Ein umwelt- und sozialgerechtes Verkehrskonzept für ein Biosphärenreservat - Südharz Vortrag von Wolfgang Hypko 1. Vorbemerkung Ein länderübergreifendes Biosphärenreservat "Karstlandschaft Südharz", das den Naturraum dauerhaft als Lebens- und Arbeitsraum zum Wohle der jetzt lebenden und zukünftigen Generationen sichern will, ihn aber auch nutzen kann und darf, braucht ein nachhaltiges Verkehrskonzept. Dieses Konzept muss gegen die Bündelungsstrategien antreten, deren Resultat die absolute Steigerung des Autoverkehrs auf Umgehungsstraßen ist, die, wenn sie aus den Engpässen und Umwegen der Orte gelöst sind, immer breiter, schneller, attraktiver und schadensträchtiger werden. Der vorhandene bzw. induzierte motorisierte Individualverkehr(mIv) sowie Schwerlastverkehr dürfen also nicht auf andere Trassen (meist neuen Menschen zur Last) verlagert werden, sondern sie müssen auf die umwelt- und sozialverträglichen Verkehrsarten des Umweltverbundes (Bahn und Bus/ÖPNV, Zufußgehen, Fahrrad,), umsteigen. Ein weiterer wichtiger Aspekt eines nachhaltigen Verkehrskonzeptes ist es, mittel- und langfristig die Notwendigkeit und das Bedürfnis, sich mit dem Auto fortzubewegen, zu verringern. Dazu ist mittel- und langfristig eine Umorientierung hin zu einer intelligenten Raumplanung (kompakte Städte mit hoher Bevölkerungsdichte zur Innenstadt; dezentralisierte Regionen; "Stadtdörfer" statt monotone Stadtviertel; Arbeitsplätze an Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs) erforderlich. 2. Das Dilemma mit der 243n Der Naturraum "Südharz" wird durch die vorhandenen Verkehrswege (B 243/27, Landes- und Kreisstraßen sowie die Bahnlinien) schon heute sehr stark zergliedert (siehe Kartenausschnitt). Seit April 1999 ist das Raumordnungsverfahren mit integrierter Prüfung der Umweltverträglichkeit für eine neue Trasse B 243n abgeschlossen. Diese Trasse, die von vielen vom mIv geplagten Anwohnern herbeigesehnt wird, würde die Zergliederung und die Schadstoffbelastung der ökologisch besonders empfindlichen und einmaligen Gipskarstlandschaft massivst fortführen, wie in der Umweltverträglichkeitsstudie zum Raumordnungsverfahren zu B 243n sowie der Studie von Martin Volmer "Schnellstraßenplanung im Südharz - Interessenkonflikte, Argumente und Abwägungsanforderungen am Beispiel der B243n" deutlich aufgezeigt wird. Nach Aussage des Regierungspräsidenten in Braunschweig ist aber heute schon sicher, dass der erste Spatenstich für die B 243n noch sehr lange (mind. 10 Jahre) auf sich warten lassen wird. Bis dahin müssten die physischen und psychischen Belastungen für die Einwohner in Barbis, Osterhagen und Herzberg unvermindert bestehen bleiben. Aber auch wirtschaftliche und globale Argumente sprechen gegen den weiteren Straßenneubau. Zum einen gehören die Bundesstraßen zu den Transitstrecken, die die Aufgabe haben, möglichst schnell den Raum zu überwinden und so äußerst gering zur regionalen wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Zum anderen trägt der Autoverkehr in hohem Maße dazu bei, dass der CO2-Ausstoß immer neue Spitzenwerte erreicht sowie die endliche Ressource Öl geplündert wird. Unser straßengebundenes Verkehrssystem hat global gesehen keinen Vorbildcharakter und muss durch eine neue, ganzheitliche, umfassende Mobilitätsdefinition ersetzt werden. 3. Die Alternativen Daraus wird deutlich, dass der Zeitpunkt sehr günstig, aber auch dringend genutzt werden muss, das vorhandene Verkehrssystem effizient, umwelt- und sozialverträglich auszubauen. Dabei müssen die Mobilitätsbedürfnisse der in diesem Lebensraum lebenden und arbeitenden Bevölkerungsgruppen genauso berücksichtigt werden, wie der Schutz des sensiblen und einmaligen Naturraumes "Südharz". Ein weiterer Gesichtspunkt ist ein Tourismuskonzept, das die Bedingungen für einen sanften Harztourismus auch und gerade im Zusammenhang mit den beiden Nationalparks im Harz erfüllt. Ein umwelt- und sozialgerechtes Verkehrskonzept, das kurz- bis mittelfristig umzusetzen ist, besteht aus folgenden Komponenten: die Bahnstrecken 357 (Northeim - Herzberg - Nordhausen) und 358 (Bad Lauterberg - Herzberg - Osterode - Seesen) als Grundgerüst für die großräumigeren Verkehrsverbindungen. Hierzu bietet das von Burkhard Breme (Initiative "Höchste Eisenbahn für den Südharz") entwickelte Y-Konzept einen guten Ansatz, dessen Kern drei Linienführungen beinhaltet: a. Saalfeld (Saale) - Erfurt - Nordhausen - Herzberg - Northeim - Altenbeken Die Züge (RE/RB) müssen im verdichteten 2-Stunden-Takt mit Knotenpunkten in Nordhausen und Herzberg sowie ICE-Anschlüssen in Braunschweig und Göttingen verkehren. Nach einer Sanierung der beiden Strecken, die ja in Ansätzen schon läuft, könnten sie schon bald ein quantitativ und qualitativ deutlich höheres Fahrtenangebot ermöglichen sowie auch den Güterverkehr aufnehmen. Verlegungen von Haltepunkten bzw. zusätzliche Haltepunkte (z.B. in Osterode-Stadt, Osterode-Leege, Osterhagen), können das Einzugsgebiet der BahnbenutzerInnen noch einmal erweitern. ein optimal mit den Zughaltepunkten verknüpftes und vertaktetes, flächendeckendes ÖPNV-Konzept für die lokalen Verkehrsbeziehungen zu den Orten, innerhalb der Orte sowie zwischen den Orten abseits der Bahnlinien (Buslinien mit Fahrrad-/Skitransport in den Harz von allen Schienenhaltepunkten, Stadtbuslinien in Osterode, Herzberg, Bad Lauterberg, Bad Sachsa, Anbindung des Krankenhauses Herzberg, Auto-Teilen/Car-Sharing, Anrufsammeltaxi, Bedarfs- und Bürgerbus) Verbesserung des Leistungsangebotes der Öffentlichen Verkehrsmittel (Verbesserung der Fahrgastinformationen, des Komforts und des Erscheinungsbildes, spezielle Fahrtangebote, zusätzliche Serviceleistungen, kundenorientiertes Personal, Kombitickets, spezielle Netzkarten, Fahrgeldvergütung, einladendes Erscheinungsbild der Bahnhöfe und Haltestellen) Das Fahrrad ist ein wichtiger Bestandteil im Umweltverbund. Seine Benutzung im innerstädtischen Verkehr sowie als Verkehrsmittel im sanften Tourismus kann durch geeigneten Ausbau der Infrastruktur (flächendeckendes, gut ausgeschildertes Radwegenetz; wetter- und diebstahlsichere Abstellanlagen) gesteigert werden. Der nicht zu vermeidende Transit-Schwerlastverkehr muss vollständig auf die Schiene verlagert werden. Hierzu müssen dezentrale Umschlageinrichtungen für den kombinierten Ladungsverkehr geschaffen werden. Industriegebiete erhalten einen Gleisanschluss. Dieses Alternativkonzept würde nur wenig mehr kosten, als die geplante Neutrassierung der B 243n und sogar neue zusätzliche Arbeitsplätze (siehe Studie vom Öko-Institut e.V. und VCD "Neue Arbeitsplätze durch umweltverträglichen Verkehr) schaffen. |