Sedimentologische, geochemische, diatomologische und palynologische Untersuchungen an laminierten Sedimenten Forschungsprojekt im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogrammes Ricarda Voigt1, Janina Baier2, Christa Herking3, Eberhard Grüger1, Dieter Meischner (em.) © bei den Autoren 2000 1. Einführung 2. Untersuchungsgebiet 3. Material und Methoden 3.1. GeländearbeitenDie Sedimente des Jues-Sees wurden im April und Juni 1995 mit Hilfe eines Vibrationslotes (MEISCHNER et al. 1981) sowie eines Fallotes (MEISCHNER & RUMOHR 1974) vollständig gekernt. Es wurden zwei Fallot- und fünf Vibrolot-Kerne (Durchmesser zwischen 60 und 150 mm) genommen. Die Sedimentmächtigkeit beträgt in der Seemitte 16 m. Da das Sediment während des Bohrvorganges gestaucht wurde, beträgt die effektive Kernlänge maximal 12 m. 3.2. Dokumentation und Beprobung der KerneVier der sieben Kerne wurden geöffnet, photographisch und radiographisch dokumentiert sowie genau beschrieben (insgesamt 26.1 Kernmeter). Da ca. 70 % der Sedimentsäule laminiert sind, ist eine sehr genaue Korrelation der Kerne untereinander möglich. Für die sedimentologischen, pollenanalytischen und diatomologischen Untersuchungen wurden mit abgeschnittenen Einwegspritzen und mit eigens für diesen Zweck angefertigten Stechern mit quadratischem Querschnitt mehrere hundert Proben aus den Kernen entnommen. Nach einer übersichtsweisen Beprobung über das gesamte Profil wurde im Zeitbereich 9500 bis 1500 y cal. BP für Pollen- und Diatomeenanalysen lückenlos beprobt. Für Makrorestanalysen wurden jeweils 1 cm mächtige Sedimentscheiben entnommen. Für die Anfertigung der neun Großdünnschliffe wurden 10 x 2 cm2 große Sedimentabschnitte mit einer speziell angefertigten Vorrichtung abgehoben und in aus Aluminiumblech gefaltete Schachteln überführt. 3.3. Makrorestanalysen und AltersbestimmungenDer Gehalt an Makroresten im Sediment ist zum Teil, besonders in der oberen Hälfte des Kerns, hoch, zum Teil fehlen Makroreste aber fast vollständig. Um ausreichend Material für die 14C-Analysen zu gewinnen, mußten 114 Proben untersucht werden. 23 Proben wurden schließlich mittels der AMS-Methode im Leibniz-Labor für Altersbestimmungen und Isotopenforschung in Kiel (Prof. Dr. P. Grootes) 14C-datiert. Verwendet wurden terrestrische Pflanzenreste (u. a. Blattreste, Nadeln, Knospenschuppen). Erstmals liegen nun für das südliche Harzvorland Altersbestimmungen vor, die nicht vom Hartwassereffekt beeinflußt sind. Datierungen vergleichbarer Qualität gab es im Gebiet bisher nur aus dem Oberharz, wo verschiedentlich Hochmoortorfe datiert wurden. Alle genannten Alter sind in Kalenderjahren vor 1950, kalibriert nach den Angaben von STUIVER et al. (1998), angegeben. 3.4. PollenanalysenFür die Pollenanalysen wurden insgesamt knapp 300 Proben auf jeweils 1000 Baumpollen (mit Ausnahme einiger äußerst pollenarmer spätglazialer Proben) ausgezählt. Die zeitliche Auflösung liegt im Mittel bei 47 Jahren, in den Zeiten menschlicher Besiedlung im Mittel bei 32 Jahren. 3.5. DiatomeenanalysenFür die Diatomeenanalysen wurden insgesamt 158 Proben ausgezählt. Die mittlere zeitliche Auflösung liegt im Mittel bei 100 Jahren. Im Mittel kamen 73 Arten pro Probe vor. Anhand ökologischer Angaben aus der Literatur (DAM et al. 1994, HOFMANN 1994, LOTTER et al. 1998, WUNSAM & SCHMIDT 1995) wurden die Arten nach Lebensformen sowie Trophie- und pH-Präferenzen zu Gruppen zusammengefaßt. Aus den Trophie- und pH-Präferenzen der einzelnen Arten lassen sich die Trophie (bezüglich der Phosphorkonzentrationen) und pH-Werte eines Gewässers rekonstruieren. Profil JUES 95/7: Diatomeenmudde aus dem Älteren Atlantikum, 7200 - 6900 cal. BP 3.6. Sedimentologie und SedimentchemieSedimentologische und geochemische Untersuchungen (BAIER 1997): Vom Gesamtprofil wurden Wassergehalt, mittlere Korndichte (mittels Pyknometer), der Glühverlust und die Gehalte an Kohlenstoff (Ckarb und Corg) sowie an Schwefel bestimmt. Die Gehalte an Al, Ba, Be, Ca, Co, Cr, Cu, Fe, K, Li, Mg, Ni, P, Pb, Sc, Sr, Ti, V und Zn wurden dagegen nur an den Sedimenten der letzten 6800 Jahre gemessen, da diese Elemente vor allem anthropogen (z. B. Bergbau) angereichert werden. Die physikalische Sedimenteigenschaften wurden an 271 (Wassergehalte, Trockenraumdichte, mittlere Korndichte, Porosität) bzw. 98 Proben (Dichtebestimmung am Pyknometer) bestimmt. Die Messung der Kohlenstoff- und Schwefelgehalte erfolgte an 87 Proben mit einer mittleren zeitlichen Auflösung von 162 Jahren. Die übrigen Elemente wurde an 69 Proben mit einer zeitlichen Auflösung von im Mittel 99 Jahren (0 - 1000 cal. y BP: 24 Jahre, 1000 - 6900 cal. y BP: 185 Jahre) durchgeführt. 3.7. DünnschliffeAnhand von neun Dünnschliffen wurde der Aufbau der Laminae untersucht (BAIER 1997). Danach handelt es sich um eine jahreszeitliche Schichtung mit deutlicher Abbildung der jährlichen Diatomeen- und Chrysophyceensukzession und des jahreszeitlich wechselnden Sedimenteintrags. Es wechseln sich helle, phytoplanktonreiche Lagen, die im Frühjahr und Sommer abgelagert wurden, mit dunklen, phytoplanktonarmen Detrituslagen (Herbst, Winter) ab. 4. Ergebnisse Die Besiedlung am Jues-See läßt sich ab 7600 y cal. BP nachweisen (Neolithikum, Bandkeramik). Im Gegensatz zum benachbarten Eichsfeld (BEUG 1992), wo es während der Linienbandkeramik zu einer relativ dichten Besiedlung kam, blieb der menschliche Einfluß in der Umgebung des Jues-Sees gering. Bis zum Mittelalter lassen sich acht Siedlungsphasen unterscheiden, von denen eine (2500 - 2245 y cal. BP, Eisenzeit) besonders ausgeprägt war und sich eventuell mit einem archäologisch bekannten Siedlungsplatz bei Herzberg (ANDING et al. 1976) korrelieren läßt. Im Anschluß daran ließ der Siedlungseinfluß nach. Während der Römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit war die Umgebung des Jues-Sees nur noch sehr dünn besiedelt (HERKING 1998). Während dieser fast 1000 Jahre (Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit) konnten sich die Wälder rings um den Jues-See vollständig regenerieren. Dagegen kam es im Unteren Eichsfeld (BEUG 1992) erst während der Völkerwanderungszeit zu einem Besiedlungsrückgang. Um 1240 y cal. BP setzte die frühmittelalterliche Besiedlung am Jues-See ein, die in den folgenden Jahrhunderten stetig zunahm. Profil JUES 95/4: Rothirsch-Humerus, ca. 6200 cal. BP Die limnologische Entwicklung des Jues-Sees läßt sich aus den Diatomeenvergesellschaftungen, der daraus berechneten Trophiekurve, den Grünalgen (enthalten in den Pollenpräparaten) und bestimmten sedimentologischen Eigenschaften rekonstruieren. Die entscheidenden auf den See einwirkenden Faktoren waren Klima und Mensch. Der menschliche Einfluß auf den See läßt sich jedoch erst in der Bronzezeit nachweisen. Davor war das Klima die maßgebliche Steuergröße. 5. Literatur BAIER, J. (1997): Die Sedimente des Jues-Sees in Herzberg am Harz.- Dipl.-Arb. Univ. Göttingen: 1-123 BARTENS, H. (1990): Untersuchungen über die Vegetationsgeschichte des Bruchbergs im Oberharz.- Dipl.-Arb. Univ. Göttingen: 1-64 BEUG, H.-J. (1992): Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen über die Besiedlung im Unteren Eichsfeld, Landkreis Göttingen, vom frühen Neolithikum bis zum Mittelalter.- Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 20: 261-339 DAM, H. van, MERTENS, A. & SINKELDAM, J. (1994): A coded checklist and ecological indicator values of freshwater diatoms from the Netherlands.- Netherlands Journal of Aquatic Ecology 28 (1): 117-133 FIRBAS, F. (1949): Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. 1. Band: Allgemeine Waldgeschichte.- Jena: 1-480 FIRBAS, F. (1952): Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. 2. Band: Waldgeschichte der einzelnen Landschaften.- Jena: 1-256 HERKING, C. (1998): Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen zur frühen Siedlungsgeschichte im Umkreis des Jues-Sees (Herzberg am Harz).- Dipl. Arb. Univ. Göttingen: 1-73 HOFMANN, G. (1994): Aufwuchs-Diatomeen in Seen und ihre Eignung als Indikatoren der Trophie.- Bibl. Diat. 30: 1-241 LOTTER, A.F., Birks, H.J.B., Hofmann, W. & Marchetto, A. (1998): Modern diatom, cladocera, chironomid, and chrysophyte cyst assemblages as quantitative indicators for the reconstruction of past environmental conditions in the Alps. II. Nutrients.- J. Paleolimnol. 20 (4): 443-463 MEISCHNER, D., TORUNSKI, H., KUHN, G. (1981): High-energy pneumatic vibration corer for subaqueous sediments.- Senckenbergiana mariti. 13: 179-191 MEISCHNER, D., RUMOHR, J (1974): A light-weight, high-momentum gravity corer for subaqueous sediments.- Senckenbergiana mariti. 6: 105-117 STUIVER, M., REIMER, P.J., BARD, E., BECK, J.W., BURR, G.S., HUGHEN, K.A., KROMER, B., MCCORMAC, G., VAN DER PLICHT, J. & SPURK, M. (1998): INTCAL 98 radiocarbon calibration, 24,000 - 0 cal BP.- Radiocarbon 40, 1041-1083 WUNSAM, S. & SCHMIDT, R. (1995): A diatom-phosphorus transfer function for alpine and pre-alpine lakes.- Mem. Ist. ital. Idrobiol. 53: 85-99 |
RicardaVoigt1, Janina Baier2, Christa Herking1, Eberhard Grüger1, Dieter Meischner2
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