Fritz Reinboth Dieser Beitrag hat keinen Bezug zu einem Museum oder Museumsprojekt, wie es die Thematik des Symposiums eigentlich erwarten lässt. Er ist eine Verlegenheitslösung anstelle eines eigentlich vorgesehenen Vortrags über das Kunsthaus Meyenburg in Nordhausen. Trotzdem ist der Inhalt nicht ohne Beziehung zu Museen und Galerien, in denen immer wieder einmal Bilder aus Walkenried auftauchen. Ich möchte deshalb das Augenmerk auf die Tatsache lenken, dass Walkenried einmal als Malerdorf oder wie es der bekannte Landschaftsmaler Carl Friedrich Lessing ausdrückte, als „Malerparadies“ jahrzehntelang das Ziel einer ganzen Reihe deutscher Maler des 19. Jahrhunderts gewesen ist. Die etwas reißerisch formulierte Überschrift ist also keineswegs ganz unbegründet. Allerdings wurden diese Künstler - anders als in Worswede, Ahrenshoop oder Dachau - in Walkenried nicht seßhaft, sondern waren regelmäßige Hotelgäste im Goldenen Löwen. Die Entdeckung des Harzes durch den Tourismus zeitigte seit dem frühen 19. Jahrhundert zahllose Ansichten oder Veduten als Andenken oder Illustration der damals aufkommenden Reiseliteratur. Immer wieder waren die Klosterruinen Gegenstand solcher Ansichten. Kein Geringerer als der junge Schinkel zeichnete 1801 wahrscheinlich im Auftrag seines Lehrers Samuel Rösel das Klostertor. Später ragen die Stahlstiche nach Ludwig Rohbock aus der Masse mittelmäßiger Produktionen. Dazu kamen Motive aus der Umgebung, z.B. die Kelle bei Ellrich, welche der Bückeburger Konsistorialrat Horstig 1801 bei einer Harzreise gezeichnet hat. Bekannter ist der Stahlstich des Sachsensteins nach Ludwig Richters Zeichnung. Diese Vedutenzeichnerei war keine Kunst als Selbstzweck- es war Brotarbeit, auch für den damals noch unbekannten Ludwig Richter, als er 1836 den Harz durchwanderte. Dann aber kamen seit dem frühen 19. Jahrhundert die Architekturmaler und tummelten sich in den romantischen Trümmern des Klosters Walkenried, wie Wilhelm Ahlborn, Heinrich Brandes, Carl Hasenpflug oder Wilhelm Steuerwald. Viele Bilder entstanden nach den im Kloster gezeichneten Skizzen im Atelier, wie es exemplarisch die Ruinenbilder von Hasenpflug und Wilhelm Steuerwald zeigen. Nach der Jahrhundertmitte blieben die Architekturmaler aus. Möglicherweise war das eine Folge der denkmalpflegerischen Maßnahmen, die 1837 unter Karl Frühling einsetzten und aus dem malerischen Getrümmer ein gepflegtes, aber auch etwas steriles Bauwerk machten. Was die Künstler reizte, war offenbar weniger die Architektur als die Melancholie der Ruinen, möglichst im Winter. Seinen Höhepunkt hatte diese Stimmungsmalerei in Caspar David Friedrich, der allerdings nicht in Walkenried war. Nach den Architekturmalern entdeckten nun die Landschaftsmaler die Reize der Walkenrieder Umgebung. Der erste aus dieser Künstler war Karl Friedrich Lessing (1808-1880), damals Direktor der Kunstakademie in Karlsruhe. Er prägte die Bezeichnung „Malerparadies Walkenried“ - wobei er nicht mehr an die Klosterruinen dachte - und brachte seine Schüler nach Walkenried. Dann aber bricht der professionelle Kunstbetrieb in Walkenried in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ab. Das hat sicher mehrere Gründe. Die Kunstrichtung naturalistischer Landschaftsmalerei kam aus der Mode. Walkenried entwickelte sich seit dem Bau der Bahn immer mehr zum Industrieort, wobei sich die vor 1900 noch intakte Landschaft durch das Wachstum des Ortes, durch große Steinbrüche, aber auch durch das Abholzen von alten Alleen und Baumveteranen veränderte. So blieb das „Malerparadies Walkenried“ eine heute weithin in Vergessenheit geratene Episode. Was damals an Gemälden entstand, ist heute auf Museen und Galerien der Welt verteilt oder befindet sich in Privatbesitz. Nur hin und wieder taucht ein verschollen geglaubtes Bild wieder auf, wie neuerdings Brachts Gemälde der Walkenrieder Gipsfabrik.
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