Der Südharz, eingeklemmt zwischen Afrika und Europa Im Heft 12/2023 findet sich auf Seite 238 eine geologische Buchbesprechung. Der Verfasser dieser Zeilen war im Autorenteam und die Erstellung des Manuskripts war eine angenehme Herausforderung, ja, es hat Spaß gemacht. Nur Corona hat den Druck verzögert, worauf es aber bei der Behandlung Millionen Jahre alter Phänomene nicht so sehr ankommt. Hier soll die Buchbesprechung nicht vertieft werden. Aber ein Aspekt verdient der Vertiefung, denn dieser ist – zumal leicht verständlich geschrieben – in dieser Zeitschrift wohl noch nicht so richtig thematisiert worden; darin auch Auszüge aus dem genannten Buche. Vor einiger Zeit führte ich eine
Busexkursion durch
den Südharz, wohl auf der B 80, daneben die neue Autobahn A
38. Nach
Osten fahrend, hinter Görsbach, öffnet sich der Blick
nach rechts,
also nach Süden auf den Kyffhäuser. Links liegen
sanft ansteigend
die Höhen des Harzes. Über das Mikrophon erfuhren die
Gäste nun
etwas ganz Ungewöhnliches: „Schauen Sie bitte,
rechts liegt
Afrika, links Europa!“ Verwunderung, redet wohl dummes Zeug;
Afrika
liegt doch nicht mitten in Deutschland. Oder meint der etwa
Asylsuchende? Und doch, wer die einleitenden Kapitel des
neuen geologischen Harz-Führers liest, findet die
Erklärung. Sie liegt in
der Plattentektonik begründet. Also in der Erkenntnis, dass
die
Kontinentalplatten in Bewegung sind und sich aus dem Muster dieser
Bewegungen die Gesteine und Phänomene hier auch der Harzregion
sehr
schlüssig ableiten lassen. Das ist einer gewaltigen und
weltweiten
Forschungsleistung der Geowissenschaft aus den letzten 50 Jahren zu
verdanken. Abb. 1: Die Konstellation
von
Laurussia und Gondwana im späten Devon, zu Beginn der
variszischen Plattenkollisionen.
Für
den Harz ist dessen geologische
Entstehungsgeschichte erst in jüngster Zeit auf der Grundlage
plattentektonischer Analysen herausgearbeitet worden. Davon berichtet
auch das neue Buch. ![]() Abb. 2: Der Wilson-Zyklus Die von J.T. Wilson (1968) erstmalig im
globalen Zusammenhang betrachtete und inzwischen weiter verfeinerte,
plattentektonische Entwicklung der Erdkruste gilt vor allem
für die letzten ca. 600 Mio. Jahre der Erdgeschichte. Ein
Wilson-Zyklus ist unterteilt in 7 Phasen und dauert insgesamt jeweils
ca. 100 – 200 Mio. Jahre. Ein Zyklus beginnt mit einer
ereignisarmen Ruhephase (Phase 1). In der initialen Graben- und Rift-Phase (Phase 2) steigen aus dem Erdmantel Schmelzen (Magmen) in großen Mantelplumes bis in die Erdkruste auf. Treffen diese Hotspots auf kontinentale Krustenplatten, so zerbrechen diese und es entstehen große Grabenbrüche (Ostafrikanisches Riftsystem) Im ozeanischen Bereich bilden sich dagegen langgestreckte vulkanische Inselbögen wie Hawaii, da sich die ozeanische Kruste über die stationären Hotspots hinweg bewegen. Im nachfolgenden Ozeanischen Jungstadium (Phase 3, Rotes Meer-Stadium) beginnen aufgerissene und tektonisch passive Kontinental-Ränder auseinander zu driften und es entstehen erste Spreizungszonen (Spreading-Zonen) mit darin ausfließenden Ozeanboden-Basalten. Das Auseinander-Driften der Kontinentalplatten setzt sich intensiviert im Ozeanischen Reifestadium fort (Atlantik-Stadium, Phase 4). Dabei entstehen die großen mittelozeanische Graben- (Rift-) Zonen mit am Ozeanboden austretenden Basaltausflüssen, welche auch die Meeresoberfläche erreichen können (Island). An den Rändern der Kontinentalplatten erfolgen Sediment-Einschüttungen in die Kontinentalhänge des Ozeans. Da trotz der Spreizung der Ozeane sich der Erdradius nicht verändert, muss die Aufdehnung der Ozeane durch Pressung andernorts kompensiert werden. Dies erfolgt an Subduktionszonen, an denen sich die schwereren ozeanischen Plattensegmente unter die leichteren kontinentalen Platten schieben und dabei kontinentwärts abtauchen und partiell aufgeschmolzen werden („Pazifisches Stadium“, Phase 5). Schließlich kehrt sich die Richtung der Plattendrift um, die Spreizung kommt zum Stillstand und der Ozean wird wieder eingeengt. Es bildet sich bei weiterer Annäherung der gegenüberliegenden Kontinente ein flaches Meeresbecken (Mittelmeer-Stadium, Phase 6). An den Kontinentalrändern kann eine Gebirgsbildung einsetzen, wie etwa bei den Alpen. Im Endstadium, der Ozeanboden ist vollständig subduziert, kommt es zur Kollision der Kontinentalplatten (Himalaya-Stadium, Phase 7). Dabei entstehen hoch aufgestapelte riesige Faltengebirgszüge (Himalaya). Gebirgszüge wie der Ural sind Zeugen ehemaliger Kontinent-Kontinent-Kollisionen. Mit Heraushebung der Gebirge setzt auch schon ihre Abtragung durch „Wind und Wetter“ ein. Schließlich kommt der Prozess zur Ruhe, bis an anderer Stelle der Prozess durch Riftbildung erneut einsetzt. Die geologischen Vorgänge, die sich in
der
variszischen Zeit abgespielt haben, waren sehr komplex und sind in
einigen Details auch heute noch nicht erforscht. Jedenfalls handelte
es sich bei diesem Rheia-Meeresarm bis zu seinem Verschwinden im
Karbon um eine hochmobile Zone, in der tiefe Meeresbecken und
unterseeische Gebirge mit steilen Hängen, die fast bis zur
damaligen
Meeresoberfläche hinaufreichten, eng nebeneinander vorkamen.
Untermeerischer Vulkanismus, gut erkennbar an typischen marinen
Kissenlaven, wie bei Lerbach, war weit verbreitet. Auf den Hochlagen
nahe der Meeresoberfläche konnten, wie auch heute in
tropischen
Meeren, Riffe wachsen, z.B. Iberg bei Bad Grund oder Elbingerode im
Mittelharz, und durch Umwelteinflüsse (Wellenschlag u.
ä.) auch
damals schnell wieder zerstört werden. Abb.
3: Geologisches Profil durch den Harz. Der heutige Harz ist damit ein komplexes Puzzle aus verschiedenen geologischen Bausteinen, die meist an Abscherzonen durch enorme tektonische Kräfte während der Subduktion miteinander verschuppt und übereinander gestapelt wurden. Das heutige Bild zeigt die Situation als die Subduktionsvorgänge im Oberkarbon schließlich zum Stehen kamen. Der größte Teil der ozeanischen Kruste des Rheia-Ozeans ist in der Tiefe der Erdkruste bzw. des oberen Mantels absorbiert, also aufgeschmolzen worden. Damit endet der Wilson-Zyklus des Varistikums. Vom Oberperm etwa beginnt der nächste Zyklus (250 Mio. Jahre – Gegenwart), die Alpen und Kreta etc. gehören dazu. Mit dieser Aufstapelung, Formung und Heraushebung des Variszischen Gebirge begann sofort dessen Abtragung und damit der nächste Abschnitt der Entwicklungsgeschichte des Harzes. Ob dieses Gebirge ehemals ein Hochgebirge, vergleichbar mit den Alpen, den Anden oder dem Himalaja war, darüber kann nur spekuliert werden; es ist jedoch möglich. Zum Ausgang zurück: damit waren Europa und Afrika fest vereint, später, in der Trias, hat sich weiter südlich in der ehemaligen Platte des riesigen Gondwanakontinents, jetzt als Pangäa bezeichnet, ein neuer Riss aufgetan: die Tethys als Vorläufer des heutigen Mittelmeeres! Der nächste Zyklus hat begonnen. Und auch diese wird von Jahr zu Jahr schmäler, da Afrika mit ca. 3 cm im Jahr nach Norden treibt und – diesmal umgekehrt – unter die europäische Platte abtaucht und subduziert wird. Das Ergebnis zeigt sich in den Faltungs- und Plattenstapelungen der jungen Falten- und Deckengebirge des Kaukasus, der Karpaten, Alpen und Pyrenäen und im östlichen Mittelmeer. Dieses Geschehen in der Vergangenheit unserer Erde ist äußert komplex, es so darzustellen, dass es auch für Nichtgeologen gut nachvollziehbar oder gar spannend ist, das ist eine vielleicht noch herausforderndere Aufgabe. Dazu muss manch deutscher Wissenschaftler vom Elfenbeinturm herabsteigen, sich der deutschen Sprache wieder erinnern und sich in das Aufnahmevermögen der Leserschaft hineinfühlen. Diese Zeitschrift bietet ja eine wunderbare Plattform dafür! Für die kritische Durchsicht und Ergänzung des Manuskripts geht mein Dank an Professor Hans Joachim Franzke, Clausthal. Anmerkungen: 1 John Tuzo Wilson (1908 - 1993) war ein kanadischer Geowissenschaftler. Er gewann internationale Anerkennung durch seine Arbeiten zur Gebirgsbildung, der Geologie von Meeresbecken und der Struktur von Kontinenten. Große Bekanntheit erwarb er sich insbesondere durch seine Formulierung zu Hot Spots (Plume) und deren Bedeutung in Hinsicht auf das Seafloor spreading. Er gilt als einer der Pioniere der Plattentektonik. Literatur: |