgelagert worden sind, finden wir in der  heutigen Landschaft nebeneinander wieder. Die Landoberfläche hat sich im Verlaufe der jüngsten Erdgeschichte in die schräg gestellten Schichten eingeschnitten Die unterschiedlichen Eigenschaften der Ablagerungen geben in ihrem jetzigen Nebeneinander der Landschaft ihr stetig wechselndes Bild.

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