Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher
56 (4)
116-118
München 2010
 
Die Kulthöhlen am Kosackenberg bei Bad Frankenhausen, Kyffhäuserkreis

von

MARVIN MÄDEL & DIETHARD WALTER


Abb. 1: Der Kosackenberg bei Bad Frankenhausen; Professor Dr. Günter Behm-Blanckes Ausgrabungen von 1951-57 gehören zu den Pionierleistungen der Höhlenarchäologie; TLDA

Zusammenfassung
Die Kulthöhlen im Kosackenberg bei Bad Frankenhausen im Kyffhäusergebirge stellen einen überregional bedeutenden Fundplatz dar, der jedoch seit seiner Ausgrabung in den 1950er Jahren wissenschaftlich nicht geschlossen bearbeitet und publiziert worden ist. Das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) möchte dies in den kommenden Jahren umsetzen.

Abstract
The caves in the Kosackenberg near Bad Frankenhausen (Kyffhäuser Mountains) represent an archaeological site for ancient cultish activities of supraregional importance. Since the excavations in the 1950ies the scientific research on the whole find deposit have not been completed yet, but the Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) plans to realize this in the next years.

Résumé
Les „Grottes du culte“ du Kosackenberg près de Bad Frankenhausen dans le massif montagneux et le district de Kyffhäuser (nord Thuringe) sont un site archéologique d’importance nationale. Si le résultat des fouilles effectuées dans les années 50 n’a jamais été étudié ni publié, le Service Thüringien de la Conservation et de l’Archéologie (TLDA) envisage toutefois de réaliser ce travail dans les prochaines années.


Abb. 2: Grundriss der Kosackenberghöhlen; TLDA
 

Die Höhlen am Kosackenberg
Mit den Höhlen im Kosackenberg bei Bad Frankenhausen befindet sich im Kyffhäusergebirge einer der bedeutendsten Fundplätze zu Kult und Religion der Bronzezeit in Mitteleuropa. Dem Nestor der thüringischen Archäologie, Professor Dr. Günter Behm-Blancke, ist die systematische Ausgrabung dieser Fundstätte zu verdanken. Gemeinsam mit Otto Kunkels Untersuchung der Jungfernhöhle bei Tiefenellern zählen seine mehr als siebenjährigen Forschungen in den 1950er Jahren zu den Pionierleistungen der Höhlenarchäologie. Bereits 1958, direkt im Anschluss an die Grabungen, legte er für eine breite, historisch interessierte Öffentlichkeit ein spannend geschriebenes Buch mit vielen Ideen und Deutungsmöglichkeiten anhand ethnographischer Parallelen vor (BEHM-BLANCKE 1958).

Hier soll nur ein kurzer Überblick zu den bislang nicht geschlossen vorgelegten Funden sowie zur Art und Weise der Nutzung der Höhlen im Kosackenberg gegeben werden.
Dessen nach Westen steil abfallender Hang aus Gipsen des Zechsteins wird von einem System von Abrissspalten und erosiv erweiterten Klüften durchzogen; manche der insgesamt 20 untersuchten natürlichen Hohlräume waren mindestens zeitweise miteinander verbunden.

Abb. 3: 15 m hoch verfüllt:
Diese Kluft diente in der Früh- und Mittelbronzezeit als Opferschacht; TLDA
Zwischen den Gebirgszügen der Hainleite und des Kyffhäusers am Nordrand des Thüringer Beckens gelegen, weist der umliegende, äußerst fruchtbare Naturraum des Wippertals eine nahezu ungebrochene Siedlungskontinuität seit dem frühen Neolithikum auf.
Anders verhält es sich bei den Höhlen: G. Behm-Blanckes Forschungen ergaben, dass sie im 5. Jahrtausend v. Chr., im 20.-9. Jahrhundert v. Chr. und im 8./7. Jahrhundert v. Chr. periodisch aufgesucht worden waren. Es fällt auf, dass es sich um Zeiträume handelt, in denen auch für andere Gebiete Mitteleuropas die Nutzung von Höhlen belegt ist (WALTER 1985, FLINDT 1998).

Nutzung im Neolithikum
Offensichtlich erfolgte das Aufsuchen der nur über einen steilen Anstieg erreichbaren Höhlen im Neolithikum nicht zu Wohnzwecken.
Die Einzelfunde der späten Linien- und späten Stichbandkeramik sowie der frühen Rössener Kultur sprechen eher für kurzfristige Aufenthalte, bei denen aber komplette Gefäße, Knochen- und Steingeräte zurückgelassen wurden.
 
Abb. 4: Spuren bronzezeitlicher Kulthandlungen: Eine Radnadel vom Lüneburger Typ und eine Schachtel aus Birkenrinde; TLDAAbb. 5: Zahlreiche Menschenknochen weisen Spuren gewaltsamer Einwirkung auf; TLDA

Aktivitäten in der Früh- und Mittelbronzezeit
Nach einem längeren Hiatus gab es erst seit der frühen Bronzezeit wieder mehr als sporadische Aktivität am Kosackenberg. Vom Plateau des Berges liegen Keramik- und Bronzefunde vor, die die Kuppe als Höhensiedlung ausweisen. Neun der 20 Höhlenräume enthielten ebenfalls Funde dieser Zeit, darunter „Fremdbronzen“, deren Ursprung mindestens ideell in entfernteren Gebieten liegt (WALTER 1995).
Kultische Handlungen innerhalb der Höhlen spielten sich in der Früh- und Mittelbronzezeit vor allem in einer knapp 1 m breiten und auf einer Länge von 20 m zugänglichen Kluft ab, einem Schacht, der sukzessive durch eine Öffnung im Bergplateau 15 m hoch mit Opfergaben verfüllt wurde. Darunter befanden sich zahlreiche Menschenknochen mit Schnitt- und Brandspuren sowie Nachweisen für eine gewaltsame Tötung.

Kult der Urnenfelder- und Hallstattzeit
Spezielle Opfer- oder Begräbnisriten spielten im Kult der späten Bronze- und frühen Eisenzeit weiter eine wichtige Rolle – ingesamt rund 15.000 Menschenknochen aus den Kyffhäuserhöhlen lassen sich nach derzeitigem Stand mindestens 130 Individuen zuordnen. Neben zahlreichen Hinterlassenschaften aus organischem Material, vor allem Speiseresten und Trachtbestandteilen sowie großen Mengen an Gefäßkeramik, spiegelt das Fundgut zudem die Bedeutung der Wirtschaftszweige Salzgewinnung und Metallurgie auch in der geistigen Welt der urnenfelderzeitlichen Menschen im Kyffhäusergebiet wider.

Ausblick
Mit den Kulthöhlen im Kyffhäuser erschließt sich uns ein regional und wohl auch überregional bedeutsamer Fundplatz mit einer Fülle an Detailinformationen zu kulturhistorischen und sozialstrukturellen Fragestellungen. Konkrete Schritte im Hinblick auf eine wissenschaftliche Bearbeitung und Veröffentlichung des Gesamtkomplexes plant das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) für die kommenden Jahre.

Literatur
 
BEHM-BLANCKE, G. (1956):Bronze- und hallstattzeitliche Kulthöhlen im Gipsgebirge bei Bad Frankenhausen (Kyffh.). – Ausgrabungen und Funde 1: 276-277
BEHM-BLANCKE, G. (1958):Höhlen – Heiligtümer – Kannibalen. Archäologische Forschungen im Kyffhäuser. – VEB F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig
BEHM-BLANCKE, G. (1976):Zur Funktion bronze- und früheisenzeitlicher Kulthöhlen im Mittelgebirgsraum. – Ausgrabungen und Funde 21: 80-88
FLINDT, S. (1998):Kulthöhlen und Menschenopfer im Harz, Ith und Kyffhäuser. – Mitzkat, Holzminden
FLINDT, S. (2001):Höhlen im Westharz und Kyffhäuser: Geologie, Speläologie, Archäologie. – Mitzkat, Holzminden
MÜHLDORFER, B. (2002):Kulthöhlen: Funde, Deutungen, Fakten. Beiträge des Symposiums vom 7. Dezember 1996. – Nürnberg
WALTER, D. (1985):Thüringer Höhlen und ihre holozänen Bodenaltertümer. – Weimar
WALTER, D. (1995):Die Höhlen am Kosackenberg bei Bad Frankenhausen in Thüringen: Ausgewählte Aspekte ihrer Nutzung im Neolithikum und in der Bronzezeit. – Pravek 5: 147-156

Autoren: Dr. Diethard Walter, walterd@tlda.thueringen.de;
Marvin Mädel M.A., maedelm@tlda.thueringen.de;
Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA),
Humboldtstraße 11, 99423 Weimar


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