4. Südharz-Symposium 26.-27. Mai 2000 in Neustadt / Südharz

 
Entflechtung und Bündelung? Umweltbildung, Landschaftstourismus und Naturschutz im Widerstreit
 
Vortrag von Nina Malies
Man sieht nur, was man weiß!
Man liebt nur, was man kennt!
Lieb ist mir meine heimatliche Umwelt!
weil ich sie liebe, will ich sie
kennen und schützen lernen!

G. Tanner, in: NNA-Berichte, 3/98

1 Einleitung

Mein Beitrag zum Thema dieses 4. Südharz-Symposiums "Umweltbildung und Naturschutz" beschäftigt sich mit der Frage einer Entflechtung oder Bündelung von Umweltbildung, Landschaftstourismus und Naturschutz. Dies möchte ich an einem konkreten Beispiel zur Diskussion stellen. Das NSG "Steingrabental-Mackenröder Wald" war Gegenstand meiner Diplomarbeit. Darin wurden diejenigen Bereiche des UG ermittelt, in denen Konflikte zwischen einer ruhigen Erholungsnutzung und den zentral zu berücksichtigenden Naturschutzbelangen bestehen. Zunächst wurden dazu die Naturschutzwürdigkeit des Gebietes sowie seine Erholungseignung mittels eines analytischen Bewertungsverfahrens vergleichend gegenübergestellt. Aus dem sich daraus ergebenden Konfliktpotential der jeweiligen Teilbereiche konnte so auf die Eignung dieses Landschaftsabschnittes als Naherholungsgebiet unter vorrangiger Berücksichtigung der Naturschutzbelange geschlossen werden. Konfliktträchtige Bereiche sollten ihrer intensitätsmäßigen Ausprägung entsprechend von der Erholungsnutzung ausgeschlossen oder zumindest durch sinnvoll eingesetzte Maßnahmen einer Besucherlenkung möglichst wenig negativ berührt werden. Im nun folgenden Vortrag nehme ich Bezug auf dieses Gebiet.

These: ich behaupte, im NSG "Steingrabental-Mackenröder Wald" KÖNNEN Umweltbildung, Landschaftstourismus und Naturschutz" vereint werden.

Die Frage ist, ob und wenn, inwieweit es möglich ist, Natur und Menschen "unter einen Hut" zu bringen. Mit Sicherheit kann dies nur mit Einschränkungen auf beiden Seiten verbunden sein, um auf diese Weise eine nachhaltige Schädigung der natürlichen Dynamik und des Naturhaushaltes zu verhindern. Insgesamt gilt es nach vertretbaren Kompromissen zwischen Naturschutzfragen und Erholungs- bzw. Umweltbildungsaspekten zu suchen.
 

2 Gebietsvorstellung

Topographische Lage des NSG "Steingrabental-Mackenröder Wald"

Das NSG liegt im südöstlichen Niedersachsen im Landkreis Osterode zwischen Bad Lauterberg, Ortsteil Osterhagen, und Bad Sachsa, Ortsteil Steina und grenzt im Süden unmittelbar an die thüringische Grenze. Das Gebiet "Steingrabental-Mackenröder Wald" ist seit 01.08.1999 als NSG ausgewiesen und weist eine Größe von ca. 590 ha auf (BOMMERSHEIM, 1996). Naturräumlich wird es dem Weser- und Leinebergland zugeordnet, wobei der westliche und nordöstliche Teil als südwestliches Harzvorland und der südöstliche Bereich als südliches Harzvorland bezeichnet werden (LANDKREIS OSTERODE AM HARZ, 1998).
 

3 Naturschutz im NSG "Steingrabental-Mackenröder Wald"

Um einen umfangreichen Schutz der Biotope und langfristig die Erhaltung dieser einmaligen Karstlandschaft zu gewährleisten, hat die Bezirksregierung Braunschweig die Ausweisung des genannten Gebietes als Naturschutzgebiet vorgenommen. Dadurch soll die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der Karsterscheinungen, insbesondere der Erdfälle, Bachschwinden, Karstquellen und Trockentäler sowie der vom wasserdurchlässigen Untergrund geprägten Fließgewässer und der "kleinräumig stark bewegten Geländegestalt" (BEZIRKSREGIERUnG BRAUNSCHWEIG, 1999, S.1) gewährleistet werden (§ 24, Abs. 1 NNatG). Darüber hinaus ist das Gebiet aufgrund seiner bundesweiten Bedeutung für den Geotop- und Naturschutz für die Aufnahme in das europäische Schutzsystem "Natura 2000" im Rahmen der "Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie" der Europäischen Union vorgesehen. Als Teil eines die gesamte Gipskarstlandschaft Südharz umfassenden Schutzsystems wurde des weiteren die Ausweisung eines Biosphärenreservates "Gipskarstlandschaft Südharz" bei der UNESCO in Planung genommen (NIEDERSÄCHSISCHES UMWELTMINISTERIUM, 1999). Dabei bezeichnet KNOLLE, 1990 (in: ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR KARSTKUNDE IN NIEDERSACHSEN e.V., S. 4) den Südharz als "eine landschaftliche oder naturräumliche Einheit von geogen bedingter Eigenart, engräumiger Vielfalt naturnaher Strukturen und hervorragender landschaftlicher Schönheit."

Auf das Gebiet "Steingrabental-Mackenröder Wald" bezogen ist es Ziel des Naturschutzes, das Gebiet mit seinen charakteristischen Ausprägungen und morphologischen Strukturen als Lebensraum der zum Teil seltenen und in ihrer Existenz bedrohten Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensgemeinschaften langfristig zu erhalten und zu sichern. Diese Lebensgemeinschaften sind mitunter eng an die hier vorherrschenden Bedingungen gebunden bzw. finden in dieser Landschaft zum Teil letzte Refugien. Ein weiteres Ziel ist die Rückführung naturferner Vegetationsausprägungen, insbesondere der Fichten- und Lärchenforste, in naturnahe Buchenwaldgesellschaften, die hier noch recht großflächig als potentiell natürliche Vegetationsformationen des Weser- und Leineberglandes vorkommen. Hierzu zählt ebenso die Sicherung und Entwicklung der Lebensgemeinschaften in Erdfällen, Wäldern und Talauen. Auch der Rückbau und die anschließende Renaturierung der künstlich angelegten Fischteiche im Mackenröder Wald sind sind erklärtes Ziel der NSG-Ausweisung.

Diese Ziele können nur durch ein nachhaltiges Wirtschaften und Agieren des Menschen erreicht werden. Da die Menschheit die Natur seit langem für sich beansprucht und nach ihren Bedürfnissen zu einer "Kulturlandschaft" umwandelt, kann Naturschutz gegenwärtig und in Zukunft nur mit dem Menschen realisiert werden. Eine Ausgliederung des Menschen aus den für Naturschutzbelange wertvollen Bereichen ist nicht (mehr) möglich. So bezeichnet KÖHLER, 1997 (S. 23) "die emotionale Beziehung zwischen Menschen und der sie umgebenden Natur und Landschaft als die Triebfeder des Naturschutzes und gleichzeitig seine nachvollziehbarste Begründung".
 

4 Touristische Situation im NSG

Obwohl das NSG laut Landschaftsrahmenplan für eine vordergründig durch Wandern, ggf. auch Fahrrad fahren bestimmte (ruhige, naturnahe) Erholungsnutzung geeignet ist, erklärt es sich von selbst, dass der Naturschutz in einem NSG bzw. auch in Gebieten mit vergleichbarem Schutzstatus Vorrang vor den Belangen des Tourismus hat (LANDKREIS OSTERODE AM HARZ, 1999). Dies muss aber nicht automatisch nur negativ für den Erholungssuchenden sein; es bedeutet allerdings Kompromisse einzugehen. In unserer heutigen Gesellschaft ist ein Leben ohne Kompromisse kaum mehr möglich. Warum sollte dies nicht auch in der Natur möglich sein, ohne dass sich der Mensch in seiner Bewegungsfreiheit in der Landschaft eingeschränkt fühlt?

Für die ansässige Bevölkerung und den Landschaftstouristen hat die NSG-Verordnung ein absolutes Wegegebot (§ 4, Satz 2; in Anlehnung an das Niedersächsische Naturschutzgesetz (§ 24, Abs. 2, Satz 2)) und Leinepflicht für Hunde das ganze Jahr über zur Folge. Das Gebiet ist von Störungen frei zu haften und die vorhandenen Erschließungen und Infrastruktur müssen an den Schutzzielen gemäß der NSG-Verordnung ausgerichtet werden (NIEDERSÄCHSISCHES UMWELTMINISTERIUM, 1998).

Bedingt durch seine Randlage an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, ist das Untersuchungsgebiet bislang wenig touristisch erschlossen und frequentiert. Das Wegenetz ist in einigen Abschnitten mit unter mangelhaft ausgebaut. Im Zuge der Ausweisung dieses Areals als Naturschutzgebiet Anfang August 1999 sowie in Anbetracht der beabsichtigten verstärkten Publikmachung, insbesondere des das Gebiet querenden Karstwanderweges im Internet, wird der genannte Landstrich als Naherholungsgebiet an Bedeutung zu gewinnen. Dies verdeutlicht um so mehr die Notwendigkeit einer Überprüfung der Erholungseignung des Gebietes. Ursprünglich war in der NSG-Verordnung eine vernünftige, mit den Naturschutzbelangen vereinbare Besucherlenkung vorgesehen. In diesem Sinne sollte eine enge Kooperation bezüglich der Erholungsnutzung mit Thüringen vollzogen werden, da das NSG "Sülzensee-Nüxeier Wald" unmittelbar an die südöstliche Gebietsgrenze anschließt. Die Zusammenarbeit im Hinblick auf eine gemeinsame Wegekonzeption ist allerdings gescheitert, so daß dieses Ziel zunächst aus der Verordnung ausgeschlossen wurde (mündliche Mitteilung, SCHRADER, 1999). Diesbezügliche Anstrengungen müssen in Zukunft noch unternommen werden, um die gegenwärtige, insbesondere aber die zukünftige Erholungsnutzung zu optimieren.

Ansonsten besteht in diesem Raum das Bedürfnis zu einer Verknüpfung der Radtouristikrouten zwischen den Landkreisen Osterode am Harz und Nordhausen sowie zur Einrichtung eines Ferienreitweges in der Route Northeim - Nordhausen. Durch solche umweltorientierten, nachhaltigen touristischen Angebote sollten auch der ländliche Raum des ehemaligen Grenzgebietes gestärkt und für landwirtschaftliche Betriebe ein Zuerwerb eröffnet werden (mündliche Mitteilung VLADI, 2000).

Das Verständnis der Bevölkerung für die Notwendigkeit eines erhöhten Schutzes dieser repräsentativen Landschaft (im Sinne eines NSG), wie in Kapitel 3 erläutert wurde, kann nur dann gewonnen werden, wenn die dafür ausgewählten Gebiete auch zugänglich bleiben. Auch wird der Erholungssuchende besonders empfindliche Bereiche, die einer (absoluten) Schonung bedürfen, und somit unzugänglich sein sollten, viel eher akzeptieren. Um nicht die Mißgunst der Bevölkerung im Zuge der Ausweisung des NSG auf sich zu ziehen, darf diese unter keinen Umständen vom Naturschutz ausgeschlossen werden.
 

5 Umweltbildung im NSG

Die einzigartige Gipskarstlandschaft des Südharzes wird durch zwei parallel zueinander verlaufende Karstwanderwege (KWW) durchzogen. Der nördliche Weg erstreckt sich von Lasfelde am nordwestlichen Harzrand bis Walkenried (62 km ), der südliche von Förste bis Nüxei (44 km). Der landschaftsbezogene, interdisziplinär thematische Lehrpfad weist ca. 90 Erläuterungstafeln an wichtigen Standorten, auf denen Informationen zu den Bereichen der Geologie und Karstmorphologie, der Landschaft, des Umwelt- und Naturschutzes, der Flora und Fauna sowie zur Kulturgeschichte der Region vermittelt werden, auf. Leitgedanke dieses Fernwanderweges ist es, bei der ortsansässigen Bevölkerung wie auch dem "touristischen" Erholungssuchenden ein gewisses Umweltbewußtsein für diese erlebnis- und abwechslungsreiche Landschaft und empfindliche Karstdynamik zu erreichen, aber auch eine gesteigerte Wertschätzung der heimatlichen Landschaft zu wecken (VLADI, 1998).

Der bereits angesprochene mangelhafte Zustand des KWW zumindest innerhalb des NSG "Steingrabental-Mackenröder Wald" resultiert aus der unbefriedigenden kommunalpolitischen Kooperation bzgl. seiner Pflege und Instandhaltung zwischen den Landkreisen Osterode (Niedersachsen) und Nordhausen (Thüringen). Hinzu kommt die Tatsache, dass der KWW letztendlich auf dem Papier und in der Örtlichkeit geplant wurde, aber seine Verwirklichung samt Stichwegen nicht konsequent abgeschlossen wurde, daher wird er seiner Funktion als Lehrpfad nur zum Teil gerecht. So sind einzelne beschilderte Standorte vom Weg aus nicht sicht- bzw. begehbar. Die somit noch bestehenden Mängel in der praktischen Umsetzung des Karstwanderweges und seine dadurch nur bedingt mögliche Nutzbarkeit sollten so schnell wie möglich behoben werden. Nur dann kann der Weg seiner Aufgabe als Lehrpfad gerecht werden. Denn gerade in einem schützenswerten Gebiet mit empfindsamen Bereichen ist ein optimaler Ausbau des vorhandenen Wegenetzes Voraussetzung für die Einhaltung des Wegegebotes durch den Touristen. Die derzeit unbefriedigende Situation soll am Beispiel des Standortes "Steingraben-Schwinde" verdeutlicht werden. Südwestlich des Steinbruchs "Wolfskuhle" zweigt wenig oberhalb des Teiches ein Stichweg von dem ehemaligen Bahndamm ab, der auf einer Ackerfläche endet und in Form einer Feintrassierung unter der bestehenden Nutzungsentflechtung bis an den Abhang oberhalb der Schwinde herangeführt werden sollte. Aufgrund der Unterbrechung der Ausgestaltung des KWW wurde dieser Stichweg bis heute nicht ausgebaut (mündliche Mitteilung, VLADI, 1999). Eine Erläuterungstafel zur "Schwinde Steingraben" befindet sich deshalb bereits an der Abzweigung vom Bahndamm.

Ein Bezug zu der Karsterscheinung besteht dadurch allerdings nicht, da die Schwinde von diesem Punkte aus nicht sichtbar ist. Die Verdeutlichung der umweltpädagogischen Bedeutung einer Schwinde und der damit beabsichtigte Lehreffekt in Hinblick auf eine notwendige Sensibilisierung des jeweiligen Betrachters, etwa für den Grundwasserschutz in einer Karstlandschaft, kann somit nicht realisiert werden. Da sich Schwinden an Verwerfungen bzw. geologischen Schichtwechseln befinden, versickern die Oberflächenwässer infolgedessen auf direktem Wege ins Grundwasser, wodurch dieses von unreinem, mit Schadstoffen, Dünger, usw. belastetem Wasser verschmutzt wird.

Das NSG bietet nicht nur durch den KWW, sondern auch durch seine landeskundliche und historische Situation interessante Umweltbildungsaspekte. So verläuft östlich von Osterhagen die Sprachgrenze zwischen dem thüringischen Hochdeutsch, das sich bereits in Mackenrode äußert und dem niedersächsischen Platt/Niederdeutsch in Osterhagen (mündliche Mitteilung VLADI, 1999).

Während des zweiten Weltkrieges befand sich östlich von Osterhagen das KZ-Außenlagers Osterhagen. Erst vor kurzem wurde hier in Anwesenheit einiger letzter überlebender ehemaliger Häftlinge ein Gedenkstein durch die ArGe Spurensuche eingeweiht. Dieser soll daran erinnern, unter welchen Umständen KZ-Häftlinge in jener Zeit den unweit gelegenen Helmetalbahndamm errichtet haben. Dieser war bereits mit Schotter und Schienen  ausgestattet, wurde aber nie in Betrieb genommen; er war als 2-spurige Umgehungsbahn Osterhagen Nordhausen eine Infrastrukturmaßnahme im Rahmen der Rüstungswirtschaft am Südharz der Jahre 1944/45.  1946 wurden die Schienen bereits wieder abgebaut. Heute sind noch vereinzelt alte Schienenschwellen im  Kirchenforst zu finden. Zwischen Osterhagen und dem Sülzensee vor Mackenrode ist der Damm recht schmal  gebaut und nur als 1-spurige Trasse vorgesehen gewesen, da das Gelände für bergauf fahrende Züge zu steil  war. Das zugehörige Berggleis war zwar bereits geplant, aber niemals realisiert worden. Es sollte in  Mackenrode beginnen und in einem großen Bogen um den Römerstein nördlich von Nüxei herum geführt werden. Eine solche Lösung wäre auch damals aus naturschutzfachlicher Sicht nicht wünschenswert gewesen. Gottlob waren aber auch die bahnbautechnischen Geländegegebenheiten durch die zahlreichen Erdfälle sehr ungünstig, so daß dieser Abschnitt stets zu Senkungsschäden am Gleis geführt hätte. Auch heute zieht sich die  Helmetalbahntrasse noch als ausgeprägter Damm durch das Naturschutzgebiet.
 

6 Bündelung oder Entflechtung?

Das NSG ist vor allem aufgrund seines abwechslungsreichen Gipskarstvorkommens und den daraus resultierenden karstmorphologischen Erscheinungen, aber auch aufgrund der hiesigen Flora und Fauna von hohem bis sehr hohem Naturschutzwert. Gleichzeitig grenzt das NSG zu allen Seiten mehr oder weniger unmittelbar an Ortschaften. Den Anwohnern kann somit ein Zutritt zu diesem und auch den umliegenden Naturschutzgebieten nicht verwehrt werden. Allein vor diesem Hintergrund ist eine Ausgrenzung des Touristen und Naturliebhabers aus der Landschaft, nicht zu realisieren und unter keinen Umständen zu empfehlen. Darüber hinaus bietet das NSG ausreichend Potenzial für die Realisierung aller drei, zunächst noch konträr erscheinenden, Bereiche Landschaftstourismus, Naturschutz sowie Umweltbildung.

Abstriche auf der einen oder anderen Seite sind in der Regel niemals und nirgendwo auszuschließen. Konflikte ergeben sich beispielsweise in Gebieten, die einerseits aufgrund ihrer optischen Attraktivität reizvoll erscheinen, andererseits aus naturschutzfachlicher Sicht aber störempfindlich und wenig belastbar sind. Dort, wo Menschen und Natur aufeinander treffen, scheinen KonfIikte zunächst also "vorprogrammiert". Diese Nutzungskonflikte lassen sich jedoch in der Regel durch sinnvolle Maßnahmen, wie beispielsweise solche zur Besucherlenkung, reduzieren bzw. gar eliminieren. Eine Kombination von Naturschutz und Tourismus erscheint somit nur auf den ersten Blick widersprüchlich. In Wirklichkeit funktioniert Naturschutz ohne den Menschen nicht und der Tourismus profitiert gleichzeitig von einer möglichst naturnahen Landschaft. Denn "Natur und Landschaft prägen nicht nur unser physisches, sondern auch unser psychisches Wohlbefinden", so KOEHLER, 1997 (S. 23). Gerade vor diesem Hintergrund kommt der angesprochenen Notwendigkeit eines möglichst schnell zu optimierenden Wegenetzes in Verbindung mit einem geeigneten / durchdachten Tourismuskonzept, in welchen alle drei Herausforderungen "(Unweltbildung, Landschaftstourismus und Naturschutz) so aufeinander abzustimmen sind, dass sie nebeneinander bzw. miteinander existieren können, große Bedeutung zu.

So ist der aufgelassene Bahndamm nach geltendem Recht in Teilbereichen bereits als Karstwanderweg ausgewiesen. Da er abschnittsweise allerdings durch "verwildertes" Buschwerk unzugänglich ist, besteht in diesen Bereichen ein Konflikt aus naturschutzfachlichen Aspekten. Dieser "Wildbewuchs" dient zahlreichen Kleintieren als Unterschlupf, die durch den Menschen unter Umständen in ihren Verhaltensweisen gestört und beeinträchtigt würden. Aufgrund seiner bestehenden Funktion als Karstwanderweg ist ein weiterer Rückbau jedoch nicht anzustreben. Vielmehr sollte hier - insbesondere aus Umweltbildungsaspekten - ein Kompromiß mit der Natur dahingehend vollzogen werden, dass die bisher als Wege ausgewiesenen und begehbaren Abschnitte gänzlich zugänglich gemacht und gegebenenfalls ausgebaut werden. Dadurch wird zugleich verhindert, daß der Wanderer eventuell dazu verleitet wird, sich eigene Pfade durch das Gebiet zu bahnen. Dahingehende Überlegungen, auch bezüglich eines regionalen Radwanderweges (Harzrundweg), werden seitens des Landkreises Osterode gegenwärtig in die Planungen einbezogen. Nach den Vorstellungen der Oberen Naturschutzbehörde in Braunschweig soll der ehemalige Bahndamm allerdings nur auf einem Abschnitt südlich der Bogenbrücke im nördlichen Kirchenforst Osterhagen bis zur Nüxeier Trifft im Staatsforst Lauterberg aus wassergebundener Weg ausgebaut werden. Ein weitreichenderer Ausbau, wie ihn andere Stimmen (ArGe Spurensuche, das Euro-Comittee Buchenwald - Dora und die regionalen Fremdenverkehrsinteressen) begrüßen würden, beispielsweise bis an die Landesgrenze zu Thüringen, ist Gegenstand späterer Ausbauplanungen. Überlebende der damaligen Außenlager würden eine derartige Nutzung des Helmetal-Bahndammes insbesondere vor dem Hintergrund begrüßen, die Anstrengungen und den Blutzoll ansatzweise zu rechtfertigen (mündliche Mitteilungen, VLADI, 2000).

Desweiteren kann durch die geltende NSG-Verordnung der Ausweisung bestimmter, verstärkt schutzbedürftiger Karsterscheinungen und Biotope als Schonzonen, insbesondere wenn sie in sichtbarer Entfernung zu einem Weg liegen, Kraft verliehen werden. Durch das absolute Wegegebot ist so zum Beispiel die Erkundung des Naturdenkmals "Weingartenloch", südlich des Osterhagener Erdfallfeldes, samt seiner Höhle nicht möglich. Da kein offizieller und im Gelände erkennbarer Weg zu dieser Karsterscheinung führt, ist ein Betreten des geschützten Erdfallkomplexes und eine (un)gewollte Beeinträchtigung bzw. Zerstörung einzelner Pflanzen und Felsen, aus rechtlicher und naturschutzfachlicher Sicht, untersagt.

Ich bin der Ansicht, dass der Erfolg bzgl. die Einhaltung von Ver- bzw. Geboten zweifelsohne von der Art und Weise ihrer Übermittlung abhängig ist. So sollte man sich beispielsweise die Frage stellen, ob der Erholungssuchende auf seinem Weg immer wieder mit Verboten konfrontiert werden oder aber ihm etwa durch entsprechende Informationstafeln der Grund einer Schutzbedürftigkeit dieser oder jener Fläche verständlich gemacht werden sollte. Eventuell könnte ihm darüber hinaus die Möglichkeit einer kurzen Rast durch eine aufgestellte Sitzbank mit einer landschaftlich reizvollen Aussicht geboten werden. Es ist zu bezweifeln, dass sich der Erholungssuchende dann weiterhin den Gebotstafeln widersetzt und das Gelände auf seine Art und Weise erkunden wird. Ganz auszuschließen ist dies selbstverständlich nicht, doch wird die Zahl derer, die der Natur wenig respektvoll begegnen, mit Sicherheit geringer sein.
 

7 Schlussfolgerung

Wie obenstehend aufgezeigt werden konnte, lassen sich Umweltbildung, Landschaftstourismus und Naturschutz nebeneinander verwirklichen. Im Naturschutzgebiet "Steingrabental-Mackenröder Wald" bietet sich unter vorrangiger Beachtung der Naturschutzbelange eine Nutzung zu Erholungszwecken an. Aufgrund der naturräumlichen, wie auch kulturhistorischen Gegebenheiten ist ein Einbeziehen von Umweltbildungsaspekten in die touristische Nutzung ohne weiteres möglich und zu empfehlen.

Als unbestreitbar ist anzusehen, dass die Akzeptanz von Einschränkungen in der anthropogenen Nutzung am ehesten zu erreichen ist, wenn dem Menschen die dahinterstehenden Gründe plausibilisiert werden. Ihn kategorisch durch das Aussprechen von Verboten "auszuschließen", würde diesem Zweck dagegen wenig dienlich sein. Die Einrichtung der beiden Karstwanderwege im Südharz trägt diesen umweltpädagogischen Belangen Rechnung. Hier wird versucht, den Menschen die Einzigartigkeiten der Gipskarstlandschaft näher zu bringen und sie begreifen zu lehren, um so das Verständnis für die Schutzbedürftigkeit der Landschaftsräume zu fördern. Insgesamt gilt es, nach vertretbaren Kompromissen zwischen Naturschutzfragen und Erholungs- bzw. Umweltbildungsaspekten zu suchen. Naturschutz kann nur dann langfristig erfolgreich ausgeübt werden, wenn er mit und nicht gegen den Erholungssuchenden, der das Naturschutzgebiet auf grund seiner naturräumlichen Landschaftsästhetik und Vielfalt aufsucht, betrieben wird.
 

8 Literaturverzeichnis

ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR KARSTKUNDE IN NIEDERSACHSEN E.V. (1990): Biosphärenreservat Südharz. 28 S., Osterode / Uftrungen

BECKER, Ch., JOB, H., WITZEL, A. (1996): Tourismus und nachhaltige Entwicklung - Grundlagen und praktische Ansätze für den mitteleuropäischen Raum, 184 S., Darmstadt

BERND, Th., SCHLICHT, R., SCHLIMME, H., VLADI, F. (1994): Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung. Projekt: Gipskarstlandschaft Hainholz, Niedersachsen., Natur und Landschaft, Jg. 69, H. 7/8, S. 337-342.

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