FRITZ REINBOTH, BRAUNSCHWEIG DER „ERFURTER KAMMEROFEN“ AM HAUSBERG BEI HÖRDEN An der Straße von Hörden zur Aschenhütte findet der Wanderer eine Tafel zum Karstwanderweg, die auf die unscheinbaren Reste eines „alten Gipsofens“ am Fuße des Hausberges hinweist. Der obere Teil der knapp 7 m breiten Frontmauer aus Kalkstein in Gipsmörtel ist in der Mitte eingestürzt. Im teilweise im Hangschutt begrabenen unteren Teil öffnen sich zwei 2 m breite und 1,5 m tiefe Gewölbe, in denen sich je zwei von hinten verschüttete Feuerungsöffnungen mit eisernen Rosten zeigen.
Diese Ofenruine liegt direkt am steilen Hang des Hausberges und ist nach dem Befund keinem herkömmlichen Schachtofen zuzuordnen, wie ihn Krünitz 1780 beschreibt und wie sie bei Benzingerode und in der Lehde bei Wernigerode zu finden sowie 1839 in einer Zeichnung aus Walkenried belegt sind (Reinboth 2013, 2016). Historische Dokumente zur Bauweise des Hausberg-Ofens Nun gibt es in der sehenswerten Gips-Ausstellung in der ehemaligen Grundschule in Walkenried am Geiersberg mehrere Entwürfe des Walkenrieder Gips-Pioniers Albrecht Meier, vor allem von Schachtöfen, die Meier entscheidend weiterentwickelt hat. Bisher kaum beachtet wurden zwei Zeichnunen von Öfen „zum Brennen von Mauergyps/periodischer Betrieb“ aus den Jahren 1874 und 1878. Ob diese Entwürfe in Walkenried realisiert waren, lässt sich nach dem vollständigen Abriss der dortigen Anlagen – infolge des Desinteresses der Denkmalpflege ohne jede Dokumentation – nicht mehr überprüfen. Abb. 2: Albrecht Meier (1874): Ofen zum Brennen von Mauergyps/Periodischer Betrieb - Inhalt = ca. l6 Cubm – Frontansicht, Schnitte und Grundriss (Archiv des Vereins fur Heimatgeschichte Walkenried) Meiers Entwürfe entsprechen einem 1899 bei GARY beschriebenen und abgebildeten Kammerofen. In der Erfiurter Gegend fand ich ... den Ofen Fig.2 in Gebrauch. Er ist ein Kammerofen mit drei Rostfeuerungen unter der Sohle, die mit Steinkohle gefeuert werden. Die Conäle werden mit großen Steinen überwölbt, der Ofen wird dann zunächst durch die zu ebener Erde gelegene Thür, später durch die Fensteröffnung vollgesetzt. Der Ofen hat 3 x 5 m im Grundriss ... Oben ist der Ofen durch einen eisemen Trichter abgeschlossen, der in einem eisernen Schornstein endet. Abb. 3: Albrecht Meier (1878): Ofen zum Brennen von Mauergyps/Periodischer Betrieb/ Inhalt circa 38,25 CubM. – Grundriss und Schnitte (Archiv des Vereins für Heimatgeschichte Walkenried) GARYS Zeichnung übernahm 1906 MOYE in sein Standardwerk ,,Der Gips“ (danach Abb. 4) und prägte für diesen Ofentyp die Bezeichnung „Erfurter Kammerofen“: Der Erfurter Kammerofen ist auf allen vier Seiten ummauert, durch ein Dach mit Schornstein überdeckt und mit mehreren Rostfeuerungen versehen, die nebeneinander an der Aussenseite an der einen Längsseite eingebaut sind und die samt ihren geradlinig anschließenden offenen Zügen im Boden der Kammer versenkt liegen. In den Brennraum B wird der Gipsstein durch die Tür A, später durch das Fenster A1 hineinbefördert. Mit den durch die Tür A hereingeschafften größeren Stücken werden über den offenen Zügen Feuergassen aufgebaut und dann die Kammer mit kleineren Stücken aufgefüllt. Nachdem die Öffnungen (A, A1) vermauert sind, werden auf den Rosten die Feuer angezündet und ... unterhalten. Abb 4: Erfurter Kammerofen nach Moye 1906, S. 233 (ergänzt aus Gary 1899, dort Fig. 2). Dieser Ofen wurde gemäß Meiers ausdrücklichem Hinweis periodisch betrieben; musste also vor jedem Brand in aufwendiger Handarbeit durch „Gipspacker“ neu gefüllt werden.
Von technischen Details nach GARY und MOYE sind die Feuerungsöffnungen mit den Rosten hinter den beiden Vorgewölben gut erhalten. Dass die Brennkammer innen, wie in Meiers zweitem Entwurf feuerfest ausgekleidet war, ist anzunehmen. Die Rückseite der Brennkammer ist im Hangschutt begraben. Hier war offenbar die Auskleidung direkt vor den gewachsenen Felsen gesetzt wie bei Meiers Entwurf von 1874, bei dem die nur 25 cm starke Rückwand ebenfalls vor dem gewachsenen Felsen dargestellt ist. Die oben 0,65 m starken Seitenmauern und die Frontmauer wurden wahrscheinlich wie bei Meiers zweitem Entwurf nach unten stärker. Da die Seitenmauern keinerlei Öffnung haben, muss der Zugang zur Brennkammer zum Befüllen mit Gipssteinen und Entleeren nach Abschluss des Brandes im Bereich des eingestürzten Teils der Frontseite gelegen haben. Dieser Zugang musste wie bei MOYE beschrieben vor jedem Brand zugesetzt werden. Soweit überprüfbar entspricht der Grundriss der Brennkammer dem mit Maßen versehenen Meierschen Entwurf von 1878 und den Angaben bei GARY bzw. MOYE: Hausberg-Ofen: Außenmaße 6,8 m x 4 m, Breite der Feuerkanäle 0,5 m 2. Entwurf Meier: Außenmaße 7 m x 4 m, Breite der Feuerkanäle 0,5 m Gary/Moye: Innenmaße 5 m x 3 m Abb. 5: Feuerungsöffnungen des Gipsofens am Hausberg bei Hörden Abb. 6: Ruine des Gipsofens am Hausberg bei Hörden. Aufnahme und Zeichnung F. Reinboth, 23.10.2016. Das Rauchabzugsrohr der Abdeckung gemäß Abb. 4 lag früher noch in der Ofenruine (Mitt. R.-D. Hendorf, Aschenhütte). Ungelöste Fragen Kann somit die Bauweise des eigentlichen Ofens im Wesentlichen als geklärt betrachtet werden, so bleiben immer noch viele Fragen offen. So muss die Rekonstruktion eines Gebäudes als notwendiger Regenschutz und als Zuwegung zur Brennkammer oberhalb der Feuerungen hypothetisch bleiben. Angeblich wurde der Ofen erst nach dem Ersten Weltkrieg bzw. 1926 angelegt, aber bald wieder aufgegeben. Aktenmäßige Belege dazu sind bisher zumindest nicht veröffentlicht. Die zugehörige Gipsmühle an der Aschenhütte wurde 1935 abgerissen. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn ein Gipsofen nicht gleich neben der Gipsmühle betrieben wird, sondern am Steinbruch; dieser Ofen steht aber weder am Steinbruch noch bei der Mühle. Der Grund für die Wahl seines immerhin merkwürdigen Standorts ist unbekannt. Zudem gab es unmittelbar neben der Gipsmühle noch einen weiteren, inzwischen beseitigten oder verschütteten Gipsofen, über dessen Bauweise und Alter bisher nichts dokumentiert worden ist. Möglicherweise wollte man auf eine modernere Brenntechnik mit Trennung von Gips und Brennmaterial umsteigen – indessen war der „Erfurter Kammerofen“ im 20. Jahrhundert kaum noch Stand der Technik. Vielleicht wollte man auch nur den Qualm weniger dicht an den Wohnhäusern haben. Über die Erbauer und späteren Betreiber der Gipsmühle an der Aschenhütte gibt es einige archivalische Nachweise: sie ging auf eine 1734 von Johann Christian Pape geplante „Bockmühle“, d. h. eine Stampfmühle für Gips, Kalk und Flachs zurück. 1855 werden die „Kalkbrenner Oppermann und Pape zur Aschenhütte“ wegen Holzfrevels aktenkundig. Nachkommen der Familie Pape/Oppermann sind noch jetzt im Besitz des Grundstücks der früheren Gipsmühle.
Ältere Karten vermerken eine weitere Gipsmühle auf dem Grundstück der späteren Försterei Lüderholz II, die von dem gleichen aus der Kleinen Steinau abgeleiteten Mühlgraben angetrieben wurde wie die an der Aschenhütte (Abb. 7). Von einem zugehörigen Brennofen ist nichts bekannt. An der Aschenhütte wurde zuletzt 1948 - 1954 Gips abgebaut und z. B. an das Gipswerk Kutzhütte (H. & E Börgardts) bei Walkenried geliefert. Diesem Abbau fielen Teile der Wallanlagen („Kalkburg“) auf dem Hausberg zum Opfer; mit dem Abraum wurde ein davorliegender kleiner Teich (auf Abb. 7 noch dargestellt) verfüllt. Danksagung Hilfe bei Untersuchungen am Ofen und in dessen Umfeld leistete Herr Jürgen Wode, Braunschweig. Ihm ist auch für Recherchen im Internet und für anregende Diskussionen zu danken, ebenso den Herren Rolf-Dieter Hendorf, Aschenhütte und Klaus Gehmlich, Elbingerode für weiterführende Informationen. Schrifttum Klaus Gehmlich: Aschenhütte. – www.karstwanderweg.de/kww011.htm Albert Moye (1906): Der Gips. – 2. Aufl Leipzig 1906 Fritz Reinboth (2013): Chronik der Gipsindustrie in Walkenried und Neuhof. – Clausthal-Zellerfeld 2013 Fritz Reinboth (2016): Historische Gipsöfen am Nordharz. – Zs. Unser Harz 2016 Nr. 9, S.172 - 175 Akten im Niedersächsischen Landesarchiv Hannover (Archivinformationssystem Arcinsys): Denunziation gegen die Kalkbrenner Oppermann und Pape zur Aschenhütte wegen unerlaubter Aneignung von Kohlenholz im Lonauer Forstrevier (1855). – NLA HA: Hann. 82a Herzberg-Harzforst, Nr. 1463 GPS-Koordinaten |