Die geologische und hydrologische Situation der Rhumequelle am SüdharzVon AXEL HERRMANN Dem Andenken von Dr. HUGO HAASE gewidmet Die Rhumequelle gehört zu den größten Karstquellen Mitteleuropas und steht in einem engen Zusammenhang mit dem Gipskarstgebiet des Zechsteins am südwestlichen Harzrand. In einem tiefgelegenen Talkessel am Nordrande der Ortslage Rhumspringe treten hier in einem ca. 20 m im Durchmesser messenden Hauptquell und ca. 360 Nebenquellen beachtliche Wassermengen zutage; ca 2 bis 2½ m³ Wasser pro Sekunde können als „normale“ Schüttung angesehen werden; aus langjährigen Beobachtungsreihen des leider so früh verstorbenen Dr. HUGO HAASE ergaben sich 0,9 m³ als die bisher geringste, 5,5 m³ als die bisher größte Quellschüttung in der Sekunde. Die Wasser verlassen den Quellort bereits als ein kleiner Fluß, der wenige hundert Meter abwärts einer Papierfabrik als Wasserkraft diente. Schon früh begann man, sich um die Herkunft dieser gewaltigen Wassermengen Gedanken zu machen. Man bemerkte eine erhebliche Zunahme der Quellschüttung u.a. immer dann, wenn die 6 bis 9 km entfernten Harzflüsse Oder und Sieber Hochwasser führten, wie man andererseits in Zeiten geringeren Wasserablaufs feststellen konnte, daß die beiden Flüsse - die Oder im Pöhlder Becken, die Sieber zwischen Herzberg und Aschenhütte - oft gänzlich im Untergrund versickerten. Es lag mehr als nahe, eine entsprechende unterirdische Verbindung zur Rhumequelle zu vermuten. Die umfangreichen und sorgfältigen Untersuchungen von KARL THÜRNAU (1913) haben diese Vermutung voll bestätigt. Nach Thürnau gelangt das versunkene Wasser nach Durchsickerung der Schotterablagerungen in Spalten- und Kluftzonen der Zechsteingipse und -dolomite, um schließlich, wie durch Färbungsversuche nachgewiesen ist, in der 50-80 m tiefergelegenen Rhumequelle wieder zutage zu treten (s. Abb. 1). Abb.1 Geologische Übersichtskarte des engeren Gebietes zwischen dem Harzrande und der Rhumequelle. Das versunkene Wasser wird im Untergrund aufgespeichert. Die Gesamtheit der Spalten, Klüfte und anderer Hohlräume im Untergrund wirkt wie ein Behälter, aus dem die Speisung der Quelle in Abhängigkeit von den jeweils herrschenden Druckverhältnissen vor sich geht. Bei Hochwasser in der Oder und Sieber gelangen bedeutende Wassermengen in die unterirdischen Hohlräume und bewirken einen relativ großen Anstieg des subterranen Karstwasserspiegels. Dadurch vergrößert sich die Ausflußmenge in der Rhumequelle bedingte Druckhöhe, und die Ergiebigkeit der Quelle nimmt sofort zu, lange bevor das versunkene Wasser wirklich in der Quelle angelangt ist. Mit dem Ablauf der Hochwasserwelle in den Harzrandgewässern verringert sich die Menge des zur Versickerung gelangenden Flußwassers schnell. Die Rhumequelle jedoch zeigt keine sofortige Abnahme ihrer Ergiebigkeit. Ber der räumlichen Ausdehnung und dem vielfach verschlungenen Verlauf der unterirdischen Wasserzüge bedarf es mehrerer Tage, um die aufgespeicherte Wassermenge so weit zu verringern, daß die Druckhöhe geringer und damit der Ausfluß schwächer wird. Während bei solchem Hochwasser in den Harzrandflüssen in der Rhumequelle klares, ungetrübtes Wasser zutagetritt, ist bei starken und länger anhaltenden Regenfällen zu beobachten, daß ungefähr 48 Stunden nach deren einsetzen die im Hauptquell austretenden Wässer durch mitgeführte Schwebstoffpartikelchen getrübt und leicht braun gefärbt sind. Es zeigt sich also, daß auch andere Zuflüsse an der Quellschüttung beteiligt sind; bei der geringen Größe des oberirdischen Einzuggebietes (ungfähr 7,7 km²) der Quelle darf aber auch für den überwiegenden Teil der nicht aus den Versickerungsgebieten der Oder und Sieber stammenden Wässer (nach H. HAASE ca. 20%) eine unterirdische Zufuhr angenommen werden. In diesem Sinne ist wohl auch das Verhalten der sog. „Johannis- Quelle“ am östlichen Ende des Quellbezirkes zu verstehen, deren Schüttung im Winter meist bis zum völligen Versiegen zurückgeht, um erst um die Mittsommerwende, wenn die ergiebigen Frühsommerregenfälle zu einer Anhebung des örtlichen Grundwasserspiegels geführt haben, wieder einzusetzen (s. Abb. 2). Wie die langjährigen Meßreihen HUGO HAASES ergeben haben, stehen mit diesen Beobachtungen auch die hydrochemischen Gegebenheiten und die Temperaturverhältnisse in Einklang. Bei generell wenig schwankender Temperatur sind auftretende geringe Änderungen der Wassertemperatur (zwischen 8° und 10°) wie auch der Menge und Zusammensetzung der gelösten Stoffe eindeutig auf die geschilderte verschiedenartige Herkunft der in der Quelle zutage tretenden Wässer zu beziehen. Während so die hydrologischen Besonderheiten teilweise schon früh erkannt bzw. durch entsprechende Beobachtungen HUGO HAASES in den letzten Jahren bis in Einzelheiten geklärt werden konnten, war die geologisch-tektonische Position der Rhumequelle bis in die jüngste Zeit nur wenig bekannt: an der ringsum von Hügeln aus Unterem Buntsandstein umgebenen Quelle tritt Dolomitgestein zutage, das dem Zechstein zuzuordnen ist. Nach den seinerzeitigen stratigraphisch-faziellen Untersuchungen des Verfassers (A. HERRMANN 1956) besteht kein Zweifel, daß es sich bei dem Dolomitgestein an der Quelle um den höchsten Teil des Staßfurtdolomits (=Hauptdolomit) des Zechstein 2 handelt. Darüber hinaus ist eine eindeutige Lagebeziehung der Quelle zu den paläographischen Gegebenheiten der Zechsteinzeit zu erkennen: sie liegt am nordwestlichen Abhang einer Untiefenzone, wo sich der Anhydrit bzw. Gips des Zechstein 1 seitlich mit Dolomitgestein (=Werradolomit) auf dem Schwellentop verzahnt. Der Hauptquelltopf der Rhumequelle steht in Dolomitgestein des Zechstein 2. Aus dem Hauptanhydrit (Jüngeren Gips) des Zechstein 3 unter dem Pöhlder Becken dürften demnach die größeren Spaltenzonen auch in die tieferen, verkarstungsfähigen Horizonte des Zechsteins hinabreichen; die Sieber versickert ohnehin im Ausstrichbereich des Zechstein 1 und 2. Auch aus dem Hochbereich der zechsteinzeitlichen Untiefenzone nordöstlich bis östlich des Schwellenscheitels erhält die Quelle Zuflüsse aus dem Werradolomit und dem überlagernden Hauptdolomit; die Oberfläche der kaum wasserführenden Grauwacke unter dem Dolomitauflager sinkt im Schwellenscheitel (Raum Bartolflde - Fuhrbach) nicht unter 200 m über NN; die Rhumequelle liegt dagegen auf 160 m über NN. Alles inbegriffen ergibt sich somit für die Rhumequelle ein Einzugsgebiet von mehr als 350 km², wenngleich berücksichtigt werden muß, daß ihr nicht alles aus diesem Gesamtareal abfließende Wasser zusitzt, da z.B. Oder und Sieber vor allem in Zeiten stärkerer Wasserführung merkliche Wassermengen über die Versickerungsgebiete „hinüberretten“, die - oberirdisch abfließend - erst bei Katlenburg in den Rhume-Fluß gelangen. Während so die geologischen Untersuchungen im Zechstein am Harzrand und im Untergrund des Untereichsfelder Beckens weitere Hinweise für die bevorzugte hydrogeologische Position der Rhumequelle ergaben und damit weitergehende Erklärungen für die große Schüttungsmenge und die verschiedenen Zuflüsse ermöglichen, konnte eine Klärung der eigentlichen Quellenposition im engeren geologisch-tektonischen Sinne erst erfolgen, wenn es gelingen würde, den die Quellenumgebung bildenden Unteren Buntsandstein weitergehend zu untergliedern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es dem Verfasser, die generelle Viergliederung des hier ca. 300 m mächtigen Unteren Buntsandsteins, wie sie inzwischen auch aus anderen Gebieten bekannt geworden ist, in der näheren und weiteren Umgebung der Rhumequelle so weit zu verfeinern, daß eine genauere tektonische Analyse der Quellenposition möglich erschien: Abb. 2 Die geologisch-tektonische und hydrologische Situation der Rhumequelle. (Mittlerer Buntsandstein) | | | Obere Rotweiße Wechselfolge (su4) | | 100 - 120 m | Obere Kalksandsteinfolge (su3) | Oberer Teil (su3b) | ca. 20 m | | Unterer Teil (su3a) | ca. 20 m | Untere Rotweiße Wechselfolge (su2) | Hellrote Folge (su2c) | 30 - 40 m | | Dkl.rote Folge (su2b) | ca. 30 m | | Braunrote Folge (su2a) | 50 - 60 m | Untere Kalksandsteinzone (su1b) | | 15 - 20 m | Bröckelschiefer (su1b) | | ca. 25 m | (Zechstein) | | |
Die geologische Neukartierung der Quellenumgebung ergab als wichtigstes tektonisches Element eine große, etwa NW-SO-verlaufende Verwerfung, die den Dolomit des Zechstein 2, aus dem die Quellwässer austreten, gegen den Unteren Buntsandstein (Grenzbereich su2/su3) im Süd(west)en versetzt. Daraus resultiert ein Gesamtverwurf im Quellbereich von ca. 120 m, um den die südlich angrenzende Scholle in die Tiefe gesunken ist (s. Abb. 2). Die nördliche Scholle zeigt einen durch Störungen und Verbiegungen in gleicher Weise stärker gestörten Bau. An den Staßfurtdolomit des Zechstein 2 im Quellenbereich, der durch eine Reihe von Bohrungen der Eisenbahndirektion Erfurt auch noch westlich der Quelle und des Tales nachgewiesen ist, grenzen unter Zwischenschaltung einer mehrere Meter mächtigen Brekzienlage die Schichten der Unteren Kalksandsteinzone (su1b). Allem Anschein nach handelt es sich hier nicht um einen orthotektonisch gestörten Kontakt, also um eine Verwerfung, sondern es ist dieser „Schichtenausfall“ auf die in der unmittelbaren Umgebung der Quelle besonders starken Auslaugungsvorgänge, verbunden mit einer teilweisen Wegführung auch des nicht auslaugungsfähigen Materials aus dem höheren Zechstein und dem tiefsten Unteren Buntsandstein, zurückzuführen. Die unruhigen und wechselhaften Lagerungsverhältnisse der Schichten des Unteren Buntsandsteins nördlich bzw. nordöstlich der Quelle zeigen im Verein mit den zahlreichen, teilweise unmittelbar auf die Quelle zielenden Erdfällen an, daß hier neben der flächenhaften subterranen Salzauslaugung in nicht unerheblichem Maße schon die Gipsauslaugung eingesetzt hat; während die große Störung am Südwestrand der Rhumequelle in ihrem Verlauf noch durch zum Teil recht große Erdfälle markiert wird, finden sich südlich dieser Verwerfung keine Anzeichen mehr für eine Gipsauslaugung. Zusammenfassend läßt sich nach dem derzeitigen Kenntnisstand feststellen, daß die Rhumequelle ihre Lage und Größe besonderen paläographischen wie auch tektonischen und morphologischen Ursachen verdankt. Schrifttum: HAASE, H.: Taucher in der Rhumequelle. - Heimatkalender des Kreises Osterode, Jg. 1967, S. 25-27, 3 Abb., Osterode/H. 1967. HERRMANN, A.: Der Zechstein am südwestlichen Harzrand (seine Stratigraphie, Fazies, Paläogeographie und Tektonik). - Geol. Jb., 72, S. 1-72, 14 Abb., 1 Tab., 4 Taf., Hannover 1956. THÜRNAU, K.: Der Zusammenhang der Rhumequelle mit der Oder und Sieber. - Jb. Gewässerkde., bes. Mitt., 2, Nr. 6, Berlin 1913.
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