Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher
50 (2)
52-53
München 2004

Pilze in der Einhornhöhle bei Scharzfeld
(Harz / Niedersachsen)

Fungi in the Unicorn-Cave near Scharzfeld
(Harz-mountains / Lower-Saxony)

- Text: Harry Andersson, Fotos: Dr. Ralf Nielbock -

Zusammenfassung: In der Einhornhöhle wurden die folgenden Pilzarten identifiziert:
Armillaria spec., Comatricha alta, Coprinus xanthotrix, Dasycyphella nivea, Mycena spec. sowie Xylaria hypoxylon. Die Entwicklung der Fruchtkörper liegt im Bereich des Bekannten.

Summary: In the Unicorn-cave the following species of fungi were identified:
Armillaria spec., Comatricha alta, Coprinus xanthotrix, Dasycyphella nivea, Mycena spec. and Xylaria hypoxylon. The fruitbodies showed a normal devellopment.
 

1. Einleitung

Unter der Erde erwartet man Pilze, oder genauer Pilzfruchtkörper, in Bergwerken bzw. an dem dort verbauten Holz, nicht aber unbedingt in Höhlen. Will man etwas über das Erscheinen von Pilzen aussagen, muss man ihre Lebens- und Ernährungsweise betrachten. Sie treten als Mykorrhizapartner in Verbindung mit Bäumen auf, ernähren sich als Saprobionten von toter organischer Materie wie Holz, Blätter, Nadeln, Kot, Horn, Tierleichen usw. oder leben auf Kosten anderer, lebender Organismen als Parasiten.

Die Lichtverhältnisse der Einhornhöhle erlauben im Ein- und Ausgangsbereich sowie in der Nähe der Lampen lediglich das Wachstum von Moosen, Algen oder Flechten - und Pilzen, da Pilze als heterotrophe (griech. sich von anderen ernährend, hier jedoch nicht im Sinne von parasitierend) Organismen kein Licht benötigen. Nach lichenisierten oder zusammen mit Moosen symbiotisch oder parasitisch auftretenden Pilzen wurde jedoch nicht gesucht.

Als Substrat für die Ernährung von Pilzen in der Einhornhöhle bleiben daher lediglich Blätter und andere eingewehte Pflanzenreste im Ausgangsbereich oder Holz; künstlich durch den Menschen eingebrachtes oder eingefallenes bzw. durch Tiere wie z. B. den Dachs eingeschlepptes Material.

Dank

Meiner Frau Monika danke ich für die Durchsicht des gesamten Holzstapels aus dem Jacob-Friesen-Gang bei sommerlicher Hitze. Herr Peter Schirmer (Hofgeismar) bestimmte freundlicherweise den Myxomyceten. Dank auch an Herrn Prof. Dr. Heinz Butin (Wolfenbüttel) sowie Herrn Dr. Rolf Kehr (Biol. Bundesanstalt, Braunschweig) für die Nachbestimmung einzelner Arten und wertvolle Hinweise. Den Besuch der Höhle und die Materialentnahmen ermöglichte Herr Dr. R. Nielbock (Osterode).
 

2. Methode

Die erste Begehung der Einhornhöhle erfolgte am 03.05.2003 zufällig, als der Verfasser mit seiner Frau in der Nähe der Höhle Pilze kartierte und von Dr. R. Nielbock auf Pilzfruchtkörper innerhalb der Höhle aufmerksam gemacht wurde. Eine zweite, gezielte Untersuchung folgte am 5.7.2003. Fruchtkörper oder andere pilzliche Erscheinungen wie Rhizomorphen oder Ozonium wurden mitgenommen und zu Hause mit Hilfe von Bestimmungsliteratur und Mikroskop untersucht.
 

3. Ergebnisse

Begehung 03.05.2003

Blaue Grotte, westliche Wand

Aus dem Boden wächst ein dichtes Gewirr schwarz-brauner Rhizomorphen (Abb. 1), die zu einer Holz abbauenden Art der Gattung Armillaria (Hallimasch) gehören. Hallimasch ist der deutsche Sammelbegriff für Arten der Gattung Armillaria. In Europa werden z. Z. 7 Arten in dieser Gattung unterschieden (Butin 1996).

Virchowgang

Auf einem hölzernen, feuchten Lampensockel wachsen büschelig 4 schmächtige, graubraune, unreife Fruchtkörper. Sie gehören zur Gattung Mycena (Helmlinge).
Teile des hölzernen Lampensockels sind mit einem braunen Ozonium (haarig-filziger Hyphenrasen) bewachsen. Daraus entspringt ein Pilzstiel ohne Hut. Am Stiel haften massenhaft braune, dickwandige Sporen. Ein so beobachtetes Ozonium wird von Arten der Gattung Coprinus (Tintlinge) gebildet.

Jacob-Friesen-Gang

In einer Nische des Ganges sind Reste von ehemals verbautem Holz gelagert. Einige Stücke wurden zur Untersuchung mitgenommen. Auf einigen Stücken Holz befinden sich etwa 2-Euro-Stück große, resupinate Porlinge, deren Poren stellenweise rosa gefärbt sind. Die Art konnte nicht identifiziert werden. Die rosa Verfärbung ist vermutlich nichtpilzlicher, möglicherweise bakterieller Herkunft.
Auf einem weiteren Holzstück befinden sich Fruchtkörper des Myxomyceten Comatricha alta in arttypischer Entwicklung, Färbung und Sporenreife (P. Schirmer, Hofgeismar; briefl. Mitt.).
 

Begehung am 05.07.2003

Blaue Grotte, westliche Wand sowie Virchowgang, westliche Wand

Bei dieser zweiten Untersuchung werden nicht nur in der Blauen Grotte (s. oben) sondern auch im Virchowgang Rhizomorphen des Hallimasch (Armillaria spec.)auf dem Erdboden entdeckt. Hier war das Ursprungssubstrat ebenfalls nicht festzustellen.

Blaue Grotte, Elektroanlage, Stützbrett

An einem Stützbrett der Elektroanlage wächst ein Rasen des kleinen, weißen Ascomyceten Dasyscyphella nivea.

Jacob-Friesen-Gang

In einer Nische des Ganges lagert seit Jahren Holz: Balkenteile, Bretter und kleinere Stücke. Das Holz wird vor die Höhle gebracht und auf Pilze untersucht. Auf einigen Holzstücken befinden sich wiederum ältere, bereits sehr weiche, resupinate kleine Porlinge; diesmal ohne rosa Farbtöne. Eine Bestimmung der Art ist nicht möglich. Auf einem weißfaulen Holzstück befinden sich ein frischer, kleiner, weißer Porlinge im Initialstadium. Eine Identifizierung ist nicht möglich.
Weiterhin werden auf unterschiedlichen Holzteilen verschiedene, nicht bestimmbare imperfekte Pilze gefunden.

Virchowgang

Auf dem bereits am 03.05.2003 untersuchten hölzernen Lampensockel wachsen an jedem Ende zwei einzelne Fruchtkörper Coprinus xanthotrix (Gelbschuppiger Tintling) (Abb. 2). Am seitlichen Holzrand ist noch das braune Ozonium zu sehen, in dem mehrere, bereits fast vergangene Coprinus-Fruchtkörper zu erkennen sind.

Leibnitzhalle, Grabung Windhausen

An einem weißfaulen, auf dem Erdboden liegenden Laubholz-Ast bildet der Basidiomycet Athelia neuhoffii einen creme-weißen, häutigen Überzug.

Leibnitzhalle, Blockwerk

Aus einem liegenden Laubholz-Ast, Fagus sylvatica oder Acer pseudoplatanus, entspringen mehrere fädige, bis 6,5 cm lange Anamorphen des Ascomycten Xylaria hypoxylon (Abb. 3). Die Nebenfruchtform ist deutlich an den weißbestäubten Spitzen zu erkennen. Xylaria hypoxylon wächst im Gebiet an mehr als 50 % aller Rotbuchenstubben (Andersson 1995).

Hauptgang, westliche Wand

Kleine, zarte, weiße Fruchtkörper auf einem liegenden Ast Laubholz. Sie sind nicht mehr eindeutig bestimmbar, da sie bereits wiederum von einem Pilz besiedelt sind. Es könnte sich dem Habitus nach um Marasmius epiphyllus handeln.
 

4. Diskussion

Fruchtkörper von Pilzen zeigen im Rahmen ihrer genetischen Variabilität bestimmte farbliche Ausprägungen. Unter Ausschluss von Licht können diese Farben aber völlig oder stellenweise fehlen. Das kann man beobachten, wenn Fruchtkörper während ihres Wachstums z. B. völlig von Laub abgedeckt sind. Farblose, weiße Fruchtkörper sind aus Bergwerken bekannt. Der Eingangsbereich der Einhornhöhle erhält nur Licht durch gelegentliches Öffnen bei Führungen. Auch die eine geringe Helligkeit ausstrahlenden Lampen werden nur kurzzeitig im Zusammenhang mit Besuchergruppen oder - und dann länger - während wissenschaftlicher Untersuchungen angemacht. Lediglich der Bereich um die Ausgangstreppe wird konstant mit den Tageszeiten durch eine Öffnung im Fels mit Licht versorgt. Die in der Einhornhöhle gefundenen Fruchtkörper sowohl der Ascomyceten als auch der Basidiomyceten sowie des Myxomyceten wiesen eine "normale" Farbgebung auf.
Ebenfalls im Rahmen des Bekannten zeigte sich im Mikroskop die Entwicklung der Sporen.
Mit 65 mm Länge waren die Fruchtkörper von Xylaria hypoxylon (Geweihförmige Holzkeule) etwas länger als sie meistens an Ästen, Stuben und Stämmen im Wald oder auf Kahlschlägen zu beobachten sind. Sie können aber durchaus bis zu 80 mm lang werden (Butin 1996).
Rhizomorphen des Hallimasch (Armillaria spec.): Die holzbewohnenden Arten des Hallimasch-Komplexes (Korhohnen 1978) sind Weißfäuleerreger und leben als Saprobionten oder parasitisch.
Rhizomorphen des Hallimasch sind kompakte Hyphenbündel, deren äußere Hyphen widerstandsfähiger und dunkel gefärbt sind. Sie spielen eine Rolle beim Transport im Rahmen der Beschaffung von Nährstoffen und bei der Erschließung neuer Nährstoffquellen (Dörfelt 1988) und können größere Distanzen überbrücken. Die genaue Zuordnung zu einer Art durch makroskopische oder mikroskopische Untersuchung anhand von Rhizomorphen ist nicht möglich. Als Ausgangssubstrate kommen vergrabenes Holz, aber auch tote oder lebende Wurzeln von oberhalb der Höhle wachsenden Bäumen, meist Fagus sylvatica, in Frage. Beide Fundstellen liegen etwa 15 m unter der Erdoberfläche


Gelbschuppigen Tintlinge (Coprinus xanthotrix),
Fundort: Virchowgang, hölzernen Sockel einer Lampe.


Fruchtkörper der Geweihförmigen Holzkeule (Xylaria hypoxylon):
Die weißbestäubten Spitzen kennzeichnen das Konidienstadium;
Fundort: Blockwerk Leibnizhalle.


Marasmius - Die zarten weißen Fruchtkörper sind bereits wieder
von einem anderen Pilz befallen befallen. Fundort: Hauptgang, westl. Wand.


Alter, resupinater Porling mit roten Flecken.
Fundort: Jacob-Friesen-Gang.


Athelia neuhoffi bildet einen membranösen Überzug auf einem weißfaulen Ast Laubholz.
Fundort: Leibnizhalle, Grabung Windhausen.


Hallimasch Rhizomorphen - schwarze, wirr verlaufende Stränge.

Die verworrenen, schwarzbraunen Stränge sind Rhizomorphen des Hallimasch.
Sie spielen eine Rolle beim Nährstofftransport und der Eroberung neuer Substrate.
Das Ausgangssubstrat, vergrabenes Holz oder Baumwurzeln, konnte nicht ermittelt werden.
Fundort: Wolfskammer/ Virchowgang.
 

5. Literatur

Andersson, H. (1995):Untersuchungen zur Pilzflora von Fagus sylvatica-Stubben. Z. Mykol., 61/2: 233-244.
Breitenbach, J. & Kränzlin, F. (1991):Pilze der Schweiz, Bd. 3. - Luzern: 364 S.
Breitenbach, J. & Kränzlin, F. (1995):Pilze der Schweiz, Bd. 4. - Luzern: 371 S.
Butin, H. (1996):Krankheiten der Wald- und Parkbäume. Diagnose, Biologie, Bekämpfung. Stuttgart: S.207.
Dörfelt, H. (1988):Mykologie-Pilzkunde, BI-Lexikon. Leipzig: 432 S.
Hansen, L. & Knudsen, H. (2000):Nordic Macromycetes, Vol. 1, Nordsvamp. S. 189.
Kajan, E. (1988):Pilzkundliches Lexikon. Schwäbisch Gmünd: 227 S.
Korhohnen, K. (1978):Interfertility and clonal size in the Armillariella mellea-complex. Karstenia 18: 31 - 42.


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