Kommunale Naturhaushaltswirtschaft - Projektvorstellung Vortrag von Dipl.-Ing. agr. Barbara Vay Stellen Sie sich vor, ein Landkreis in der Südharzregion hat neben seinem jährlichen Finanzhaushaltsplan einen Naturhaushaltsplan, in dem der haushälterische und sparsame Umgang mit den natürlichen Ressourcen genauso selbstverständlich ist, wie bei der künstlichen Ressource Geld. Die Unternehmen der Gipsindustrie haben sich mit den Politikern auf ein mittelfristiges Reduktionsziel für den Rohstoffabbau geeinigt, das für alle Seiten akzeptabel ist. Jahr für Jahr werden Verbrauchsraten in Form von Abbaukontingenten ausgehandelt, die nicht überschritten werden dürfen, um das Ziel zu erreichen. Im Gegenzug unterstützen Politik und Verwaltung die Unternehmen durch eine gezielte Wirtschaftsförderung bei der Entwicklung und Etablierung von alternativen Produktlinien und der weitestgehenden Arbeitsplatzerhaltung durch die Erhöhung der regionalen Wertschöpfung. Am Ende eines Jahres wird überprüft und offengelegt, ob das Verbrauchsbudget eingehalten oder überschritten wurde. Zukunftsmusik? Ja und nein! Das Demonstrationsvorhaben Grundgedanke der Kommunalen Naturhaushaltswirtschaft ist es, in bewußter Analogie zum Finanzhaushaltsplan den Umweltverbrauch in Kommunen oder Kreisen in Naturhaushaltsplänen transparent zu machen und mit Hilfe von Umweltqualitätszielen und ökoBudgets® zu steuern. Dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, daß die Prinzipien der Haushaltswirtschaft für Finanzfragen ebenso wie für ein Ressourcenmanagement ein gleichermaßen wirkungsvolles Instrument bilden. Prinzipien der Haushaltswirtschaft
Mit Hilfe der Indikatoren werden drei Sachverhalte abgebildet: erstens der absolute Umweltverbrauch in Form eines Gesamtbudgets und Einzelbudgets, zweitens der Bestand an Naturkapital in Form einer Vermögensübersicht und drittens die Effizienz, mit der der Umweltverbrauch zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse wie Arbeiten, Wohnen, Mobilität beiträgt, in einer Umwelt-Leistungs-Rechnung (z.B. Neuversiegelte Fläche pro neugeschaffenem Arbeitsplatz). Der Naturhaushaltszyklus (s. Abb.) beginnt mit der Planaufstellung. Nachdem das Umweltamt einen Vorbericht über die ökologische Situation aufgestellt hat, sind die verschiedenen Dienststellen gefragt, in Voranschlägen den zu erwartenden Umweltverbrauch für das kommende Jahr abzuschätzen. Da prognostiziert dann das Bauamt Flächenversiegelungen aufgrund eines neuen Bebauungsplanes oder das Abfallwirtschaftsamt erwartet eine Verringerung des Restmüllaufkommens aufgrund der neu eingeführten Biotonne. Außer den Dienststellen sollen auch Interessengruppen (Wirtschaft, Umweltverbände, Agenda-Gremien etc.) eingebunden werden. Nach der Beratung in verschiedenen Ausschüssen wird der Naturhaushaltsplan vom Gemeinderat bzw. Kreistag beschlossen. Hier sind außer Vergleichswerten von Vorjahren und dem für das kommende Jahr geplante Verbrauchswert für jeden Indikator zwei weitere Werte verzeichnet: Ein mittelfristiges Ziel gibt an, welches Niveau des Umweltverbrauchs die Kommune bzw. der Kreis in einigen Jahren anstrebt. Der „Wegstrecke-Wert“, auch Zielerreichungsindex genannt, zeigt in Form einer Prozentzahl, wie weit man noch von dem Ziel entfernt ist. So können auch Nicht-Umweltexperten aus dem Plan ablesen, in welchen Bereichen bereits heute annähernd nachhaltig gewirtschaftet wird und wo noch größerer Handlungsbedarf diesbezüglich besteht. Buchführung und Naturhaushaltsrechnung Am Ende des Jahres wird der tatsächliche Umweltverbrauch in einer Naturhaushaltsrechnung zusammengefaßt und dem Gemeinderat bzw. Kreistag sowie der Öffentlichkeit zur Diskussion vorgelegt. Hier können umweltpolitische Erfolge präsentiert und die Ursachen für Mißerfolge benannt werden. So können Schlüsse für Prioritäten und den Handlungsbedarf im kommenden Jahr gezogen werden. Modernes Umweltmanagement mit Hilfe der Naturhaushaltswirtschaft
In Ermangelung bestehender Beschlüsse und Konzepte (z.B. CO2-Minderungsplan, integrierter Verkehrsentwicklungsplan, Rohstoffabbau-Rahmenkonzeption) für den Landkreis, aus denen man die darin gefaßten quantitativen Reduktions- oder Verbesserungsziele hätte übernehmen können, mußte bis auf eine Ausnahme (Abfall) auf Umweltqualitätsziele von bundesweit anerkannten Sachverständigengremien (Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Weltgesundheitsorgani-sation u.a.) zurückgegriffen werden. Die Planwerte für das Naturhaushaltsjahr im Rahmen des Modellprojektes wurden demzufolge nicht auf der Grundlage von Voranschlägen ermittelt, sondern linear von den mittelfristigen Zielen abgeleitet. Nach mehrfacher Beratung im Umweltausschuß wurde der Naturhaushaltsplan im Zuge der Entscheidung für die Fortführung des Projektes im Juni 1998 vom Kreistag beschlossen. Damit hat sich der Landkreis Nordhausen anspruchsvolle Ziele gesetzt und geht gleichzeitig einen anderen Weg als die übrigen Pilotkommunen. Eines steht durch die hoch angesetzten Maßstäbe nämlich fest: Am Ende dieses ersten Naturhaushaltsjahres wird es bei vielen Indikatoren Budgetüberschreitungen geben. Dadurch wird aber sehr schnell deutlich werden, wo die ökologische Verschuldung bzw. der Abstand zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise besonders gravierend ist und deshalb dringender Handlungsbedarf besteht. Das örtliche Projektteam erhofft sich dadurch bei den politischen Entscheidungsträgern einen Auftakt in Sachen umweltpolitischer Zieldiskussion. Es wird aber letztlich der politischen Willensbildung obliegen, ob diese anspruchsvollen Zielwerte im Naturhaushaltsplan der kommenden Jahre beibehalten werden sollen, oder ob man sich auf niedrigere, aber erreichbarere Maßstäbe einigt. Ein weiterer Unterschied liegt in der Komplexität eines Landkreises gegenüber der reinen Betrachtungsweise einer Stadt, also einer zuständigen Kommunalverwaltung. Bei der Ausführung des Naturhaushaltsplans des Landkreises Nordhausen müssen 9 Kommunalverwaltungen mit insgesamt mehr als 60 Ortschaften berücksichtigt werden, darunter die Stadt Nordhausen mit fast 50.000 Einwohnern. Oberstes Gebot ist jedoch die Wahrung der kommunalen Planungshoheit. Deshalb kann nur auf die freiwillige Kooperationsbereitschaft der kreisangehörigen Kommunen gebaut werden. Die Chance für die Kommunen liegt darin, vom Kreis eine Dienstleistung angeboten zu bekommen, die sie in vielen Fällen aufgrund mangelnder zeitlicher und fachlicher Ressourcen nicht selbst leisten können. Der Naturhaushaltsplan wird künftig nach den kreiszugehörigen Kommunen in Form von Einzelplänen untergliedert sein. Damit wird den Kommunen eine wichtige Entscheidungshilfe bei gemeindlichen Planungen an die Hand gegeben. Im Gegenzug dafür müssen die Kommunalverwal-tungen relevante Daten und Informationen liefern. Und was ist mit der Rohstoffindustrie? Das anfangs skizzierte Wunschszenario unterscheidet sich von der Wirklichkeit insofern, als es bisher nicht gelungen ist, die Rohstoffindustrie zu quantitativen Zugeständnissen zu bewegen. Hier muß in einem nächsten Aufgabenschwerpunkt eine neue Qualität des Dialogs gefunden werden. Möglicherweise liegt der Anfang in einem professionell geleiteten Prozeß des Konfliktmanagements, einer sogenannten Mediation. Mit dem Instrument der Kommunalen Naturhaushaltswirtschaft wird unbestritten und trotz aller bestehenden Hemmnisse ein wichtiger Grundstein in Richtung nachhaltiger bzw. zukunftsbeständiger Wirtschaftsweise gelegt, berücksichtigt es doch die spezifische Umweltproblematik in der Südharzregion und operiert mit der Strategie der kleinen, aber quantitativ meßbaren Schritte. |