Merkwürdigkeiten in der umliegenden Gegend. Osterode liegt hart unter dem Harze, 627 pariser Fuß über der Meeresfläche und 100 über Göttingen und Northausen erhaben, in dem tiefen, anmuthigen hier von der Söse durchströmten Hauptthale, welches die Südwestseite des Harzes hier in nördlicher Richtung umzieht, und die steilabfallenden Ganggebirge oder eigentlichen Harzberge, von den vorharzischen Flötzgebirgen scheidet. Doch setzen einige Flötze hier noch durch das Thal durch und ziehn sich sammt der thonigen Dammerde hoch an den Fuß der Harzberge hinan, so daß die Stadt fast ringsum von ziemlich steilen Gyps= Alabster und Kalkbergen eingeschlossen zu seyn scheint. Diese Flötzberge sind an der Oberfläche mehrentheils so verwittert und so mürbe, daß bey starkem Regen ihre Gestalt sich fast von allen Seiten verändert; auch sieht man auf ihnen hin und wieder, als Zeichen innerer Höhlen, trichterförmige Erdfälle, denen ähnlich, welche unterm Schnee versteckt, die Landstraße über dem savoyschen Mont Cenis im Winter so äußerst gefährlich machen. Aehnliche, mit nie versiegendem Wasser angefüllte Erdfälle, die Teufelsbäder genannt, liegen in großer Anzahl im Thale selbst, südlich bey Osterode. Auch öffnen sich hier in den Gypsbergen einige Höhlen, worunter der Klinkerbrunnen oder die Jettenhöhle (denn beyde sind wahrscheinlich ein und dieselbe Höhle) eine starke Stunde südlich von der Stadt, jenseits des landesfürstlichen Vorwerks Düna, und unweit der Straße nach Herzberg, die beträchtlichste ist. Durch einen dunklen, engen und unebnen Eingang steigt man in ihr zu einer wasserhaltigen Grotte hinab, welche von dem beständigen Plätschern der auch in der trockensten Witterung nicht versiegenden Tropfwasser ihren Namen führt; jedoch soll die Höhle noch nicht bis zu ihrem Ende durchsucht seyn. Nicht weit von der Jettenhöhle östlich, liegt, von den hohen Harzbergen nur durch ein tiefes enges Thal getrennt, ein mit Tannen und Moos bewachsener Alabasterhügel, der Beber= oder Kästnerskopf genannt, berühmt durch die ungeheuren Knochen, welche man hier um 1751 in großer Menge ausgegraben hat. Dieser steile 150 Fuß hohe Hügel, bildet auf seinem Gipfel eine Ebne von 300 bis 400 Schuh im Umkreis, besteht aus einem sehr löchrigen und mit vielem Fraueneis untermischtem Alabaster, der hier und da zu Tage aussetzt, und ist, sowohl auf seiner Höhe, als auf seinem Abhange, ja selbst in seinen Höhlungen, ganz mit einer sechs, zehn und mehrere Fuß mächtigen Mergellage bedeckt, in welcher man jene merkwürdigen kleinen und großen Knochen, zum Theil in den Höhlen des Alabasters selbst, gefunden hat. Die ganze Lage des Hügels gegen die nördlich und östlich ihn umgebenden Harzgebirge, scheint sein Entstehn durch einen Wirbel des hier sich brechenden Wassers zu beweisen; dieses hat wahrscheinlich die Ueberreste der einheimischen und ausländischen Thiere, die man hier unter einander findet, herbey geschwemmt und zugleich mit dem Mergel abgesetzt. Hollmann in Göttingen, besaß über 200 aus der hiesigen Mergelgrube augegrabne Knochen, untersuchte sie mit vielem Fleiß und erklärte die großen Knochen für Ueberreste von zwey alten und einem jungen Rhinozeros, und einem andern noch größern vierfüßigen Thiere. Aehnliche Rhinozerosknochen waren um Scharzfeld (doch nicht in der Höhle, in welcher nur kleine Knochen alle außerordentlich hart, und viele Zähne vorkommen) gefunden worden, auch Zähne von großen und reißenden Thieren *). Die Landbewohner sehn dieses sogenannte gegrabne Einhorn als ein Mittel gegen alle Krankheiten an. *) S. C. Hollmanni offium fossilium insol. magnit. deser. in den Comment. Socier. Reg. Goettingen. T. II. pag. 215. feg. mit Abbildungen |
Aus: GILBERT, Ludwig Wilhelm (1795): Handbuch für Reisende durch Deutschland. Dritter Theil, welcher als Fortsetzung des zweyten Kapitels die Lausitz, die kurhannöverschen Staaten und eine umständliche Topographie des ganzen Harzes enthält. (S. 412 - 414) |