2. Südharz-Symposium 11.-13. September 1998 in Walkenried

 
Die Gipskarstlandschaften der kanadischen Maritimes -
mit vergleichenden Anmerkungen zur Genese und Morphologie des Südharzkarstes

Vortrag von Dipl.-Geol. Firouz VLADI
 

Gips ist im weltweiten Maßstab - auch oberflächlich anstehend - kein seltenes Gestein. Karstlandschaften im nackten und bedeckten Ausstrich von Gipssteinen entwickeln sich jedoch vorwiegend in humiden Regionen der Erde. Hier tritt das Inventar an Formen und Funktionen auf, daß die Gipskarstlandschaft Südharz so vorzüglich kennzeichnet. Diese ist auch forschungsgeschichtlich die Quellregion, auf die und auf deren Begriffe (Laugdecke, Facette, Schlotte) die Karstforschung im Gips anderer Länder nun zurückgreift.

Die ostkanadischen Provinzen Neubraunschweig, Neufundland, Prinz Edward Insel und insbesondere Neuschottland weisen erhebliche und auch in der Fläche verbreitete Gips- und Anhydritvorkommen auf. Es handelt sich um Evaporite des späten Unterkarbons, die sich erdgeschichtlich unter tropisch-ariden Bedingungen der Äquatornähe in epikontinentalen Flachmeeren entwickelten. Erst die jüngere Kontinentalverschiebung führte zur Lage in einer geographischen Breite Süd- und Mitteleuropas.

Die örtlich mit mehreren hundert Metern entwickelten sulfatischen Serien sind überwiegend mit einer geschlossenen Decke von Grundmoränen der jüngsten Vereisung (Wisconsin) verhüllt. Diese meist bindigen Ablagerungen mit saurem Bodenmilieu unterbinden den hydraulischen Kontakt der Oberflächengewässer auf dem größeren Teil der Gipsflächen und eine sulfattypische Vegetationsentwicklung. Hier fehlen jegliche Karsterscheinungen. Dort wo die Moräne sandig-permeabel entwickelt oder sekundär, etwa an Steilufern der Flüsse, Küsten oder Binnenseen, abgetragen ist, kommt es zur flächigen Entwicklung typischer Gipskarstlandschaften mit Höhlen, Erdfällen, Dolinen, Karrenfeldern, Buckeln, Steilwänden, Quellen und Schwinden. Nur hier tritt eine an den sulfatischen Boden eingestellte Vegetation, etwa mit Gelbem Frauenschuh, auf.

Karstgrundwasser wird für die Trinkwasserversorgung nicht genutzt. Die nur dünne Besiedlung und entsprechend schwächer entwickelte Infrastruktur hat bisher nicht zu nennenswerten Baugrundproblemen im Karst geführt.

So ist es mehr als erfreulich, daß der Tagebau auf Gips, der quantitativ der deutschen Produktion entspricht und über solide Vorräte für das kommende Jahrhundert verfügt und sich dabei auf wenige Großtagebaue konzentriert, zu erkennbaren Konflikten mit dem Schutz von Karstlandschaften - von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen - nicht führt und führen wird. Eine erst jüngst östlich von Halifax eröffnete Abbaustätte mit einem Volumen von ca. 400 Mio. Tonnen (nach Veröffentlichungen des dortigen Departement of Natural Resources), zeigt aufgrund der flächigen Moränenbedeckung überhaupt keine Verkarstung. Es dominieren hier wie auf fast allen anderen Gipsgebieten Mischwälder der 2. oder 3. Sukzessionsgeneration nach jeweiligen Großkahlschlägen. Erfahrungen in der landschaftsgerechten Renaturierung von Tagebauen liegen hier ebenfalls nicht vor. Beachtlich ist die gelungene Implementation eines Golfplatzes und Erholungsgeländes in einem verwilderten Gipsgroßtagebau bei Hillsborough, Neubraunschweig.
 
Zahlreich sind auf solchen Flächen,
wo der Gips vor Jahrzehnten bis auf die Anhydritsohle abgebaut ist, die sich rasch entwickelnden Quellungshöhlen im Meterformat.

Die natur- und umweltwissenschaftliche Erforschung und Dokumentation der ostkanadischen Gipskarstlandschaften steht noch in der Anfangsphase. Ein interdisziplinärer Ansatz fehlt bislang. Groß ist der Wunsch, über diesbezügliche Methodenansätze in einen Erfahrungsaustausch mit Wissenschaftlern aus dem Südharz zu treten. Eine entsprechende internationale Tagung zu Gipskarstlandschaften in Neuschottland im Oktober 99 in Hailfax wird z.Zt. vorbereitet.

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