Die Sachsensteinhöhle bei Neuhof am Südharz.

Von Dr.-Ing. F r i e d r i c h   S t o l b e r g.

Eine Studie zur Schlottenfrage.

Die Höhle liegt im südlichen Ausläufer des Sachsensteines (älterer Gips), unmittelbar über dem braunschweigischen Dorfe Neuhof. Ihr Eingang wurde erstmalig um das Jahr 1860 bei Steinbrucharbeiten aufgeschlossen, bald darauf jedoch wieder zugeschüttet, so daß die Höhle nahezu in Vergessenheit geriet. Erst 1928 ging der Besitzer Karl Bruchmann daran, planmäßig nach dem verschollenem Mundloch zu muten, das dann im Juli des genannten Jahres wieder freigelegt werden konnte. Die weiteren Untersuchungen geschahen unter Leitung des Verfassers. Anchließend reifte Bruchmanns Absicht, die Höhle als Schaugegenstand der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die dazu nötigen Arbeiten (Wegebauten, Anlage elektrischer Beleuchtung) wurden sodann bis zum 5. Mai 1929 zu Ende geführt, so daß mit diesem Tage die Sachsensteinhöhle als längstes Harzer Schauhöhlenunternehmen dem Verkehr übergeben werden konnte.

Ein kritischer Vergleich mit den klassischen Zeugen der Schlottenerscheinung (W-Schächter Schlotten bei Eisleben, Barbarossahöhle, Heimkehle, Himmelreichhöhle u. a.) zeigt, daß auch die Sachsensteinhöhle im wesentlichen genannten Typus angehört, welcher, der zahllosen Menge oberirdisch feststellbarer Erdfälle (Schlottenbrüche) nach zu schließen, in Hunderten von Exemplaren in der Tiefe der Südharzer Zechsteinlandschaft vertreten sein muß. Das Ausschlaggebende dabei ist, daß es sich - entgegen den Erscheinungen in normalen Karstgebieten - nicht um zusammenhängende unterirdische Flußsysteme reger Aktivität handelt, sondern daß die Schlotten nestartig, „Gussblasen“ zu vergleichen, die Massive durchsetzen. Sie treten dabei in mehr oder minder ausgedehnten Zügen auf, teils als stattliche taschen- oder domförmige Gebilde ein Einzeldasein führend, teils aus einer wechselnden Folge von Domen und schlauchförmigen Zwischenstrecken zu langer Kette aneinandergereiht. Echte Karstgerinne haben, wo überhaupt feststellbar (Himmelreichhöhle, Heimkehle), offenbar erst sekundär ihren Weg in einzelne Schlottenzüge genommen, und dort diejenige Arbeit vollendet, welche durch die laugende Tätigkeit abgesunkener Tag- und Grundwässer bereits vorgezeichnet war. Daß tatsächlich reine Auslaugungsvorgänge innerhalb der Anhydrite (Gipse) als höhlenerzeugende Faktoren eine weit größere Rolle spielen, als bislang allgemein angenommen wurde, zeigen die seit mehr denn hundert Jahren in den Schlottenzügen und Einzelschlotten des Mansfeld-Eislebener Bergrevieres gemachten Beobachtungen. Auch das Fehlen jeglicher Geschiebe (Schiefer, Grauwacken usw.) in den dem Schlottentyp angehörenden Höhlen (Barbarossahöhle!!) schließt mit annähernder Sicherheit das Zutreffen der normalen Karsttheorie aus. So gibt denn auch die Sachsensteinhöhle ein Bild, das getreu an jenes anklingt, welches in den bisher bekannt gewordenen Schlotten wahrgenommen werden kann. Charakteristisch sind das Fehlen ausgesprochener Erosionsgebilde, dahingegen das Vorhandensein von Korrosionserscheinungen in den tiefer gelegenen, der Vorflut zugänglichen Sohlen, sowie die Neigung unter Bildung gewaltiger Blockmeere nach oben zu wachsen, und nicht zuletzt das Fehlen deutlicher First-Primärspalten. Der Querschnitt ist der den Schlotten eigentümliche weiträumige, domförmige mit Sohlenneigung in Richtung des Schichtenfalles.

Der schachtförmige Eingang (270 NN) öffnet sich in der Sohle des Neuhofer Steinbruches unmittelbar am Fuße der abgebauten Wand. Es folgt dahinter eine kurze niedrige Strecke (Querschnitt c-d), die mit - 8,55 m dem Wasser zugänglich gewesen ist, wie starke Schalenbildung an der Firste und gut ausgebildete Näpfchenkorrosion zeigen. An diese kleinräumige Vorhöhle schließt unmittelbar ein hallenförmiger SW-NO streichender wuchtiger Raum (Große Halle e-f), 70 Meter lang, bis zu 30 Meter breit, dessen steil gegen SO einfallende Sohle mit grobem chaotischem Trümmerwerk bedeckt ist.

vermessen u. gezeichnet 1928: Dr.-Ing. F. Stolberg
 

Die Pfeilhöhe der Firste wächst, beim Eingang mit knapp 2 Meter beginnend, auf 7 Meter am NO-Ende, wo ein schwerer Verbruch den weiteren Verlauf unterbindet. Die Fortsetzung jenseits des Versturzkegels darf mit Sicherheit angenommen werden. An dem klaffende Schichtfugen aufweisenden SO-Stoße tritt auch die Eigentümlichkeit des älteren Gipses gut in Erscheinung: Weißliche Anhydritlagen wechseln mit schwarzlich dolomitischen Lamellen, zarte Bänderspiele und wellige Muster erzeugend. In starkem Gegensatz dazu steht das grobschalig darüber aufschießende Gewölbe, das in weitem schönen Schwunge über Berge zerschrottenen Gesteines hinaufschwingt zum gegenseitigen Stoß. Von Bedeutung für die Beurteilung der Genesis ist der Umstand, daß eine ausgesprochene First-Primärspalte nicht feststellbar ist. Desgleichen waren Gerinne im enger umschriebenen Sinne bisher nicht feststellbar. Lediglich die Wasserspuren in der Vorhöhle und in der Tiefe der längs des SO-stoßes absinkenden Versturzklüfte weisen auf das Eindringen steigender und fallender Grundwässer (Schlottenwoge) hin, ohne daß von eigentlicher Aktivität gesprochen werden könnte.

Der Hauptreiz der Sachsensteinhöhle in ihrer Eigenschaft als Schauhöhle, beruht, wie bei der überwiegenden Mehrzahl der Schlotten der Fall ist, auf der Großzügigkeit des Raumeindruckes in Verbindung mit der Phantastik unterirdischer Blockmeere. Die Lage in unmittelbarer Nachbarschaft des Bades Sachsa dürfte auch die Vorbedingung zu einer einigermaßen günstigen wirtschaftlichen Weiterentwicklung in sich tragen.

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