Blick von Nordwesten Eines der eindruckvollsten ur- und frühgeschichtlichen Denkmale des Harzraumes, gleichzeitig eine der bedeutendsten Befestigungsanlagen des südniedersächsischen Berglandes ist die Pipinsburg bei Osterode. Sie liegt nur etwa 4 km von der Kreisstadt entfernt auf einer zwischen den Ortsteilen Katzenstein, Lasfelde und Peterhütte beherrschend in die Talniederung der Söse vorspringenden Bergzunge der „Osteroder Kalkberge“, die das Sösetal gegen Westen wie eine natürliche Mauer begrenzen (Abb. 10). Den Untergrund dieses Höhenzuges bilden mächtige Gipslager, die durch zahlreiche Steinbruchbetriebe abgebaut werden. Jäh und unvermittelt steigen die weißen Gipsfelsen aus dem mit alluvialen Schottern und Harzgesteinen angefüllten Flußtal der Söse bis zu einer Höhe von 80—100 m an und verleihen dem gesamten Sösetal nördlich von Osterode ein charakteristisches Gepräge. Jene Gipsbrüche, deren Ausdehnung noch immer zunimmt, haben in den letzten 30 Jahren das ursprüngliche Bild der Landschaft völlig verändert. Das jetzt unter Landschaftsschutz stehende Gelände der Pipinsburg selbst ist von diesen Steinbrüchen nicht unberührt geblieben; die Ostflanke wurde durch einen jetzt stilliegenden Bruch weit aufgerissen. Innerhalb der zerstörten Landschaft nimmt der Berg heute bereits eine isolierte Stellung ein (Abb. 11).
Der Name „Pipinsburg“ ist nicht geklärt. Versuche, ihn aus einem altgermanischen oder auch keltischen Wortstamm herzuleiten sind nach Auskunft der Sprach- und Ortsnamenforschung sehr zweifelhaft. Am ehesten dürfte der Name noch mit dem im frühen Mittelalter gebräuchlichen Personennamen Pipin in Verbindung gebracht werden können. Eine frühgeschichtliche Burganlage gleichen Namens liegt im nördlichen Niedersachsen bei Sievern, Kr. Wesermünde. Aus der schriftlichen historischen Überlieferung liegen zur Geschichte der Osteroder Pipinsburg nur sehr spärliche Angaben vor. In älterer Literatur wird erwähnt, daß 1134 ein Ritter Werner von Berkefeld, wohnhaft auf der Pipinsburg, Castellan in Windhausen bei Gittelde gewesen sein soll. Diese Nachricht bedarf jedoch noch eingehenderer Prüfung durch die historische Forschung. Eine weitere Überlieferung besagt, daß die Pipinsburg in einer Fehde des Erzbischofs von Mainz und der Landgrafen von Thüringen gegen Herzog Albrecht I. von Grubenhagen im Jahre 1365 zerstört worden ist. Hiernach hat also auf dem Bergplateau einst eine mittelalterliche Burg bestanden, über deren Ursprung und Funktion aus schriftlichen Nachrichten jedoch nichts bekannt ist. Der Aufstieg zur Pipinsburg erfolgt am günstigsten aus dem Tal vom Ortsteil Osterode-Katzenstein. Nach Überqueren der Söse steht man unmittelbar vor dem steil ansteigenden, felsigen Nordhang des Bergvorsprungs. An seiner Westflanke führt durch eine enge, fast schluchtartige Mulde der „Burgweg“ zur Höhe; er durchquert heute den Bereich eines großen Gipssteinbruches, von dem bereits weite Teile der westlich anschließenden Höhe, die eigenartigerweise den Flurnamen „die Burg“ trägt, abgetragen worden sind. Das einstige eindrucksvolle Landschaftsbild mit diesem Taleingang ist dadurch zerstört worden (Abb. 11). Der aufwärtsführende Burgweg durchschneidet ungefähr auf halber Höhe den Ausläufer eines großen Walles, des Mittelwalles der auf dem Bergrücken liegenden Befestigungsanlage. Nach Erreichen der Höhe bietet sich dem Besucher ein umfassender Überblick über den gesamten Westharzrand von Osterode bis Gittelde. Nur wenige Kilometer nördlich der Pipinsburg liegt über dem Ort Badenhausen — wieder auf einem Bergvorsprung der Osteroder Kalkberge — die „Hinnen- oder Hindenburg“, die 1152 erstmals als „Hinthesburg“ genannt wird und 1365 in der gleichen Fehde wie die mittelalterliche Pipinsburg zerstört wurde. Vermutlich hat aber dort vordem ebenfalls eine vorgeschichtliche Befestigung bestanden. Die beherrschende Lage über dem Sösetal läßt bei der Pipinsburg auf einen Platz von besonderer Bedeutung schließen, die dadurch noch zusätzlich unterstrichen wird, daß in nächster Nähe die Kreuzung der beiden wichtigen Altstraßen, der „alten Harzstraße“ und der Harzrandstraße, der „via regia“ oder „Thüringer Straße“ liegt. Unmittelbar nach Osterode durchquert die Süd-Nord-Straße den Ort Lasfelde. Nach den Ergebnissen der Ortsnamenforschung wird angenommen, daß derartige Ortsnamen mit der Endsilbe „-felde“ auf ehemalige Forst- oder Königshöfe des frühen Mittelalters hinweisen, die bis in die fränkische Zeit zurückreichen können. Archäologische Belege hierfür fehlen jedoch vorerst noch. Jener zur Pipinsburg führende „Burgweg“ gehört zu einer großen Anzahl alter Wegesysteme, die jenseits des Sösetales von den Westhängen des Harzes herabführen, im Raume Osterode—Pipinsburg—Gittelde das Sösetal queren und ihre Fortsetzung an den Hängen der Osteroder Kalkberge und des Westerhöfer Waldes finden. Zwar bestanden zwischen ihnen und den großen Harzrandstraßen direkte Verbindungen, dennoch haben sie wohl mehr die Bedeutung räumlich begrenzter Nahverkehrs- oder Wirtschaftswege gehabt.
Von jenem Platz; an dem der Burgweg die Höhe erreicht, kann das gesamte, rund 10,5 ha große Areal der Pipinsburg mit einer Nord-Süd-Länge von 500 m und einer ursprünglichen Ost-West-Breite von etwa 350 m am besten überschaut werden (Abb. 12). Steil, gelegentlich fast senkrecht fallen die meist felsigen Hänge des Berges nach Osten, Norden und Westen ab und bilden so bereits einen natürlichen Schutz. Mächtig, stellenweise bastionartig ragen die ein dreigliedriges Befestigungssystem bildenden, gut erhaltenen Wälle bis zu einer Höhe von durchschnittlich fünf Meter aus dem überwiegend mit Gras bewachsenen Bergrücken heraus. Dem Beschauer wird dadurch das eindrucksvolle Bild einer vor- und frühgeschichtlichen Befestigungsanlage vermittelt, wie es in solcher Übersichtlichkeit selten wieder anzutreffen ist. Der sich in Süd-Nord-Richtung erstreckende Bergvorsprung erfährt ungefähr in der Mitte seiner Westflanke durch eine vom Burgweg steil ansteigende Mulde eine starke Verengung, wodurch auch die Aufgliederung der gesamten Burganlage bedingt ist. Entsprechend dem einzig möglichen Zugang zum Burggelände von Süden her sind alle Wälle nach dieser Seile hin ausgerichtet (Abb 13 b). Gelegentlich bringen die typischen Erscheinungen eines Gipskarstgebietes — die Dolinen — eine gewisse Unruhe in die Oberfläche und erschweren dadurch etwas die Beurteilung des Geländes. An der Ostflanke sind wesentliche Burgteile durch den Gipssteinbruch verloren gegangen. a b Abb. 13 Pipinsburg.Ein fast geradlinig verlaufender Außenwall, an seiner Südseite von einem Feldweg begrenzt, schließt den gesamten Burgkomplex gegen Süden ab. An der Ostseite des Berges, nahe dem Steilhang mit einer auffallenden Breite beginnend überquert er den Bergrücken und endet nach einem schwachen Knick in nordwestlicher Richtung allmählich flacher werdend in einem großen Erdeinbruch. Da dieser Außenwall ohne eine sinnvolle Beziehung zum Gelände beginnt und endet, muß angenommen werden, daß er vielleicht nie ganz vollendet wurde. Seine Außenfront ist durch die Anlage des Feldweges stark eingeebnet, dagegen weist seine Innenfront eine noch gut erhaltene Böschung auf. Unmittelbar hinter dem Wall liegt an einem Wiesenweg, der diesen Außenwall durchschneidet und in das Burginnere führt, ein fast quadratisch ausgearbeiteter, dolinenartiger Erdfall. Ob die häufig geäußerte Meinung, es handele sich um eine Zisterne für die Wasserversorgung der Burg, zu Recht besteht, bedarf noch der Klärung durch eine Ausgrabung.a. Künstlich angelegter Gipsschlitz an der Nordspitze (Schnitt 15). Der große Mittelwall mit stellenweise noch deutlich sichtbarem vorgelagerten Graben zeichnet sich durch einen besonders guten Erhaltungszustand seiner steil ansteigenden Außenfront aus. An der östlichen Bergseite, direkt am Rande des Gipssteinbruches beginnend, überquert er als großer Abschnittswall das gesamte Bergplateau mit einem zunächst nach Süden weitausholenden S-förmigen Bogen und zieht sich dann am Westhang abwärts durch den Burggrund bis auf die halbe Höhe des jenseiligen Hanges, wo anscheinend sein weiterer Verlauf bzw. sein Abschluß durch neuere Bodenkultivierungen eingeebnet worden ist. Ungefähr in der Mitte des Burgbezirkes läßt eine auffallende Vertiefung im sonst gleichmäßigen Wallverlauf auf eine alte Toranlage schließen. An diesen Mittelwall schließt sich am Rande des Gipssteinbruches ein kleines besonderes Befestigungswerk — als Zwischenwerk bezeichnet — von rund 85 m Länge und 50 m Breite an, das mit seiner steilen Außenfront wie eine Bastion aus dem Gelände herausragt. Der kleine Innenraum wird durch dolinenartige Senken so stark zergliedert, daß es schwerfällt, nach den oberirdisch erkennbaren Befunden künstliche und natürliche Anlagen voneinander zu trennen. Im Zentrum dieses Befestigungsabschnitts befindet sich eine blockartige Erhebung von fast quadratischem Grundriß. Nach Befunden von Bohrungen und Grabungen handelt es sich um eine künstliche Anschüttung von über 1 m Höhe, deren Entstehungszeit jedoch nicht sicher ermittelt werden konnte; sie kann nur einem jüngeren Zeitraum angehören. Ein kleiner flacher Verbindungswall setzt an diesem Zwischenwerk an und führt zurück zum Mittelwall. Der große Innenwall umschließt gegen Westen und Süden den rund 220 : 130 m großen inneren Burgbezirk, dessen Nord- und Ostseite durch die fast senkrechten, felsigen Hänge eine natürliche Sicherung besitzen, so daß hier eine zusätzliche Befestigung überflüssig war. Er beginnt an der Nordspitze des Berges an einer ungefähr 6 m breiten Terrasse und läuft mit einer durchschnittlichen Höhe von 2 bis 2,50 m geradlinig in südlicher Richtung unmittelbar auf dem äußersten Rand eines schmalen Geländeabsatzes an der Westflanke des Berges entlang, biegt dann verhältnismäßig scharf nach Südosten um und überquert, dem oberen Rand der in den Burgbezirk einschneidenden Geländemulde folgend, den gesamten Bergrücken bis zur heutigen Steinbruchkante an der Ostseite. In diesem letzten Abschnitt erreicht der Wall seine größten Ausmaße: eine Höhe his zu 5 m und eine Breite an der Wallsohle von 18 m. Der einzige Durchbruch im gesamten Wallverlauf, durch den ein in jüngerer Zeit angelegter Wiesenweg in das Innenplateau führt, ist die Stelle, an der auch das ehemalige Tor zum Kernwerk der Burg gelegen hat. Schließlich wird ein kleines Plateau von nur 50 m Durchmesser direkt auf der nach Osten, Norden und Westen steil abfallenden Nordspitze von dem Innenraum durch einen gut ausgeprägten, hufeisenförmig verlaufenden und an den nördlichen Steilkanten auslaufenden Graben abgetrennt. Es ist der Platz, auf dem die 1365 zerstörte mittelalterliche Pipinsburg vermutet wurde. Abschließend muß bei dieser Geländebeschreibung der Pipinsburg noch auf einen deutlichen Geländeabsatz im nördlichen Teil des Kernwerkes hingewiesen werden. Bei den Ausgrabungen wurden hier, an der Oberfläche nicht erkennbar, Reste einer mächtigen Trockenmauer, festgestellt (Abb. 18 a; 19). Um Aufschlüsse über Zeitstellung und Bedeutung dieses mächtigen Befestigungswerkes am westlichen Harzrand zu gewinnen, sind in den Jahren 1953 bis 1960 und 1973 bis 1974 größere Ausgrabungen durchgeführt worden, die sich auf das Kernwerk mit dem Innenwall, auf das Zwischenwerk und den Mittelwall bezogen. Die bisher untersuchten Teile sind in dem in Abb. 12 beigegebenen Burgplan gekennzeichnet. Die im Kernwerk durchgeführten Flächenabdeckungen lieferten durchweg übereinstimmende Befunde, die für die Fragen nach der Zeitstellung und der Funktion der Pipinsburg aufschlußreich sind. Meist wurden drei übereinanderliegende Kulturschichten mit unterschiedlichem Fundreichtum angetroffen; kennzeichnende Fundstücke ermöglichten die zeitliche Einordnung. Jenes für die Pipinsburg charakteristische unregelmäßige und vielgestaltige Oberflächenrelief mit seinen zahlreichen Dolinen, emporragenden Gipsrippen und den tief in den Berg hinabreichenden „Kaminen“ sowie die Hanglage hatten dazu geführt, daß sich diese Funde führenden und vermutlich einst flächendeckenden Schichten vorwiegend in den von schmalen Kiesrücken begrenzten Senken und dolinenartigen Vertiefungen angesammelt haben. Durch diese natürlichen Vorgänge bedingt ist bisher ein sicherer Nachweis von Gebäuderesten nicht gelungen, obwohl häufig Verfärbungen von ehemaligen Holzpfosten beobachtet werden konnten; sie reichen jedoch für eine Rekonstruktion von Hausgrundrissen nicht aus. Dennoch müssen Baulichkeiten bestanden haben; dafür sprechen das sehr zahlreiche Auftreten von im Feuer geglühten Wandbewurfstücken mit Flechtwerk- und Rutenabdrücken, nicht näher bestimmbare Reste von künstlichen Steinsetzungen, bzw. Pflastern aus ortsfremdem Gestein, Teile von Herd- und Feuerstellen und nicht zuletzt auch Relikte von Eisen- und Bronzeschmelzplätzen. Als älteste Fundstücke treten im untersten Horizont der zu tiefstliegenden Kulturschicht in geringem Umfänge jungsteinzeitliche Funde auf, die aber nicht als Belege für eine schon im Neolithikum erfolgte Besiedelung der Pipinsburg gewertet werden können. Sie zeigen lediglich, daß bereits in diesem Zeitabschnitt der Berg von Menschen gelegentlich aufgesucht worden ist. Anders verhält es sich mit spätbronzezeitlichem Fundgut. Für diese Zeit kann bereits von einer Siedlung auf der Pipinsburg gesprochen werden, die jedoch im Vergleich zu den nachfolgenden Zeitabschnitten noch verhältnismäßig spärlich ausgeprägt ist. Dabei hat es sich um eine offene, unbefestigte Siedlung auf der Höhe des Berges gehandelt, deren Gesamrausdehnung beim augenblicklichen Stand der Untersuchungen noch nicht genauer umrissen werden kann. Jenes spätbronzezeitliche Fundmaterial gestattet es bereits, gewisse kulturelle Beziehungen aufzuzeigen. Zusammen mit anderen gleichzeitigen Funden aus dem westlichen Harzraum, z. B. aus der Umgebung von Hattorf, werden Verbindungen zu den stark lausitzisch geprägten Gruppen dieses Zeitabschnittes in Mitteldeutschland — der Saale-Mündungsgruppe nördlich und östlich des Harzes sowie der Unstrutgruppe zwischen Harz—Thüringer Wald und Saale deutlich. Die überwiegende Zahl der Funde aus jener ältesten Siedlungsschicht gehört jedoch einem frühen Abschnitt der vorchristlichen Eisenzeit an, der etwa der Späthallstatt-Frühlatènezeit entspricht. Es ist die Zeit, in der auch der Ausbau zu einer befestigten Anlage beginnt. Die zweite Kulturschicht kann, nach Aussage des Fundmaterials, einem mittleren Abschnitt der vorchristlichen Eisenzeit zugewiesen werden; er entspricht etwa der Mittellatènezeit. Es ist die Kulturschicht, die durch Fundmaterial am stärksten ausgeprägt ist und die auch die vorgeschichtliche Hauptbesiedelungsperiode der Pipinsburg kennzeichnet. Schließlich wird in der obersten Kulturschicht eine mittelalterliche Besiedelung der Pipinsburg erkennbar, wobei anhand der Funde deutlich zwei Perioden zu unterscheiden sind: das 8./9—11 Jahrhundert und das 12—14 Jahrhundert.
Das Fundmaterial aus diesen drei Hauptbesiedelungsperioden der Pipinsburg, der späthallstatt-frühlatènezeitlichen, der mittellatènezeitlichen und der mittelalterlichen ist sehr umfangreich und vielgestaltig, sowohl an Keramik wie auch an Schmuck- und Gebrauchsgegenständen aus Bronze und Eisen (Abb. 14—17). Der Formenvorrat der früheisenzeitlichen Keramik wird überwiegend durch Gefäße mit einem weich verlaufenden S-förmigen Profil gekennzeichnet. Nur selten sind an ihnen Verzierungen durch horizontale Strichmuster, Winkelbänder oder Bänder mit hängenden oder stehenden, mit Schrägstrichen gefüllten Dreiecken angebracht. Der Hauptbestandteil an Metallfunden der späthallstattzeitlichen Besiedelungsperiode, wird von bronzenen Schmuckgegenständen gebildet: Nadeln, an deren meist kropfartig gestaltetem Schaft senkrechte kleine oder auch große, hohlspiegelartige Scheiben angebracht sind, außerdem in größerer Anzahl kleine Nadeln mit einem kleeblattförmig gewundenen Kopfstück. Besonders charakteristische Armreifen weisen an der Außenseite ein Dekor aus wechselnden schmalen und breiten Querwülsten auf. Dieses Fundgut aus der früheisenzeitlichen Kulturschicht läßt bereits deutlich bestimmbare Beziehungen zu größeren benachbarten Kulturgebieten zu. Der überwiegende Teil, vor allem aber die Bronzefunde, lassen sich mit dem Formenvorrat der ältereisenzeitlichen Kultur Thüringens in Einklang bringen, dagegen weisen die Zierelemente an den Gefäßen auf Einflüsse aus gleichzeitigen westlichen Mittelgebirgskulturen, besonders der des hessischen Berglandes hin. Auffällig ist, daß Verbindungen zu den früheisenzeitlichen Kulturen des norddeutschen Flachlandes nördlich der Mittelgebirgsschwelle nicht bestehen. Gegenüber diesem Fundgut aus der früheisenzeitlichen Schicht ist das der mittleren, mittellatènezeitlichen Schicht wesentlich vielgestaltiger Die keramischen Leitformen dieser
Die Zusammensetzung des gesamten Kulturinventars aus dieser zweiten mittellatènezeillichen Schicht läßt in kulturgeschichtlicher Hinsicht ebenfalls deutliche Verbindungen erkennen. Eng ist während dieser Zeit die Pipinsburg an das Elbe-Saale-Gebiet anzuschließen, d. h. an das sogenannte mitteldeutsche Kontaktgebiet, dessen Ausdehnung ungefähr durch den Verlauf der mitteldeutschen Gebirgsschwelle gekennzeichnet wird. Es ist das Gebiet, das sich während dieser Zeitstufe, d. h. der Mittellatènezeit, unter dem Einfluß der Latènekultur des Orlagaues in Südthüringen und Böhmens herausgebildet hat. Diese Verbindung bleibt während der ganzen Zeitspanne bestehen. Daneben macht sich aber auch, allmählich immer stärker werdend, ein direkter Einfluß aus dem Bereich der keltischen Oppidazivilisation Süddeutschlands bemerkbar. Als „oppida“ werden die großen befestigten stadtähnlichen Siedlungen der Kelten, wie z B das oppidum Manching bei Ingolstadt, bezeichnet. Cäsar hat diese Anlagen in seiner Berichterstattung über den gallischen Krieg ausführlich beschrieben. Derartige oppida finden sich noch im thüringischen Gebiet, so beispielsweise die „Steinsburg“ auf dem Kl. Gleichberg bei Römhild südlich, und die „Alte Burg“ bei Arnstadt nördlich des Thüringer Waldes. Neben diesen sehr stark ausgeprägten Verbindungen macht sich allmählich auch ein gewisser Einfluß aus dem elbgermanischen Gebiet bemerkbar. Mit diesem, hier nur kurz skizzierten Fundinventar aus den beiden vorgeschichtlichen Siedlungsschichten ist sein Umfang jedoch noch nicht erschöpft. Steinerne Gußformen, Gußzapfen, Eisen- und Bronzeschlacke sowie Rohbronzestücke geben sichere Hinweise auf das Bestehen eines ortsansässigen metallverarbeitenden Handwerks; dafür sprechen auch jene bisher ausschließlich von der Pipinsburg bekannt gewordenen Keulenkopfnadeln. Die Keramik wurde ohnehin bodenständig hergestellt. Funde aus organischem Material vermitteln besondere Hinweise. Beachtliche Mengen von verkohlten Pflanzenresten aus der mittellatènezeitlichen Kulturschicht veranlaßten naturwissenschaftliche paläo-botanische Untersuchungen, durch die neben Wildpflanzen- und Unkrautarten mehrere Kulturpflanzen bestimmt werden konnten: Weizen, Emmer, Gerste, Rispenhirse, Erbse, Ackerbohne und Lein. Mehrfach lagen verkohlte Körnerreste in großen Mengen kompaktartig zusammen, offenbar Überreste von Vorräten. Diese botanischen Funde geben nicht nur Hinweise auf eine bäuerliche Wirtschaftsweise der Bewohner der Pipinsburg, gleichzeitig ermöglichen sie wichtige Erkenntnisse über den Stand der landwirtschaftlichen Entwicklung im südniedersächsischen Bergland. Ergänzt werden diese Ergebnisse durch die großen Mengen von Tierknochen, die sich an mehreren Stellen zu Knochenlagern verdichteten. Unter ihnen sind folgende Haustierarten vertreten: Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Pferd. Von den letzteren sind vor allen Dingen die Skelette einer kleinen Pferderasse von nur 1,3 m Widerristhöhe bemerkenswert. Nicht selten fanden sich in diesen Knochenlagern auch menschliche Skelettreste, wobei es sich jedoch niemals um eigentliche Bestattungen handelte; sie lagen vereinzelt oder mit dem übrigen Fundgut vermischt in den mit Kulturschicht angefüllten, muldenförmig verlaufenden Vertiefungen.
Schließlich enthielt die oberste Kulturschicht des inneren Burgbezirks mittelalterliches Fundmaterial, vornehmlich Rand- und Wandbruchstücke von kugelförmigen Töpfen. Die älteren Keramikfunde können dem 8./9. Jahrhundert zugeordnet werden; sorgfältiger gearbeitete Gefäße gehören dem 10./11. Jahrhundert an. Außerdem treten Gefäßfragmente aus der Zeit des 12.—14. Jahrhunderts auf. Damit sind zunächst wesentliche neue Ergebnisse für die Wiederbesiedlung der Pipinsburg im Mittelalter gewonnen worden. Während durch die schriftliche Überlieferung nur die Zeit ihrer Zerstörung im Jahre 1365 bekannt ist, wird durch das archäologische Fundgut bezeugt, daß bereits im 8./9. Jahrhundert mit einem Beginn der mittelalterlichen Besiedelung gerechnet werden muß. Durch die Flächenabdeckung im Kernwerk der Burg konnten noch weitere Ergebnisse zur Topographie der Burg gewonnen werden. Der Innenraum wird in seinem nördlichen Teil durch eine Geländeschwelle in ein oberes und ein unteres Plateau gegliedert. Eine gleichmäßig 2,50 m starke, ungemörtelte Trockenmauer (Abb. 18 a; 19) umfaßt den oberen Raum bogen-förmig und riegelt ihn gegen Norden ab. Dadurch wird jenes obere Plateau als stark gesicherte Zentralanlage gekennzeichnet. Die Außenfronten der Mauer sind sorgfältig aus großen Dolomitplatten gesetzt; der Mauerkern wurde mit kleineren, unbearbeiteten Dolomitsteinen aufgefüllt. Spuren von Holzeinbauten waren nicht vorhanden. Es ist schwer, diese mächtige Trockenmauer in das erarbeitete Chronologieschema der Pipinsburg einzuordnen. Mit großer Wahrscheinlichkeit könnte sie der mittellatènezeitlichen Besiedelungsphase zugewiesen werden; aber auch die frühmittelalterliche Zeit muß in Erwägung gezogen werden.
Das bisher gewonnene Siedlungsbild von der Pipinsburg wird durch die Untersuchungen der Befestigungsanlagen wesentlich ergänzt. Der auch heute noch gut ausgeprägte Graben, der hufeisenförmig das kleine im Durchmesser 50 m große Plateau auf der Nordspitze umfaßt, ist tief in den anstehenden Gipsfelsen eingearbeitet; die Grabenwände sind völlig glatt gestaltet und gehen gleichmäßig gebogen in die ebenso ausgearbeitete Grabensohle über. An der Südseite des Plateaus verläuft am inneren Grabenrand eine rund 1,80 m starke Mauer. Sie ist aus großen, bearbeiteten Dolomitplatten gesetzt und mit Gips gemörtelt. Ohne Zweifel bildet diese Nordspitze das Kernwerk der mittelalterlichen Pipinsburg. Da in der Füllung des Grabens zwei deutlich voneinander getrennte Versturzschichten lagen, muß auf einen zweimaligen Verfall der mittelalterlichen Burgmauer geschlossen werden, obwohl die historische Überlieferung nur die Zerstörung von1365 nennt. Aber bereits die Flächenuntersuchungen im Kernwerk zeigten ja, daß in der obersten mittelalterlichen Kulturschicht zwei Siedlungsphasen, eine ältere des 8./9.—11. Jahrhunderts und eine jüngere des 12.—14. Jahrhunderts unterschieden werden können. Der das Innenplateau umgebende mächtige Innenwall läßt sich bereits aufgrund seiner äußeren Erscheinungsform in zwei Abschnitte gliedern, den hohen, mehrere Baustadien enthaltenden Südabschnitt und den niedrigeren Wall an der Westflanke des Berges, der während einer der jüngeren Besiedelungsphasen errichtet wurde. Das älteste Baustadium im Südabschnitt wird durch eine terrassenartige Anschüttung aus Gips und Lehm gebildet, deren Außenfront von Holzpfosten abgestützt wird (Bauphase A). Diese erste Befestigungsanlage ist während der früheisenzeitlichen Besiedelungsphase der Pipinsburg entstanden. Zu Beginn der Mittellatènezeit, d. h. der zweiten Besiedlungsphase im Innenplateau, wurde auf dieser ältesten Befestigungsanlage ein Lehmwall (Bauphase B) errichtet, dessen Außenfront mit einer Holzpalisade gestützt wurde. Wie die stark ausgeprägten Holzkohlenlager (Abb. 18 b), Reste von verkohltem Holz und flammenrot gefärbte Partien dieser Lehmaufschüttung erkennen ließen, ist dieser Befestigungsabschnitt durch Brand vernichtet, aber nach seiner Zerstörung nochmals durch einen von Holzpfosten abgestützten Lehmaufbau (Bauphase C) überhöht worden. Die Unterscheidung dieser verschiedenen Bauphasen läßt sich durch zwischenliegende dünne Kulturschichten mit datierendem Fundmaterial gut durchführen. Dadurch läßt sich auch die nächstfolgende Bauphase (D), eine Erdaufschüttung mit einer nicht näher charakterisierbaren Holzkonstruktion als frühesten mittelalterlichen Befestigungsausbau des 8./9. Jahrhunderts bestimmen. Schließlich kann das letzte Baustadium (Bauphase E) dem hohen Mittelalter zugeordnet werden. Dieser letzte Bauabschnitt ist eine bis zu 2,50 m mächtige steinige Lehmaufschüttung, deren oberen Abschluß ein dem Wallverlauf folgendes Trockenmauerwerk bildet, das auf diesem mächtigen Wall eine Art Brustwehr bildete. Zusammenfassend ergeben sich aus den Grabungsbefunden folgende Bauperioden (Abb. 20): Abb. 20 Pipinsburg. Schematische Darstellung der Baustadien im Innenwall (Schnitt 9). Bauphase A = Späthallstatt-Frühlatènezeit Gegenüber diesem fünfperiodigem Aufbau ist im Westabschnitt des Innenwalles nur ein einziges Baustadium erkennbar, das der jüngsten Überhöhung (E) im Südabschnitt entspricht. Die unter dem Wall liegende, stark ausgeprägte Kulturschicht enthielt sowohl vorgeschichtliche wie auch frühmittelalterliche Keramik. Während der letzten Besiedelungsperiode auf der Pipinsburg ist also erstmals auch ihre, durch einen Steilhang an und für sich schon schwer zugängliche Westflanke mit einem Wall geschützt worden. Jener westliche Abschnitt des Innenwalls endet gegen Norden unterhalb der Nordspitze in einen terrassenförmigen Geländeabsatz. Geologische Gutachten haben bestätigt, daß diese ca. 5—6 m breite Terrasse künstlich geschaffen bzw. überarbeitet worden ist. An ihrem oberen Rand verläuft bogenförmig ein durchschnittlich 0,15 bis 0,20 m breiter und etwa 0,70 m tiefer, sorgfältig ausgearbeiteter Gipsschlitz (Abb. 13 a), auf dessen Sohle in regelmäßigen Abständen die Verfärbungen ehemaliger Holzpfosten feststellbar waren. Unterhalb der Terrasse geht der Steilhang in eine spitzgrabähnliche Gipsspalte über, in der quadratische Vertiefungen nur als künstlich geschaffene Pfostenlöcher angesprochen werden können. Die Datierung dieser Befunde ist schwierig. Der Spitzgraben unterhalb der Terrasse könnte auf Grund von hier gefundenem keramischen Material noch zu einer der jüngeren vorgeschichtlichen Besiedelungsperioden gehören; dagegen muß auf Grund bodenkundlicher Unterscheidungen angenommen werden, daß die obere Palisadensicherung erst im Mittelalter angelegt worden ist. Dort, wo der in Ostwest-Richtung verlaufende Südabschnitt des Innenwalles ein einziges Mal durch einen Wiesenweg unterbrochen wird, lagen auch die zum Kernwerk führenden Tore. Insgesamt konnten hier drei Baustadien unterschieden werden. Durch den Bau der jüngsten Toranlage sind die beiden vorhergehenden weitgehend zerstört worden, so daß ihre Form nicht sicher rekonstruierbar ist (Abb. 21; 22 b). Das älteste Tor bestand aus einer Holzkonstruktion. Die bei den Ausgrabungen angetroffenen stark ausgeprägten Brandschichten und Pfostenspuren gleichen denen von der verbrannten Palisadenwand des zweiten Wallbaustadiums (B) im Innenwall. Aufgrund der übereinstimmenden Grabungsbefunde sind also Wall und das dazugehörende Tor im gleichen Zeitraum zerstört worden. Vom zweiten Baustadium des Tores ist an der östlichen Torseite nur der Rest eines verfallenen Trockenmauerwerkes mit einem leicht einbiegenden Verlauf erhalten geblieben. Diese beiden älteren Toranlagen werden von dem jüngeren, zangenförmig gestalteten Tor überlagert. Mit gleichmäßigen Rundungen biegen die beiden Torwangen, in die je drei Pfostenschlitze eingelassen sind, nach innen ein und bilden eine 10,50 m lange und 3,40 m breite Torgasse. Nach allen Grabungsbefunden ist dieses jüngste Tor mit dem letzten Baustadium (E) des Innenwalls gleichzusetzen. Es gehört folglich dem jüngeren Abschnitt der mittelalterlichen Besiedelungsphase der Pipinsburg an.
Die Untersuchung des Mittelwalles lieferte weitere Ergebnisse, die die bisherigen im Kernwerk und am Innenwall gewonnenen ergänzten bzw. bestätigten. Von vier festgestellten Baustadien gehören die drei ersten aufgrund von keramischen Funden den vorgeschichtlichen Besiedelungsperioden der Pipinsburg an, während die jüngste Baustufe aus dem jüngeren mittelalterlichen Siedlungsabschnitt stammt. Auch hier besteht der erste Wall mit davor liegendem flachen Graben aus einer Anschüttung von Lehm und steinigem Dolomitboden, die durch eine Holzversteifung abgestützt war. Das auf diesem Wall errichtete zweite Baustadium wird von einer etwa 70 cm starken Trockenmauer aus unbehauenen Dolomitsteinen gebildet, in deren Außenfront in regelmäßigen Abständen Pfostenschlitze für breite Holzständer — Stützen des Mauerwerks — eingelassen waren (Abb. 22 a). Ein an der inneren Mauerseite anschließendes Rahmenwerk aus doppelten durch Längsbalken verstrebten Pfostenreihen diente zur Befestigung der rückwärtigen Erdanschüttung. Vor der Mauer schloß sich nach einem 80 cm breiten Absatz — einer Berme — eine steil abfallende Böschung an, die in einen flachen, fast drei Meter breiten Graben übergeht. Starke Brandspuren in diesem Bauabschnitt — z. T. waren Kalksteine durch große Hitzeeinwirkungen geradezu verschlackt und der Lehm stark flammendrot verfärbt — zeigen, daß die Holzeinbauten dieser Stein-Holz-Erde-Konstruktion durch Brand zerstört worden sind. Eine im Wallprofil erkennbare weitere Bauphase kann als eine provisorische Wiederherstellung der dadurch entstandenen Schäden gedeutet werden. Den letzten und jüngsten Ausbau des Mittelwalls bildet wieder eine Holz-Erde-Konstruktion: ein Rahmenwerk aus doppelten durch Längsbalken verbundenen Pfostenreihen, das mit Lehm, steinigem Dolomitboden sowie großen Dolomitsteinen angefüllt war. Es liegt nahe, diese vier verschiedenen Baustadien mit den Baustufen A, B, C und E des Innenwalles gleichzusetzen. Die durch Brand zerstörte Pfostenschlitzmauer würde dann dem ebenfalls durch Brand zerstörten mittellatènezeitlichen Lehm-Palisadenwall des Innenwalles entsprechen.
Mit den zwischen 1953 und 1974 durchgeführten Ausgrabungen auf der Pipinsburg sind wichtige Ergebnisse gewonnen worden. Sie beantworten Fragen nach Topographie, Besiedlungsablauf und kulturgeschichtlichen Beziehungen dieser mächtigen Befestigungsanlage. Durch die Untersuchungen des organischen Fundmaterials, besonders der pflanzlichen Relikte zeichnen sich neue wirtschaftsgeschichtliche Erkenntnisse ab. Auch das Problem der Funktion, bzw. Bedeutung, wie es sich bei jeder Befestigung immer wieder aufs Neue ergibt, kann nunmehr bereits deutlicher umrissen werden. Der Burgplan (Abb. 12) zeigt aber auch, welche Aufgaben zukünftigen Ausgrabungen auf der Pipinsburg noch gestellt sind. Es gilt, die noch nicht untersuchten Teile, die Mittel- und Außenbezirke, zu erkunden. Erst dann werden umfassende Ergebnisse vorgelegt werden können, zumal sich durch jede Ausgrabung auch wieder neue Fragen ergeben. Fassen wir die bisher gewonnenen Ergebnisse nochmals zusammen: Erstmals wird der Berg während der jüngeren Bronzezeit besiedelt, aber erst während der Späthallstatt-Frühlatènezeit entsteht eine befestigte Siedlung. Während der Mittellatènezeit mehren sich die Nachweise einer intensiven Besiedlung; Innen- und Mittelwall werden stärker ausgebaut. Die Bewohner sind landwirtschaftlich tätig. Daneben entwickelt sich ein bodenständiges Handwerk, wobei neben Töpferei besonders Bronze- und Eisenguß nachweisbar sind. Gleichzeitig werden ausgedehnte Handelsbeziehungen deutlich. Dieser Besiedelungsabschnitt muß während der beginnenden Spätlatènezeit mit einer Katastrophe, d. h. einer Zerstörung durch Brand, geendet haben. Das lassen nicht nur die starken Brandreste in beiden Wällen sondern auch die allenthalben feststellbaren Zerstörungsspuren im Kernwerk erkennen, zu denen auch die mächtigen Tierknochenlager und die häufigen menschlichen Skelettreste gehören. Gewiß zeigen einzelne Funde, daß auch in den nachfolgenden Zeiten die Burg gelegentlich aufgesucht worden ist, doch fehlen Nachweise einer Neubesiedlung des Platzes. Eine solche wird erst während des 8./9. Jahrhunderts wieder deutlich, die ihren Abschluß dann mit der im 14. Jahrhundert erfolgten Zerstörung der mittelalterlichen Burganlage findet. Hatte man bisher angenommen, daß sich diese als verhältnismäßig kleine Befestigung nur auf die Nordspitze des Berges beschränkte, so haben die Ausgrabungen gezeigt, daß außer dieser, die zweifellos das Kernwerk der mittelalterlichen Burg darstellte, auch die weiten, von Innen- und Mittelwall geschützten Flächen zu ihr gehören. Damit kann also für das Mittelalter eine große und stark befestigte Burg am Westharzrand nachgewiesen werden. Leider sagt die schriftliche Überlieferung über deren Entstehung und Schicksal, abgesehen von ihrer Zerstörung im Jahr 1365, nichts aus. Es wäre zu wünschen, daß die historische Forschung hier zu weiterführenden Ergebnissen kommt. Sicherlich ist eine besondere Bedeutung dieser mittelalterlichen Burg in ihrer unmittelbaren Nähe zu dem Kreuzungspunkt wichtiger Straßenzüge zu sehen. Ob auch eine Verbindung dieser Burg mit dem im Orte Lasfelde vermuteten fränkischen Forst- oder Königshof bestanden hat, wird erst durch weitere spezielle Forschungen geklärt werden können. Im bisherigen Forschungsstand über das südwestliche Harzvorland nahm die Pipinsburg eine isolierte Stellung ein. Erst einer intensiveren Geländearbeit ist es zu verdanken, daß sich das früheisenzeitliche Siedlungsbild in den letzten Jahren allmählich wandelte. Kleinere Fundkomplexe von Siedlungsplätzen bei der Jettenhöhle im Hainholz, bei Herzberg, sowie der Steinkirche und der Einhornhöhle bei Scharzfeld, die mit dem Fundmaterial von der Pipinsburg vergleichbar sind, lassen erkennen, daß das Gebiet während der frühen Eisenzeit besiedelt gewesen ist. Berücksichtigt man neben der beherrschenden Lage der Pipinsburg und ihres starken Befestigungsausbaues die Tatsache, daß unter dem Fundmaterial der Pipinsburg Formen auftreten, von denen einige auf weitreichende Handelsbeziehungen hinweisen, andere als lokale Eigenschöpfungen bezeichnet werden müssen, so kann man in dieser Burg nur einen kulturellen und wirtschaftlichen Mittelpunkt des Harzvorlandes sehen. Diese Sonderstellung wird auch durch die verschiedenen Kulturbeziehungen deutlich, die sich in ihrem Fundgut widerspiegeln. Der Harzraum ist Teil jener, durch die mitteldeutsche Gebirgsschwelle gekennzeichneten Kontaktzone zwischen den großen Kulturbereichen Süd-, Mittel- und Norddeutschlands. Dabei werden die Beziehungen zu den beiden ersteren während der ganzen vorgeschichtlichen Besiedlungsdauer der Pipinsburg viel stärker deutlich als zum norddeutschen Gebiet, die erst verhältnismäßig zögernd gegen deren Ende in Erscheinung treten. Auch die Siedlungsform — eine befestigte Höhensiedlung — läßt sich am ehesten mit ähnlichen Anlagen Mittel- und Süddeutschlands vergleichen. Der Haupteinfluß dürfte dabei von Mitteldeutschland, speziell dem südlichen Thüringen, ausgegangen sein. Er ist jedenfalls viel stärker als bisher geahnt werden konnte und bezieht sich nicht nur auf die Pipinsburg; das gesamte südniedersächsische Bergland, zumindest aber das südwestliche Harzvorland wird dadurch erfaßt. Schwieriger ist die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit der Bewohner der Pipinsburg zu beantworten. Mit aller gebotenen Vorsicht wird man annehmen können, daß dieses Gebiet einbezogen war in die Auseinandersetzungen zwischen keltischer und germanischer Zivilisation während der Mittel- und beginnenden Spätlatènezeit, wobei die Pipinsburg stärker dem Einflußbereich der Kelten zugewiesen werden kann. Damit ist die Pipinsburg eines der wichtigsten Denkmäler im nördlicheren Deutschland, die von den in dem letzten vorchristlichen Jahrhundert sich anbahnenden Auseinandersetzungen zwischen jenen beiden Kräftegruppen Zeugnis ablegen. Für alle die Bedeutung dieser Kontaktzone berührenden Forschungsprobleme, für die Siedlungsgeschichte des Harzraumes und nicht zuletzt speziell für die Burgenforschung nimmt dieses mächtige und eindrucksvolle Befestigungswerk am Westharz eine gewichtige Stellung ein. CLAUS, Martin (1978): Archäologie im südwestlichen Harzvorland.- Wegweiser zur Vor- und Frühgeschichte Niedersachsens, H.10:42-70, 194 S., 74 Abb., Hildesheim |